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Veröffentlicht am 07.01.2021

Spannende Unterhaltung mit - statt von - Alexandre Dumas

Die Romanfabrik von Paris
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Die Romane "Der Graf von Monte Christo", "Die drei Musketiere" oder "Der Mann in der eisernen Maske" sind weltberühmt und haben als Abenteuerromane und Populärliteratur des 19. Jahrhunderts ihren angestammten ...

Die Romane "Der Graf von Monte Christo", "Die drei Musketiere" oder "Der Mann in der eisernen Maske" sind weltberühmt und haben als Abenteuerromane und Populärliteratur des 19. Jahrhunderts ihren angestammten Platz in der Literaturgeschichte. Ihr Autor, Alexandre Dumas der Ältere (nicht zu verwechseln mit seinem Sohn A. D. d. Jüngere, der "Die Kameliendame" schrieb), war mir zwar durch sein Werk, nicht aber so sehr durch sein Leben bekannt. Ich wusste wenig bis nichts über seine Biografie. Nach der Lektüre der "Romanfabrik von Paris" und des lohnenden Nachworts ist mir die Lebensgeschichte von Alexandre Dumas aber nun schon sehr vertraut - von 0 auf 100 sozusagen. Wir kommen durch “Die Romanfabrik von Paris” ganz nah an die Persönlichkeit Dumas heran - selbstverständlich im Rahmen einer fiktiven Geschichte, die sich nur an die Realität anlehnt.
Worum geht's? Wir schreiben das Jahr 1851 und Alexandre Dumas lebt als Schriftsteller in seinem Schlösschen, dem “Chateau Monte Christo” außerhalb von Paris. Dort entstehen im Rahmen der "Romanfabrik" seine beliebten Romane, die er von Lohnschreibern aufschreiben lässt, die Ideen und Geschichten aber kommen von ihm. Die fertigen Werke publiziert er als Fortsetzungsgeschichten in der Zeitung. Er hat es neben großer Popularität auch zu vielen Neidern und einigen Feinden gebracht. Die LeserInnen aber lieben seine Geschichten, in denen es um Rache und Liebe, Intrigen, Mord und Totschlag geht. Auch der Humor und der Genuss haben in den Abenteuerromanen ihren angestammten Platz und versüßen so manchem Franzosen den harten Alltag. Der Bonvivant Dumas gibt das Geld, das er durch seine Schriftstellerei verdient, gerne mit vollen Händen aus - für Reisen, Essen, Luxus, etc. Der gutherzige Lebemann Dumas ist ein erfolgreicher Glücksritter und liebt das Leben, wobei er auch gerne neue Ideen für seine Abenteuerromane sammelt.
Die deutsche Gräfin Anna von Dorn ist die weibliche Protagonistin des Romans. Nach dem Tod ihres adeligen Mannes kommt sie als Privatlehrerin nach Paris. Sie sitzt im Rollstuhl - warum, sei an dieser Stelle noch nicht verraten. Als sie bei einer Familie, in der sie unterrichtet, die Fortsetzungsromane von Dumas kennenlernt, ist sie empört. Die lose Moral und mangelnde Gottesfürchtigkeit sind für die belesene Lehrerin ein Graus. Sie stellt Dumas zur Rede und muss dabei feststellen, dass die beiden ungleichen Personen ein gemeinsamer Gegenspieler verbindet: der Magnetiseur Lemaitre.
Mit einer actiongeladenen Handlung, allerlei Intrigen, plötzlichen Wendungen und ganz vielen Zufällen ist dieser historische Roman ein amüsanter Parforceritt durch das Europa des mittleren 19. Jahrhunderts. Neben Paris spielt die Handlung auch in Brüssel, London und Moskau. Wie es sich für einen richtigen Abenteuerroman gehört, jagt ein Handlungselement das nächste. Der Leser hat kaum Zeit zum innehalten, aber dafür ist dieser Roman auch wirklich nicht gedacht. Gelegentlich schon sehr abgedreht, ist die Handlung aber stets unterhaltsam und lebendig. Ich habe durch dieses Buch selbst Lust bekommen, die Romane von Dumas, die ich nur als Verfilmungen kenne, einmal zu lesen. Fazit: Ein sehr lesenswerter historischer Abenteuerroman für lange Wintertage (der zufällig auch im Winter spielt)!

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Veröffentlicht am 28.12.2020

Intimer Blick ins Familienalbum

Die Bagage
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Monika Helfer erzählt in "Die Bagage" nichts weniger als die Geschichte ihrer Existenz, die sie wie jeder andere Mensch auch ihren Ahnen zu verdanken hat. Dafür blickt sie - durch die literarische Brille ...

Monika Helfer erzählt in "Die Bagage" nichts weniger als die Geschichte ihrer Existenz, die sie wie jeder andere Mensch auch ihren Ahnen zu verdanken hat. Dafür blickt sie - durch die literarische Brille der Erzählerin (die aber mit der Autorin gleichzusetzen ist) quasi ins orale Erinnerungsalbum ihrer Herkunftsfamilie. Dieses setzt sich aus Geschichten zusammen, die ihr ihre hochbetagte Tante Kathe kurz vor ihrem Tod erzählte. Sie fügt die Geschichten in "Die Bagage" zu einem Ganzen zusammen. Sie erzählt, wie sie es erzählt bekommen hat, versucht aber die Lücken in der Überlieferung, also die Ereignisse, die Kathe nur indirekt mitbekommen hat, mit ihrer eigenen Vorstellungskraft zu schließen, sie literarisch zu verfeinern. Und doch bleiben bei ihr am Ende noch Fragen offen, wie zum Beispiel: "Warum haben sich meine Leute immer absichtlich abgesondert? Warum?"

Die Geschichte beginnt kurz vor der Zeugung der Großmutter der Erzählerin im Spätsommer 1914, irgendwo in einem kleinen Dorf in Österreich. Kennt man die Biografie der Autorin, kann man sich das Dorf und das Bundesland erschließen, für die Geschichte aber ist der Name des Ortes nicht relevant. Es könnte jedes kleine österreichische Dorf sein und die Familie jede arme Familie im Jahr 1914, ist es aber nicht. Es geht um die Familie Moosbrugger, vor allem um die Mutter, die schöne Maria, ihren Mann Josef und die zunächst vier gemeinsamen Kinder: Hermann, Katharina, Lorenz und Walter. Josef wird im September 1914 in den 1. Weltkrieg eingezogen. Der Bürgermeister soll "ein Auge" auf die Familie haben, während der Vater im Krieg ist. Als er Maria auf einen Markt in die nächst größere Stadt mitnimmt, lernt diese dort den Deutschen Georg kennen. Sie verliebt sich in ihn und er in sie, aber es bleibt eine kurze, nicht lebbare Liebe. Josef darf gelegentlich für kurze Zeit auf Heimaturlaub. Bei einem dieser Urlaube wird Grete gezeugt. Die Gerüchte über Maria und den Deutschen erreichen auch Josef und dieser hegt einen schlimmen Verdacht….

Gut gefallen hat mir, dass Monika Helfer ihre Figuren nicht nur als arm und von Geburt an determiniert darstellt, sondern als Menschen aus Fleisch und Blut, die menschliche Bedürfnisse, ganz eigene Vorstellungen vom Glück und Träume haben. Dass diese meist an der Realität scheitern, ist die Tragik des Menschseins und das strahlt diese Geschichte für mich aus. Dennoch ist sie nicht fatalistisch und die Figuren bemitleiden sich nicht selbst (bis auf den Bürgermeister vielleicht).

Die große Frage des Romans ist im Grunde auch die nach der eigenen Verortung in der Genealogie einer Familie. An einer Stelle fragt sich die Erzählerin nämlich, wo "die Bagage" denn enden würde und ob sie selbst überhaupt noch dazugehöre bzw. ihre Familie, ihre Kinder und ihr Mann. Zieht sich ein roter Faden durch die Geschichte einer Familie, deren Teil man für alle Zeiten bleibt oder muss man sich selbst als eigene Bagage begreifen und seine selbst gegründete Familie als von der Vergangenheit unabhängig begreifen?

Obwohl Helfer ihre Figuren sehr profiliert darstellt und man sich ein genaues Bild der unterschiedlichen Charaktere machen kann, bleibt zwischen den Figuren und dem Leser eine gewisse Distanz. Es ist als würde man das Fotoalbum einer anderen Familie ansehen, nicht der eigenen. Man findet vieles interessant, hat Fragen, aber das Interesse bleibt oberflächlich und man hat das dumpfe Gefühl, dass einen diese intime Geschichte einer anderen Familie doch eigentlich nichts angeht. Dennoch möchte ich sagen, dass "Die Bagage" ein sehr fein gezeichnetes Zeitgemälde der bäuerlichen Lebenswelt des frühen 19. Jahrhunderts ist, rustikal erzählt und mit einem gewissen spröden Charme.

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Veröffentlicht am 19.12.2020

Die Bodleian Library als Tatort

Inspector Swanson und die Bibliothek des Todes
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Abgesehen von der Tatsache, dass historische Krimis mit Setting England bzw. Großbritannien genau mein Ding sind, hat mich das Buch mit zwei Versprechen geködert: 1. Es sollte um Oscar Wilde gehen. 2. ...

Abgesehen von der Tatsache, dass historische Krimis mit Setting England bzw. Großbritannien genau mein Ding sind, hat mich das Buch mit zwei Versprechen geködert: 1. Es sollte um Oscar Wilde gehen. 2. Der Mord sollte in einer Bibliothek stattfinden. Beide Versprechen wurden eingelöst, wobei es wirklich nur am Rande um Oscar Wilde geht. Der Prozess, den der populäre Dandy, Schriftsteller und Wortakrobat angesichts der Beleidigungen des Marquess of Queensberry führte und der schließlich darin resultierte, dass Wilde ins Gefängnis musste, bildet die Rahmenhandlung dieses Krimis. Der fiktive Ermittler, Chief Inspector Swanson, ist nämlich privat mit Wilde befreundet. Dies ist bereits der siebte Band der Reihe, aber der erste, den ich lese, aber es wird angedeutet, dass Oscar Wilde bereits in den Fällen davor als literarische Figur vorkommt. Ein Grund mehr, die Vorgänger-Bände auf meine Lektüreliste zu setzen. In der Rahmenhandlung kommen Wilde und sein geliebter Alfred Douglas, genannt Bosie, der Sohn des Marquess of Queensberry, kurz als handelnde Personen vor. Diese Passagen haben mir sehr gut gefallen, denn von Oscar Wildes Persönlichkeit, seinem Witz und seinen Werken kann ich - in welcher Form auch immer - niemals genug bekommen.
Die Kriminalhandlung an sich und damit der Mordfall, um den es hauptsächlich geht, haben aber rein gar nichts mit Wilde zu tun, außer dass sie sich zur selben Zeit wie der Prozess abspielen: Im Frühjahr 1895. Auch spielt dieser siebte Band der Reihe hauptsächlich in der berühmten Universitätsstadt Oxford und nur am Rande in London, wo Inspector Swanson und sein Freund, der Bloomsbury-Privatier Frederick Greenland, eigentlich ermitteln. Greenland macht in diesem Band einen Ausflug nach Oxford, zusammen mit seiner Verlobten Louisa Balshaw und Greenlands Ziehsohn “Badger”, einem ehemaligen Londoner Straßenjungen. Für die Vorgeschichte dieser Familienkonstellation muss man wohl ebenfalls die Vorgänger gelesen haben, denn diese wird nur kurz angedeutet. Natürlich ist für den belesenen Lebemann Greenland bei einem Aufenthalt in Oxford ein Besuch der altehrwürdigen Bodleian Library selbstverständlich. Dort machen er, seine Verlobte und Badger eine grausige Entdeckung: Ein Professor der Universität wurde mit einer Bronzestatuette erschlagen. Schnell wird klar: Greenland wird neben einigen anderen Professoren sowie dem Bibliothekspersonal selbst verdächtigt, den Mord verübt zu haben. Greenland verständigt so schnell wie möglich Inspector Swanson und dieser eilt natürlich sofort seinem Freund zur Hilfe. Sein erster Einsatz in Oxford stellt ihn vor ein kniffliges Rätsel, das er aber natürlich am Ende auflösen wird.
Die Schreibweise von Robert C. Marley hat mir wirklich gut gefallen. Er hat ein klassisches Locked-Room-Mystery in historischem Setting geschrieben, das mit einem überschaubaren Kreis von Verdächtigen auskommt. Der Fall an sich ist jetzt nicht mega spannend, aber die Auflösung war doch sehr überraschend. Ich hatte einen anderen Täter im Visier. Der Ermittler Swanson hat mir gut gefallen, auch wenn ich in diesem Band jetzt noch nicht so viel über ihn in Erfahrung bringen konnte. Seine Verbindung zu Oscar Wilde ist in jedem Fall schon mal klasse und verleitet mich dazu, auch die anderen Bände dieser Reihe in die Hand zu nehmen. Alles in allem ein schöner historischer Cosy Krimi mit ernsten, aber auch humorvollen Elementen.

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Veröffentlicht am 20.11.2020

Die Windsors zwischen Fakten und Fiktion

Teatime mit Lilibet
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Dass Elizabeth die Zweite, Königin von England, ein sechsjähriges Mädchen war, ist fast 90 Jahre her. Damals, 1932, war sie Prinzessin und die Tochter des Herzogs und der Herzogin von York und ...

Dass Elizabeth die Zweite, Königin von England, ein sechsjähriges Mädchen war, ist fast 90 Jahre her. Damals, 1932, war sie Prinzessin und die Tochter des Herzogs und der Herzogin von York und wurde von allen nur "Lilibet" gerufen. Dass sie einmal Königin von England werden würde, sogar die mit der längsten Amtszeit aller Zeiten, wusste sie damals noch nicht. Wie auch, ihr Onkel David, der spätere Edward VIII., war als Prinz von Wales Thronfolger und ihr Vater Albert "nur" die zweite Wahl. Dass er als George VI. später König und sie Thronfolgerin werden würde, galt als unwahrscheinlich. Dennoch ist es mit der Abdankung ihres Onkels im Zuge seiner Beziehung mit der Amerikanerin Wallis Simpson im Dezember 1936 so gekommen. Fiktionale Bearbeitungen vom Leben der Queen gibt es einige. Wendy Holdens Roman "Teatime mit Lilibet" befasst sich nun mit der Zeit, in der Elizabeth zwar eine privilegierte Prinzessin, aber von der Bürde des Throns noch nicht gezeichnet war - zunächst zumindest.

Die Protagonistin des Romans, Marion Crawford, war tatsächlich für 16 Jahre die Gouvernante der späteren Queen und ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Prinzessin Margaret. Crawford hat sogar ein Buch über die Kindheit der Queen und ihrer Schwester geschrieben ("The little Princesses"), das Wendy Holden als Quelle und Inspiration für ihren Roman gedient hat. Dieses Buch hat auch zum Bruch der Royals mit Crawford geführt, d.h. über die langjährige Gouvernante wurde nicht mehr gesprochen, sie wurde in der Öffentlichkeit totgeschwiegen. Um also nachprüfen zu können, wie viel in diesem Roman Fiktion ist und welche Fakten den Lebenserinnerungen Crawfords entstammen, müsste man beide Bücher gelesen haben.

In "Teatime mit Lilibet" wird die glamouröse Welt der Royals nicht verklärt - im Gegenteil. Die Protagonistin, die eigentlich die Armen und Bedürftigen in ihrer schottischen Heimat unterrichten wollte, ist gleichzeitig fasziniert und abgestoßen vom dekadenten Leben der königlichen Familie. Sie gerieren sich für Außenstehende wie Schauspieler, bei denen sich die öffentliche von der privaten Rolle eklatant unterscheidet. Dennoch sind sie auch Menschen mit Begierden, Krankheiten und Träumen. Als skurril wird das Verhalten fast aller Royals beschrieben. Wenn sie zum Beispiel einerseits "bodenständigen" Aktivitäten wie Gartenarbeit nachgehen und gleichzeitig wie selbstverständlich von Dienern, Gold, Diamanten und Überfluss umgeben sind. Crawford versucht die junge Elizabeth mit wirklich bürgerlichen Aktivitäten ("Operation Normal") wie U-Bahn-Fahren und Einkaufen sowie kindgerechter Kleidung ohne Tüll und Spitze vertraut zu machen. Das ist das eigentliche Verdienst der linksorientierten Gouvernante aus Schottland, die auch die Kehrseite der Medaille und das prekäre Leben der Armen kennt, das sie der verwöhnten Prinzessin nahe bringen möchte. Immer wieder aber scheitert sie in ihrer Mission an den elitären Regeln der "Firma".

Sprachlich ist der Roman nicht anspruchsvoll und wenn man sich ein wenig mit der Geschichte der Windsors beschäftigt hat, sollte es auch keine Verständnisprobleme geben. Erzählerisch hätte manches etwas mehr ausgearbeitet werden können, vieles wird nur anerzählt und mündet dann schon wieder im nächsten Ereignis. Zum Beispiel die Gedanken angesichts der "Männergeschichten" von Crawfie (so wird sie von Elizabeth genannt) sowie ihre Zerrissenheit zwischen Königshaus und Edinburgher Slums bzw. einem erzwungenen Singledasein als königliche Gouvernante und dem Wunsch nach Liebe und Familie bleiben nur oberflächlich. Es gibt viele Zeitsprünge und allgemein wird sehr episodisch erzählt. Manchmal gleichen die Ausführungen der Autorin auch Auszügen aus einem Geschichtsbuch. Der Roman wird vor allem in der zweiten Hälfte mit den geschichtlichen Ereignissen der damaligen Zeit unterfüttert. Die Handlung wird im Zuge dessen immer dünner und hangelt sich an den historischen Fakten entlang.

Wenn man sich so wie ich für die englische Königsfamilie interessiert, ist dieser Roman eine wunderbare Gelegenheit einmal durchs royale Schlüsselloch zu linsen. Wie gesagt sollte man wissen, dass nicht ganz klar ist welche erzählten Ereignisse (abseits der historischen Fakten) und Gespräche der Erinnerung der realen Marion Crawford, Wendy Holdens Einbildungskraft oder einer anderen Quelle entstammen. Wer einen Abgleich des Erzählten machen möchte, sollte also neben dem Roman zumindest noch Crawfords Autobiografie lesen. Auf meiner Wunschliste steht sie bereits.

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Creepy Christmas in der Provence

Stille Nacht in der Provence
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Weihnachtskrimis lese ich in der Vorweihnachtszeit immer ganz gerne, vor allem weil in ihnen - im Gegensatz zur Realität - meistens Schnee liegt. So auch in "Stille Nacht in der Provence" von Cay Rademacher ...

Weihnachtskrimis lese ich in der Vorweihnachtszeit immer ganz gerne, vor allem weil in ihnen - im Gegensatz zur Realität - meistens Schnee liegt. So auch in "Stille Nacht in der Provence" von Cay Rademacher (mein erstes Buch von ihm).
Zur Handlung: Die Hamburger Andreas Kantor, Gymnasiallehrer für Französisch und Englisch und seine Frau Nicole, Journalistin, beide um die Fünfzig, wollen Weihnachten in der Provence verbringen. Ein Kollege von Andreas stellt Ihnen dafür sein Ferienhaus in Miramas-le-Vieux in der Nähe von Marseilles zur Verfügung.
Miramas-le-Vieux ist ein kleines mittelalterliches Dörfchen, das nur wenige Einwohner hat. Die meisten wohnen im angrenzenden neuen Ort Miramas. Dennoch gibt es ein paar "Einheimische" wie die Santonniere Milène Tanguy, die Santons fertigt, kleine provenzalische Tonfiguren, sowie deren Mann René. Auch ein Hotel-Restaurant gibt es hier, Inhaberin ist die Witwe Valéria. Ihr Neffe Dennis, ein Heimatforscher, hilft ihr gelegentlich aus. Dann wäre da noch der zwielichtige Polizist Zulesi, der einzige Ordnungshüter von Miramas-le-Vieux. Das war's auch schon im Wesentlichen, das Personal dieses Romans ist so überschaubar wie der Handlungsort im Winter - von daher passt es. Im Sommer ist Miramas-le-Vieux nämlich ein gut besuchter Touristenort, im Winter hingegen wie ausgestorben. Perfekte Voraussetzungen also für die Krimihandlung, die sich nun entfaltet: Andreas findet in einem vom Schnee eingedrückten Gewölbekeller neben seinem Ferienhaus einen Sarg mit Leiche, die kurz darauf verschwindet. Die deutschen Touristen werden von den Einheimischen zunächst kritisch beäugt, aber als dann bekannt wird, was Andreas Kantor vermeintlich gefunden hat, beginnt die Situation zunehmend prekär zu werden: Wer ist der Tote im Gewölbe und wer hat ihn dorthin geschafft?
Wenn man von einigen wenigen abgenutzten Metaphern (Schnee wie Puderzucker, Füße schwer wie Blei, etc.) einmal absieht, konnte mich der Krimi - auch sprachlich - durchaus überzeugen. Dem Autor gelingt es formidabel, eine Atmosphäre zu erzeugen, die ganz schön beklemmend und bedrohlich daherkommt. Eine richtige Thriller-Atmo also. Andreas, der Protagonist des Romans, gerät ja in viele bedrohliche Situationen und man weiß nie, ob sie mit einem Kaffeeklatsch oder mit dem Mord an ihm enden werden.
In der französischen Region Provence-Alpes-Côte d'Azur ist Schnee - noch dazu solche Mengen, wie sie im Buch beschrieben werden und dann auch noch um die Weihnachtszeit - eine absolute Ausnahme. Daß der Autor um Kunstgriff "eingeschneit, ergo sind die Personen am Schauplatz des Geschehens gefangen und von der Außenwelt isoliert" gegriffen hat, finde ich aber schon in Ordnung. Überhaupt hat mir das Setting, dieser mittelalterliche provenzalische Ort, sehr gut gefallen. Vom Spannungsaufbau und auch was die Auflösung betrifft ein sehr solider “Cosy” Krimi, den ich weiterempfehlen kann.

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