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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.12.2020

Solides Kinderbuch mit schöner Botschaft, aber etwas ungünstig gewähltem Reimschema!

Zusammen sind wir nie allein
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Inhalt

Dieses Buch erzählt, wie verschiedene Tiermütter mit ihren Kindern (Hase, Wolf, Vogel, Maus) den kalten, grauen Winter verbringen.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Altersempfehlung: ...

Inhalt

Dieses Buch erzählt, wie verschiedene Tiermütter mit ihren Kindern (Hase, Wolf, Vogel, Maus) den kalten, grauen Winter verbringen.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Altersempfehlung: 4+
Erzählweise: Ich-Erzähler, Wir-Erzähler, Gedichtform
Tiere im Buch: + Im Buch werden keine Tiere verletzt oder getötet. Hasen werden allerdings von Wölfen gejagt und dieser Kampf ums Überleben schwingt schon mit.
Triggerwarnung: -

Warum dieses Buch?

Der Titel und das Cover haben mir auf Anhieb gefallen, deshalb wollte ich mir dieses Kinderbuch nicht entgehen lassen. Ich bin ja immer auf der Suche nach empfehlenswerten Geschichten für die zukünftigen Kinder in meinem Leben.

Meine Meinung

Schreibstil (3 Lilien)

„Zusammen sind wir nie allein“ ist interessanterweise nicht in Prosa, sondern in Gedichtform verfasst. Das einfache Vokabular ist dabei für die Zielgruppe (ab 4 Jahre) sehr gut verständlich. Generell mag ich gereimte Kinderbücher sehr gern, da dieses Spielerische, Lyrische Kindern normalerweise gefällt und sie sich so die Geschichte auch leichter einprägen können.

Hier ist jedoch das Reimschema ungünstig gewählt. Manche Zeilen bleiben nämlich ungereimt, und der zum ersten Vers passende Reim kommt immer erst am Schluss, was für die Zielgruppe meiner Meinung nach zu spät ist. Die Verbindung kann dann wahrscheinlich nicht mehr so leicht geknüpft werden. Aufgrund des Reimschemas wirkt der Text auch holprig beim Vorlesen. Hier wurde leider Potential verschenkt.

Geschichte / Inhalt (4 Lilien)

„‘Der Wind wird kalt, die Tage grau.
Drum bau‘n wir uns ein warmes Nest.
Regendicht und winterfest.‘
‚Aus Moos und Stroh?‘
‚Genau.‘“ Seite 7

An der Oberfläche behandelt dieses Kinderbuch, wie verschiedene Tierarten den Winter verbringen. Dabei entspricht nicht immer alles den Fakten (Wölfe z. B. bekommen ihre Jungen im Frühling und nicht im Winter/Herbst), daher sollte das Buch weniger als reines Sachbuch und mehr als Mischung aus Geschichte, Poesie und Sachbuch gesehen werden. Auf einer tieferen Ebene geht es aber auch um Geborgenheit und darum, dass Kinder nie allein sind, sondern dass sie immer von ihren Eltern beschützt werden. Diese Botschaft hat mir sehr gut gefallen!

Für das empfohlene Alter (4+) ist das Kinderbuch meiner Meinung nach gut geeignet – auch wenn die Schilderungen der Angst und des Überlebenskampfes (unter anderem gibt es einen Perspektivwechsel vom Hasen, der gejagt wird, zum Wolf, der ihn jagt) sensible Kinder überfordern oder traurig machen könnten. Hier ist es wichtig, mit dem Kind über seine Gefühle zu sprechen und zu erklären, warum sowohl der Hase als auch der Wolf eine wichtige Funktion in der Natur haben. „Zusammen sind wir nie allein“ endet schließlich positiv und hoffnungsvoll mit dem anbrechenden Frühling, was ich schön finde.

Figuren (4 Lilien)

Die kleinen Tierkinder und ihre Mütter sind niedlich anzusehen, aber bleiben aufgrund ihrer kleinen Rolle etwas farblos, was hier aber nicht wirklich stört. Loben möchte ich, dass auch Fleischfresser wie der Wolf erfrischenderweise nicht verteufelt werden.

Illustrationen (3,5 Lilien)

Die Wasserfarben-Illustrationen haben mir nicht durchgehend gleich gut gefallen. Manche (wie zum Beispiel die mit den Mäusen), fand ich zauberhaft und schön, andere (wie zum Beispiel die Jagd der Wölfe) etwas leer und nichtssagend.

Geschlechterrollen (3 Lilien)

Wie es im Tierreich üblich ist, kümmern sich hier nur die Mütter um ihren Nachwuchs. Um veralteten Geschlechterrollen entgegenzuwirken, kann man erklären, dass das bei Menschen anders ist oder man kann gezielt auch andere Bücher vorlesen, in denen auch Väter eine Rolle bei der Kinderbetreuung und -erziehung spielen.

Mein Fazit

„Zusammen sind wir nie allein“ ist ein solides Kinderbuch mit schöner Botschaft, aber auch kleineren Schwächen beim Schreibstil (ungünstiges Reimschema) und bei den Illustrationen (manche wirken etwas leer und nichtssagend). Für das empfohlene Alter (4+) ist das Buch meiner Meinung nach geeignet. Umgehauen hat es mich zwar nicht, aber es hat mir insgesamt doch gut gefallen. Daher gibt es von mir 4 Lilien und eine Leseempfehlung!

Bewertung

Idee: 4 Lilien
Geschichte / Inhalt: 4 Lilien
Ausführung: 4 Lilien
Schreibstil: 3 Lilien
Figuren: 4 Lilien
Illustrationen: 3,5 Lilien
Rollenbilder: 3 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch erhält von mir knappe vier Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.11.2020

Hoch spannende, rasante Dystopie, die perfekt für die Zielgruppe (12+) geeignet ist!

New Earth Project
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Das Jahr 2125: Die Reichen genießen ihr Leben in luxuriösen Kuppeln, die Armen kämpfen in den überfluteten Wasser-Quartieren täglich ums Überleben. Isis‘ Familie hat ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Das Jahr 2125: Die Reichen genießen ihr Leben in luxuriösen Kuppeln, die Armen kämpfen in den überfluteten Wasser-Quartieren täglich ums Überleben. Isis‘ Familie hat großes Glück: Sie gewinnt bei der Lotterie des New Earth Project und darf zur „Neuen Erde“ reisen, um dort ein besseres Leben zu beginnen. Aber ist das New Earth Project wirklich das, was es zu sein vorgibt?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzähler & figuraler Erzähler, Präteritum und Präsens
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: kurz
Tiere im Buch: + Es werden Tiere (z. B. Ratten) gegessen, aber es wird nicht beschrieben, wie ein Tier verletzt, gequält oder getötet wird.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Rape Culture (Androhung von Vergewaltigung), Prostitution, Gewalt;

Warum dieses Buch?

Hier hat mich der Klappentext neugierig gemacht, denn als angehende Lehrerin bin ich immer auf der Suche nach empfehlenswerten Jugendbüchern. Zudem hat das Buch den deutsch-französischen Jugendliteraturpreis erhalten.

Meine Meinung

Einstieg (5 Lilien)

„Die Erde hatte ihre Grenzen erreicht. Klimaerwärmung, Umweltverschmutzung und vor allem die Überbevölkerung bedrohten das empfindliche Gleichgewicht, das die Natur über Jahrmillionen hinweg geschaffen hatte.“ E-Book, Position 36

Der Einstieg in die Geschichte ist mir sehr leichtgefallen. Schon das erste Kapitel macht Lust auf mehr!

Schreibstil (5 Lilien ♥)

Den Schreibstil von David Moitet fand ich wirklich sehr angenehm. Man fliegt förmlich durch das Buch, weil es sich so einfach (aber auch nicht ZU einfach), schnell und mühelos liest. Aus diesem Grund ist dieses Buch meiner Meinung nach perfekt für das junge Zielpublikum (ab 12 Jahren) geeignet.

Idee, Ausführung & Themen (4 Lilien)

„‘Nehmen Sie an der großen Glückslotterie teil! Seien Sie einer der 200.000 Amerikanerinnen und Amerikaner, die diese Woche ihr Ticket nach New Earth gewinnen.‘“ E-Book, Position 168

Dieses Buch ist wie… ein YoutuberInnen-Fantreffen – für die Kids der Hammer, die erwachsenen Begleitpersonen amüsieren sich eher so mittelprächtig.

Zuallererst: Positiv finde ich, dass es sich hier um eine bereits nach einem Band abgeschlossene Dystopie handelt. Es ist erfrischend, dass sich die Geschichte einmal nicht über mehrere Bände zieht und mit dem traditionellen Cliffhanger endet.

Bei jungen LeserInnen ab 12 Jahren dürfte „New Earth Project“ für großen Lesespaß sorgen. Es ist vor allem in der zweiten Hälfte temporeich und hoch spannend. Von der Grundstimmung her hat es mich stellenweise leicht an „Die Tribute von Panem“ erinnert – eine meiner absoluten Lieblingsdystopien. Thematisch stehen die Folgen des Klimawandels und der Überbevölkerung (extremer Smog, Umweltverschmutzung, knappe Ressourcen, Überflutungen, Armut), aber auch die Schere zwischen Arm und Reich, Familie, Liebe, Erwachsenwerden, Verantwortung und moralische Fragen im Vordergrund. Auch der Kampf um Bildung nimmt eine zentrale Rolle ein, was dazu führen könnte, dass SchülerInnen den Schulbesuch nach der Lektüre wieder mehr zu schätzen wissen. Manche Aspekte (leider nicht alle) werden dabei auch durchaus tiefgründig behandelt.

Aufgrund der vielen Wendungen, der kurzen Kapitel, der spannenden Geschichte und der erschreckenden Enthüllungen ist dieses Buch ein echtes Lese-Abenteuer und ich traue es ihm zu, auch Lesemuffel „bei der Stange halten“ und begeistern zu können. Deshalb gibt es von mir gerade für Jugendliche, die wenig / ungern lesen, eine große Empfehlung! Bedacht sollte jedoch werden, dass das Buch teilweise sehr brutal und beklemmend ist und dass es auch im Detail beschreibt, wie Menschen ihr Leben verlieren. Für sensible Kinder/Jugendliche könnte hier die Altersempfehlung daher zu niedrig angesetzt sein. Eltern würde ich empfehlen, das Buch nach der Lektüre auf jeden Fall mit ihrem Nachwuchs zu besprechen.

Erwachsenen hingegen kann ich diese Science-Fiction-Dystopie nur bedingt empfehlen (eventuell noch als gemeinsame Lektüre mit dem Kind), da erfahreneren LeserInnen hier Tiefe fehlen wird. Vieles wird leider zu schnell abgehandelt. Zudem ist die Geschichte vorhersehbar, wenn man schon viele Dystopien gelesen (und damit ein gewisses Grundmisstrauen entwickelt) hat. Gestört haben mich auch das (vor allem am Anfang) exzessive Infodumping, die teilweise kitschigen, pathetischen Szenen, die sich für meinen Geschmack viel zu schnell entwickelnde Liebesgeschichte (da kam kein Kribbeln auf!) und manch unglaubwürdige Szene. Der gegenseitigen Besuch der armen und reichen Kinder in den Kuppeln und Wasser-Quartieren zum Beispiel wäre so meiner Meinung nach in dieser Welt nicht durchführbar gewesen. Meine Kritikpunkte taten meinem Lesespaß jedoch keinen Abbruch – ich fühlte mich einige Stunden von diesem Jugendbuch sehr gut unterhalten! Deshalb (und weil ich finde, dass das Buch für das eigentliche Zielpublikum sehr gut geeignet ist) ziehe ich nur eine Lilie dafür ab.

ProtagonistInnen & Figuren (4 Lilien & 3 Lilien)

„Die Grauen, so nennen uns die Unantastbaren. Wegen der Farbe unserer Uniformen, aber nicht nur. Es ist auch die Farbe der Welt, in der wir leben. Der Smog ist überall, legt sich auf die Gebäude, die Straßen, sogar auf die Menschen.“ E-Book, Position 256

Ich mochte sowohl Isis als auch Orion. Beide ProtagonistInnen sind gut ausgearbeitet, machen eine glaubwürdige Entwicklung durch und sind sympathisch. Mädchen finden hier eine starke weibliche Heldin vor, die Vorbildwirkung hat, was ich super finde. Trotzdem hätten beide meiner Meinung nach noch etwas mehr Farbe und Persönlichkeit vertragen können.

Die meisten Nebenfiguren haben im Buch nur eine ganz kleine Rolle. Manche von ihnen sind sehr gut gelungen (Flynn, die Eltern), andere wiederum bleiben blass bis klischeehaft (Miranda, Orions Vater), was ich schade finde. Allerdings bleibt bei den wenigen Seiten wohl einfach nicht genügend Zeit und Platz, auch die Nebenfiguren gut auszuarbeiten.

Spannung (5 Lilien ♥) & Atmosphäre (4 Lilien)

„Aber der Smog ist so dicht, dass man die Tageszeit nicht anhand der Sonne bestimmen kann. Man weiß nur, dass sie da ist, weil man vor Hitze fast erstickt.“ E-Book, Position 89

Das Buch beginnt etwas gemächlich, indem es uns erst einmal langsam in die zukünftige Welt einführt. Etwa ab der Hälfte wird es dann aber atemlos spannend, sodass ich das „New Earth Project“ (obwohl ich die meisten Wendungen schon erahnt habe) nicht mehr weglegen konnte! Diese Hochspannung ist ganz klar die größte Stärke des Buches.

Auch die Atmosphäre und das Lebensgefühl in dieser Welt werden greifbar und sind gut beschrieben. In manchen Momenten hätte ich mir jedoch noch mehr Details gewünscht – aber auch so war ich insgesamt sehr zufrieden.

Feministischer Blickwinkel (4 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Miststück

Meine feministische Analyse lässt mich insgesamt zufrieden zurück. Wir haben hier eine starke, mutige weibliche Hauptfigur, keine nennenswerten frauenfeindlichen Beleidigungen und das Buch besteht auch den Bechdel-Test. Zudem gibt es in dieser Zukunft augenscheinlich keine gläserne Decke mehr, da viele Länder weibliche Staatsoberhäupter haben, was ich richtig cool finde! Lediglich die Rollenverteilung in den Elternhäusern fand ich zu klischeehaft und veraltet. Zum Beispiel arbeitet Orions Vater hart, seine Mutter hingegen ist ständig nur mit ihrem Aussehen beschäftigt. Hier gibt es also noch Luft nach oben – ansonsten bin ich aber zufrieden.

Mein Fazit

„New Earth Project“ ist eine rasante, hoch spannende Dystopie, die perfekt für ihr Zielpublikum (12+) geeignet ist. Gefallen haben mir der einfache Einstieg, der angenehme, altersadäquate Schreibstil, die atemlose, temporeiche Spannung, die aktuellen Themen, die starke weibliche Hauptfigur, die in der Zukunft nicht mehr vorhandene gläserne Decke und die erschreckenden Enthüllungen. Luft nach oben sehe ich bei der Vorhersehbarkeit, der Tiefe und bei der Ausarbeitung der Haupt- und vor allem Nebenfiguren. Gestört haben mich das Infodumping, die kitschigen, pathetischen Szenen, die sich zu schnell entwickelnde Liebesgeschichte und manch unglaubwürdige Szene. Meine Kritikpunkte taten meinem Lesespaß jedoch keinen Abbruch – ich fühlte mich einige Stunden von diesem Jugendbuch sehr gut unterhalten! Kurz: Diese Geschichte ist das perfekte Geschenk für die jugendlichen Lesemuffel in eurem Umfeld, aber Erwachsene sollten die Zielgruppe im Kopf behalten und hier nicht zu viel erwarten – dann steht einigen schönen Lesestunden in der Zukunft nichts mehr im Wege!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 5 Lilien
Ende / Auflösung: 4 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
ProtagonistInnen: 4 Lilien
Figuren: 3 Lilien
Spannung: 5 Lilien ♥
Atmosphäre: 4 Lilien
Emotionale Involviertheit: 4,5 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: mittel

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir vier Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.11.2020

Solider Thriller mit unerwarteten Wendungen und tollem Schreibstil!

Marta schläft
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Vor Jahren wurde Nadja für ein schreckliches Verbrechen verurteilt. Nach ihrer Haftentlassung wünscht sie sich Frieden und endlich ein normales Leben. Doch dann geschieht ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Vor Jahren wurde Nadja für ein schreckliches Verbrechen verurteilt. Nach ihrer Haftentlassung wünscht sie sich Frieden und endlich ein normales Leben. Doch dann geschieht ein Mord und Nadja findet sich in einem perfiden Spiel wieder. Der Einsatz: Menschenleben…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler & Ich-Erzähler, Präteritum und Präsens
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis sehr kurz
Tiere im Buch: +/- Es wird ein Hirsch gejagt und getötet. Fleisch wird gegessen. Ansonsten werden keine Tiere verletzt oder getötet.
Triggerwarnung: Tod von Tieren, Tod von Menschen, sexualisierte Gewalt, psychische Krankheiten (Panikattacken), häusliche Gewalt, Gewalt gegen Kinder, Prostitution, Vernachlässigung von Kindern;

Warum dieses Buch?

Zu diesem Buch habe ich gegriffen, weil ich im Vorfeld sehr viel Gutes über die Autorin und ihre Bücher gehört hatte. Übrigens liebe ich Thriller mit dezenten Covern, die nichts über das Grauen verraten, das sich (bestenfalls) im Inneren verbirgt.

Meine Meinung

Einstieg (4 Lilien)

„Eine Panikattacke ist Stehen am Rand einer weißen Klippe. ‚Nicht nach unten schauen‘, sage ich mir, lege den Kopf in den Nacken, versuche zu atmen.“ E-Book, Position 34

In vielen Rezensionen wurde der Einstieg als sehr schwer, zäh und verwirrend beschrieben. Auch wenn man am Beginn natürlich noch nicht versteht, wie die Erzählstränge zusammenhängen (Briefe, Tagebucheinträge, Kapitel mit Zeitangaben und Kapitel aus Nadjas Sicht), hat mich der Aufbau der Geschichte eher neugierig gemacht als verwirrt. Es hat daher auch nur ein paar Kapitel gedauert, bis ich im Buch angekommen war. Daher ist mein Tipp: Einfach mal reinlesen und schauen, ob dieser Thriller etwas für euch ist!

Schreibstil (5 Lilien ♥)

Den Schreibstil von Romy Hausmann habe ich als sehr gelungen empfunden. Die Autorin schreibt flüssig, angenehm, einfach (ohne dabei oberflächlich zu sein) und anschaulich. Auch die Gefühle und Innenwelt ihrer Figuren beschreibt sie sehr intensiv und plastisch, sodass ich besonders mit Nadja mitgefiebert habe. Ich verstehe nun die Faszination der LeserInnen für Romy Hausmanns Bücher und weiß, dass ich „Liebes Kind“ auf jeden Fall noch lesen werde!

„Im Film ihrer Eltern hatte Nelly nie mehr als eine Statistenrolle gespielt, schon als Kleinkind war sie ständig im Weg gewesen. […] Eine Weile wurde sie daher von Ort zu Ort gerückt wie ein Tischgedeck.“ E-Book, Position 116

Idee, Inhalt, Themen & Ende (4 Lilien)

„‘Hab dich. Jetzt spielen wir.‘
[…] ‚Was spielen wir?‘
‚Wir spielen Gericht.‘“ E-Book, Position 971

„Marta schläft“ scheint im Gegensatz zum gefeierten Debüt der Autorin stärker zu polarisieren, was man an den gemischten Reaktionen sehen kann. Meine Erwartungen an diesen Thriller waren daher weder sehr hoch noch niedrig. „Marta schläft“ hat meine Erwartungen weder enttäuscht noch übertroffen. Stattdessen habe ich so ziemlich genau das bekommen, was ich erwartet habe: einen soliden, handwerklich gut gemachten Thriller, der bis zum gelungenen Ende gut durchdacht ist.

Als eine Leserin, die sehr häufig zu Thrillern greift, werde ich nicht mehr oft überrascht, weil doch viele Bücher dieses Genres nach einem bestimmten Schema aufgebaut sind. Sehr geschätzt habe ich daher an „Marta schläft“, dass die Autorin unbekannte Wege einschlägt und das Buch daher oft sehr unvorhersehbar ist. Viele Wendungen und Rückblenden (wer übrigens keine Rückblenden mag, wird mit diesem Buch nicht glücklich werden!) konnten mich überraschen und auch der Moment, in dem alle Puzzleteile an ihren Platz fallen und man plötzlich die Verbindung der Handlungsstränge erkennt, hat mich auf ganzer Linie überzeugt.

Themen wie Liebe, Familie, Vernachlässigung, Gewalt, Schuld und psychische Krankheiten stehen im Mittelpunkt und werden – zumindest teilweise – tiefgründig behandelt. Insgesamt war meiner Meinung nach aber durchaus noch Luft nach oben, vollkommen mitgerissen (auch emotional) hat mich das Buch leider nicht. Kurz: „Marta schläft“ ist ein kurzweiliger Thriller, der sich in dem Moment, in dem man ihn liest, gut und überzeugend anfühlt, der mir aber wohl leider nicht allzu lange im Gedächtnis bleiben wird.

Protagonistin & Figuren (4 Lilien & 3 Lilien)

„‘Das ist eines deiner größten Probleme, nicht wahr, meine Liebe? […] Eines deiner größten Probleme ist, dass du dir selbst nicht trauen kannst. […] Mit jedem Atemzug zweifelst du an deinem Verstand.‘“ E-Book, Position 865

Ich mochte die Protagonistin Nadja. Sie ist gut ausgearbeitet, macht eine glaubwürdige Entwicklung durch und war mir meist sympathisch. Ich habe durchaus auch mit ihr mitgelitten und mitgefühlt und ich habe sie gerne begleitet. Dennoch war auch da noch Luft nach oben – sie hätte noch etwas mehr Persönlichkeit und mehr Ecken und Kanten haben dürfen. So richtig ans Herz gewachsen ist sie mir leider nicht.

Mit einigen der anderen Figuren (vor allem mit den männlichen) hatte ich so meine Probleme (siehe Unterpunkt „Feministischer Blickwinkel“). Manche Charaktere hätten zudem noch ein bisschen mehr Farbe vertragen können, aber insgesamt fand ich das Figurenensemble schon okay – mehr aber auch nicht.

Spannung (4 Lilien) & Atmosphäre (4 Lilien)

Da ich das Buch leider aus Zeitgründen nicht am Stück lesen konnte, sondern dies über einen längeren Zeitraum tun musste, wurde ich immer wieder aus der Geschichte herausgerissen. Vielleicht hätte ich es als noch spannender empfunden, wenn ich es innerhalb weniger Tage gelesen hätte. Auch so hat mich der Spannungsbogen überzeugt, auch wenn er im Mittelteil zwischendurch ein bisschen eingebrochen ist. Kurz vor dem Ende erreicht die atemlose Spannung dann ihren Höhepunkt – hier konnte ich den Thriller dann nicht mehr aus der Hand legen!

Auch die Atmosphäre ist dicht, beklemmend und düster – also genau so, wie ich es in einem Thriller mag! Es gibt viele Andeutungen, die erst nach und nach aufgelöst werden, und viele furchteinflößende Situationen, sodass man in manchen Moment einfach nur dankbar ist, dass man selbst in Sicherheit ist und gemütlich vor dem Kamin sitzen kann. Wer die Grundstimmung im Buch mochte, der wird übrigens auch „Rabenseele“ von Alexandra Kui lieben!

Feministischer Blickwinkel (3 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Hu++ (2x), Biest

Eine feministische Analyse lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits besteht das Buch mit Leichtigkeit den Bechdel-Test, bricht manchmal mit Genderstereotypen (ein Mädchen prügelt sich z. B. mit Jungen) und glänzt mit interessanten, starken weiblichen Hauptfiguren. Andererseits enthält es Slutshaming, gegenderte Beleidigungen und extrem veraltete, klischeehafte Rollenbilder, was ich natürlich nicht gutheißen kann. Auch die Toxic Masculinity (dt. „Giftige Männlichkeit“) im Buch, der Sexismus und Chauvinismus des Anwalts war mir immer wieder ein Dorn im Auge. Seine Gedanken und sein Gerede konnte ich stellenweise kaum ertragen. Die zaghafte Kritik an seinem Verhalten war mir nicht deutlich genug. Besonders gegen Ende wurde mir diese Person als zu positiv dargestellt.

Weitere Beispiele: Eine Frau gibt auf Wunsch ihres Mannes (ein angesehener Anwalt, der denkt, dass er das Zentrum der Welt ist) ihren Job auf, um sich fortan nur mehr um die Hochzeitsplanung, den Haushalt und später auch das gemeinsame Kind zu kümmern. Natürlich muss sie auch ihrem erfolgreichen Mann „den Rücken freihalten“ – geht es noch altmodischer? Alle Frauen in Führungspositionen sind zudem Männer und nur Frauen werden bei der Hausarbeit gezeigt. Auch das Bild der „aufopferungsvollen Mutter, die sich selbst vergisst“ wird idealisiert, was ich problematisch finde. Im nächsten Buch würde ich mir auf jeden Fall mehr zeitgemäßen Feminismus und mehr Bewusstsein für geschlechtsbezogene Ungerechtigkeiten und Stereotypen wünschen!

Mein Fazit

„Marta schläft“ ist ein solider, handwerklich gut gemachten Thriller, der bis zum gelungenen Ende gut durchdacht ist. Begeistern konnten mich der neugierig machende Einstieg und der Aufbau, die Unvorhersehbarkeit des Buches, der anschauliche, tolle Schreibstil, die sympathische Hauptfigur, die intensiven Schilderungen der Innenwelt der Charaktere, die atemlose Spannung im letzten Viertel, die dichte und beklemmende Atmosphäre, die starken weiblichen Figuren, das Bestehen des Bechdel-Tests und das gelegentliche Brechen von Geschlechterstereotypen. In manchen Bereichen war noch Luft nach oben (Tiefe, Emotionen, Ecken und Kanten der Hauptfigur). Nicht überzeugen konnten mich die etwas blassen Nebenfiguren, der Spannungseinbruch im Mittelteil, der Sexismus und Chauvinismus einiger Männer und die veralteten, klischeehaften Rollenbilder. Kurz: Für mich ist „Marta schläft“ ein kurzweiliger Thriller, der sich in dem Moment, in dem man ihn liest, gut und überzeugend anfühlt, der mir aber wohl leider nicht allzu lange im Gedächtnis bleiben wird. Eines verstehe ich jetzt jedenfalls: die Faszination der LeserInnen für Romy Hausmanns Bücher. „Liebes Kind“ werde ich auf jeden Fall noch lesen!

Wer übrigens die Grundstimmung im Buch mochte, der wird auch „Rabenseele“ von Alexandra Kui lieben!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 4 Lilien
Einstieg: 4 Lilien
Ende / Auflösung: 4 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonistin: 4 Lilien
Figuren: 3 Lilien
Spannung: 4 Lilien
Atmosphäre: 4 Lilien
Emotionale Involviertheit: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien
Chance, dass ich dieses Buch nie vergessen werde: niedrig

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir knappe vier Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.09.2020

Locker-leichte Fantasylektüre mit cooler Protagonistin, schöner Liebesgeschichte und viel Humor!

Hex Files - Hexen gibt es doch
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Spoilerfreie Rezension!

Dieses Mal habe ich mich dazu entschieden, etwas Neues auszuprobieren, deshalb gibt heute ein zu diesem Buch passendes locker-leichtes, humorvolles "Rezensionsgedicht". 😊

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Rosen ...

Spoilerfreie Rezension!

Dieses Mal habe ich mich dazu entschieden, etwas Neues auszuprobieren, deshalb gibt heute ein zu diesem Buch passendes locker-leichtes, humorvolles "Rezensionsgedicht". 😊

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Rosen sind rot 🌹,
ich mochte Ivy 💜,
denn die ist wirklich ein cooles "Weiwi". 😎
Nach Hause kehrt sie immer wieder gerne zurück 🏡,
ihr passiv-aggressiver Kater Brutus nennt alle: "M*ststück!" 🐱

Inmitten des Selbstoptimierungswahns ist sie erfrischend unperfekt und normal, 🙆🏻‍♀️
die Identifikation mit ihr funktioniert deshalb phänomenal. 👌😂

Ivy ist chillig, macht sich keinen Stress,
vorbei ist es nur mit dem guten Benehmen,
wenn jemand ihr empfiehlt, abzunehmen. 🏃🏼‍♀️🙅🏻‍♀️👊

Sie liebt ihr Sofa, an Faulheit überbietet sie keiner, 😴
und auch Winter ist eigentlich ein ganz Feiner. 👍
Bei der Arbeit ist er etwas übermotiviert und steif,
da ist Ivy nach nicht mal einer Woche schon für einen Urlaub reif. 🏖️😂

Ein Zauber kettet Ivy an Winter, oh nein! 😮
Aber dann kommt ein Kribbeln ins Spiel 😍 - ja, das Leben könnte echt schlimmer sein. 😉

Die Liebesgeschichte entwickelt die Autorin langsam, gefühlvoll und geschickt, 👩‍❤️‍👨
wenigstens wird in diesem Buch nicht die ganze Zeit nur ge... - oh, wie ist denn dieser Reim passiert? Entschuldigung! 🤐😂

Magie wirken kann man nur mit Runen und Kräutern, Bruder, ☝️
das Hexendasein war auch schon mal cooler! 🤷🏻‍♀️
So nach dem Motto: "Girl, Zauberstäbe sind out, 🙅🏻‍♀️
und jetzt geh und sammle erst mal Kraut!" 💁🏻‍♀️🌱

Hexenfans ✨ kommen hier jedenfalls voll auf ihre Kosten, 💵
für sie ist dieser Roman wie der Coronavirus für Drosten (spannend). 👍😷

Das Buch mocht' ich gern, aber was mir nicht schmeckte,
waren die vielen männlichen Chefs und die #gläserneDecke. 👨🏼‍💼👨🏻‍💼👨🏿‍💼🏢
Bei der Fortsetzung bitte keine Blamage,
wir wollen mehr Frauen in der Führungsetage! 👩‍⚖️🙌

Dieser Fantasyroman ist unterhaltsam,
der Kriminalfall (aus Thriller-Fan-Sicht) eher "meh", 😬
herausragend fand ich dafür die Figuren, die Wortgefechte und den Schmäh. 👏
Etwas mehr Tiefe wäre mir noch recht,
insgesamt ist dieses Buch aber wirklich nicht schlecht (🌺🌺🌺🌺 Lilien). 😊👍

Ich mochte den lockeren Schreibstil, viele gute Seiten waren dabei 👌,
und jetzt freue ich mich auf Band 2! 💜😊📚

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.07.2020

Handwerklich gut gemachter, unterhaltsamer Reihenauftakt – lediglich etwas mehr Island-Atmosphäre hätte ich mir noch gewünscht!

Das Netz
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Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Nach einer schmutzigen Scheidung hat Sonja das Sorgerecht für ihren Sohn verloren. Um sich finanziell abzusichern und es wieder zurückzubekommen, ist sie bereit, alles ...

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Nach einer schmutzigen Scheidung hat Sonja das Sorgerecht für ihren Sohn verloren. Um sich finanziell abzusichern und es wieder zurückzubekommen, ist sie bereit, alles zu tun – auch Drogen zu schmuggeln. 3 Menschen verfangen sich in einem Netz der Kriminalität…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 1 einer Trilogie (Band 2 erscheint im Oktober 2020)
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: sehr kurz
Tiere im Buch: - Es werden Hunde vergiftet, ein Tiger wird nicht artgerecht gehalten, eine Fliege stirbt. Zusätzlich wird Fleisch gegessen. Es werden keine Tiere gequält.
Triggerwarnung: Drogen, Alkoholismus, (auch sexualisierte und häusliche) Gewalt, Depression, Folter, Tod von Tieren;

Warum dieses Buch?

Die positiven Rezensionen auf Goodreads haben mich neugierig gemacht. Außerdem liebe ich Island!

Meine Meinung

Einstieg (4 Lilien)

„Die Sorgen und Nöte von damals wirkten in der Rückschau so unglaublich unbedeutend. Seit Sonja in die Falle geraten war.“ E-Book, Position 58

Im ersten Kapitel begleiten wir Sonja bei einem Drogenschmuggel. Man fiebert gleich mit ihr mit und ist gespannt, ob sie erwischt wird. Schon nach wenigen Seiten war ich in die Geschichte eingetaucht.

Schreibstil (5 Lilien ♥)

„Das Wasser spiegelte das Grau des Himmels, kräuselte ihn und warf ihn mit den Wellen hin und her.“ E-Book, Position 1691

Lilja Sigurðardóttirs Schreibstil hat mir sehr gut gefallen! Ihre Sätze haben eine nordische Kühle, die ich mochte, und weisen eine gewisse Komplexität auf, die einem aber kaum auffällt, weil sie so flüssig und angenehm lesbar sind. Die Autorin schreibt relativ schnörkellos und verzichtet großteils auf Metaphern und Vergleiche. Trotzdem gelingt es ihr, anschauliche Formulierungen zu finden und sowohl Spannung zu erzeugen als auch das Innenleben ihrer Figuren sehr greifbar und intensiv zu schildern.

Idee, Inhalt, Themen & Ende (4 Lilien)

„Die Falle, wie sie diesen ganzen Schlamassel im Stillen nannte, war in Wirklichkeit gar keine Falle. Es war ein Netz. Ein Netz, das sich immer weiter zuzog, je verzweifelter sie versuchte, sich daraus zu befreien.“ E-Book, Position 2898

„Das Netz“ ist ein rundum gelungener Krimi-Reihenauftakt, der mich wirklich gut unterhalten konnte und der auch die eine oder andere unerwartete Wendung zu bieten hat. Im Mittelpunkt stehen das Island der Jahre 2010-2011, das tief in der Wirtschaftskrise steckt, und ernste Themen wie Drogenschmuggel, gescheiterte Beziehungen, der Kampf ums Sorgerecht, Alkoholismus und andere menschliche Abgründe. Dieser Krimi geht der Frage nach, warum Menschen in die Kriminalität rutschen und was ihre Motive sind. Deshalb könnte das „Netz“ durchaus auch als tiefgründige Charakterstudie beschrieben werden.

Spannung entsteht durch das Entdecken dieser menschlichen Abgründe und durch das Mitfiebern, ob die Kriminellen wohl erwischt werden. Interessanterweise stellt man sich beim Lesen immer wieder auf die Seite der TäterInnen, weil man sie natürlich kennen und lieben gelernt hat und ihre Notlagen sehr gut verstehen kann. Großartig fand ich auch den Humor, der in einzelnen Momenten durchblitzt – manche Situationen haben mich echt zum Schmunzeln gebracht (vor allem jene mit der Nachbarin, die immer wieder ihren kaputten Computer zu Sonja bringt).

Dass das Buch relativ dünn ist, merkt man ihm vor allem am Schluss an: Dieser ist sehr offen. Alle Erzählstränge hängen in der Luft, enden in einem Cliffhanger. Ich hätte mir hier mehr Antworten und ein runderes, abgeschlosseneres Ende gewünscht, aber auch mit dem vorhandenen kann ich leben. Es macht auf jeden Fall neugierig auf die Fortsetzung, das steht fest!

ProtagonistInnen & Figuren (5 Lilien ♥ & 5 Lilien ♥)

„‘Wir sind alle Raubtiere, auch wenn wir etwas anderes vorgeben.‘“ E-Book, Position 1225

Eine der größten Stärken dieses Krimis sind mit Sicherheit seine liebevoll ausgearbeiteten und interessanten Figuren. Sie sind frei von Klischees und haben nicht diese „typischen“, schon hundertmal gelesenen, sondern erfrischend andere Probleme: Sonja kämpft um das Sorgerecht für ihren Sohn, Agla will sich ihre Bi- oder Homosexualität nicht eingestehen und ist in illegale Bankengeschäfte verwickelt und Bragi leidet darunter, seine demente Frau in ein Pflegeheim gegeben zu haben. Ich habe die drei sympathischen ProtagonistInnen sehr gerne begleitet und mit ihnen mitgefiebert, mitgefühlt und mitgelitten.

Die Nebenfiguren konnten mich ebenfalls durch die Bank überzeugen, auch wenn viele von ihnen nur eine kleine Rolle haben. Besonders gern mochte ich Sonjas patente und beherzte Nachbarin, um die ich sie ehrlich gesagt sogar ein bisschen beneide.

Spannung (4 Lilien) & Atmosphäre (2 Lilien)

Durch die vielen kurzen Kapitel erzeugt dieses Buch von Beginn an ein gewisses Tempo und eine unterschwellige Spannung. Insgesamt habe ich mich von diesem Krimi sehr gut unterhalten gefühlt. Trotzdem kommt die Geschichte ein wenig langsam in Schwung. Etwas mehr Spannung hätte es also durchaus noch sein dürfen.

Hauptsächlich habe ich diese Geschichte ausgewählt, weil sie in Island spielt und weil ich das Lebensgefühl dort und die kühle nordische Atmosphäre sehr schätze. Leider kam im Buch nur wenig Island-Atmosphäre auf. Sicher, das Land und seine Probleme werden immer wieder erwähnt, aber die Geschichte hätte im Prinzip überall spielen können. Hier hätte ich mir schon mehr erhofft.

Feministischer Blickwinkel (4 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schlam++

Eine feministische Analyse führt bei diesem Krimi zu einem zufriedenstellenden Ergebnis, was vor allem an den starken Frauenfiguren liegt. Das Buch besteht zudem auch problemlos den Bechdel-Test. Gestört haben mich nur vereinzelte Geschlechterstereotypen und dass im professionellen Bereich verhältnismäßig wenige Frauen vertreten waren. Da war noch etwas Luft nach oben.

Mein Fazit

„Das Netz“ ist ein rundum gelungener Krimi-Reihenauftakt, der mich gut unterhalten konnte und der auch die eine oder andere unerwartete Wendung zu bieten hat. Überzeugen konnten mich der schnörkellose, kühle und angenehm lesbare Schreibstil, die liebevoll ausgearbeiteten Figuren und starken Frauen im Buch, der Humor und die ernsten und tiefgründig verarbeiteten Themen. Lediglich etwas mehr Spannung, ein weniger offenes Ende und mehr Island-Atmosphäre hätte ich mir gewünscht. Von mir gibt es für diesen handwerklich wirklich gut gemachten Krimi jedenfalls eine Leseempfehlung!

Bewertung

Idee: 4 Lilien
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 3,5 Lilien
Einstieg: 4 Lilie
Ende / Auflösung: 3 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
ProtagonistInnen: 5 Lilien ♥
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 4 Lilie
Atmosphäre: 2 Lilien
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir vier Lilien!

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