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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.02.2023

Spannende Grundidee – leider enttäuschend umgesetzt…

SCHWEIG!
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Am Tag vor Weihnachten besucht Esther ihre psychisch kranke Schwester in einem abgeschiedenen Haus, um ihr ein Geschenk zu bringen. Einen Schneesturm ohne Handyempfang ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Am Tag vor Weihnachten besucht Esther ihre psychisch kranke Schwester in einem abgeschiedenen Haus, um ihr ein Geschenk zu bringen. Einen Schneesturm ohne Handyempfang später ist nichts mehr, wie es wahr…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Suizidgedanken, psychische Krankheiten, Manipulation, toxische Beziehung, Gaslighting, Blut, Gewalt, Alkoholmissbrauch, Einzelhaltung einer Katze (Tierquälerei)
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: keine ♥

Rezension

„Ich bin kein freier Mensch, denn ich habe eine Schwester.“ E-Book, Position 45

Da ich schon lange etwas von Judith Merchant lesen wollte und der Klappentext so gut klang, konnte ich diesem Buch nicht widerstehen. Der Winter ist auch der perfekte Zeitpunkt, um sich diesem weihnachtlichen Thriller zu widmen!

Nun die wichtige Frage: Kann die Autorin das Potential dieser spannenden Grundidee nutzen und eine überzeugende Geschichte daraus spinnen? Die kurze Antwort ist: Nein, leider nicht! Meine Erwartungen wurden leider nicht erfüllt und am Ende war ich ziemlich enttäuscht.

Woran es lag? Leider am Gesamtpaket, denn mich hat einfach an allen Ecken und Enden etwas am Buch gestört. Am meisten haben mich die vielen inhaltlichen Wiederholungen genervt. Die Dialoge drehen sich im Kreis, immer wieder wird das gleiche Thema durchgekaut – das war unglaublich langweilig und anstrengend zu lesen! Auch Spannung wollte ich deswegen keine einstellen – bei einem Thriller natürlich fatal. Die Wendungen, die mich vermutlich umhauen hätten sollen, fand ich einfach nur lahm – da habe ich schon viel bessere Thriller gelesen! Zudem werden die Themen (Geschwisterrivalität, Eifersucht, Verantwortung, Macht, Manipulation, Familie) nur sehr oberflächlich abgehandelt. Ja, durchgehalten habe ich zwar bis zum Schluss (in der Hoffnung auf den EINEN großartigen, unerwarteten Twist), aber gelohnt hat sich das leider nicht.

„Familie ist eine Herausforderung. Vor allem, wenn es in dieser Familie ein schwarzes Schaf gibt.“ E-Book, Position 152

Dazu kam, dass ich (bis auf die Kinder) ausnahmslos alle Figuren in diesem Buch entweder nur farblos oder nur unsympathisch oder BEIDES gleichzeitig fand und von den beiden Schwestern, ihrer toxischen Beziehung und dem ständigen „Gaslighting“ auch sehr schnell genervt war. Was mit ihnen im weiteren Verlauf der Geschichte passierte, ließ mich nicht einmal mit der Wimper zucken, weil ich einfach keine Verbindung zu ihnen aufbauen konnte und mir ihr Schicksal deshalb vollkommen egal war. Die unnötigen Geschlechterstereotype und veralteten Vorstellungen darüber, wie ein „echter Mann“ zu sein hat, haben es nicht besser gemacht.

„[…] eiskalt und wunderschön ist es da draußen, ein Bild, das ich trinken möchte in großen, durstigen Zügen.“ E-Book, Position 201

Gut gefallen haben mir dafür der zwar etwas einfache / oberflächliche, aber doch sehr flüssige Schreibstil mit den gelungenen Metaphern, das atmosphärische Setting (riesiges Haus aus Glas, das abgeschieden mitten in einem Nadelbaum-Wald steht, Schneesturm, kein Handyempfang), die zwei starken weiblichen Hauptfiguren und der starke Anfang mit dem gelungenen „Foreshadowing“. Leider können für mich diese Stärken die Schwächen dieses Werks aber nicht aufwiegen. Ob ich mich in der Zukunft an ein weiteres Buch der Autorin heranwagen werde, steht noch nicht ganz fest – aber eher nicht.

Mein Fazit

Aus der spannenden Grundidee und dem atmosphärischen Setting wurde leider nicht viel gemacht, was sehr schade ist. Die vielen inhaltlichen Wiederholungen, den Mangel an Spannung und die unsympathischen, blassen Figuren konnte ich „Schweig!“ am Ende (trotz seiner Stärken) leider nicht verzeihen. Von mir gibt es deshalb leider keine Leseempfehlung – da draußen gibt es nämlich deutlich bessere Thriller. Lest lieber die!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 4 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 2,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 3 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistinnen: 1,5 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 2,5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 1 Stern
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 2 Sterne

Insgesamt:

❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zweieinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.02.2023

Gute Grundidee, schlechte Umsetzung (spannungsarm, irrationales Verhalten, unsympathische Figuren)!

COLDTOWN – Stadt der Unsterblichkeit
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Tana überlebt zusammen mit ihrem Ex-Freund Aidan als Einzige einen Vampirangriff auf eine Party. Leider hat Aidan sich dabei mit dem Vampir-Virus angesteckt und auch ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Tana überlebt zusammen mit ihrem Ex-Freund Aidan als Einzige einen Vampirangriff auf eine Party. Leider hat Aidan sich dabei mit dem Vampir-Virus angesteckt und auch Tana könnte es schon in sich tragen. Um ihre Familie zu schützen und sich selbst in Quarantäne zu begeben, macht sie sich deshalb auf den Weg in eine der gefährlichen Coldtowns – eine Stadt, die hauptsächlich von Vampiren bevölkert wird…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurze und lange Kapitel im Wechsel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Blut, Gewalt, Suizidgedanken, psychische Krankheiten
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schla+++ (2x)

Rezension

„Die Menschen liebten hübsche Dinge. Die Menschen liebten Schönes auch noch, wenn es sie töten und fressen wollte.“ E-Book, Seite 124

Nach längerer Zeit hatte ich mal wieder richtig Lust auf einen Vampirroman – und „Coldtown“ (mit seinem düsteren Klappentext und den garantiert nicht glitzernden Untoten) versprach ein richtig guter zu werden. Böse (und süffisante) Zungen werden nun vielleicht behaupten, ich hätte die Zeichen und, okay, auch so manche DEUTLICHE Warnung ignoriert, aber ich wollte mich von den (vor allem im deutschsprachigen Raum) ernüchterten Rezensionen nicht abschrecken lassen, denn es klang einfach SO gut. Zu gut. Zu gut, um wahr zu sein, genauer gesagt, was ich auch bald merken sollte.

„In jeder Coldtown sterben jede Nacht Menschen. Menschen sind empfindlich.“ E-Book, Seite 280

Doch woran lag es? Hauptsächlich an den Figuren. Leider kombiniert Holly Black in ihrem Debüt farblose, klischeehafte, extrem unsympathische Nebenfiguren, deren Schicksal einem von Anfang an egal ist (und es auch bleibt), mit einer sich vollkommen irrational verhaltenden, nervigen Hauptfigur ohne jegliche Überlebensinstinkte, die sich noch dazu schneller schockverliebt als ihr Schatten. Vor allem in den ersten zwei Dritteln des Buches stolpert sie durch ihre eigenen (teils vollkommen hirnrissigen) Entscheidungen von einer gefährlichen Situation in die nächste, sodass ich beim Lesen aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr herauskam.

Am Beginn fängt es schon an: Stellt euch vor, fast alle eure Freund:innen wurden in der Nacht von Vampiren getötet, ihr habt aber überlebt und findet im Schlafzimmer einen gefesselten Vampir vor. Was würdet ihr machen? Wenn ihr einen Funken Vernunft und Hausverstand in euch habt, vermutlich so schnell wie möglich aus diesem Haus voller Leichen ins Tageslicht rennen? Tja, Tana beschließt, ihr Leben zu riskieren und diesen Vampir zu befreien (der möglicherweise diese ganzen Leute getötet hat), weil … SIE HAT DA EIN GUTES BAUCHGEFÜHL UND ER TUT IHR AUCH IRGENDWIE LEID. Das ist nur eine von unzähligen dummen Ideen, die sie im Laufe der Geschichte hat. Wäre das hier WIRKLICH ein realistischer, düsterer Vampirroman (und nicht das blutleere Klischee-Feuerwerk, das er ist), hätte Tana bereits ihre erste törichte Aktion nicht überlebt – ich sag es ja nur.

„Je mehr sie über die Sache nachdachte, desto blöder kam sie sich vor.“ E-Book, Seite 193

Dazu kommt, dass in den ersten 250 Seiten nach dem (immerhin) spannenden Einstieg bis auf einen sehr langweiligen Roadtrip so gut wie gar nichts passiert. Für mich war dieses Buch jedenfalls eine Geduldsprobe – ich war eigentlich die ganze Zeit kurz davor, es abzubrechen. Auch die relativ oberflächlich bleibende Behandlung von Themen wie Trauer, Schuld, Verantwortung und Erwachsenwerden ließ mich enttäuscht zurück. Die größte Enttäuschung im Zusammenhang mit diesem Buch ist aber immer noch JOHN GREENS Empfehlung! Was ist denn bloß in den gefahren? Ich habe DIR VERTRAUT, John! Naja, ab jetzt nicht mehr…

Zum Positiven: Dass ich dann doch durchgehalten habe, hat sich zumindest ein bisschen gelohnt. Erst im letzten Viertel kommt dann endlich ein bisschen Schwung in die Geschichte und es gibt sogar so etwas wie eine Handlung. Auch die Heldin Tana scheint dann endlich ihr Gehirn einzuschalten und ich konnte ihr Verhalten besser nachvollziehen, genauso wie die Liebesgeschichte, die nach und nach glaubwürdiger wird. Aus feministischer Sicht gibt es hier ebenfalls nichts auszusetzen – im Gegenteil, die unaufgeregte LGBT-Repräsentation ist sogar positiv hervorzuheben.

Auch wenn es tragisch und sehr schade ist, wie Holly Black mit dieser grandiosen Grundidee umgegangen ist (daraus hätte man so viel machen können!), erkennt man doch ihr Potential – zum Beispiel in den düsteren, sehr blutigen (Achtung!) und atmosphärischen Beschreibungen der gefährlichen Coldtown und in ihrem zwar nicht grandiosen, aber doch sehr flüssig lesbaren Schreibstil. Ich werde der Autorin definitiv mit „Elfenkrone“ noch eine zweite Chance geben – vielleicht überzeugt sie mich ja damit…

Mein Fazit

Gute Grundidee, schlechte Umsetzung! Die letzten 150 „okayen“ Seiten können nicht das aufwiegen, was davor spannungs-, logik- und charaktertechnisch verbrochen wurde. Um „Coldtown“ können Vampirfans also guten Gewissens einen Bogen machen, lest lieber etwas, das deutlich besser ist – wie zum Beispiel „Twilight“ von Stephenie Meyer. Ja, das meine ich ernst. Ja, wirklich! JAHA! 😉

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 2,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 3,5 Sterne
Protagonistin: 2 Sterne
Figuren: 1 Stern
Liebesgeschichte: 2 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Wendungen: 3 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 1 Stern
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 2 Sterne

Insgesamt:

❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zweieinhalb enttäuschte Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.02.2021

Gute Grundidee, Feminismus und starke Heldin, aber leider enttäuschende Umsetzung!

River of Violence
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Als kleines Kind hat Harley zum ersten Mal gesehen, wie ihr Vater, ein mächtiger Drogenbaron, einen Menschen tötet. Gewalt, Drogen Revierkämpfe – in Gefahr zu sein, ist ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Als kleines Kind hat Harley zum ersten Mal gesehen, wie ihr Vater, ein mächtiger Drogenbaron, einen Menschen tötet. Gewalt, Drogen Revierkämpfe – in Gefahr zu sein, ist für Zwanzigjährige Alltag. Mithilfe von harten Lektionen wird sie von ihrem Vater auf ihre Zukunft vorbereitet – denn eines Tages soll sie seine Nachfolgerin werden…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: +/- Es wird gejagt, ein Hirsch wird angeschossen und danach getötet, es gibt einen leichten Fall von Tierquälerei (die Hunde können aber gerettet werden), Fleisch wird gegessen.
Triggerwarnung: Gewalt, Tod von Tieren, Tod von Menschen, Folter, Gewalt gegen Frauen und Kinder, sexualisierte Gewalt (Vergewaltigung, Belästigung, Missbrauch von Kindern), Blut, Übergeben, Krankheit, Rape Culture, Rassismus, Sexismus, Sucht, Drogen, Alkohol;

Warum dieses Buch?

Der Klappentext klang spannend und nach einer starken, mutigen Protagonistin!

Meine Meinung

Einstieg (2 Lilien)

„Ich bin acht, als ich zum ersten Mal erlebe, wie mein Daddy einen Mann umbringt. […]
Auf irgendeine Art musste ich es ja erfahren. Was er war. Und was ich werden würde.“ “ E-Book, Position 22 & 61

Im ersten Kapitel sehen wir durch Harleys Augen, wie ihr Vater einen Menschen tötet – und das ist natürlich spannend. Ab da ging es leider bergab – bis ich dann wirklich im Buch angekommen war und in die Geschichte gefunden hatte, dauerte es bis weit über die Hälfte.

Schreibstil (2 Lilien)

Mit Tess Sharpes Schreibstil konnte ich mich leider bis zum Ende nicht anfreunden. Ich habe an sich nichts gegen eine einfache und schnörkellose Sprache, aber den Erzählstil fand ich irgendwie uninspiriert, langweilig und lieblos. Er hat es nicht geschafft, mich mitzureißen – und wenn ich den Schreibstil nicht mag, hat es ein Buch bei mir schwer.

Idee, Ausführung & Themen (2 Lilien)

„‘Er will mich doch bloß beschützen.‘
‚Es liegt nur an ihm, dass du überhaupt in Gefahr bist, Harley‘, gibt Jake leise zurück.“ E-Book, Position 2717

An „River of Violence“ bin ich eigentlich ohne große Erwartungen herangegangen. Trotzdem hat mich das Buch leider sehr enttäuscht. Das lag unter anderem auch seinem Aufbau. Das Buch besteht nämlich zur Hälfte aus Rückblenden. Nun bin ich generell kein riesengroßer Fan von Rückblenden, aber wenn sie gut gemacht sind, habe ich nichts dagegen. Das Problem bei „River of Violence“ ist allerdings, dass die Rückblenden nicht nur zu zahlreich sind, sondern dass die verschiedenen Episoden aus Harleys Leben nicht chronologisch erzählt werden; sie ist z. B. in einem Kapitel 16, im nächsten aber 5. Die Zeitstruktur ist dadurch verwirrend (man weiß irgendwann nicht mehr, was Harley wann schon erlebt hat und was erst in der Zukunft passiert) und es gelingt nicht, eine Verbindung zur jungen Harley aufzubauen. Zudem behandeln fast alle Rückblenden sehr ähnliche Situationen (Harley wird von irgendeinem Mann bedroht oder gerät in eine gefährliche Situation), wodurch es auch zu vielen Wiederholungen kommt, die bei mir wiederum zu Langeweile geführt haben.

Generell hat das Buch für seinen Seitenumfang wenig Handlung, was die Geschichte zäh macht. Man hätte es wahrscheinlich um die Hälfte kürzen können und es wäre trotzdem nichts Wichtiges verloren gegangen. Dass das Buch stellenweise sehr blutig und brutal ist, stört mich überhaupt nicht, denn wer den Klappentext gelesen hat, weiß, worauf er sich einstellen muss: auf ein knallhartes Leben im kriminellen Milieu. Leider waren mir viele Stellen einfach „too much“, oft wurde so dick aufgetragen, dass ich das Buch nicht mehr ernst nehmen konnte bzw. die Authentizität verloren ging. Hier wäre weniger mehr gewesen. Das wird auch beim Blick auf die lange Trigger-Liste deutlich.

Ich habe die Geschichte gemeinsam mit einer Blogger-Kollegin gelesen und eigentlich nur deshalb bis zum Schluss durchgehalten. Bis weit über die Hälfte habe ich mit der zähen und langweiligen Geschichte gekämpft und permanent überlegt, sie abzubrechen. Den Spannungsbogen habe ich meist vergeblich gesucht. Die Genre-Bezeichnung „Thriller“ ist hier meiner Meinung absolut falsch gewählt.

„River of Violence“ hat natürlich aber auch Stärken! Dass die Umsetzung nicht so gut gelungen ist, ist sehr schade, da die Grundidee sehr gut ist und viel Potential hatte. Auch die Themen des Buches (Erwachsenwerden, Emanzipation von der Familie, Mut, Freundschaft, Verantwortung, Liebe, schwere Entscheidungen, schwierige Beziehung zu den Eltern) und ihre teilweise sogar tiefgründige Umsetzung konnten mich überzeugen. Zudem enthält das Buch durchaus einzelne starke, gelungene Momente und steigert sich im Verlauf der Geschichte immer mehr. Das letzte Viertel mit seinen unerwarteten Wendungen und seiner endlich aufkeimenden Spannung war für mich der beste Teil des Buches – und auch das Ende hat mir gefallen.

Protagonistin & Figuren (4 Lilien & 3 Lilien)

„Vielleicht wäre ja Entsetzen, bei jeder Frau, bei jeder Prellung, jeder Platzwunde, die angemessene Reaktion.
Vielleicht ist ein unempfindliches Herz nicht die Lösung, sondern das Problem.“ E-Book, Position 501

Die Protagonistin Harley war mir vor allem in der ersten Hälfte ein Dorn im Auge. Ich empfand sie als unsympathisch und scheinheilig. Es hat lange gedauert, bis ich angefangen habe, sie zu verstehen, mit ihr mitzufühlen und mich mit ihr anzufreunden. Meine liebste Hauptfigur aller Zeiten ist sie zwar immer noch nicht, aber: Am Ende des Buches fand ich sie ziemlich cool und habe sie anfeuert und ihr für ihren Mut applaudiert.

Die anderen Figuren sind verschieden gut gelungen. Es gibt komplizierte, interessante Personen, die sich nicht wirklich in Gut und Böse einteilen lassen (wie Harleys Vater), aber auch Charaktere, die sehr blass und flach bleiben. Wer übrigens ein Buch mit sympathischen Leuten sucht, ist hier definitiv an der falschen Adresse. Außer Will, Brooke und Jake mochte ich eigentlich niemanden – und wenn plötzlich alle gestorben wären außer Harley und Jake (der ist echt mein Favorit!), ich hätte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, so egal war mir das Schicksal der meisten Figuren.

Spannung (1 Lilie) & Atmosphäre (3 Lilien)

Da ich mich stellenweise so durchs Buch gequält habe, kann ich leider nicht mehr als eine Lilie für die (fehlende) Spannung vergeben.

Die bedrohliche Atmosphäre im Buch fand ich stellenweise durchaus gelungen, auch wenn manche Orte und Szenen schon recht klischeehaft beschrieben wurden.

Feministischer Blickwinkel (4 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schla+++, Fo+++, Hu++, Miststück, Bitch, Bordsteinschwalbe

„‘Die wichtigste Lektion war: Sogar ein Mann, der dich liebt und der sein ganzes Leben damit zugebracht hat, etwas Starkes und Mächtiges aus dir zu machen, sogar dieser Mann wird dich höllisch unterschätzen, nur weil du eine Frau bist.‘“ E-Book, Position 22

Ich würde „River of Violence“ insgesamt als feministisches Buch bezeichnen und zwar vor allem wegen seiner starken, mutigen, intelligenten Protagonistin, die gegen häusliche Gewalt kämpft und sich in einer Welt aus toxischer Männlichkeit behaupten muss und das auch schafft. Harley ist eine Heldin, die nicht gerettet werden muss, sondern die sich selbst rettet! Der Thriller enthält viele „empowernde“ und feministische Sätze, kritisiert Sexismus, weibliche Unterdrückung und (sexualisierte) Gewalt, besteht den Bechdel-Test und zeigt, wie eine Frau zur knallharten Herrscherin über ein Drogenimperium erzogen wird. Mit „River of Violence hat Tess Sharpe also zumindest diesbezüglich sehr viel richtig gemacht – dafür gibt es von mir ein großes Lob und eine halbe Lilie extra.

Manches hat mich aber auch gestört: Das waren zum einen die unzähligen Szenen, in denen Frauen bedroht, verletzt, belästigt oder vergewaltigt wurden, die ausufernden frauenfeindlichen Beleidigungen (irgendwann habe ich aufgehört, zu zählen) und die Tatsache, dass gefühlt 90% der Männer in diesem Buch ungepflegte, dumme Sexisten sind, die ständig Frauen schlagen und/oder vergewaltigen. Ein paar Szenen hätten hier doch gereicht, um das Problem zu verdeutlichen, hier hätte also nicht (gefühlt) alle zwei Seiten eine Frau beim Leiden gezeigt werden müssen.

Mein Fazit

„River of Violence“ konnte mich leider nicht überzeugen. Das lag am langweiligen, lieblosen Schreibstil, der kaum vorhandenen Spannung, den unsympathischen, teilweise blassen Figuren, der spärlichen Handlung, den vielen Rückblenden (mit sich wiederholendem Inhalt) und daran, dass in einigen Szenen zu dick aufgetragen wurde. Die Stärken des Buches – seine interessanten Themen, die teilweise sogar tiefgründige Umsetzung, die starke, mutige Protagonistin und der deutlich spürbare Feminismus – können die Schwächen nicht ausgleichen. „River of Violence“ konnte das Potential einer guten Grundidee leider nicht nutzen, was sehr schade ist. Eine Leseempfehlung kann ich hier nur aus feministischer Sicht aussprechen, da mich das Buch ansonsten leider insgesamt enttäuscht hat.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 2 Lilien
Umsetzung: 2,5 Lilien
Worldbuilding: 3 Lilien
Einstieg: 2 Lilien
Ende / Auflösung: 5 Lilien
Schreibstil: 2 Lilien
Protagonistin: 4 Lilien
Figuren: 3 Lilien
Spannung: 1 Lilie
Atmosphäre: 3 Lilien
Emotionale Involviertheit: 2 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: niedrig

Insgesamt:

❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir zweieinhalb Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.05.2020

2,5*: Alice im Land der sexualisierten Gewalt – für mich trotz guter Ansätze leider eine Enttäuschung!

Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Autorin erzählt „Alice im Wunderland“ neu – modern, düster, verstörend. Am Beginn der Geschichte ist Alice in einer Psychiatrie gefangen, weil alle glauben, dass ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Autorin erzählt „Alice im Wunderland“ neu – modern, düster, verstörend. Am Beginn der Geschichte ist Alice in einer Psychiatrie gefangen, weil alle glauben, dass sie durch ein erlittenes Trauma verrückt geworden ist. Sie selbst kann sich leider an nichts erinnern. Ihr einziger Trost ist ihr Zimmernachbar, mit dem sie sich durch ein Mauseloch unterhält: Hatcher, ein gefährlicher Axt-Mörder. Als ein Feuer im Krankenhaus ausbricht, gelingt den beiden die Flucht. Doch sie sind nicht die Einzigen, die aus dem Gebäude entkommen können. Etwas Großes, unvorstellbar Böses ist nun ebenfalls auf freiem Fuß - und nur Hatcher und Alice können es aufhalten.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 der Reihe um Alice; die Fortsetzung wird im August 2020 erscheinen
Erzählweise: auktorialer Erzähler, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis lang
Tiere im Buch: - Im Buch werden Tiere verletzt, gequält und getötet (Ratte, Kaninchen, Tierkämpfe).
Triggerwarnung: sexualisierte Gewalt (u. a. Vergewaltigung), exzessive Gewalt, Blut, Zwangsprostitution, Menschenhandel, Feuer, Tierquälerei

Warum dieses Buch?

Da ich sowohl die Geschichte um Alice als auch düstere Bücher liebe, war ich hellauf begeistert, als ich den Klappentext gelesen habe. Der Hype um das Buch und die positiven Rezensionen haben mich dann noch neugieriger gemacht.

Meine Meinung

Einstieg (5 Sterne ♥)

„Als man sie gefunden hatte, hatte sie nichts anderes gesagt als: ‚Das Kaninchen. Das Kaninchen. Das Kaninchen.‘ Wieder und wieder. […] Und jedes Mal wurde sie für verrückt erklärt.“ E-Book, Position 41

Der Einstieg fiel mir trotz des gewöhnungsbedürftigen Schreibstils leicht. Schon nach wenigen Seiten war ich in die Geschichte eingetaucht.

Schreibstil (3 Lilien)

Ich weiß nicht genau, was es ist, aber Christina Henrys Schreibstil hat irgendetwas an sich, das mir Schwierigkeiten bereitet. Ich fand irgendwie keinen richtigen Zugang zu ihrer Sprache. Einerseits gefällt es mir, wie atmosphärisch, filmisch und bildlich sie in manchen Momenten schreibt, andererseits waren ihre Formulierungen oft auch sehr holprig für mich zu lesen. Ihre Sätze enden und beginnen an seltsamen Stellen, und manches musste ich mir bewusst vorstellen, weil ich nicht automatisch ein Bild im Kopf hatte. Durch den eher distanzierten Schreibstil hatte ich auch das Gefühl, dass ich nicht so richtig an die Figuren herankam. All das führte dazu, dass streckenweise leider kein richtiger Lesefluss entstehen wollte.

Idee, Inhalt, Themen & Ende (2,5 Lilien)

„‘Warum bist du hier?‘, fragte sie ihn eines Tages […].
‚Ich habe eine ganze Menge Leute mit einer Axt umgebracht.‘, sagte er.“ E-Book, Position 108

Dieses Buch klang, als wäre es perfekt für mich und als hätte es vielleicht sogar Lieblingsbuch-Potential. Ich bin mit sehr hohen Erwartungen herangegangen, auf die mit jeder gelesenen Seite mehr Ernüchterung und Enttäuschung folgten. Zuerst einmal ist es wichtig zu wissen, dass Christina Henry eigentlich nicht die Geschichte von Alice im Wunderland neu erzählt, sondern dass ihre Handlung danach – nach dem Trauma, das sie dort erlitten hat – angesiedelt ist. Alice versucht ihre Erinnerungen zurückzubekommen und herauszufinden, was damals geschehen ist. Dadurch entfernt sich die Neuerzählung auch sehr weit von der Quelle. Nur einzelne Elemente und Figuren aus Lewis Carrolls Kinderbuch tauchen auf. Diese Momente haben mir auch am besten gefallen.

Meiner Meinung nach beginnt das Buch wirklich stark! Alice‘ Aufenthalt in der schrecklichen Psychiatrie ist geprägt von Medikamenten, Langeweile, Einsamkeit, Vernachlässigung und körperlichen Misshandlungen und die Atmosphäre ist trist und düster. Alice‘ seltsame Freundschaft mit dem unberechenbaren Hatcher löst Faszination aus. Ab der Flucht aus dem Krankenhaus ging es allerdings langsam, aber stetig bergab. Etwa in der Mitte des Buches ist noch fast nichts passiert und man wartet, dass es endlich losgeht – was aber nie passiert. Die gleichförmige Handlung ließe sich am besten so zusammenfassen: Sie gehen von A nach B – Gemetzel. Sie gehen von B nach C – Gemetzel. So geht es bis zum Schluss weiter, der leider unerwartet lahm und enttäuschend ist. Nach der langen Reise hätten wir einen großen, dramatischen Showdown verdient? Tja, Pustekuchen!

Nun möchte ich noch auf das „Wunderland“ in diesem Buch eingehen. Es wirkt eigentlich (bis auf die Häuser der verschiedenen Bösewichte) wie ein ganz normales Armutsviertel (Gestank, Krankheiten, Menschen, die sich irgendwie durchkämpfen) mit der einen oder anderen übernatürlichen Figur darin. Ich hätte mir eine magischere und faszinierendere Welt erhofft – und mehr Tiefe beim Worldbuilding. Auch „düster“ habe ich mir ganz anders vorgestellt. Ich schaue gerne Horrorfilme und halte – was blutige Schilderungen angeht – einiges aus. Auf dieses Buch, das laut Verlag „nichts für schwache Nerven“ ist, fühlte ich mich also bestens vorbereitet. Tatsächlich war beim Lesen auch nicht die ausufernde Gewalt, das Töten und Morden, das Problem.

Mit einer Sache hatte ich nämlich nicht gerechnet: Für Christina Henry bedeutet „düster und verstörend“ anscheinend, so viel sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und Frauen in die Welt zu stopfen, wie irgendwie reinpasst. An jeder Ecke warten Vergewaltiger auf ihr nächstes Opfer, werden junge Frauen gestohlen, wie Waren behandelt, misshandelt, gefoltert, gequält und in die Prostitution gezwungen. Für Alice gleicht die Reise in dieser Welt einem Spießrutenlauf, weswegen sie sich auch als Junge verkleiden muss. Ich hätte ja nichts gesagt, wenn einer (!) der Bösewichte Mädchen zur Prostitution zwingt, aber fast alle diese Leute sind Mädchenhändler und quälen Frauen. Das ist einfach zu viel!

In einer anderen Rezension wurde das Buch aufgrund seiner brutalen, fast immer sexuell motivierten Gewalt gegen Frauen / Mädchen sogar als misogyn bezeichnet. Es wurde geschrieben, dass Christina Henry Glück hat, dass sie eine Frau ist. Dem muss ich leider zustimmen. Wie groß wäre wohl der Aufschrei gewesen, wenn diese Geschichte ein Mann geschrieben hätte? Man würde ihm vorwerfen, frauenfeindlich zu sein und seine fragwürdigen Fantasien in diesem Buch auszuleben. Ich bin nicht prinzipiell dagegen, dass schwierige Themen wie sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung und deren Folgen in Büchern behandelt werden. Allerdings wird hier nicht angemessen auf das Thema eingegangen, sondern es wird als billiges Mittel genutzt, um eine möglichst gefährliche und angeblich düstere Welt zu kreieren. Ich sehe Christina Henrys Version des Wunderlandes jedenfalls als höchst problematisch an und bin sehr enttäuscht davon. Das Buch bräuchte dringend (auch aufgrund der ausufernden Gewalt und der moralisch fragwürdigen Einstellungen von Hatcher) eine Triggerwarnung und einen Hinweis, dass es erst ab 18 Jahren gelesen werden sollte, denn das Cover könnte auch jüngere LeserInnen ansprechen!

Trotz meiner Kritik gibt es in der Geschichte viele gute Ansätze: „Die Chroniken von Alice – Finsternis im Wunderland“ hat durchaus seine starken, düsteren, albtraumhaften, gelungenen und magischen Momente, die mich packen, faszinieren und begeistern konnten. Insgesamt gab es aber leider zu viel, das mich gestört hat. In der Fortsetzung, die wohl an einem anderen Ort spielen wird und in der zwei Königinnen im Mittelpunkt stehen werden, könnte es möglicherweise weniger sexualisierte Gewalt geben. Ob ich sie oder eines der nächsten (durchaus sehr interessant klingenden!) Bücher der Autorin lesen werde, weiß ich noch nicht.

Protagonistin (3 Lilien ) & Figuren (3 Lilien)

Alice war mir von Beginn an sympathisch – ich habe sie gerne begleitet. Aufgrund des Schreibstils war da aber leider immer eine gewisse Distanz, wodurch ich nicht so intensiv mit ihr mitfühlen und mitleiden konnte, wie ich mir das gewünscht hätte. Auch etwas mehr Tiefe hätte ihr gutgetan, auch wenn sie immerhin bis zum Ende eine spürbare Entwicklung durchmacht. Noch ein Problem hatte ich mit Alice: Immer wieder muss sie gerettet und gestützt werden, sie ist schwach, gibt oft nach und wirkt in manchen Momenten wie die berühmte „Jungfrau in Nöten“. Auch wenn es gegen Ende besser wird, hätte ich mir eine stärkere Heldin gewünscht.

Bezüglich der anderen Figuren habe ich gemischte Gefühle. Einige sind ganz gut gelungen und wirkten auf mich authentisch und dreidimensional (z. B. Nell), andere blieben sehr blass. Da Alice und Hatcher immer wieder weiterziehen, haben die meisten Charaktere nur ganz kleine Rollen, wodurch es schwierig wird, ihnen Tiefe zu verleihen. Schade fand ich, dass alle mächtigen Nebenfiguren und Bösewichte männlich waren. Und jetzt sagt mir bitte nicht, dass sie doch im Original auch männlich waren! Wir leben in einer anderen Zeit und in dieser Neuerzählung wurde so vieles geändert, da sollte es nicht am Geschlecht der Bösewichte scheitern.

Spannung & Atmosphäre (3 Lilien)

„[…] Feuer schoss unvorstellbar hoch in den Himmel hinauf […]. Es füllte den gesamten Himmel aus wie die ausgebreiteten Schwingen eines Drachen.“ E-Book, Position 358

Was Spannung und Atmosphäre betrifft, so hatte das Buch sowohl seine starken als auch seine schwachen Momente (siehe Unterpunkt „Inhalt“). Das Potential der Idee konnte trotz guter Ansätze leider nicht immer genutzt werden, was schade ist.

Feministischer Blickwinkel (2 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schlam++, Miststück, Schwa++lu++++++

Zu diesem Thema habe ich dieses Mal ja schon alles beim Unterpunkt „Inhalt“ gesagt. Mehr als zwei Sterne (einer für das Bestehen des Bechdel-Tests, einer für Alice‘ Entwicklung am Schluss) kann ich hier nicht vergeben. Ich hoffe, im nächsten Buch macht die Autorin einiges anders und besser!

Mein Fazit

Christina Henrys Neuerzählung von „Alice im Wunderland“ hat mich leider enttäuscht. Das große Potential der Idee konnte nicht genutzt werden. Trotz meiner Kritik hat „Die Chroniken von Alice – Finsternis im Wunderland“ durchaus seine starken, düsteren, albtraumhaften, gelungenen und magischen Momente, die mich packen, faszinieren und begeistern konnten. Der Schreibstil ist in manchen Momenten atmosphärisch und bildlich, aber gleichzeitig auch holprig und distanziert. Die Protagonistin ist sympathisch, aber oft auch schwach, wenig zugänglich und ihr fehlt Tiefe. Manche der anderen Figuren sind gut gelungen und dreidimensional, andere bleiben sehr blass. Die Neuerzählung, die sich weit von ihrer Quelle entfernt, wird leider nach einem starken Beginn immer schwächer, bis sie in einen lahmen, enttäuschenden Showdown mündet. Ich hätte mir eine magischere, faszinierendere Welt mit mehr Tiefe erhofft. Sehr problematisch ist, dass das Wunderland voller brutaler, meist sexualisierter Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist. Hier wird nicht angemessen auf das schwierige Thema eingegangen, sondern es wird als billiges Mittel genutzt, um eine möglichst gefährliche Welt zu kreieren. Das Buch bräuchte dringend eine Triggerwarnung und einen Hinweis, dass es erst ab 18 Jahren gelesen werden sollte. Ich kann dieses Mal leider keine Leseempfehlung aussprechen.

In der Fortsetzung, die wohl an einem anderen Ort spielen wird und in der zwei Königinnen im Mittelpunkt stehen werden, wird es hoffentlich weniger sexualisierte Gewalt geben. Ob ich sie oder eines der nächsten (durchaus sehr interessant klingenden!) Bücher der Autorin lesen werde, weiß ich aber noch nicht.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 2,5 Lilien
Umsetzung: 2,5 Lilien
Worldbuilding: 3 Lilien
Einstieg: 5 Lilien ♥
Ende / Auflösung: 2 Lilien
Schreibstil: 3 Lilien
Protagonistin: 3 Lilien
Figuren: 3 Lilien
Spannung: 3 Lilien
Atmosphäre: 3 Lilien
Emotionale Involviertheit: 2,5 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 2 Lilien

Insgesamt:

❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir zweieinhalb Lilien!

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.09.2019

Hat mich leider enttäuscht

Römische Tage
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Im neuen Buch von Simon Strauß geht es um einen jungen Mann, der einige intensive Wochen in Rom verbringt und ganz in diese Stadt und ihre Magie eintaucht.

Übersicht

Einzelband ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Im neuen Buch von Simon Strauß geht es um einen jungen Mann, der einige intensive Wochen in Rom verbringt und ganz in diese Stadt und ihre Magie eintaucht.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Tropen
Seitenzahl: 142
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: -! Dieses Buch ist für TierliebhaberInnen absolut schwer zu ertragen. Es gibt Schilderungen von überfahrenen Hunden und leidenden Katzen, die in der Hitze verdursten und denen niemand hilft. Beim Lesen ist mir die Wut in den Bauch geschossen, als ich die detaillierten Beschreibungen der sterbenden Tiere lesen musste. Der Protagonist kommt nicht auf die Idee, ihnen Wasser anzubieten, sondern schaut ihnen mit einer widerlichen, empathielosen Distanz beim Leiden zu. Das hat ihn mir absolut unsympathisch gemacht, vor allem, da es sich ja sehr wahrscheinlich um wahre Beschreibungen der Zustände dort handelt! Außerdem tritt eine Frau nach Stadttauben (die es ohnehin schon schwer genug haben!), Hundekämpfe werden erwähnt und es wird Zirkusdirektoren, die immer noch Wildtiere im Programm haben, und deren unangebrachtem Selbstmitleid eine Bühne geboten – Wildtiere haben im Zirkus nichts verloren!

Warum dieses Buch?

Ich war bisher noch nicht in Rom, aber da die Stadt ja sehr faszinierend sein soll, dachte ich mir, dass „Römische Tage“ von Simon Strauß die richtige Lektüre für mich sein könnte. Außerdem konnte mich das mitreißende, erfrischende, kraftvolle Debüt des Autors absolut begeistern! Die Lesung, bei der ich zugegen war, war zudem großartig und der Vortrag des Autors sehr charismatisch und fesselnd. Ein tolles Erlebnis! Für mich stand fest, dass ich Simon Strauß‘ neues Buch auf jeden Fall wieder lesen muss.

Meine Meinung

Einstieg (-)

"Ankunft in Rom. Am ersten Juli. Zweihunderteinunddreißig Jahre und acht Monate nach Goethe." E-Book, Position 16

Schon beim Einstieg folgte leider Ernüchterung. „Sieben Nächte“ vermochte es, mich schon auf den ersten Seiten absolut zu fesseln, „Römische Tage“ präsentiert sich da leider weniger zugänglich. Es dauerte lange, bis ich ins Buch gefunden habe, richtig in die Geschichte eintauchen konnte ich nie.

Schreibstil (+/-)

„Wenn man aufs Herz zu sprechen kommt, nur in die Richtung zeigt, schauen die Menschen gleich so betrübt. Nichts mehr zu machen, denken sie mit heimlicher Erleichterung darüber, dass es sie nicht selbst getroffen hat.“ E-Book, Position 29

Was den Schreibstil betrifft, bin ich zwiegespalten. Die kraftvolle, intensive und mitreißende Sprache des Manifests „Sieben Nächte“ sucht man im neuen Buch vergeblich; wo das Debüt den Nerv der Zeit traf, wirkt die neue Erzählung auf mich eher altmodisch und rückwärtsgewandt. Der Essaystil ist insgesamt trotzdem wieder gut gelungen, auch wenn er hinter meinen hohen Erwartungen zurückblieb. Simon Strauß schreibt anspruchsvoll und schön, gleichzeitig lassen sich seine Bücher aber auch sehr flüssig und angenehm lesen, was mir ebenso gut gefällt wie der gelegentliche ironische Unterton.

Einerseits war ich beeindruckt vom literarischen und kulturhistorischen Wissen des Autors, der scheinbar mühelos und „im Vorbeigehen“ altehrwürdige Dichter, Politiker, Schriftsteller und Philosophen zitieren kann. (Auch Anspielungen auf moderne Lieder und Bands wie „Annenmaykantereit“ finden sich übrigens im Buch.) Andererseits fand ich die ständigen Zitate, Anspielungen und geschichtlichen Informationen stellenweise auch sehr gewollt, prätentiös und ermüdend. Es wirkt, als hätte der Autor um jeden Preis zeigen wollen, wie extrem gebildet und kultiviert er ist (und das ist er mit Sicherheit!). Das ging jedoch, was mich betrifft, manchmal nach hinten los. „Römische Tage“ ist deswegen teilweise anstrengend zu lesen. Manchmal hätte ich mir mehr Empfinden, mehr Erleben und weniger Verweise gewünscht.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

„Römische Tage“ ist eine Aneinanderreihung von Reiseeindrücken und hat eigentlich keine wirkliche Handlung. Der Protagonist lebt ein sehr privilegiertes Leben, besucht Sehenswürdigkeiten, Friedhöfe und Partys, trifft sich mit Historikern, Generälen, Schauspielern und Kardinälen und wandelt auf den Spuren Goethes und anderer berühmter Persönlichkeiten. Dabei wirkten sein Verhalten und sein Leben auf mich meist sehr elitär und weit weg von dem einer Durchschnittsperson. Das muss man mögen, mich hat es nur selten gestört.

Thematisch stehen der Tod, Vergänglichkeit, die Flüchtlingskrise, die aktuelle Enttäuschung der RömerInnen vom Staat, die Vermischung der alten und der modernen Welt und die ehrliche Gegenüberstellung der Idealvorstellung von Rom und der oft schmutzigen, unschönen Realität im Mittelpunkt. Eine Themenwahl, die ich eigentlich sehr gelungen fand. Im Buch kommen jedoch leider viele erzkonservative und sogar rechte Menschen zu Wort, was ich etwas problematisch fand, besonders nach den Reaktionen der Öffentlichkeit auf Simon Strauß‘ Debüt. Stellenweise enthält das Buch wunderbar treffende und berührende Beobachtungen, sehr schöne Sätze, Weisheiten und ehrliche, tiefgründige Reflexionen, in anderen Momenten sind die Beschreibungen der Eindrücke oberflächlich, zu hastig abgehandelt und ohne jegliche Tiefe. Erfahrene Romreisende werden vielleicht mit diesem Buch ihre Freude haben, weil jede Beschreibung einer Sehenswürdigkeit eigene Erinnerungen weckt. Auf mich hat das Buch leider (im Gegensatz zu „Sieben Nächte“) überhaupt keinen Sog ausgeübt, es gab keinen Drang, weiterzulesen. Trotz seiner starken Momente lässt mich das Buch seltsam unberührt zurück, und es wird mir wohl auch nicht lange in Erinnerung bleiben. Schade, dass es „Römische Tage“ nicht geschafft hat, etwas in mir zum Klingen zu bringen. Es war wohl einfach nicht mein Buch.

Protagonist (+/-)

Auch dieses Mal verwischen wieder absichtlich die Grenzen zwischen Autor und Hauptfigur. Simon Strauß verbrachte nämlich selbst einige Wochen in Rom. Der Protagonist war mir bis zur Szene mit den Katzen, die er einfach leiden lässt, eigentlich sympathisch – er ist eine alte Seele, intelligent, empfindsam und zeigt Zivilcourage, wenn jemand Hilfe benötigt. Jedoch blieb er das ganze Buch über auch ein wenig farblos und war nicht so recht greifbar. Manche seiner Reflexionen, Selbstfindungsversuche und kritischen Gedanken werden mir ohne Frage länger in Erinnerung bleiben, er als Figur wird aber schnell wieder vergessen sein.

„Oft fühle ich mich wie ein Befallener, zerfressen von vergangenen Idealen, getrieben von unbefriedigtem Ehrgeiz. Wer zu spät auf die Welt gekommen ist, wird seine Zeit nie finden, sagt man.“ E-Book, Position 65

Figuren (-)

Alle anderen Figuren kommen nur ganz kurz im Buch vor, niemanden davon lernen wir näher kennen. Die meisten Charaktere zogen an meinem inneren Auge vorbei ohne einen bleibenden Abdruck zu hinterlassen. Manche der Geschichten über einzelne Nebenfiguren muss sich der Autor wohl in seiner Fantasie ausgemalt haben – wissen kann er diese intimen Details eher nicht. Manchmal erschien es mir so, als wurde die Ich-Erzählsituation mit einer allwissenden vermischt. Interessant, es hatte einen gewissen Charme. Mir hat es gefallen.

Spannung & Atmosphäre (-)

Immer wieder gibt es höchst atmosphärische Beobachtungen und Beschreibungen Roms, die mich absolut überzeugen konnten. Oft verkommen die vielen Erlebnisse aber auch zu einer etwas substanzlosen Aneinanderreihung von oberflächlichen Eindrücken. Spannung war zu keinem Zeitpunkt vorhanden, dafür sind die einzelnen geschilderten Episoden zu kurz und unzusammenhängend. Stellenweise musste ich mich leider durch das Buch quälen; ich wollte nicht wissen wie es weitergeht, sondern war oft gelangweilt und enttäuscht, dass mich dieses Buch nicht ebenso fesseln und faszinieren konnte wie das Debüt.

Feministischer Blickwinkel (+/-)

Vieles hat mir gefallen: dass oft gegendert wurde, dass auch auch LGBT-Figuren im Buch vorkommen, dass Machtmissbrauch mächtiger Männer thematisiert wird, dass gezeigt wird, dass AbtreibungsgegnerInnen kritisiert werden. Nicht gefallen hat mir, dass einmal angedeutet wird, dass es normal sei, dass die Frau für den Abwasch zuständig ist und dass der Mann sich in der Zwischenzeit schon ein Bier gönnt und dass eine Jugendliche anscheinend schon verheiratet ist und von ihrem Ehemann ziemlich unterdrück wird (das wird jedoch immerhin kritisiert, was gut ist). Sehr gestört hat mich, dass fast alle wesentlichen Gesprächspartner Männer waren und Frauen kaum zu Wort kamen – hier hätte ich mir ein ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis gewünscht. Den Bechdel-Test (sprechen zwei Frauen über etwas anderes als einen Mann?) besteht dieses Buch (was keine Überraschung ist) ebenfalls nicht.

Mein Fazit

Nach Simon Strauß‘ mitreißendem, kraftvollem und fesselndem Debüt bin ich an sein neues Buch mit hohen Erwartungen herangegangen, die leider enttäuscht wurden. Der Einstieg verlief schleppend, ganz in die Geschichte eintauchen konnte ich nie. Das lag bestimmt am Essaystil, der zwar anspruchsvoll, schön und angenehm zu lesen ist, dem aber dieses Mal diese erfrischende, kraftvolle Intensität fehlte. Wo das Debüt den Nerv der Zeit traf, wirkte die neue Erzählung auf mich altmodisch und rückwärtsgewandt. Einerseits war ich beeindruckt vom literarischen und kulturhistorischen Wissen des Autors, der scheinbar mühelos und „im Vorbeigehen“ altehrwürdige Dichter, Politiker, Schriftsteller und Philosophen zitieren kann. Andererseits fand ich die ständigen Zitate, Anspielungen und Informationen auch gewollt, prätentiös und ermüdend. „Römische Tage“ ist eine Aneinanderreihung von Reiseeindrücken eines privilegierten, elitären jungen Mannes und hat eigentlich keine wirkliche Handlung. Thematisch stehen der Tod, die Vermischung von Alt und Neu und die ehrliche Gegenüberstellung der Idealvorstellung von Rom und der oft schmutzigen, unschönen Realität im Vordergrund. Stellenweise enthält das Buch wunderbar atmosphärische, treffende und berührende Beobachtungen und Beschreibungen Roms, sehr schöne Sätze, Weisheiten und ehrliche, tiefgründige Reflexionen, in anderen Momenten sind die Beschreibungen der Eindrücke substanzlos, oberflächlich, zu hastig abgehandelt und ohne jegliche Tiefe. Der Protagonist war mir bis zur Szene mit den Katzen, die er einfach vor sich leiden lässt, sympathisch – er ist eine alte Seele, intelligent und empfindsam. Jedoch blieb er das ganze Buch über auch ein wenig farblos und war nicht greifbar. Spannung oder ein Sog waren zu keinem Zeitpunkt vorhanden, stellenweise musste ich mich leider durch das Buch quälen und war sehr enttäuscht, dass es mich nicht ebenso fesseln und faszinieren konnte wie das Debüt. Trotz seiner starken Momente lässt mich das Buch seltsam unberührt zurück, und es wird mir (bis auf einige interessante Reflexionen) wohl auch nicht lange in Erinnerung bleiben. „Römische Tage“ war wohl einfach nicht das richtige Buch für mich, weswegen ich es nicht weiterempfehlen kann. Eine Empfehlung möchte ich trotzdem aussprechen, und zwar für „Sieben Nächte“, das großartige Debüt des Autors. Dem nächsten Roman werde ich sicher wieder eine Chance geben.

Bewertung

Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 2,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 2 Sterne
Schreibstil: 3,5 Sterne
Protagonist: 3,5 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 1 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Ende / Auflösung: 2 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +/-

Insgesamt:

❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir insgesamt zweieinhalb Lilien!