Cover-Bild Ich bleibe hier
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10,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 24.06.2020
  • ISBN: 9783257610079
Marco Balzano

Ich bleibe hier

Maja Pflug (Übersetzer)

Ein idyllisches Bergdorf in Südtirol – doch die Zeiten sind hart. Die Leute werden vor die Wahl gestellt: entweder nach Deutschland auszuwandern oder als Bürger zweiter Klasse in Italien zu bleiben. Trina entscheidet sich für ihr Dorf, ihr Zuhause. Als die Faschisten ihr verbieten, als Lehrerin tätig zu sein, unterrichtet sie heimlich. Und als ein Energiekonzern für einen Stausee Felder und Häuser überfluten will, leistet sie Widerstand – mit Leib und Seele.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.05.2020

Geraubte Heimat

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Ich muss gestehen, auch ich war bisher einer der Touristen, die den Reschensee mit seinem halb versunkenen Kirchturm fotografierten und anschließend Urlaub im wunderschönen Südtirol gemacht haben. Zwar ...

Ich muss gestehen, auch ich war bisher einer der Touristen, die den Reschensee mit seinem halb versunkenen Kirchturm fotografierten und anschließend Urlaub im wunderschönen Südtirol gemacht haben. Zwar war mir die Geschichte des Orts im Großen und Ganzen bekannt, die wahre Geschichte aber über ein fiktives Schicksal vermittelt zu bekommen, geht doch deutlich unter die Haut.
Erzählt wird aus der Perspektive Trinas, die Lehrerin werden möchte und ein ruhiges und beschauliches Leben mit wenig Abwechslung in Graun verbringt. Doch mit der Machtergreifung Mussolinis wird die Lebenssituation der deutschsprachigen Südtiroler komplett umgekrempelt. Die deutsche Sprache wird verboten, Namen werden italianisiert, nur italienisch sprechende Lehrer an den Schulen zugelassen, die die Schüler nicht verstehen.
Trina, die sich zum Unterrichten berufen fühlt, lernt die fremde Sprache, in der Hoffnung, doch noch eine Stelle zu bekommen. Doch diese Hoffnung erfüllt sich nicht. Stattdessen unterrichtet sie in den Kriegsjahren heimlich in einer sogenannten Katakombenschule Deutsch, was für sie, aber auch für ihre Schüler ein großes Risiko darstellt.
Mit ihrem Mann Erich, der nie aus Graun fort will, bekommt sie eine Tochter und einen Sohn. Die Tochter verlässt später ohne Abschied die Familie, worunter Trina ihr Leben lang leidet.
Erzählt wird auch die leidvolle und entbehrungsreiche Zeit, in der Erich als Deserteur heimkehrt und die beiden in die Berge fliehen, um nicht verhaftet und getötet zu werden.
Eine sehr wichtige Rolle spielt immer der Staudamm, der über Jahrzehnte hinweg geplant, verworfen, letzten Endes aber doch gebaut wird. Das ganze Tal wird geflutet, die Dörfer Graun und Reschen verschwinden und die Menschen werden für immer ihrer Heimat beraubt.
Trina erzählt ihr Schicksal in einer nüchternen, schnörkellosen Sprache, was das unsagbare Leid und die Ungerechtigkeit, die den Bewohnern der Region zugefügt wurden, aber auch ihr persönliches Leid, fast dokumentarisch wirken lässt und einen dennoch tief berührt.
Für mich ist ,,Ich bleibe hier" ein sehr trauriges, aber starkes Buch, das man unbedingt lesen sollte.

Veröffentlicht am 16.04.2020

Ich bleibe hier

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Ein idyllisches Bergdorf in Südtirol – doch die Zeiten sind hart. Von 1939 bis 1943 werden die Leute vor die Wahl gestellt: entweder nach Deutschland auszuwandern oder als Bürger zweiter Klasse in Italien ...

Ein idyllisches Bergdorf in Südtirol – doch die Zeiten sind hart. Von 1939 bis 1943 werden die Leute vor die Wahl gestellt: entweder nach Deutschland auszuwandern oder als Bürger zweiter Klasse in Italien zu bleiben. Trina entscheidet sich für ihr Dorf, ihr Zuhause. Als die Faschisten ihr verbieten, als Lehrerin tätig zu sein, unterrichtet sie heimlich in Kellern und Scheunen. Und als ein Energiekonzern für einen Stausee Felder und Häuser überfluten will, leistet sie Widerstand – mit Leib und Seele.

Ich selbst war Anfang des Jahres in Südtirol und bin dabei an dem Stausee mit der Kirche vom Cover vorbeigefahren. Da ich diese Kulisse ungemein faszinierend fand, wurde sofort ein Stopp eingelegt und ich habe mich mit der Geschichte hinter dem überfluteten Dorf näher beschäftigt. Ich fand die Vorstellung , dass mein Dorfüberflutet wird und alle verrieben werden sehr bedrückend, allen voran, als ich las welche Folgen es für jene Bürger hatte, die nicht freiwillig gegangen und bis zum Schluss um ihr zu Hause gekämpft haben. „Ich bleibe hier“ hat diese reale Geschichte als Hintergrund und schafft es den Leser mit einer unfassbar packenden Geschichte und äußerst authentischen Protagonisten zu fesseln und mitzureißen. Dieses Buch ist der meiner Meinung nach beste Roman aus dem Diogenes Verlag und ein absolutes Lesehighlight, welches ich jedem Interessenten der südtiroler Historie wärmstens empfehlen kann. Zudem regt dieser Roman zum Nachdenken an und schwingt selbst Tage nach dem Beenden noch nach.

FAZIT:
„Ich bleibe hier“ ist ein nachdenklich stimmender Roman, welcher ein dunkles Kapitel der Südtiroler Geschichte sehr packend aufarbeitet. Ein wirklich gelungenes Buch, welches mich komplett fesseln konnte, weshalb ich 5 Sterne vergebe!

Veröffentlicht am 30.05.2020

Intensiv, beklemmend, wahrhaftig

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Südtirol zur Zeit des italienischen Faschismus und des Zweiten Weltkriegs, ist ein histo-topografischer Bereich, mit dem ich mich noch nie zuvor beschäftigt habe. "Ich bleibe hier" von Marco Balzano hat ...

Südtirol zur Zeit des italienischen Faschismus und des Zweiten Weltkriegs, ist ein histo-topografischer Bereich, mit dem ich mich noch nie zuvor beschäftigt habe. "Ich bleibe hier" von Marco Balzano hat diesen Umstand zum Glück geändert, denn die Geschichte zum berühmten Kirchturm im Reschensee mit den menschlichen Schicksalen dahinter, ist es mehr als wert, erzählt zu werden.
Die Ich-Erzählerin Trina erzählt ihrer Tochter Marcia die Geschichte ihres Lebens, dessen geografischer Mittelpunkt Graun im Vinschgau, Südtirol, war. Eines Lebens, das geprägt war von den politischen Interessen der Faschisten, der Nationalsozialisten und später der Politik der Nachkriegsjahre. Mussolinis Schergen wollten die Dörfer im Dreiländereck Italien-Österreich-Schweiz italianisieren und kappten den einheimischen Tirolern ihren Zugang zu Arbeit und freier Bildung. Mit der Machtergreifung der Nazis entzweiten die "Heim ins Reich"-Parolen und falschen Versprechen des NS-Regimes die Bevölkerung. Die Familie der Erzählerin Trina gehört zu den "Dableibern" - bis auf Tochter Marica, die nach Deutschland verschleppt wird. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs und dem Kriegseintritt Italiens gibt es Pläne, im Gebiet von Graun und Reschen einen Staudamm zu bauen, dessen "Opfer" die Dörfer selbst werden - und natürlich ihre Bewohner. Doch dann müssen Trina und ihr Mann vor den Nazis fliehen und später dann ihr Haus verlassen zugunsten des Stausees.
Trotz des schwierigen, ernsten Themas, erzählt Marco Balzano die Geschichte mit einer bestechenden Leichtigkeit und einnehmenden Natürlichkeit. Die Wahl des Briefes als Erzählmedium und die Tatsache, dass es eine bestimmte Adressatin gibt, an die die Geschichte gerichtet ist - nämlich Trinas Tochter - verleiht dem Ganzen eine sehr persönliche Komponente. Niemals wirkt das Geschriebene artifiziell und immer wie eine wahrhaftige Lebensgeschichte einer Betroffenen. Das Leben in der deutschsprachigen Enklave, die von allen Seiten bedroht und eingeschüchtert wird, wird anschaulich dargestellt, die Atmosphäre im kleinen Südtiroler Bergdorf ist beklemmend. Vor allem die Flucht von Trina und Erich hat mich tief bedrückt und beeindruckt. Krieg ist einfach unglaublich schlimm für die betroffenen Menschen und das wird in "Ich bleibe hier" mehr als deutlich.
Lange hat mich kein Buch mehr derart emotional berührt und aufgewühlt. Eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 16.05.2021

Ich bleibe hier

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1939-1943 ein idyllisches Bergdorf in Südtirol. Das Leben dort ist hart, doch die Bürger haben die Wahl nach Deutschland auszuwandern oder als Bürger zweiter Wahl in Italien zu bleiben.
Trina will bleiben, ...

1939-1943 ein idyllisches Bergdorf in Südtirol. Das Leben dort ist hart, doch die Bürger haben die Wahl nach Deutschland auszuwandern oder als Bürger zweiter Wahl in Italien zu bleiben.
Trina will bleiben, es ist ihr Zuhause.Doch die Faschisten verbieten ihr weiter als Lehrerin zu arbeiten. Sie läßt sich das nicht verbieten und unterrichtet heimlich in Kellern und Scheunen. Dann soll das Dorf für einen Stausee weichen, geflutet werden. Trina und ihr Mann Erich organisieren den Widerstand….

Fazit:
Der Autor, Marco Balzano, hat eine tollen Schreibstil. Der einen dieses karge Leben, all die Zwänge und die gleichzeitig die Schönheit dieses Ortes spüren läßt. Durch den Kniff mit Trinas Leben, Kindheit und Jugend, in die Geschichte einzusteigen, man lernt ihren Blick auf das Dorf, ihre Freundinnen und den Zusammenhalt kennen. Die schleichende Gefahr des Krieges, die durch die besondere Lage des Südtirol verstärkt wird und die Entscheidung von Trina, Widerstand zu leisten…erst im Kleinen, in Form des Unterrichts, dann im Großen, weil sie mit ihrem Mann dieses Organisiert, kann man gut verstehen.
Geschickt sind geschichtliche Fakten in die Geschichte verwoben, was ich persönlich sehr interessant fand. Dieser Roman zählt nicht zu meinem üblichen Lesefutter, doch die Figuren und das Thema haben mich neugierig gemacht und das Buch läßt sich gut lesen.
Einzig der Mittelteil läßt mich einen Stern abziehen, denn was soll ich verstehen, wie schwer es für die Bewohner für Südtirol in dieser Zeit war? Das Grauen allgemein?
egal…lesen…

4 STERNE

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Veröffentlicht am 12.12.2020

Unfassbar stoische Hauptfigur!

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Der aus dem Reschensee herausragende Kirchturm ist inzwischen längst zu einer Postkartenattraktion und einem Touristenmagneten Südtirols geworden, doch das Wieso-Weshalb-Warum dahinter ist weit weniger ...

Der aus dem Reschensee herausragende Kirchturm ist inzwischen längst zu einer Postkartenattraktion und einem Touristenmagneten Südtirols geworden, doch das Wieso-Weshalb-Warum dahinter ist weit weniger pittoresk, ist der Turm doch das einzige sichtbare Überbleibsel eines im Rahmen eines eigentlich sinnlosen Staudammprojektes wie auch sein Nachbardorf nahezu vollständig gefluteten Dorfes.
Im Sommer 2020 hat Netflix den Kirchturm international nun noch einmal etwas bekannter werden lassen und wieder ein wenig mehr in den Mittelpunkt gerückt, als der Anbieter die fiktive Kurzserie „Curon“ veröffentlichte, die sich um ein Mysterium, eine Legende, rund um die (nicht vorhandenen) Glocken jenes Turms drehte – Marco Balzano verfolgt in „Ich bleibe hier“ allerdings einen grundsätzlich anderen Ansatz: In seinem Roman erzählt die dort geborene Trina als Ich-Erzählerin ihrer Tochter, die ansonsten aus ihrem Leben zu verschwunden sein scheint, wie es bereits sehr früh durchklingt, die Geschichte ihres Lebens, das mit der Geschichte Grauns bzw. Südtirols eng verwoben ist.

Die Erzählung ist dabei eher nüchtern, was überraschte und mich teils auch irritierte, da Trina quasi inmitten eines aufgewühlten Meeres leben musste und es kaum Ankerpunkte für sie gegeben haben zu schien; ich fand es sehr bewundernswert, wie stoisch sie häufig mit den sich teils sehr plötzlich verändernden Umständen umzugehen schaffte, wobei sie mir manchmal schon zu abgeklärt und unemotional erschien: Persönlich kann ich mir kaum vorstellen, wie man in ihrer Situation nicht irgendwann einfach nur kreuzunglücklich ist.
Im deutschsprachigen Südtiroler Schatten des sich immer weiter ausbreitenden italienischen Faschismus aufgewachsen, der ihre beruflichen Pläne zunichtemacht, wird sie im jungen Erwachsenenleben prompt mit dem deutschen Nationalsozialismus konfrontiert, als windige Ingenieure längst planen, ihre Heimat zu fluten, in der sich die Bewohner ohnehin keiner Nationalität wirklich zugehörig fühlen können: Die Region wird von außen eher als Fremdkörper aufgefasst, eine verbindungslose Insel, die man ohne Rücksichtnahme für sich vereinnahmen kann.
Trinas Widerstand ist dabei wohl ein wenig in ihrem Sturkopf begründet, aber vielmehr darin, dass ihr Ehemann sich von Anfang an beharrlich weigert, seine Heimat jemals aufzugeben geschweige denn zu verlassen: Meines Empfindens nach hat sie sich auch hier eher mit der Lage arrangiert und versucht einfach, das Beste daraus zu machen – und zu überleben, in der Hoffnung, dass der Krug letztlich vorübergehen möge, ohne zu zerbrechen.

Ich fand „Ich bleibe hier“ eine ungemein interessante Erzählung, weil das, was nun unter dem Reschensee verborgen liegt, so deutlich beschrieben wurde, und musste auch ein paar Mal beim Lesen pausieren, weil ich Trinas „Erlebnisbericht“ teilweise einfach sehr bedrückend und belastend fand bzw. sie mitunter einfach wahnsinnig um ihre relative Abgeklärtheit beneidete (um ihr im nächsten Moment ihre Coolness aber doch nicht ganz so sehr abzukaufen).
Die Lektüre empfehle ich zwar gerne weiter; man lernt so viel rund um die betroffene Region; würde aber nicht dazu raten, diesen Roman dann zu lesen, wenn man selbst grad persönlich etwas aufgewühlt oder deprimiert ist: Da wird Trina schnell zu einer Vorbildfigur, an der man gleich scheitert.