Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende (Demokrit)
GlückskinderEndlich ist der Krieg zu Ende und in München erwacht das Leben aus den Trümmern. Der Handel auf dem Schwarzmarkt blüht und Wohnraum ist knapp. So kommt es, dass sich Toni,die bei ihrer Tante Unterschlupf ...
Endlich ist der Krieg zu Ende und in München erwacht das Leben aus den Trümmern. Der Handel auf dem Schwarzmarkt blüht und Wohnraum ist knapp. So kommt es, dass sich Toni,die bei ihrer Tante Unterschlupf gefunden hat, und Griet gegenüberstehen, denn die junge Holländerin wird bei Tante Vev einquartiert. Die beiden jungen Frauen beäugen sich kritisch und begegnen sich mit unverhohlener Abneigung, aber sie können die schwere Zeit nur dann überstehen, wenn sie ihre Vorurteile über Bord werfen und aufeinander zugehen....
Mit "Glückskinder" hat Teresa Simon wieder einmal bewiesen, dass sie einfach ein glückliches Händchen hat, um ihre Leser mit historischen Geschichten zu begeistern. Der neue Roman aus ihrer Feder ist einfach unglaublich brillant und es gelingt mir nur mit Mühe, mich von den Seiten zu lösen und in den normalen Alltag zurückzukehren, so sehr hält mich der Roman gefangen und zieht mich in seinen Bann.
Auf der Leinwand des Lebens zeichnet Teresa Simon die düsteren Bilder der Nachkriegszeit, lässt mit Grafit und Kohle die Szenen der berüchtigten Todesmärsche wieder lebendig werden und man taucht tief ein in das Leben von Griet und Toni, die sich zunächst befremdlich und mit tiefer Abneigung gegenüberstehen. Die leidvollen Erfahrungen von Griet werden von der Schreibenden mit eindringlichen Worten erzählt, sodass die Angst und die Furcht unter die Haut des Lesers kriechen und dort für Unbehagen sorgen. Die Pein und die Qualen auf dem Todesmarsch brennen sich auf ewig ein und hinterlassen tiefe Spuren in Herz und Seele.
Mit der Ankunft in München, dem Einzug in das Zimmer bei Tante Vev und dem Job im amerikanischen Casino schleicht sich Farbe in das Leben von Griet und der Leser merkt deutlich, wie Hoffnung und Liebe aufblühen und Griets Leben bunter wird - alles erscheint in hellen Pastelltönen, die mit Aquarellfarben das Grau zwischen Trümmern und Häusergerippen vertreiben und die Konturen verwischen. Die Begegnung mit dem ehemaligen Aufseher aus der Agfa lässt ihr genauso den Atem stocken wie dem Leser...und ich frage mich immer wieder, wie Griet so ruhig bleiben kann, wenn sie Benno tagtäglich gegenüber steht.
Die Autorin verwebt historische Ereignisse mit grandiosen Ideen, sodass ein unglaublich lebendiges Bild von München in der Nachkriegszeit entsteht. Das Treiben auf dem Schwarzmarkt; der von aalglatten Schiebern und Spitzbuben als Umschlagplatz für begehrte Ware genutzt wird, das quirlige Vergnügen in den amerikanischen Casinos, aber auch die mühsamen Schritte zurück in den Alltag spulen sich wie ein Film in Technicolor ab und man begegnet ebenfalls Leinwandgrößen wie Winnie Markus, Hilde Knef oder Viktor de Kowa.
Teresa Simon arbeitet wie eine Künstlerin mit Spachtel und Spatel, in dem sie ihren Protagonisten Kerben und schadhafte Stellen zugesteht, die sie aufgrund ihrer schmerzhaften Erfahrungen und verheilenden Wunden im Verlauf der letzten Jahre erlitten habe. Ihre charakterlichen Entwicklungen sind für den Leser nachvollziehbar und glaubhaft dargestellt und ermöglichen so, ihnen auf jedem Schritt zu folgen, um am Ende des Weges mit ihnen gemeinsam auf ein leuchtendes Acrylbild zu schauen, das von Glück und Leid, Liebe und Vertrauen, Vergeben und Vergessen erzählt.
Ein Roman, der tief berührt und noch lange in Erinnerung bleiben wird.