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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.05.2021

Stimmig, berührend und unterhaltsam

Was Preema nicht weiß
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Inhalt:
Und plötzlich ist alles weiss und still, Preema steht alleine da und fragt sich, wie zum Kuckuck dies passieren konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit trifft sie auf einen weiteren Menschen, der ...

Inhalt:
Und plötzlich ist alles weiss und still, Preema steht alleine da und fragt sich, wie zum Kuckuck dies passieren konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit trifft sie auf einen weiteren Menschen, der sie auf eine grüne, paradiesähnliche Lichtung führt, auf der sie fortan leben soll. Doch Preema will nicht einfach akzeptieren, dass die Welt scheinbar untergegangen ist und beginnt, Fragen zu stellen. Sie spricht mit den Menschen, die auf der Lichtung leben und hört die unterschiedlichsten Theorien. Ausserirdische? Digitale Wirklichkeiten? Künstliche Intelligenz? Zusätzlich wird sie von nicht nur schönen Erinnerungen aus ihrem früheren Leben heimgesucht und nach und nach setzt sich ein Puzzle zusammen, das weitere Rätsel aufwirft und verblüfft...

Meine Meinung:
Dieses Buch ist mir schon einige Male begegnet und stand seit seinem Erscheinungstermin auf meiner Wunschliste. Erst Aleshanees eindringliche Empfehlung aber hat es mich endlich kaufen lassen, was wirklich ein Wunder ist, da ich keine guten Erfahrungen gemacht habe mit Büchern, die im Selbstverlag erschienen sind. "Was Preema nicht weiß" hat mich aber positiv überrascht, mich eines besseren belehrt, mich unterhalten, berührt und begeistert.
Eindringlich wird geschildert, wie verloren Preema sich in ihrer neuen Wirklichkeit fühlt, wie sehr sie zweifelt und immer wieder versucht, zu verstehen, was genau mit ihr und mit dem Rest der Welt geschehen ist. Dazu gehört auch, dass sie niemandem - auch nicht sich selber und eigentlich auch nicht ihren Erinnerungen - trauen kann, was die Unsicherheit und Verlorenheit noch grösser macht. Einzig eine kleine Länge zwischen Seite 150 und Seite 200, sowie zwei Entwicklungen, die ich vorhergesehen habe (die ich aber natürlich hier nicht erwähnen werde), haben mich ein wenig gestört.
Die Kapitel sind abwechselnd aus Preemas neuer Welt "Heute" und in Rückblicken (stets mit Datum versehen) erzählt. So setzen sich Preemas Erinnerungen Stück für Stück zusammen und so lernen auch wir die Protagonistin immer besser kennen und verstehen, welche Ereignisse ihres früheren Lebens sich in ihrem Gedächtnis besonders stark manifestiert haben. Dazu gehört auch eine Liebesgeschichte, die mir sehr, sehr gut gefallen hat und die so frei von Stereotypen und ohne Label auskommt, dass es einfach nur eine grosse Freude war, sie zu lesen.
Das Ende und des Rätsels Lösung haben mich unerwartet emotional erwischt und ich bin nach wie vor komplett begeistert von dieser Spannung, dieser schlüssigen Zusammenführung aller losen Enden und dieser aussergewöhnlichen Plotdee.

Die Aufmachung:
Besonders zu erwähnen sind ausserdem die wunderschön gestalteten Kapitelanfänge. Erst nach und nach habe ich verstanden, was es damit auf sich hat und möchte dies - natürlich spoilerfrei - hier schildern. Der allererste Kapitelanfang ist von einer Illustration umrahmt, die unzählige Scherben zeigt, Glasscherben oder Glassplitter, die fast über die ganze Seite verteilt sind. Bei jedem weiteren Kapitel beginnen die einzelnen Scherben, sich zu formieren und sortieren. Sie ergeben ein Bild, welches ganz direkt mit der Handlung verknüpft ist. Dies habe ich zuerst gar nicht richtig wahrgenommen, als aber das Bild irgendwann klarer wurde, habe ich verstanden, welche grossartige Idee und - mit Sicherheit - immense Arbeit dahintersteckt.

Meine Empfehlung:
Von der Aufmachung über die Figuren, die Entwicklung der Handlung und die Erzählsprache bis hin zum stimmigen Ende: dieses Buch hat mich für sich eingenommen, berührt und unterhalten. Von mir gibt es eine herzliche Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 06.05.2021

Brutal, packend und absolut lesenswert

Wildauge
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Inhalt:
"Wildauge" ist eine angesehene Hebamme. Sie gibt Leben und sie nimmt Leben. Mitten im Krieg ist sie es, welche den Frauen unter der Geburt beisteht und zahlreiche Mittelchen kennt, um diverse Wehwechen ...

Inhalt:
"Wildauge" ist eine angesehene Hebamme. Sie gibt Leben und sie nimmt Leben. Mitten im Krieg ist sie es, welche den Frauen unter der Geburt beisteht und zahlreiche Mittelchen kennt, um diverse Wehwechen zu lindern, aber auch grosse Operationen durchzuführen. Sie ist ungezähmt und willig zugleich, leidenschaftlich, eifersüchtig und selbstbewusst und als sie sich in den deutschen Offizier Johannes Angelhurst verliebt, ist es um sie geschehen. Sie riskiert Kopf und Kragen und folgt ihm als Krankenschwester in ein Kriegsgefangenenlager. Dort sieht sie die Hölle und wird Teil von Kriegsmechanismen, welche sie weder überblicken, noch steuern kann.

Meine Meinung:
Ich habe dieses Buch aufgrund der begeisterten Rezension von Mareike Fallwickl gemeinsam mit Melanie von @nocheinbuch gelesen und bin wirklich froh, dass Melanie und ich uns intensiv darüber austauschen und unsere persönlichen Erfahrungen miteinander teilen konnten. "Wildauge" ist ein Buch, das fordert. Es ist roh und hart und kalt. Es beschreibt zuerst, wie Menschen und Orte riechen (und meistens ist das ein entsetzlicher Gestank), bevor es die Blicke beschreibt, welche sich die Figuren über Lazarette und Schlachtfelder, über gefrorenes Wasser und unsägliches Leid hinweg zuwerfen. Ja, ich habe mich geekelt und dabei fasziniert der Hebamme "Wildauge" über die Schultern geblickt, die im einen Moment bis zu den Ellenbogen in einer Gebärenden drinsteckt und im nächsten Augenblick ohne Schmerzmittel ein Bein amputiert. Voller Abscheu habe ich gelesen, wie sehr sich ihr Geliebter Johannes Angelhurst vor der Wirklichkeit und seinen eigenen Taten verschliesst und dabei natürlich auch bemerken müssen, dass er auch nur ein kleines Rädchen im System ist und dass Krieg nun einmal genau so ist, wie die Handlung sich in diesem Buch entwickelt: chaotisch, schmutzig, leidvoll, unschön und grausam.

Schreibstil:
Zuerst einmal möchte ich erwähnen, dass "Wildauge" von Angela Plöger hervorragend übersetzt und mit einem ausführlichen Nachwort ausgestattet worden ist. Dieses Nachwort, sowie der Glossar und die Quellenverweise machen dieses Buch erst so richig komplett. Es fällt mir nämlich nach wie vor schwer, Worte zu finden, um die aussergewöhnliche Sprache von Katja Kettu zu beschreiben. Erst beim Lesen des Nachworts hat sich mir auch ein wenig erschlossen, woran das liegen könnte: Katja Kettu hat eigene, passende Wortkreationen oder sogar ganz neue Wörter erfunden, um zu beschreiben, was ihre Protagonistin erlebt und vor allem auch fühlt. Die Übersetzerin musste es ihr folglich gleichtun, was ihr grandios gelungen ist.
Kettu beschreibt liebevoll, fast zärtlich, wie sich die Gezeiten verhalten, wie sich das Meer kräuselt, der Himmel sich verfärbt oder das Wasser zufriert. Dieser Zartheit und Schönheit setzt sie die Gräuel des Krieges - menschliche Abgründe, klaffende Wunden, stinkende Fäulnis, rohes Töten, gierige Geilheit - gegenüber und verwendet dafür eine brutale, zupackende, derbe Sprache, an der Natur und Tierwelt angepasste Formulierungen (Frauen kalben oder werden besprungen) und detaillierte Beschreibungen von Taten und Geschehnissen. Dies alles wird in Etappen und Zeitsprüngen erzählt und setzt sich erst nach und nach aus Tagebuchberichten, Erinnerungen und Erzählungen zusammen. Dort, wo alles seinen Anfang nahm und vielleicht oder vielleicht auch nicht enden wird: in der Bucht des toten Mannes.

Meine Empfehlung:
"Wildauge" bewegt, begeistert, widert an und entsetzt und doch habe ich mich von der Protagonistin und den atemberaubenden Naturschilderungen an der Hand genommen gefühlt und dieses Buch in kleinen Etappen und mit Gänsehaut verschlungen. Seid mutig und lest es.

Mareike Fallwickl hat für dieses Buch übrigens die passendste Empfehlung getextet, die man sich nur vorstellen kann:
"Traut euch an dieses Buch heran, wenn ihr etwas spüren wollt bei eurer Lektüre, wenn ihr euch fürchten und ekeln wollt, wenn ihr eine Axt wollt für das gefrorene Meer in euch."

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Veröffentlicht am 29.03.2021

"Dolce far niente" und eine prickelnde Sehnsucht

Das Kind, das nicht fragte
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Inhalt:
Es ist heisses Sommerwetter in Sizilien, als der deutsche Ethnologe Benjamin Merz für ein Forschungsprojekt nach Mandlica reist und dort beginnt, die Menschen zu studieren. Mehr und mehr lernt ...

Inhalt:
Es ist heisses Sommerwetter in Sizilien, als der deutsche Ethnologe Benjamin Merz für ein Forschungsprojekt nach Mandlica reist und dort beginnt, die Menschen zu studieren. Mehr und mehr lernt er die Bewohnerinnen und Bewohner des kleinen Dörfchens, sowie die traumhaft schöne Landschaft und die verführerischen Dolci kennen und lieben. Er gliedert sich in die Dorfgemeinschaft ein und erobert mit seinen einfühlsamen Fragen die Herzen der Frauen im Sturm, beginnt dabei aber auch, sich Schritt für Schritt von seiner traumatischen Kindheit und der speziellen Beziehung zu seinen Brüdern zu emanzipieren.

Meine Meinung:
Das Cover hat mich dieses Buch vor einigen Monaten kaufen lassen und ich habe mich auf die Geschichte eingelassen, ohne zu wissen, was sie beinhalten würde. Das mache ich sehr oft so und wurde auch von "Das Kind, das nicht fragte", sehr positiv überrascht. Sofort kam bei mir ein sommerliches Gefühl auf. Ich habe mich in den Süden Italiens geträumt und gemeinsam mit Benjamin die Dolci und den Strand geniessen dürfen. Das fiktive Örtchen Mandlica gilt als Hochburg der süssen Kulinarik und so erstaunt es nicht, dass der Protagonist sich durch sämtliche Angebote testet. Nur schade, dass wir Leserinnen und Leser doch eher selten in den Genuss detaillierter Beschreibungen der Gerichte erhalten. Wenn dies aber einmal geschieht, dann um so schöner. So habe ich beispielsweise die Süsse und Säure des fruchtigen Zitronensirups, den Benjamin bei seiner Ankunft in seiner Unterkunft gereicht bekommt, auf der Zunge förmlich spüren und schmecken können.

Das Leben in Mandlica:
Was auffällt, ist die Trägheit und Ruhe und Selbstverständlichkeit, mit der sich die Figuren, Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes Mandlica, durch den Tag bewegen. Sie scheinen den ganzen Tag damit zu verbringen, sich von einem Restaurant zum nächsten, zur Buchhandlung, zur Kirche und dann wieder ins Restaurant zu bewegen. So, wie die Hitze über den Strassen zu stehen bleibt, bleibt auch da Leben im Dorf im positiven Sinne, in dem alle den Stillstand und die Ruhe geniessen, stehen und alle Figuren scheinen nicht nur genug Geld zu haben, damit sie nicht wirklich arbeiten müssen, sie haben auch noch genug Zeit, es in den Gasthäusern und Cafés der Stadt auszugeben. Sie bewegen sich wie Urlauber durch ihre Heimat und auch Benjamin, von dem zwar klar wird, dass er ein Meister seines Faches ist und auch schon diverse Bücher veröffentlicht und sicher auch ein wenig Geld damit verdient hat, schliesst sich diesem Lebenswandel an, ohne dass wir wissen, von welchen Einkünften er aktuell lebt.

Die traumatische Kindheit:
Diese traumähnliche Idylle tut der Kluft, die sich in Benjamins Leben auftut, aber keinen Abbruch. In seiner Kindheit ist der Protagonist von seinen vier älteren Brüdern oft gequält und mundtot gemacht worden, weshalb er erst im Erwachsenenalter zur Sprache und konkret zum Fragen gefunden hat und so Ethnologe geworden ist. Er trägt diese Verletzungen und Enttäuschungen immer noch mit sich herum und nimmt im Schutz der grossen räumlichen und sozialen Distanz, die ihn von seinen Brüdern trennt, immer wieder einzelne Versuche in Angriff, sich laut und klar zu positionieren und seinen Brüdern zumindest während einiger Telefonaten zu sagen, wie sehr sie ihn damals verletzt haben.

Die Beziehung zu Gott und den Frauen:
Immer mal wieder tritt der Protagonist mit Gott in Kontakt. Seien es durch Erinnerungen an die erste Beichte oder auch den Besuch einer Kirche, der ihn zur Zwiesprache mit Gott verleitet. Gott wird zur Figur, die - ähnlich einer inneren Stimme - mit gutem Rat zur Seite steht, Benjamins Überlegungen hinterfragt und ihm zu Entscheidungen verhilft. Dies geschieht eher nebensächlich und ohne Pathos. Dieser kommt nämlich erst auf, wenn sich Benjamin mit Frauen trifft. Frauen, deren Herz er innerhalb von kürzester Zeit erobert und was ihm früher schwer gefallen scheint - so erzählt er es zumindest - beherrscht er nun problemlos: den Aufenthalt in vollen Räumen, Gespräche in grossen Runden und die Kunst der Verführung.

Schreibstil:
Hanns-Josef Ortheil versteht es meisterhaft, seinen Protagonisten anfänglich wie einen skurrilen Einzelgänger und nach und nach wie einen Mann von Welt, der sich aber seine kindliche und zugleich präzise Art bewahrt hat, zu beschreiben. Zaghaft und fast ein wenig unsicher klammert sich Benjamin zu Beginn seiner Forschungsarbeiten nämlich an einen sehr pedantisch festgelegten Tages- und Arbeitsablauf. Die Stifte auf dem Schreibtisch sind geordnet, die Schrift in seinen Notizbüchern ist akkurat geschwungen. In seinen Erinnerungen und Monologen klingt Benjamin wie das verletzte Kind, das er einmal war, in seinen Gesprächen mit anderen Menschen wächst er aber über sich hinaus und wird wichtiger und einflussreicher, als er es sich je zu träumen gewagt hätte. Dies hat mich tief beeindruckt und spricht für die grosse Kunst des Autors. Ausserdem haben mich die Beschreibungen direkt in das sonnige Sizilien katapultiert und mir das träge Gefühl eines Sommerurlaubs voller "dolce far niente" vermittelt, das ich gerne noch ein wenig länger genossen hätte.

Meine Empfehlung:
Ich bin wirklich begeistert von diesem sommerlichen Roman und gerade weil einzelne Facetten der Handlung sehr surreal wirkten (alle sind reich, alle haben Zeit, Benjamin gelingt alles, was er anpackt, die Frauen schmeissen sich ihm sogar mehr und mehr von alleine an den Hals), hat dies genau in diese spezielle, traumähnliche Idylle gepasst und "Das Kind, das nicht fragte", zu einem ganz einzigartigen Lesevergnügen mit Suchtfaktor gemacht.

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Veröffentlicht am 02.02.2021

Unkonventionell, überraschend und episch

Stadtrandritter
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Inhalt:
Merle von Aue und Silvester Lanzen. Merle mag Silvester, Silvester ist mit Domino zusammen und mag Merle, eine Ausgangslage, die für alle Beteiligten nicht ganz einfach ist. Aber eigentlich geht ...

Inhalt:
Merle von Aue und Silvester Lanzen. Merle mag Silvester, Silvester ist mit Domino zusammen und mag Merle, eine Ausgangslage, die für alle Beteiligten nicht ganz einfach ist. Aber eigentlich geht es ja gar nicht um die grosse Liebe, sondern ist viel komplizierter. Da ist nämlich auch noch Kitty, Silvesters Schwester, deren Tod ihn komplett aus der Bahn geworfen hat und die er schmerzlich vermisst. Nur langsam findet er wieder in sein Leben zurück und muss sich dabei ständig Sorgen um seine Mutter machen, die mit dem Verlust ihrer Tochter noch immer nicht klar kommt. Die Mitarbeiter der Kirchgemeinde, die sich als Anspielung an mittelalterliche Tafelrunden Knappen nennen, sind Merle und Silvester eine grosse Hilfe. Die Jugendarbeit gibt ihrem Leben Strukturen und Verantwortung und darum ist es gar nicht so schlimm, wenn man manchmal mitten in der Nacht und einsam auf einem Hochhausdach am Stadtrand sitzt, weil man nicht weiss, wohin man sonst gehen soll. Als wäre alles nicht schon genug verstrickt, ist da auch noch Kondor, der - vielleicht, vielleicht aber auch nicht - etwas mit dem rätselhaften Verschwinden von Kittys Katze zu tun hat und dessen zwielichtige Vergangenheit ihn immer wieder einholt.

Meine Meinung:
Ich habe mir vor dem Lesen überhaupt kein Bild von "Stadtrandritter" gemacht und wollte mich von diesem Buch einfach nur überraschen lassen. Das ist dem Buch auch sofort gelungen. In viele unterschiedlich lange - zuerst wirr und dann immer logischer angeordnet scheinende - Kapitel gegliedert, macht es dieses Buch dem Leser nicht ganz einfach, es auf Anhieb zu verstehen. Zwischenhalte, Personen, die sich selber vorstellen und einige Seiten Bonusmaterial könnten darauf hin deuten, dass dieses Buch eigentlich ein Film sein will. "Verfilme mich" scheint schon ganz von Anfang zwischen den Zeilen zu stehen. Ich bin mir aber fast sicher, dass diese offensichtliche Provokation eher versucht, mit den Genres zu spielen, als dass der Autor es nötig hat, dieses Buch auf der Leinwand zu sehen. Es ist nämlich schon für sich selbst stehend ganz grosses Kino und ich denke nicht, dass ein Film diesen unendlich vielen Details, Verzierungen und Extras gerecht werden könnte.
Aber was will das Buch dann? Was will der Autor uns damit sagen?
In erster Linie ist "Stadtrandritter" eine epische Geschichte voller Liebe, Verzweiflung, Schmerz und Glaube, die unterhaltsam und atemlos spannend ist und ein unglaublich intimes Bild der jungen Protagonisten zeichnet, so, als würde der Autor genau wissen, von was er schreibt. Dieser Roman hat einen ziemlich hohen Anspruch an den Leser und liest sich deshalb nicht einfach zwischen zwei Meetings, sondern schreit förmlich nach Aufmerksamkeit. Es scheint mir aber so, als würde dieses Buch verstanden werden wollen. Es ist nicht einfach ein Stück Kunst, welches verwirren, verblüffen und schockieren will, es ist ein Stück Kunst mit einem tieferen Sinn, das gelesen, diskutiert, und nicht mehr vergessen werden will.
"Stadtrandritter" von Nils Mohl zeigt uns, dass nichts im Leben immer genau so ist, wie es auf den ersten Blick scheint und dass jede Gewissheit hinterfragt oder sogar umgangen werden kann. Der Glaube wird in diesem Buch häufig aber nie missionarisch thematisiert. Jede Figur hat eine eigene Auffassung von der Kirche, von Gott und vom Glauben. Dabei geht es aber häufig nicht um einen Glauben im religiösen Sinn, sondern um den Glauben an sich selbst und andere, das Vertrauen auf die eigene Stärke und darauf, dass es für jede noch so vertrackte Situation einen Ausweg geben kann, wenn man nur intensiv genug sucht und bereit ist, Kompromisse zu machen.

Fazit:
"Stadtrandritter" ist der zweite aber für sich stehende Teil der Trilogie Liebe-Glaube-Hoffnung und hat mich so überzeugt, dass ich mir den ersten Teil sofort bestellt habe. Unkonventionell, überraschend und episch lässt dieser Roman den Leser mit der Lust auf mehr zurück.

Veröffentlicht am 06.01.2021

Ein komplexes, spannendes und eingängiges Jugendbuch

Legend (Band 1) - Fallender Himmel
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Inhalt:
June hat den "grossen Test" mit der höchstmöglichen Punktzahl bestanden, June ist die Zukunft des Landes. Als diese muss sie eine harte Ausbildung absolvieren und sowohl körperlich, wie auch geistig ...

Inhalt:
June hat den "grossen Test" mit der höchstmöglichen Punktzahl bestanden, June ist die Zukunft des Landes. Als diese muss sie eine harte Ausbildung absolvieren und sowohl körperlich, wie auch geistig bis an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen. Dies fällt ihr meistens leicht, weil sie weiss, dass sie für die gute Sache kämpft und weil sie viel Unterstützung ihres Bruders erfährt. Nur der frühe Verlust ihrer Eltern macht ihr noch manchmal zu schaffen. Und Day. Day ist wohl so etwas wie der Staatsfeind Nummer eins. Jung, flink und unauffällig versetzt er das Regime in Angst und Schrecken. Niemand weiss genau, wie er aussieht und welche Ziele er mit seinen teilweise sehr gewagten Aktionen verfolgt. Dass er aber Junes Bruder umgebracht haben soll, das steht für die Regierung fest. Und dass June Rache geschworen hat, versteht sich von selbst.
Sie schafft es auch, Day aufzuspüren und versucht ab dann, ihn zu überführen. Doch was ist auf Days Flucht vor einigen Tagen wirklich passiert? Wie genau ist Junes Bruder ums Leben gekommen und welche Ziele verfolgt das Regime? Plötzlich ist nicht mehr alles so, wie es auf den ersten Blick ausgesehen hat und June muss sich klar werden, auf welcher Seite sie steht.

Meine Meinung:
Legend war schon ganz lange auf allen Bücherblogs und in den Buchhandlungen vertreten, bis ich es letztes Jahr zu Weihnachten bekommen habe. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich es erst gerade im Oktober gelesen habe. Ich war aber total begeistert vom Buch und bin froh, dass der zweite Teil schon bei mir zu Hause steht.
Das Regime in dem June und Day aufwachsen ist streng und ziemlich undurchsichtig. Folter und Todesstrafe sind an der Tagesordnung und werden meiner Meinung nach mit der nötigen Brutalität und trtozdem zu einem Jugendbuch passend dargestellt. Klar ist jedoch, dass ich dieses Buch keinem Kind sondern wirklich erst einem Jugendlichen ab vielleicht vierzehn/fünfzehn Jahren zu lesen geben würde. Eine jüngere Person ist wahrscheinlich gar nicht in der Lage, alle geschilderten Situationen und politischen Zusammenhänge, sowie die im Buch enthaltene Gesellschaftskritik restlos zu verstehen.
Zu tun haben wir es mit einem Überwachungsstaat, der selber nicht ganz lautere Ziele verfolgt und von dem bis zum Schluss nicht klar ist, wie genau er aufgebaut ist. Dies spielt allerdings überhaupt keine Rolle, weil dies sich innerhalb der nächsten zwei Bände wahrscheinlich noch klären wird.
June ist mir sehr sympathisch. Sie und Day sind für ihr Alter sehr reif, was aber zu ihrer eher schwierigen Kindheit passt. June ist ausserdem sehr ehrgeizig und hat eigentlich keine gleich alten, sondern nur ältere Mitschüler und Vorbilder. Sie zweifelt, bis sie Day kennen lernt, keine Sekunde an ihrer Überzeugung, was sie fürs Regime zu einer wichtigen Person und einer gefährlichen Waffe macht.
Day ist eigentlich der einfühlsamste und ehrlichste Mensch der Welt. Er will nur seinen kleinen Bruder vor dem drohenden Seuchentod retten und seiner Familie ein wenig Unterstützung zukommen lassen. Dafür nimmt er grosse Risiken auf sich und hat es sich schon vor langer Zeit mit dem Regime verspielt.
Der Schreibstil gefiel mir sehr gut. Generell ist er sehr eingängig gehalten, verliert aber nie seine Ausdrucksstärke.

Fazit:
Ein Buch, welches ich Jugendlichen ab vierzehn/fünfzehn Jahren empfehlen würde und welches mit seinem Schreibstil und der sehr komplexen Handlung überzeugt.

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