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Veröffentlicht am 22.11.2020

Ein rundum stimmiger Regionalkrimi

Die Tote in der Gracht
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Im Jahr 1997 fand in der niederländischen Provinz Friesland der letzte Elfstedentocht statt. Ein einzigartiges und enorm hartes Langstreckenrennen im Eisschnelllauf, das über 200 Kilometer Natureis in ...

Im Jahr 1997 fand in der niederländischen Provinz Friesland der letzte Elfstedentocht statt. Ein einzigartiges und enorm hartes Langstreckenrennen im Eisschnelllauf, das über 200 Kilometer Natureis in den Grachten führt. Nun nach einer Reihe viel zu milden Wintern ist es endlich wieder soweit, dass die Temperaturen fallen und das Eis in den Grachten gefriert. Vorbereitungen werden getroffen, ein Planungskomitee ins Leben gerufen und Schwachstellen mit viel Technik aufgepeppt. Doch bevor die notwendige Eisstärke erreicht werden kann, stürzt eine junge Reporterin von einer Brücke in den Tod. Kommissarin Griet Gerritsen und ihr Team gehen dem vermeintlichen Unfall nach und bald steht fest, dass Jessica Jonker vergiftet worden ist. Aber was wusste die Reporterin, das so verhängnisvoll war, dass man ihr das Leben nahm?

„Die Tote in der Gracht“ ist nach „Mord auf Vlieland“ der zweite Fall für Commissaris Griet Gerritsen, die 12 Monate zuvor von Euopol in Rotterdam nach Leenwarden versetzt worden ist. Hier kümmert sie sich gemeinsam mit ihrem Kollegen Pieter de Vries um die Aufklärung von Cold Cases und ist erstaunt, als sie von ihrem Chef Wim Wouters zu einem tödlichen Unfall gerufen wird. Kaum am Ort des Geschehens angekommen, wittert sie schnell ein Verbrechen und stellt akribische Ermittlungen an. Ein Umstand, der vielen nicht gefällt, vor allem, weil Griet Gerritsen auf einige Ungereimtheiten stößt, die mit dem letzten Elfstedentocht im Jahr 1997 zusammenhängen. Bis es aber einen Verdächtigen gibt und der Mord an der Reporterin aufgeklärt werden kann, dauert es einige Zeit. In dieser lernt der Leser die im Norden gelegene Provinz besser kennen, erfährt, was für ein Menschenschlag dort wohnt und welche Vorlieben ihm zu eigen sind.

Ein Rückblick in das Jahr 1997, als ebendieser Elfstedentocht tatsächlich stattgefunden hat und fiktive Geschehnisse in Gegenwart und Vergangenheit werden in diesem Krimi von Jan Jacobs geschickt miteinander verwebt. Hinzu kommen ein undurchsichtiges Verbrechen, eine ordentliche Portion Lokalkolorit und passende Figuren und lassen einen spannenden Kriminalfall erleben, der wunderbar atmosphärisch und bestens zum Mitraten geeignet ist. Denn während der Leser aus der Sicht der verantwortlichen Kommissarin Griet Gerritsen notwendige Informationen über die Ermittlungen erhält, beobachtet er gleichzeitig, was alle Beteiligten rund um das medienträchtige Langstreckenrennen tun. Darüber hinaus erhält er einen Einblick in das Privatleben der Kommissarin und erfährt, warum Griet in den Norden gegangen ist und wie zwiegespalten ihr Verhältnis zu ihrer Tochter Fenja und Ihrem Ex-Mann Fleming ist.

Fazit und Bewertung:
Ein rundum stimmiger Regionalkrimi, der neben der Klärung eines Verbrechens vor allem von den Eigenarten der Menschen im niederländischen Leenwarden lebt und dem Leser den nationalen Mythos der „Elf-Städte-Tour“ mit vielen interessanten Einblicken und Fakten nahebringt.

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Veröffentlicht am 26.10.2020

Humorvolle Familiengeschichten

Rotkäppchen raucht auf dem Balkon
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Den Rechner abstürzen zu lassen, damit die Großmutter Besuch von den Enkeln bekommt, ist laut Wladimir Kaminer eine wunderbare Idee. Damit kennt sich die Jugend aus und schon bald schnell herbei, um der ...

Den Rechner abstürzen zu lassen, damit die Großmutter Besuch von den Enkeln bekommt, ist laut Wladimir Kaminer eine wunderbare Idee. Damit kennt sich die Jugend aus und schon bald schnell herbei, um der mit diesen Dingen überforderte Generation hilfreich zur Seite zu stehen. Auch ihr altes Handy opfern sie gern, damit die Großmutter endlich mit ihren Freundinnen kommunizieren kann. Dass sie damit ihren Vater zum Elternteil seiner eigenen Mutter machen, haben sie zu keiner Zeit geahnt. Denn die einst aktivierte Kindersicherung fragt nun regelmäßig bei ihm an, ob die Großmutter ein neu entdecktes Spiel spielen darf. Ein amüsanter Nebeneffekt, wenn das einst vergebene Passwort vergessen ist und die Großmutter eine neue Welt für sich entdeckt.

Geschichten aus dem Familienleben, wie sie nur ein schalkhafter Mensch ausschmücken kann, werden hier von dem bekannten russischen Autor präsentiert. Ein Augenzwinkern ist immer dabei, wie auch seine Mutter, seine Tochter und sein Sohn. Nur Olga als seine Ehefrau macht sich rar und schickt mit Vorliebe den Kater Fjodor Dostojewski vor. Das von allen geliebte Familienmitglied hat nur einen Makel. Es erleichtert sich mit steter Regelmäßigkeit in jeden neuen Schuh, wobei er die limitierten Sneakers eines amerikanischen Rappers nicht mit seinen Hinterlassenschaften markiert. Woran das wohl liegen mag?

Es ist immer wieder erstaunlich, wie oft sich der Leser in den kleinen Alltagsgeschichten von Wladimir Kaminer entdeckt. Sei es bei der automatischen Texterkennung von Smartphones, die aus Google einen Gockel machen oder bei der Begeisterung für fleischfressende Pflanzen, deren Fütterung gerne merkwürdige Züge annimmt. Auch Heidi Klump als die böse Stiefmutter der deutschen Version von Aschenputtel schaut er gerne und wettert trotzdem über das dort präsentierte Schönheitsideal. Sie lassen sich eben gut lesen, die kleinen Familiengeschichten aus russisch-deutscher Sicht, die mit großen Katastrophen und minder großen Dramen in Erscheinung treten und kritisch beäugt eine interessante Denkweise präsentieren.

Fazit und Bewertung:
Mit viel Humor und guter Beobachtungsgabe erzählt Wladimir Kaminer Episoden aus seinem Familienleben, in dem drei Generationen aufeinandertreffen und jeder für sich gesehen liebenswert und merkwürdig ist.

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Veröffentlicht am 10.10.2020

Ein atmosphärischer und unter die Haut gehender Thriller

INSEL
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Die vier Freunde Benedikt, Alexandra, Klara und Drag haben sich seit dem Tod ihres fünften Cliquenmitgliedes nicht mehr gesehen. Jeder ist seinen eigenen Weg gegangen, hat eine Familie gegründet, Karriere ...

Die vier Freunde Benedikt, Alexandra, Klara und Drag haben sich seit dem Tod ihres fünften Cliquenmitgliedes nicht mehr gesehen. Jeder ist seinen eigenen Weg gegangen, hat eine Familie gegründet, Karriere gemacht oder einfach nur ein ruhiges Leben geführt. Nun aber jährt sich der verhängnisvolle Tag zum zehnten Mal und sie finden sich erneut zusammen, um bei einem Wochenendausflug in alten Erinnerungen zu schwelgen. Doch die einsame Insel wird zur Todesfalle für einen von ihnen und nur drei der Freund kehren wieder nach Hause zurück. Ein Fall, den die isländische Kommissarin Hulda Hermannsdóttir übernimmt und schon bald tief in die Vergangenheit eintauchen muss.

„Insel“ ist der zweite Band der Hulda-Trilogie, dessen Ereignisse zehn Jahre vor dem ersten Band und Huldas letztem Fall angesiedelt sind. Die Kommissarin ist in diesem fast 50 Jahre alt, wurde bei Beförderungen stets übergangen und lebt nach dem frühen Tod ihrer Tochter Dimma und ihres Mannes Jón allein. Ihre Schuldgefühle hat sie im Griff, ihre Tage sind mit Arbeit ausgefüllt, nur die Suche nach ihrem Vater beschäftigt sie noch. Aber bevor sie dem nachgehen kann, begibt sie sich auf eine entlegene Insel, wo ein unklarer Todesfall untersucht werden muss. Gewohnt eigensinnig geht Hulda dabei vor und stößt schon bald auf alte Geheimnisse und ein Komplott, das ungeheuerlich ist.

In mehreren Zeitebenen angesiedelt, wird die Handlung aus der Sicht verschiedener Personen heraus geschildert. Zum einen begleitet der Leser im Jahr 1987 eine junge Frau, die sich zum Stelldichein mit ihrem Geliebten in einer abgelegenen Hütte trifft. Zum anderen wird über ein Wochenendtrip erzählt, der 10 Jahre danach tödlich endet und die Kriminalpolizei Ermittlungen anstellen lässt. Und dann gibt es da noch Huldas Reise in die USA, wo sie ihren Vater zu finden hofft. Ein gut konstruierter und packend erzählter Plot, in dem sich Ragnar Jónasson nicht sträubt auch mal in die Tiefe zu gehen und haarklein über Gedanken, Gefühle und Handlungsweisen zu berichten. Dadurch wirken die Figuren sehr real, ihre Handlungen sind gut nachzuvollziehen und die ablaufenden Geschehnisse werden ins rechte Licht gerückt.

Fazit und Bewertung:
Ein wunderbar atmosphärischer und unter die Haut gehender Thriller, der ungeschönt in menschliche Abgründe blicken lässt und einen wichtigen Zeitausschnitt aus Hulda Hermannsdóttirs Leben beleuchtet.

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Veröffentlicht am 02.10.2020

Ein atmosphärischer und düsterer Thriller

Der Schattenmörder
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Blutige Handabdrücke überall, an der Wand, auf dem Fußboden und den Kartons. Paul Adams, der nach 25 Jahren Abwesenheit das Haus seiner im Sterben liegenden Mutter betritt, ist geschockt. Was ist hier ...

Blutige Handabdrücke überall, an der Wand, auf dem Fußboden und den Kartons. Paul Adams, der nach 25 Jahren Abwesenheit das Haus seiner im Sterben liegenden Mutter betritt, ist geschockt. Was ist hier nur geschehen und wer ist verantwortlich dafür, dass der Dachboden des Hauses so zugerichtet worden ist? Eine Erklärung findet er nicht. Dafür taucht er noch einmal in die schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit ein, in eine Zeit, als seine Freundin Jenny ermordet wurde und sein Freund Charlie spurlos verschwand. Und plötzlich glaubt Paul beobachtet zu werden. Jemand folgt ihm in der Stadt und er ist sich nicht sicher, ob es vielleicht Jennys Mörder ist.

„Der Schattenmörder“ ist nach „Der Kinderflüsterer“ der zweite Thriller des britischen Autors Alex Nord, der mit einer beklemmenden Geschichte über luzide Träume und jugendliche Straftäter fesselnd unterhält. Dabei ist es vor allem das Zusammenspiel von Machtausübung und Manipulation, das die Handlung bestimmt und in der kleinen Stadt Gritten zu schrecklichen Ereignissen und vielen durchlebten Traumata führt. Kein Wunder also, dass Paul Adams im jugendlichen Alter das Haus seiner Mutter verlassen hat und nur zurückgekehrt ist, um sie noch einmal zu sehen. Doch nicht nur sein Leben wurde von dunklen Mächten und subtiler Gewalt geprägt. Auch das seiner Mitschüler, ihrer Eltern und weiterer Bürger der Stadt änderte sich und ließ gravierende Spuren zurück.

Das undurchsichtige Geschehen, das mit vielen Gruselmomenten, Panikattacken und Merkwürdigkeiten versehen worden ist, wird in mehreren Handlungssträngen und verschiedenen Zeitebenen erzählt. Leider aber dauert es viel zu lange, bis die Handlung an Kontur gewinnt und das ganze Ausmaß der in ihr steckenden Tragödie offenbart. Bis dahin wird der Hörer durch eine Atmosphäre gefesselt, die düster und surreal Erscheinung tritt und durch das seltsame Verhalten einer Gruppe von Jugendlichen, die in beängstigendem Ausmaß mit Traumdeutungen experimentieren. Ein stellenweise verstörender Thriller, der von Stefan Kaminski ausdrucksvoll gelesen wird und viel Aufmerksamkeit für seine verschachtelte Handlung verlangt.

Fazit und Bewertung:
Ein atmosphärischer und düsterer Thriller, der anfänglich mit seinem Handlungsaufbau verwirrt, später aber ungemein fesselnd ist.

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Veröffentlicht am 04.09.2020

Ein subtiler Psychothriller, der menschliche Verhaltensweisen an den Pranger stellt

Die Nachbarin
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Die Journalistin Lexie hat ihren Job in einer Zeitungsredaktion an den Nagel gehängt, um mehr Zeit für ihren größten Wunsches zu haben. Denn sie hofft, bald schwanger zu werden und ihr Freund Tom unterstützt ...

Die Journalistin Lexie hat ihren Job in einer Zeitungsredaktion an den Nagel gehängt, um mehr Zeit für ihren größten Wunsches zu haben. Denn sie hofft, bald schwanger zu werden und ihr Freund Tom unterstützt sie dabei. Doch egal, wie sehr sie sich auch bemühen. Es klappt es einfach nicht. Dafür aber hört Lexie nun jeden Tag, wie ihre erfolgreiche Nachbarin Harriet ein Musicalsong nach dem anderen komponiert. Wie sie wilde Partys feiert und ein Leben führt, das beneidenswert ist. Eine prekäre Situation. Denn Harriet wiederum ist eifersüchtig auf die Lexie, weil diese mit Tom einen Partner hat, der perfekt und begehrenswert ist. Vom einstigen Verlobten verlassen, stellt sich Harriet vor, wie es wäre, mit dem Mann ihrer Nachbarin glücklich zu sein.

„Die Nachbarin“ ist ein subtiler Psychothriller, dessen Geschichte sich ganz allmählich entspinnt und der seinen Leser, wie ein Voyeur in die intimsten Momente zweier völlig unterschiedlicher Frauen blicken lässt. So taucht der Leser zum einen tief in das Leben von Lexie ein, die sich plötzlich nur noch auf ihren Wunsch, ein Baby zu bekommen reduziert und dabei nicht merkt, wie unzufrieden und misstrauisch sie dadurch wird. Zum anderen lernt er Harriet kennen, die durch eine unschöne Trennung die Bodenhaftung verloren hat und Zuflucht in Alkohol und unerfüllten Tagträumen sucht. Kein Wunder also, dass jede die andere neidvoll beäugt und sich wünscht, genauso glücklich wie sie zu sein.

Der auf unterschiedlichen Wahrnehmungen beruhende Thriller wird abwechselnd aus der Sicht beider Nachbarinnen erzählt, die in ihren Bemühungen der anderen näher zu kommen, nicht gerade zimperlich sind. Da wird gnadenlos gelauscht, Social Media Accounts werden ausspioniert und unschöne E-Mails geschrieben. Aber auch Wohnungsschlüssel werden gestohlen, belastende Gegenstände deponiert und falsche Tatsachen geschaffen. Deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die von Eifersucht und Missgunst beherrschte Lage in einer nicht aufzuhaltenden Katastrophe entlädt. Dabei bleibt die Spannung leider auf der Strecke, da umfangreiche Einblicke in die Gedankenwelt beider Frauen und das Schmieden fieser Pläne nicht gerade nervenaufreibend sind. Doch der Unterhaltungswert und die Neugier des Lesers werden bestens bedient. Denn bis zum Schluss lauert und spekuliert er mit, weil er unbedingt wissen will, was noch alles geschieht und wie die Geschichte der stalkenden Nachbarinnen ausgehen wird.

Fazit und Bewertung:
„Die Nachbarin“ ist ein gelungener Blick in das Leben von Menschen, die sich zu sehr auf andere fixieren und dabei nicht merken, wie manipulierbar sie sind. Ein kurzweiliger Thriller, der menschliche Verhaltensweisen an den Pranger stellt und mit einer undurchsichtigen Geschichte gut zu unterhalten versteht.

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