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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.01.2021

Was weiß ich über meinen Vater?

Vati
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Diese Frage habe ich mir gestellt, nachdem ich dieses Buch gelesen hatte. Was weiß man eigentlich wirklich über die eigenen Eltern, ihren Lebenslauf, ihre Probleme, ihre Freuden und Sorgen? Als Kind ist ...

Diese Frage habe ich mir gestellt, nachdem ich dieses Buch gelesen hatte. Was weiß man eigentlich wirklich über die eigenen Eltern, ihren Lebenslauf, ihre Probleme, ihre Freuden und Sorgen? Als Kind ist man zunächst zu jung, um ihren Lebensweg zu erfassen, als junger Mensch ist man zu stark mit der eigenen Selbstfindung und Familiengründung beschäftigt, und danach kann es manchmal schon zu spät sein....
Monika Helfer geht in diesem Buch der Frage nach, wie ihr Vater wirklich war und wie er sein Leben gestaltet hat. Dies ist nicht ihr erstes Buch, das sich mit Familienforschung beschäftigt, denn in 'Die Bagage' beschreibt sie bereits das Leben ihrer Großeltern. Diese hatten viele Kinder, und eines davon ist die Mutter der Autorin. Ich fand es sehr interessant, nebenbei zu lesen, wie es den Kindern in ihrem Leben ergangen ist.
Josef, von seinen Kindern 'Vati' genannt, weil er das so wünscht und weil es modern ist, war im Krieg und trägt eine Beinprothese. Er ist belesen, intelligent und wurde schon als Kind respektiert. Aber er ist sehr verschwiegen, und deshalb muss die Autorin im Umfeld recherchieren, um sich ein nahezu fertiges Bild machen zu können. Josef lernte im Lazarett seine Frau kennen und lieben, mit ihr hat er insgesamt 4 Kinder, er wurde Verwalter in einem Kriegsopfererholungsheim in den Bergen, hatte somit einen verantwortungsvollen Posten und konnte seiner eigenen Famile dort ein schönes Leben bieten. Er hegt und pflegt die Bibliothek dieses Heimes und träumt davon, auch eines Tages eine solche zu besitzen. Dieser Wunsch führt zu einer krassen Entscheidung und verändert das gemütliche Familienleben. Die Familie lernt nun andere Lebensverhältnisse kennen, sehr beengt und eingeschränkt. Der Vater zerbricht daran.....
Die Autorin erzählt ruhig und gelassen von den Höhen und Tiefen ihres Lebens im Hinblick auf den Vater und die anderen Familienmitglieder. Es gibt Phasen, in denen man Vatis Entscheidungen nicht versteht, aber sie bemüht sich stets, Vatis Beweggründe zu deuten und zu erklären. Sie zeigt keine Unzufriedenheit und spricht keine Vorwürfe aus. Bewundernswert!
Historisch gesehen erleben wir die großen Entbehrungen der Nachkriegszeit mit, die engen Wohnverhältnisse, das kleine Budget, die strenge Erziehung der Kinder usw., was ich auch sehr eindrucksvoll fand.
Der Schreibstil ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, kurze Sätze, Zeitsprünge und unbekannte Phrasen (österreichische Vokabeln!), aber man gewöhnt sich schnell daran.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, es hat mich zum Nachdenken gebracht und nachgewirkt. Ich denke, im Leben meiner Eltern hätte ich noch vieles Wissenswerte finden können.

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Veröffentlicht am 17.01.2021

Amour fou - leidenschaftlich, aber absurd

Hingabe
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Tomás ist 40 Jahre alt, als bei ihm Lungenkrebs in fortgeschrittenem Stadium festgestellt wird. Er ist ein allein lebender verwitweter Landwirt, reich aber geizig, sein Haus ist heruntergekommen. Er hält ...

Tomás ist 40 Jahre alt, als bei ihm Lungenkrebs in fortgeschrittenem Stadium festgestellt wird. Er ist ein allein lebender verwitweter Landwirt, reich aber geizig, sein Haus ist heruntergekommen. Er hält die Krankheit zunächst geheim, weil er um sein Ansehen fürchtet, denn seine Machtposition in dem galicischen Dorf, in dem er lebt, bedeutet ihm viel. Er lebt also weiter wie bisher, arbeitet schwer, trinkt und raucht exzessiv und besucht abends die lokale Kneipe.
In dieser Kneipe lernt er dann eines Tages Suiza kennen, die dort seit kurzem arbeitet und die eine extreme erotische Anziehungskraft auf ihn ausübt. Um den anderen seine Stärke zu demonstrieren, schleppt er sie eines Abends im wahrsten Sinne des Wortes aus der Kneipe ab und nimmt sie als seinen Besitz mit nach Hause. Er lebt seine sexuellen Begierden an ihr aus, wobei sie sich nicht wehrt, sondern alles über sich ergehen lässt als sei es die Normalität.
Das ist insofern nicht verwunderlich als Suiza eine ungewöhnlich einfach gestrickte Frau ist, die aus einem Heim für junge Frauen abgehauen ist, um das Meer zu sehen. Sie ist arm, spricht kein Wort Spanisch und scheint in ihrer Naivität alles zu akzeptieren, was ihr hilft zu überleben. Suiza empfindet anders als gewöhnliche Frauen, stellt von sich aus keine Ansprüche und möchte andere glücklich machen.
Wir erleben in diesem Buch, wie aus der zunächst obsessiven sexuellen Begierde allmählich eine liebevolle Beziehung wird, in der jeder versucht, den anderen glücklich zu machen - eine 'Amour Fou', denn die besonderen Lebensumstände, in denen sich die beiden befinden, garantieren kein langes Glück.
Dieses ungewöhnliche Buch hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen durch seinen detailreichen Schreibstil und durch die Spannung, die sich sofort entwickelt, weil man unbedingt wissen möchte, wie sich diese Beziehung weiter entwickelt und wie Tomás Erkrankung fortschreitet. Diese Spannung hält bis zum Ende an! Auch gefällt mir die intensive Zeichnung der Charaktere, nicht nur die beiden Hauptprotagonisten werden so ausgeprägt beschrieben, dass man ein reales Bild im Kopf entwickelt, sondern auch Nebenfiguren, wie z.B. Tomás Ziehmutter Agustina oder sein getreuer Helfer Ramón.
Ein außergewöhnliches, aber sehr lesenswertes Buch!

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Veröffentlicht am 09.01.2021

Zwei verlorene Seelen, die sich finden und hochziehen

Miss Bensons Reise
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Margery Benson hat früh ihren Vater verloren und hatte danach eine freudlose und einsame Kindheit und Jugend. Sie interessiert sich für Naturwissenschaften, besonders für Käfer, und hatte den großen Traum, ...

Margery Benson hat früh ihren Vater verloren und hatte danach eine freudlose und einsame Kindheit und Jugend. Sie interessiert sich für Naturwissenschaften, besonders für Käfer, und hatte den großen Traum, den goldenen Käfer in Neukaledonien zu finden, was bislang noch niemandem gelang. Ihr Vater hat ihr den Käfer vor seinem Freitod in einem Buch gezeigt. Aber wie damals (Anfang des 20.Jahrhunderts) üblich, musste sie etwas Solides lernen und wurde Hauswirtschaftslehrerin. Eines Tages wird sie von ihren Schülern gemobbt und erkennt, wie andere Menschen sie sehen: als freudlose und unförmige alte Jungfer, die keinen Bezug zum realen Leben hat. Hier setzt nun eine krasse Wende ein: sie entsinnt sich ihres Traumes von den goldenen Käfern, gibt ihren Beruf auf und sucht eine Begleitung für eine Reise nach Kaledonien, um ihrem kargen Leben endlich einen Sinn zu geben.
Sie findet eine Begleiterin, die auf den ersten Blick nicht zu ihr passt, aber im Laufe der Zeit entwickelt sich eine tiefe und emotionsgeladene Freundschaft, die beide Frauen bisher nicht kannten, denn beiden hat es an gefühlsmäßig aufrichtigen und positiven Begegnungen gefehlt. Es ist schön zu beobachten, wie beide ganz allmählich aufeinander zugehen, sich öffnen und Vertrauen entwickeln.
Das Unternehmen 'Goldener Käfer' ist voller Probleme, schwerwiegender Art, aber irgendwie löst sich immer alles in Wohlgefallen auf, so dass man das Gefühl hat, ein Märchen zu lesen, ein Märchen für Erwachsene mit ernstem Hintergrund, aber guter Botschaft. Man darf nicht alles an der Realität messen!
Was mir an diesem Buch besonders gefällt ist die Sprache, diese Wortspielereien, und auch die sprachgewaltigen Bilder. Z.B. vergleicht sie das Rüschenkleid der Konsulsgattin mit einer Hochzeitstorte und hat das Gefühl, mit einer solchen zu sprechen ....herrlich!Ich glaube, diese Sprache, auch gespickt mit reichlich Ironie, macht weitgehend den Zauber des Buches aus.
Dies war mein erstes Buch dieser Autorin, aber es hat mich überzeugt, und ich möchte es als Lesevergnügen empfehlen.

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Veröffentlicht am 28.12.2020

Gouvernante der Queen

Teatime mit Lilibet
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Schon immer hat mich das englische Königshaus interessiert, vielleicht weil ich schon so oft in England war, vielleicht aber auch weil man so manches Drama mitverfolgen konnte, wobei ich hier in erster ...

Schon immer hat mich das englische Königshaus interessiert, vielleicht weil ich schon so oft in England war, vielleicht aber auch weil man so manches Drama mitverfolgen konnte, wobei ich hier in erster Linie an Lady Diana Spencer denke, die als Frau von Prince Charles so einiges ertragen musste, schließlich aus dem goldenen Käfig ausbrach, ihr neues Leben aber nicht lange genießen konnte. Diana hatte sich den royalen Regeln zu unterwerfen. Als sie es nicht mehr tat, wurde sie in ein schlechtes Licht gerückt und ausgeschlossen.
Ähnlich geht es der Protagonistin in diesem Buch, Marion Crawford, einer jungen emanzipierten Lehrerin, die die Erziehung der beiden Töchter des Herzogs von York übernimmt, Elisabeth und Margaret. Eigentlich hatte sie andere Pläne, sie wollte die Ärmsten der Armen unterrichten, um ihnen einen sozialen Aufstieg zu ermöglichen, aber alsbald findet sie ihre Berufung darin, die Prinzessinnen, die keine Schule besuchen, mit dem realen Leben bekannt zu machen. Sie findet schnell Zugang zu den beiden Kindern, und besonders Lilibet ist sehr anhänglich und lernfreudig. Sie fahren gemeinsam mit der U-Bahn, kaufen bei Woolworths ein oder besuchen Museen. Die Betreuung der Mädchen ist ein Fulltime Job, und so bleibt Marion nicht viel Zeit für ihr Privatleben. Sie ist in ihrer Rolle gefangen, versucht des öfteren auszubrechen, was aber durch royale Überredungskunst zerschlagen wird. So arbeitet sie 16 Jahre lang in diesem Beruf, erlebt die Prinzessinnen als Produkt ihrer Erziehung und sieht einen Familienersatz darin. In dieser Zeit schwebt Marion zwischen zwei sehr verschiedenen Welten, auf der einen Seite Dekadenz und Luxus, auf der anderen Seite präsentiert sich die Realität in Form von Hunger, Armut und Verzweiflung. Wohin gehört sie? Schon bald ist der Sog des royalen Umfeldes so stark, dass ihr eigenes Zuhause einengend erscheint.
Sehr interessant finde ich den Einblick in die politischen Geschehnisse in dieser Zeit, besonders im 2.Weltkrieg, als die Deutschen England immer wieder zu erobern versuchten. Diese entbehrungsreiche Zeit, die auch die Royals betraf, war mir in ihrer Härte nicht bekannt. Auch den Rücktritt Eduards VIII bekommen wir hautnah mit, sowie die Ächtung seiner Geliebten Wallis Simpson durch die Royals.
Als die Prinzessinnen älter werden und Beziehungen knüpfen, fühlt sich Marion überflüssig und sieht keine verantwortungsvollen Aufgaben mehr. Sie beendet das Dienstverhältnis, merkt aber, dass sie immer noch den Royals verpflichtet bleibt. Als sie ein Buch über ihre Zeit mit den Kindern schreibt, kommt es zum Bruch, denn sie hat gegen die royalen Regeln verstoßen.
Wendy Holdens Schreibstil ist gut zu lesen und beinhaltet Elemente des skurrilen englischen Humors, so manche Szene lässt den Leser grinsen.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, denn es beinhaltet zahlreiche Informationen über die Kindheit der Queen, ihre Vorlieben, ihre Ticks, ihr Verhältnis zu ihrer Schwester, das Kennenlernen von Philip. Auch wenn Fiktion dabei ist, denke ich, dass die Grundsätze real sind. Ich habe das Buch genossen und empfehle es gern weiter. Ein Muss für alle England- und Royal Fans!

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Veröffentlicht am 22.12.2020

Späte Rache

Vergessene Gräber
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Ein Serienmörder treibt in Frankfurt sein Unwesen, mehrere junge Leute werden brutal misshandelt und getötet, alle sind wohlbehütet aufgewachsen und haben eine erfolgsversprechende Zukunft vor sich. Was ...

Ein Serienmörder treibt in Frankfurt sein Unwesen, mehrere junge Leute werden brutal misshandelt und getötet, alle sind wohlbehütet aufgewachsen und haben eine erfolgsversprechende Zukunft vor sich. Was haben die Opfer gemeinsam? Was verbindet sie , so dass genau diese auserwählt wurden? Mara Billinsky ermittelt....
Seit ich Mara im ersten Band dieser Reihe kennenlernen durfte, bin ich ein Billinsky Fan. Sie ist eine außergewöhnliche Ermittlerin, was schon bei ihrem Outfit anfängt: alles schwarz, daher ihr Spitzname 'Krähe'. Aber auch ihre Fahndungsmethoden sind oftmals spektakulär, anfangs sogar gewöhnungsbedürftig. Sie liebt Alleingänge und ist deswegen schon mehrmals gerügt worden. Aber auf der anderen Seite hat ihr Instinkt oft die richtige Fährte aufgedeckt. Gut, viele Autoren versuchen, einzigartige Ermittler darzustellen, aber keine davon kann in meinen Augen Mara das Wasser reichen. Ihre Aktionen sind für mich nachvollziehbar und schlüssig. Sie geht auf sehr legere Weise mit ihrem Chef um, und dieser hat Mara schätzen gelernt.
Der Schreibstil ist flüssig und anschaulich. Leo Born bedient sich des Perspektivenwechsels, so dass der Spannungsbogen hoch bleibt. Durch häufige Cliffhanger am Ende der Kapitel möchte man immer weiterlesen und das Buch nicht weglegen. Mir persönlich hat dies sehr gut gefallen.
In diesem Buch kommt außer der Spannungskomponente noch ein sehr emotionaler Aspekt hinzu, denn Mara, die früh ihre Mutter verlor und sich von ihrem Vater nicht verstanden und geliebt fühlte, nähert sich ihm an, da auch er das Bedürfnis verspürt, sich mit seiner Tochter auszusöhnen. Alles sehr bedeutungsvoll und ansprechend. Ich bin auf die weitere Entwicklung gespannt.
Bleibt noch, Maras Kollege Rosen zu erwähnen, der anfangs sehr unscheinbar und zurückhaltend war, vielleicht sogar ängstlich, und deshalb die Recherchearbeit den Ermittlungen vor Ort vorzog. Durch Maras Einfluss und Unterstützung hat er sich beachtlich gewandelt und tritt mehr in Aktion. Ich hoffe, dass die positive Entwicklung weiter anhält.
Alles in allem hatte ich eine wunderbare Thriller-Lesezeit und freue mich bereits jetzt auf den nächsten Band.

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