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Veröffentlicht am 03.01.2021

Manche Erinnerungen hinterlassen Narben auf der Seele

Die Schweigende
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München, 1956

Die 16jährige Karin tut das, was alle Jugendliche in diesem Alter tun – sie trifft sich mit Freunden, geht am Baggersee schwimmen, entwickelt ihren eigenen Kleidungs- und Schminkstil und ...

München, 1956

Die 16jährige Karin tut das, was alle Jugendliche in diesem Alter tun – sie trifft sich mit Freunden, geht am Baggersee schwimmen, entwickelt ihren eigenen Kleidungs- und Schminkstil und ist deswegen ein Dorn im Auge der tugendhaften Nachbarinnen. Jegliche Ermahnungen ihrer alleinerziehenden Mutter, sie möge die beiden Damen doch bitte nicht provozieren, prallen wirkungslos an Karin ab. Sie möchte ihren Spaß haben und ihr Leben genießen. Irgendwie findet sie immer einen Weg, die Verbote ihrer Mutter zu umgehen. Wenn sie auf ihren 11jährigen Bruder Pelle aufpassen soll, besticht sie diesen mit einem Comic-Heft oder anderem, damit er die Klappe hält und sie nicht verrät. Als ihre Mutter für 2 Tage auf einer Weiterbildung ist, lässt Karin einen Freund bei sich übernachten, weil er Angst vor den Prügeln seines Vaters hat. Die beiden Nachbarinnen haben natürlich gesehen, wie Mani am Morgen das Haus verlassen hat und erstatten Anzeige gegen Karins Mutter. Ihr wird zur Last gelegt, sie habe gegen den Paragraphen 180 des Strafgesetzbuches verstoßen und sich der Kuppelei strafbar gemacht.

Dann geht alles sehr schnell: Das Jugendamt wird eingeschaltet, Karins Mutter wird das Sorgerecht für ihre beiden Kinder Karin und Pelle entzogen, die Beiden werden einem vom Gericht bestimmten Vormund unterstellt und im Erziehungsheim Sankt Marien, einer kirchlichen Einrichtung, untergebracht.

München, 2019

Jens Remy stirbt mit knapp 69 Jahren im Krankenhaus an einem Herzinfarkt. Zufällig ist gerade seine Tochter Imke bei ihm und seine vorletzten Worte gelten seiner Frau Karin. Imke soll ihr sagen, wie sehr er sie geliebt habe und dass sie das große Glück in seinem Leben war. Seine letzten Worte sind an Imke direkt gerichtet: „Such nach Peter“, dann verstirbt er.

Von den 3 Töchtern Geli, Imke und Anne hat Imke den besten Draht zu ihrer Mutter und da Karin seit dem Tod ihres Mannes zu verwahrlosen droht, geht Imke ihr ein wenig mehr als üblich zur Hand. Auf Peter angesprochen und den letzten Willen ihres Vaters, ihn zu suchen bzw. zu finden, reagiert Karin so, wie sie in all den Jahren zuvor reagiert hat, wenn eine ihrer Töchter sie auf ihre eigene Vergangenheit angesprochen hat: Sie verweigert standhaft die Auskunft und lebt nach dem Motto: „Keinen Blick zurück“.

Geli, Imke und Anne fragen sich seit Jahren, warum ihre Mutter so gefühlsarm ist. Sie war noch nie in der Lage, ihre Kinder in den Arm zu nehmen und ihnen mütterliche Wärme und Geborgenheit zu vermitteln. Außerdem hat sie verschiedene Eigenarten, die ihre Kinder nicht verstehen, so kann sie z. B. keine geschlossenen Türen ertragen. Wäre Jens nicht so ein liebevoller Vater gewesen, die 3 Mädels wären in einer emotional kalten Welt aufgewachsen. Warum Jens sie über alles geliebt hat, hat Karin auch nie wirklich verstanden.

Die Suche nach Peter ist nicht einfach, es gibt aus der damaligen Zeit keine Unterlagen mehr und wenn doch, dann könnte nur Karin die Einsichtnahme in die Akten beantragen, was sie aber vehement verweigert. Imke findet trotzdem einen Weg diese Papiere einsehen zu dürfen und während sie nach Peter sucht, findet sie eigentlich ihre Mutter.

Neben dem, dass Imke all die schrecklichen Dinge über die Zeit im Erziehungsheim Sankt Marien ans Tageslicht bringt, droht gleichzeitig ihre Familie auseinanderzufallen, denn seit dem Tod des Vaters werden die Schwestern zu Rivalinnen.

Karin wird seit dem Tod ihres Mannes wieder von Albträumen geplagt ….. findet sie irgendwann doch noch ihren Frieden oder zerbricht sie an der Tatsache, dass Imke die dunklen Seiten ihres Lebens nach oben kehrt?

Ich liebe die Bücher von Ellen Sandberg. Auch in „Die Schweigende“ verarbeitet sie wieder einen Teil der dunklen deutschen Vergangenheit, perfekt verwoben in eine fiktive Geschichte.

Die Charaktere sind so lebensecht beschrieben und die Geschichte so dicht, dass man das Gefühl hat, selbst mittendrin im Geschehen zu sein. Die Beschreibung der Vorkommnisse, die Beschreibung der Schauplätze… man hat das Gefühl alles aus einer versteckten Perspektive zu beobachten – und, was für mich das Wichtigste an einer solchen Geschichte ist - man kann es fast am eigenen Leibe mitfühlen.

Die Geschichte wird auf 2 Zeitebenen erzählt. Auf der einen Seite ist die Geschichte der jungen Karin, die 1956 beginnt, und ihr Leben in einem kirchlichen Erziehungsheim schildert, auf der anderen Seite ist es die Geschichte der Karin, die im Jetzt und Hier des Jahres 2019 lebt, verwoben mit der Geschichte ihrer 3 Töchter Geli, Imke und Anne, die nach dem Tod ihres Vaters ihren Zusammenhalt verlieren. Abwechselnd erzählen die einzelnen Charaktere aus ihrer Sicht.

Eigentlich mag ich von den 3 Schwestern nur Imke wirklich, denn Geli und Anne sind sehr egoistisch und was sie sich gegenseitig und ihrer Mutter antun, das ist echt nicht ohne.

Wie so oft mag ich es lieber, über die Vergangenheit zu lesen – es ist unfassbar, welche Gräueltaten damals im Namen Gottes an Schutzbefohlenen begangen wurden. Auch wenn die Geschichte im großen und ganzen Fiktion ist, bin ich sicher, dass es damals genau so zugegangen ist – nicht nur in diesem kirchlichen Kinderheim, sondern in allen Einrichtungen, in denen Menschen, egal welchen Alters, zu anderen Menschen in einem Abhängigkeitsverhältnis standen.

Manches im Verhalten der 4 Frauen ist vielleicht ein wenig überzogen geschildert, aber für mich macht genau das die Geschichte zu dem, was sie ist.

Das Buch umfasst 544 Seiten, der Schreibstil der Autorin lässt mich an den Seiten kleben, so dass ich am Neujahrstag knapp die Hälfte des Buches zusammenhängend gelesen habe.

Anmerkung:
Unter Kuppelei verstand man die Förderung und Tolerierung außerehelichen Geschlechtsverkehrs, was seit 1872 unter Strafe steht. Der Paragraph ist noch heute gültig, wurde jedoch angepasst.

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Veröffentlicht am 07.12.2020

Hamburg, Speicherstadt, 1919

Der Glanz der neuen Zeit
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Der 1. Weltkrieg ist vorbei, die Firma Kopmann & Deharde hat sowohl den Krieg als auch die nachfolgende Inflation überstanden, im Kaffeekontor befindet sich jedoch nicht mehr eine einzige Kaffeebohne. ...

Der 1. Weltkrieg ist vorbei, die Firma Kopmann & Deharde hat sowohl den Krieg als auch die nachfolgende Inflation überstanden, im Kaffeekontor befindet sich jedoch nicht mehr eine einzige Kaffeebohne. Auch wenn der Krieg vorbei und die Seeblockade der Engländer aufgehoben ist, gibt es nur wenige deutsche Handelsschiffe, die Waren liefern und da vor allen Dingen Produkte des täglichen Lebens und keine Luxusgüter wie Kaffee. Trotzdem gehen Mina und ihre Schwester Agnes jeden Tag ins Kontor um nach dem Rechten zu sehen.

In Kürze wird Frederik Lohmeyer, Minas Ehemann, aus Berlin zurückerwartet. Mina und Frederik haben kurz vor dem Tod von Karl Deharde geheiratet, weil das die einzige Möglichkeit war, die Firma in der Familie halten zu können, denn Mina hat als Frau keinen Zutritt um an der Kaffeebörse zu handeln.

Frederik Lohmeyer hält sich noch immer in Berlin bei der Armee auf, fordert jedoch regelmäßig seine ihm zustehende Apanage. Darüber hinaus interessiert er sich eher nicht dafür, wie es seiner Frau und seiner Tochter geht bzw. ob und wie die Geschäfte wieder anlaufen.

Mina möchte endlich wieder mit Kaffee handeln und so bittet sie ihren Schwiegervater in Guatemala um Hilfe. Schließlich muss es ja irgend einen Nutzen haben, dass ihr Ehemann der Sohn eines Kaffeeplantagenbesitzers ist. Frederik Lohmeyer ist über diese Kooperation nicht sehr erfreut und als ihm Mina dann auch noch den Geldhahn zudreht, zeigt sich endlich sein wahrer Charakter.

Mit Hilfe von guten Freunden schafft Mina es jedoch auch weiterhin, die Zügel der Firma nicht aus der Hand zu geben.

„Der Glanz der neuen Zeit“ ist der 2. Band der Speicherstadt-Saga. Das Buch ist Teil einer Trilogie, kann aber durchaus auch für sich alleine gelesen werden. Um die Hintergründe zu verstehen – und weil die Geschichte so schön ist - empfiehlt es sich jedoch, zuvor Band 1 zu lesen.

Die Autorin hat es auch hier wieder geschafft, den Charakter ihrer Protagonisten authentisch und lebensecht zum Leser zu transportieren.

Mina ist zu einer starken Frau herangewachsen und lässt sich kein X für ein U vormachen. Sie ist Mutter einer 20 Monate alten Tochter. Ella wird von Fräulein Brinkmann betreut, die schon die Erzieherin von Agnes und Mina war und die im Hause Deharde eine ganz besondere Stellung eingenommen hat.

Minas Vater hat immer gesagt, sie habe den Kaffee im Blut und so wundert es nicht, dass die Kooperation zwischen Vater Lohmeyer und Mina zustande kommt und Mina alle Hebel in Bewegung setzt, dass der Kaffee den weiten Weg von Guatemala nach Hamburg auf einem Schiff antreten kann. Zur damaligen Zeit war nicht nur der Handel an der Kaffeebörse für Frauen untersagt, nein, auch für Bankgeschäfte brauchten sie die Erlaubnis ihres Ehemannes. Mina schafft es auch ohne ihren Ehemann, einen Kredit zu bekommen.

Das Leben wäre jedoch sehr viel schwerer zu ertragen, wenn Mina nicht gute Freunde hätte. Da ist Heiko, der Bruder von Edo, mit dem Mina schon seit vielen Jahren in tiefer Freundschaft verbunden ist.

Irma von Gusnar, ihre beste Freundin aus dem Mädchenpensionat, quartiert sich für einige Zeit bei Mina und ihrer Familie ein und ist ihr sowohl in geschäftlichen, als auch in Herzensangelegenheiten eine große Hilfe.

Das Verhältnis zu ihrer Schwester Agnes ist sehr eng. Im Gegensatz zum 1. Buch „Der Duft der weiten Welt“ gibt es dieses Mal keine Eifersucht auf den jeweils anderen und die beiden Frauen ergänzen sich sehr gut. Agnes hat den besseren Draht zu Großmutter Hiltrud, was hin und wieder von Nutzen ist.

Auch Großmutter Hiltrud hat eine Wandlung durchgemacht. Sie ist sehr viel sympathischer als in Band 1 und sie stärkt sowohl Mina als auch Agnes den Rücken. Gerade mit ihrem Verhalten bezüglich Frederik Lohmeyer hat sie mich überrascht – aber .. die Zeiten ändern sich und damit auch die Menschen.

Auch Edo taucht wieder auf. Kurz nachdem er Deutschland verlassen hat um nach Amerika auszuwandern, wurde auch er an die Waffen gerufen. Leider war der Krieg nicht gnädig mit ihm und er kehrt als menschliches Wrack nach Hamburg zurück. Gerade der Handlungsstrang von Edo war es, bei dem ich öfter mal darüber nachdachte, ob sich das wirklich so zugetragen haben könnte. Mir erschien hier die eine oder andere Sache etwas unglaubwürdig, das kann aber durchaus auch subjektiv sein.

Alles in allem ist „Der Glanz der neuen Zeit“ wieder ein tolles Buch, geschrieben von der Autorin Fenja Lüders. Der Schreibstil ist einfach zu gut zu lesen, die Geschichte entwickelt sich fortlaufend weiter und man möchte gar nicht mehr aufhören zu lesen.

Der 3. Teil „Der Traum von Freiheit“ erscheint leider erst am 25.06.2021, bis dahin muss ich mich gedulden.

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Veröffentlicht am 11.10.2020

Kinder sollten nicht vor den Eltern sterben

Ich lass dich nicht los
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„Ich hab Dich lieb, jeden und jeden Tag“ ist der letzte Satz, den der 5jährige Charlie an seine Mutter Carrie gerichtet hat, bevor er am Strand seinem Vater entgegengelaufen ist. Er wollte mit ihm gemeinsam ...

„Ich hab Dich lieb, jeden und jeden Tag“ ist der letzte Satz, den der 5jährige Charlie an seine Mutter Carrie gerichtet hat, bevor er am Strand seinem Vater entgegengelaufen ist. Er wollte mit ihm gemeinsam noch einmal zum Wasser gehen. Kurze Zeit später kommt Damian zu Carrie zurück – ohne seinen Sohn. Er war zur Toilette und habe noch eine kleine Joggingrunde gedreht, Charlie sei ihm unterwegs jedoch nicht begegnet. Die anschließende stunden- nein tagelange Suche nach Charlie bleibt erfolglos; der Junge ist und bleibt verschwunden. Wäre Carrie doch nur nicht eingeschlafen ….

„Ich lass Dich nicht los“ ist der Debütroman der englischen Schriftstellerin Madeleine Reiss. Mit dieser Geschichte gewann sie den Buchwettbewerb der bekannten englischen Talk-Show „The Alan Titchman Show“. Der Originaltitel lautet „Someone to Watch Over Me“. Übersetzt wurde das Buch von Karin Diemerling.

Die Geschichte beginnt 3 Jahre nach dem Verschwinden von Charlie. Neben der Trauer um ihren verschwundenen Sohn und ihre immerwährenden Selbstvorwürfe, ist ihre Ehe mit Damian an der Sache zerbrochen. Am Abend vor der Eröffnung ihres eigenen Ladens, der „Schatzkiste“, den sie in Zukunft gemeinsam mit ihrer Freundin Jen führen wird, erfährt der Leser in einem Rückblick durch Carries Gedanken, was an diesem unsagbaren Tag vor 3 Jahren am Strand passiert ist.

Der zweite Erzählstrang handelt von Molly, ihrem Ehemann Rupert und ihrem gemeinsamen Sohn Max. Obwohl die beiden Familien auf den 1. Blick nichts gemeinsam haben, sind ihre Schicksale doch irgendwie miteinander verknüpft. Ich weiß auch nicht, ob ich das Schicksal von Molly und Max schlimmer finde oder das von Charrie und Charlie.

Dieses Buch liegt schon eine ganze Weile auf meinem SuB (Stapel ungelesener Bücher) und tatsächlich frage ich mich, warum ich das Buch dort so lange habe liegen lassen. Einmal angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören zu lesen.

Es ist schlimm zu lesen, wie Carries Leben sich nach Charlies Verschwinden verändert hat. Ihre Ehe ist in die Brüche gegangen und sie vermisst ihren Sohn jeden einzelnen Tag. Auch wenn sie ausreichend zu tun hat in ihrem neuen Laden, wird die Lücke, die Charlies Verschwinden aufgerissen hat, sich niemals wieder schließen. Carrie ist zerfressen von Vorwürfen, sie hätte das Unglück verhindern können (hätte sie auch, aber das ändert nichts mehr an der Situation).

Genau so schlimm finde ich aber auch den Erzählstrang von Molly, die auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann Rupert ist. Verhaltensweisen von Rupert, die Molly am Anfang ihrer Ehe als Aufmerksamkeit und Fürsorge interpretiert hat, wandelten sich im Laufe der Zeit in Kontrollsucht, die vor Körperverletzung und Freiheitsberaubung nicht halt macht.

Obwohl die beiden Frauen überhaupt nichts miteinander zu tun haben, sich noch nicht einmal kennen, gibt es einen Tag in ihrem Leben, an dem sich ihre Schicksale überschneiden.

Wie schon erwähnt, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen, als ich einmal in die Geschichte eingetaucht war. Ob der Schreibstil der Autorin im Original auch so gut ist, vermag ich nicht zu beurteilen, die Übersetzerin hat jedoch ihren Job sehr gut gemacht. Das Buch lässt sich flüssig lesen.

Die Kapitel werden abwechselnd aus der Sicht von Carrie und Molly geschrieben, zum Schluss kommt auch noch Max als Erzähler hinzu. Die Charaktere sind realistisch und mit Tiefgang angelegt und ihren Weg mit zu verfolgen, berührt mich emotional sehr. Das ein oder andere Mal fließen auch Tränen.

Die beiden Handlungsstränge laufen erst kurz vor Ende des Buches zusammen und die Geschichte wird dann auch noch richtig spannend. Der Schluss ist vielleicht ein wenig zu dramatisch, dann aber eigentlich genau passend für diese eine Person.

Bücher, die mich so in ihrer Geschichte gefangen halten, auch nachdem ich die letzte Seite schon lange zugeklappt habe, sind sehr selten geworden. Sicherlich werde ich „Ich lass Dich nicht los“ noch einmal lesen, zu einem späteren Zeitpunkt.

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Veröffentlicht am 08.10.2020

Müsingen / Westfront 1914 - 1919

Die Fotografin - Die Stunde der Sehnsucht
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Der Brand hat die Druckerei nicht gänzlich vernichtet, sondern es war nur das Warenausgangslager betroffen. Anton kümmert sich als Außendienstmitarbeiter um die Akquise und Betreuung von Neu- und Altkunden, ...

Der Brand hat die Druckerei nicht gänzlich vernichtet, sondern es war nur das Warenausgangslager betroffen. Anton kümmert sich als Außendienstmitarbeiter um die Akquise und Betreuung von Neu- und Altkunden, Mimi behält in der Druckerei in Münsingen den Überblick. Die Beiden haben sehr viele neue Ideen, die sie in ihrer Druckerei umsetzen möchten – das größte Projekt im Jahr 1914 soll ein Adventskalender werden. Anton bringt schon im Juni Bestellungen für über 20.000 Kalender mit und die Zukunft der Druckerei scheint gesichert.

Am 28. Juni 1914 werden in Sarajevo der Thronfolger Österreich-Ungarns Franz Ferdinand und seine Frau Sophie Chotek ermordet. Was danach passierte, steht in allen Geschichtsbüchern; das Deutsche Reich sichert Österreich-Ungarn seine uneingeschränkte Bündnistreue zu, am 28.07. erklärt Österreich-Ungarn Serbien den Krieg, Russland macht teilmobil und am 01.08. erklärt das Deutsche Reich dem russischen Zarenreich den Krieg. Am 02. und 03.08. marschieren die deutschen Truppen in Luxemburg und Belgien ein und damit begann für die Deutschen der 1. Weltkrieg.

Die Mobilmachung macht auch vor Münsingen nicht Halt und so ziehen die Männer von der Alb in den Krieg. Wer nicht eingezogen wird, der meldet sich freiwillig, wie Wolfram und Anton, und die Frauen sind auf einmal auf sich gestellt.

In diesen Zeiten zeigt sich nun, dass persönliche Befindlichkeiten überhaupt keinen Platz im täglichen Leben haben, denn Mimi, Bernadette und Corinne müssen nun zusammenhalten um ihr Überleben zu sichern.

Bei „Die Fotografin – Die Stunde der Sehnsucht“ handelt es sich um den 4. Teil der Fotografinnen-Saga aus der Feder der Autorin Petra Durst-Benning. Für mich zeugt es von großer handwerklicher Kunst, wenn eine Autorin nach 1.440 bereits geschriebenen Seiten (Band 1 – 3) den Leser noch immer bei der Geschichte zu halten vermag. Und am Ende des Buches fange ich schon an, mich auf den 5. und letzten Teil zu freuen.

In diesem Band steht der 1. Weltkrieg im Vordergrund und seine Auswirkungen auf die Menschen. Sowohl auf die Menschen, die zu Hause geblieben sind, als auch auf die, die direkt im Kriegsgeschehen involviert sind.

Es ist ja nicht nur so, dass auf einmal in der Druckerei keine Männer mehr sind, die die Arbeit machen können, es gibt nach einiger Zeit auch keine Verbrauchsmaterialien mehr. Druckerfarbe und Papier bekommt Mimi nur noch dann geliefert, wenn sie Propagandamaterial druckt oder Lebensmittelbezugskarten. Auch wenn ihr dieser Job nicht gefällt, so ist es allemal besser, als gar nichts zu tun zu haben.

Bernadette und Corinne, die sich beide auf den Tod nicht ausstehen können, stehen auf einmal mit tausenden von Schafen alleine da. Wolfram hat sich freiwillig an die Front gemeldet, die anderen Schäfer und Hirten wurden eingezogen. Der Winter naht und die Schafe müssen auf die weit entfernten Winterweiden. Für diesen Job ist niemand anderer als die hochschwangere Corinne geeignet.

Bernadette wird vom Münzinger Bürgermeister als seine Stellvertreterin ernannt und sie ist fortan für die Belange der Bürger zuständig. Kein einfacher Job, schon gar nicht in Kriegszeiten.

Recht schnell stellen die 3 Frauen fest, dass es niemandem hilft, wenn sie sich nicht gegenseitig unterstützen und so wachsen sie immer mehr zu einer festen Einheit zusammen.

„Uns alle werden die Gräuel des Krieges ein Leben lang begleiten. Ich sage dir – nur wenn wir tot sind, werden wir das Ende des Krieges gesehen haben.“ (Seite 442)

Die Geschichte wird in mehreren Handlungssträngen erzählt. Zum einen ist der Leser natürlich tief in die Geschehnissen um die 3 Frauen in Münsingen involviert, zum anderen erzählt Anton von seiner Zeit als Sanitäter an der Westfront (sehr bewegend !!) und natürlich gibt es auch wieder den Handlungsstrang von Paon, Alexander, der als Maler gerade in Kriegszeiten richtig Geld verdient. In diesem Band wird nun auch endlich die Herkunft von Mylo aufgedeckt, der vom 1. Tag in der Kunstschule seine schützende Hand über Alexander gehalten hat.

Wer sich noch an den Gewerkschafter Johann Merkle erinnert, in den Mimi einmal über beide Ohren verliebt war. Oder Christel, Antons Freundin, die mit Antons Ersparnissen aus Laichingen verschwunden ist …. in diesem Band gibt es ein Wiedersehen mit ihnen.

Petra Durst-Benning erschafft mit ihren Frauenfiguren immer starke aber authentische Persönlichkeiten. Es handelt sich nicht um Übermenschen, sondern um Frauen, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen und sich auch schon mal gegen die herrschenden Konventionen auflehnen. In einem Krieg nutzt einem Auflehnung nicht sehr viel, denn es gibt keine Alternativen. Aber Mimi, Bernadette und Corinne schaffen es immer wieder, für sich selbst und für einige andere Frauen aus dem Dorf Lösungen zu finden, die die härteste Zeit ihres Lebens erträglicher machen.

Nun gilt es auf den 5. und letzten Teil der Fotografinnen-Saga zu warten. „Die Fotografin – Das Ende der Stille“ erscheint im Frühjahr 2021.

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Veröffentlicht am 06.09.2020

Es heißt Abschied nehmen von Asenza

Das Vermächtnis der Seidenvilla
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Es ist November. Die Seidenmanufaktur läuft gut, die Stimmung unter den WeberInnen ist ausgeglichen und friedlich, das Auftragsbuch ist gut gefüllt, Nathalie hat gerade ihren Sohn Peter (Pietrino genannt) ...

Es ist November. Die Seidenmanufaktur läuft gut, die Stimmung unter den WeberInnen ist ausgeglichen und friedlich, das Auftragsbuch ist gut gefüllt, Nathalie hat gerade ihren Sohn Peter (Pietrino genannt) zur Welt gebracht und Angela und Vittorio möchten sich nun endlich der Frage widmen, wann der beste Zeitpunkt für ihre Hochzeit sei. Das Leben läuft jedoch nach einem bestimmten Muster, und wenn es einem eine Zeit lang gut geht, kommt sicherlich etwas (oder jemand), um einem Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Amadeo, Vittorios Sohn aus der Ehe mit seiner verstorbenen Frau, taucht nach Jahren der Funkstille auf der Bildfläche auf und macht Vittorio das Leben schwer, ebenso seine Mutter Constanza, die mit der Verbindung ihres Sohnes zu Angela noch immer nicht einverstanden ist. Damit ist es aber noch nicht genug, denn Angela muss sich in einer Erbsache durchsetzen und ein Geheimnis offenbaren, welches sie eigentlich nicht offenbaren wollte …..

Schafft Angela es erneut sich durchzusetzen, oder verliert sie dieses Mal alles?

„Das Vermächtnis der Seidenvilla“ ist der 3. und letzte Teil der Seidenvilla-Trilogie der Autorin Tabea Bach, welcher am 28.07.2020 erschienen ist. Erfreulicherweise sind die 3 Bände in sehr kurzen Abständen erschienen, so dass ich auch dieses Mal wieder nach wenigen Sätzen mitten im Geschehen war.

Wie auch in den vorherigen Bänden macht es auch hier wieder sehr viel Spaß, Angela und ihren WeberInnen über die Schulter zu schauen. Die Autorin hat in allen 3 Bänden sehr viel Fachwissen zum Thema Seide und dem Handwerk der Weberei untergebracht und ich konnte es mir lebhaft vorstellen, wie es aussieht, wenn mal wieder eine neue Kette auf den Orsolino aufgezogen werden musste oder, wenn mit dem Webschiffchen der Schussfaden durch die Kettfäden gezogen wurde. Ein großes Lob an Tabea Bach, ich mag es, wenn man in Büchern so ganz nebenbei noch etwas Allgemeinwissen mitnehmen kann.

Die Charaktere kennen wir alle schon aus den vorherigen Bänden, bis auf Amadeo, Vittorios Sohn. Wenn man das Motiv Amadeos kennt, dann versteht man auch, warum er seinem Vater solch schwere Vorwürfe macht. In meinen Augen sind diese Vorwürfe absolut gerechtfertigt und hier zeigt es sich wieder einmal, dass Kommunikation so manches Missverständnis gar nicht erst hätte aufkommen lassen. Vittorio hat seinem Sohn nie erklärt, warum er so gehandelt hat, Amadeo hat es aber auch leider nie hinterfragt. Vater und Sohn brauchen einige Zeit um sich wieder anzunähern, aber letztendlich ist Blut dann doch dicker als Wasser.

Constanza findet irgendwann ihren Frieden mit Angela, dazu braucht es aber tatsächlich eine kleine Katastrophe.

Erinnert sich noch jemand an Lidia? Die Weberin, die im 1. Teil so großen Ärger in der „Tessitura die Asenza“ gemacht hat? Lidia hatte damals die Seidenweberei verlassen, weil ihr Angelas größter Konkurrent aus Venedig ein besseres Angebot gemacht hatte. Nun, in diesem Band hören und lesen wir wieder von Lidia.

Nathalie hat eine unangenehme Begegnung die mit einer Person in Zusammenhang steht, mit der sie nichts mehr zu tun haben möchte. Und in einer der Schneiderinnen findet sie eine gute Freundin.

Tessa wird in diesem Band mehr oder weniger nur am Rande erwähnt, sie hat keine herausragende Rolle mehr. Lorenzo Rivalecca wird dafür mehr Aufmerksamkeit zugedacht.
Alles in allem geht es auch im dritten Band auf und ab, so wie es im richtigen Leben eben passiert. Jeder einzelne der Protagonisten hat sein Päckchen zu tragen und mal tragen sie dieses Päckchen mit Leichtigkeit, mal glauben sie, von der Last erdrückt zu werden.

Das Ende der Geschichte lässt mich zufrieden zurück, denn alles ist für alle Personen geklärt, es sind keine Fragen mehr offen.

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