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Veröffentlicht am 14.07.2021

Das mächtigste Reich, von dem Sie noch nie gehört haben

Die Himmelsscheibe von Nebra
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So bezeichnen die Autoren im Vorwort die Kultur des Aunjetitz, aus der wohl die inzwischen weltberühmte Himmelsscheibe von Nebra stammt. Tatsächlich ist es erstaunlich, wie wenige populärwissenschaftliche ...

So bezeichnen die Autoren im Vorwort die Kultur des Aunjetitz, aus der wohl die inzwischen weltberühmte Himmelsscheibe von Nebra stammt. Tatsächlich ist es erstaunlich, wie wenige populärwissenschaftliche Abhandlungen es zur mitteleuropäischen Bronzezeit gibt.
Schon deshalb ist dieses Buch sehr interessant.
Der erste Teil widmet sich der Himmelsscheibe als solches und hier zunächst den dramatischen Ereignissen, welche ihre Entdeckung begleiteten – und die allein schon Stoff für einen Krimi bieten würden. Einer der Autoren war damals sogar teilweise hautnah mit dabei.
Doch auch die Rekonstruktion der in verschiedenen Phasen ablaufenden Herstellung der Himmelsscheibe sowie der Herkunft der Metalle, aus denen sie besteht, lieferte einige spannende Erkenntnisse.
Nach all dem stellt sich natürlich die Frage, welcher Kultur dieses Artefakt entstammt und dieser wird im zweiten Teil nachgegangen. Dabei werden eine Reihe beeindruckender Funde vorgestellt, die in Mitteldeutschland und darüber hinaus gemacht wurden, und Einblicke in die Arbeit der sie untersuchenden Forscher gegeben.
Tatsächlich kann die Epoche von ca 1900 bis ca 1600 vor Chr. mit allerlei Bemerkenswertem aufwarten: Großartige Schmiedekunst, beeindruckende Grabbeigaben, monumentale Bauwerke (sowohl für die Lebenden als auch für die Toten) oder rätselhafte Mythologien – alles Dinge, die gemeinhin mit sogenannten Hochkulturen verbunden werden.
Die Autoren ziehen denn auch den Schluss, dass es sich bei dem Reich von Aunjetitz um das erste Staatsgebilde Mitteleuropas gehandelt habe, das hier nur aufgrund ganz besonderer Umstände entstehen und sich immerhin einige Jahrhunderte halten konnte. Auch stellen sie Vermutungen an über mögliche Verbindungen nicht nur nach Stonehenge, sondern auch nach Mesopotamien oder Ägypten.

Nun kann ich nicht beurteilen, ob sie damit immer recht haben. Manchmal hatte ich schon den Eindruck, dass sie in manche Funde zu viel hineininterpretieren oder sich auf zu weitgehende Spekulationen einlassen.
Nichtsdestotrotz finden sich hier zahlreiche faszinierende Gedanken, nicht nur über die Himmelsscheibe und ihre mutmaßlichen Schöpfer. Die Autoren halten beispielsweise auch fest, dass die Entstehung von Staaten für die große Mehrheit der Bevölkerung eine Verschlechterung der Lebensbedingungen bedeutete oder überlegen, was der in Europa herrschende Individualismus mit den geologischen und klimatischen Bedingungen zu tun hat.
Auch über sein eigentliches Thema hinaus bietet dieses Werk daher einigen Stoff zum Nachdenken.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 14.07.2021

Wie die Evolution arbeitet

Die Geschichte des Lebens
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Neil Shubin, der nach eigenen Angaben seine Sommer damit verbringt, nach Fossilien zu suchen, und sich den Rest des Jahres der Erforschung von Embryonen und DNA widmet, gibt hier einen Überblick über die ...

Neil Shubin, der nach eigenen Angaben seine Sommer damit verbringt, nach Fossilien zu suchen, und sich den Rest des Jahres der Erforschung von Embryonen und DNA widmet, gibt hier einen Überblick über die wichtigsten Mechanismen der Evolution.
Er konzentriert sich dabei vor allem auf die Wirkungsweise von Genen und Genomen und berichtet von all den erstaunlichen Entdeckungen, die in diesem Bereich in den letzten Jahrzehnten gemacht wurden. So nimmt er die Leser mit auf eine Tour durch Jahrmilliarden der Vergangenheit ebenso wie in modernste Laboratorien und erklärt beispielsweise, wie Untersuchungen an derart unterschiedlichen Lebewesen wie Fliegen, Seescheiden, Salamandern oder Mais dazu beigetragen haben, die Entwicklungsgeschichte des Lebens auf der Erde zu entschlüsseln.
Unter anderem stellt sich dabei heraus, dass die Embryonalentwicklung über diverseste Tiergruppen hinweg von ähnlichen Genen gesteuert wird oder dass ein guter Teil des Genoms aus Kopien von Genen oder gar der DNA von eingedrungenen Viren besteht, welche dann als Ausgangsmaterial für große Neuerungen dienen konnten.
Auch zeigt sich immer wieder, dass nichts da beginnt, wo man glaubt. Beispielsweise sind Beine und Lungen ursprünglich nicht zu dem Zweck entstanden, das Leben an Land zu erleichtern, und Federn diensten zunächst nicht dem Fliegen.
Neben der Vermittlung der reinen Fakten werden auch die beteiligten Wissenschaftler vorgestellt und damit einige interessante Persönlichkeiten vor den Vorhang geholt.

Insgesamt vermittelt dieses Buch daher zahlreiche faszinierende Informationen, die vom Autor allgemein verständlich dargestellt werden. Oft kommt dabei sogar richtige Spannung auf, wenn man den Forschern gewissermaßen über die Schulter schauen kann und ihre Überraschung ob manch unerwarteter Ergebnisse teilt.

Veröffentlicht am 18.06.2021

Interessante Tour voller Geheimnisse und Rätsel

Geheime Botschaften
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Simon Singh befasst sich hier mit einem faszinierenden Thema: Wohl schon seit Jahrtausenden haben Menschen das Bedürfnis, geheim miteinander zu kommunizieren und spätestens seit der Antike wurden diverse ...

Simon Singh befasst sich hier mit einem faszinierenden Thema: Wohl schon seit Jahrtausenden haben Menschen das Bedürfnis, geheim miteinander zu kommunizieren und spätestens seit der Antike wurden diverse Methoden entwickelt, eine Nachricht so zu verschlüsseln, dass nur der gewünschte Empfänger sie verstehen kann.
Doch im selben Maß, wie die Verschlüsselung immer sicherer wurde, wurden auch immer ausgefeiltere Verfahren zum Entschlüsseln entwickelt. Schließlich hingen oft genug politische oder militärische Siege bzw Niederlagen und damit Menschenleben, oder zumindest wirtschaftliche Erfolge davon ab, zu wissen, was der Gegner plant, und zu verhindern, dass die eigenen Pläne ausgespäht werden.
Dieses Buch folgt dem Gang der Geschichte und beschreibt den spannenden Wettlauf zwischen Code-Erfindern und Code-Knackern – von Caesar über Mary Stuart und die Helden von Bletchley Park bis zum Internet-Zeitalter.
Dabei wird nicht nur die dahinterstehende Mathematik allgemein verständlich erklärt. Der Autor schildert auch die Umstände, die zu der einen oder anderen Entdeckung führten und holt die Persönlichkeiten vor den Vorhang, die für wegweisende Entwicklungen in diesem Bereich verantwortlich waren.
Abgerundet wird das Ganze durch eine Sammlung von verschlüsselten Texten, an denen die Leser selbst ihre Dechiffrierfähigkeiten erproben können.
Trotz der teilweise anspruchsvollen Konzepte, die hier vorgestellt werden, ist das Buch flott lesbar und unterhaltsam. Es regt aber auch dazu an, sich noch weiter mit den hier präsentierten Ideen auseinander zu setzen und zeigt, welch umfangreiche Fähigkeiten und vor allem welche Kreativität erforderlich sind, um im Bereich der Ver- und Entschlüsselung erfolgreich zu sein.
Das einzige kleine Manko, für das man natürlich niemandem einen Vorwurf machen darf, besteht darin, dass das Buch eben schon über 20 Jahre alt und daher nicht auf dem allerneusten Stand ist. Soweit ich das beurteilen kann, hat es jedoch auch hinsichtlich des Inhalts des letzten Kapitels (Quantencomputer und Quantenkryptografie) seither keine wirklich umwälzenden Neuerungen gegeben.

Veröffentlicht am 18.06.2021

Die wahre Natur des Menschen

Im Grunde gut
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Worin die wahre Natur des Menschen besteht, ist ein seit Jahrhunderten viel diskutiertes Thema. Während etwa Jacques Rousseau die Ansicht vertrat, dass die Menschen von Natur aus gut seien und allein durch ...

Worin die wahre Natur des Menschen besteht, ist ein seit Jahrhunderten viel diskutiertes Thema. Während etwa Jacques Rousseau die Ansicht vertrat, dass die Menschen von Natur aus gut seien und allein durch ihre Institutionen böse würden, scheint die vorherrschende und gerade von den Medien gern verbreitete Meinung das Gegenteil zu besagen. Demnach sei der Mensch im Grunde böse, nur auf den eigenen Vorteil bedacht und bloß eine dünne Schicht der Zivilisation hielte uns davon ab, uns gegenseitig an die Gurgel zu gehen.

Rutger Bregman vertritt hier eine deutlich optimistischere Sichtweise. Er hinterfragt viele der Berichte und psychologischen Experimente, die gerne als Beweis für all die schlechten Eigenschaften der Menschheit herangezogen werden, und zeigt, dass bei deren Darstellung und Interpretation oft wichtige Fakten unterschlagen oder ignoriert wurden.
Ich hatte allerdings bisweilen den Eindruck, dass er sich da manches zu schön redet bzw nur die Aspekte betont, welche seine Argumentation stützen.
Natürlich untersucht er auch, warum gute Menschen böse Dinge tun, und kommt dabei großteils zu wenig überraschenden Ergebnissen (Schuld sind die Mächtigen, der Kapitalismus etc), führt aber doch auch ein paar neue Gesichtspunkte an. Beispielsweise hat Empathie auch negative Folgen.

Alles in allem plädiert er dennoch für ein positiveres Menschenbild, welches beispielsweise die Art revolutionieren sollte, wie Schulen, Gefängnisse oder die Demokratie organisiert werden.
Seine Ausführungen sind flott geschrieben und stellenweise richtig fesselnd, dieses Sachbuch liest sich fast wie ein Roman. Dennoch wirkt der Inhalt insgesamt fundiert und ist mit vielen Quellenangaben belegt.
Auch wenn der Autor öfters naiv wirkt und manche seiner Forderungen zu weit gehen, regt dieses Buch doch zum Nachdenken an und ist ein lesenswerter Kontrast zu all den Schreckensmeldungen, die Tag für Tag auf uns hereinprasseln.

Gerade zu Corona-Zeiten (und selbstverständlich nicht nur in diesem Zusammenhang) wäre es schön, wenn die Politiker sich zu etwas mehr Vertrauen in ihre Bürger durchringen könnten.

Veröffentlicht am 09.02.2021

Die Wurzeln aller Ungleichheit?

Die Wahrheit über Eva
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Carel van Schaik und Kai Michel suchen hier nach den historischen Wurzeln für die Diskriminierung der Frauen.
Bereits in einem früheren Buch haben die Autoren demonstriert, wie die Bibel als „Tagebuch ...

Carel van Schaik und Kai Michel suchen hier nach den historischen Wurzeln für die Diskriminierung der Frauen.
Bereits in einem früheren Buch haben die Autoren demonstriert, wie die Bibel als „Tagebuch der Menschheit“ dienen kann, und auch diesmal nehmen sie eine biblische Geschichte zum Ausgangspunkt.
Ihre Überlegungen ziehen jedoch viel weitere Kreise. Sie unternehmen eine Tour durch einige Jahrhunderttausende der Menschheitsgeschichte und zeigen, dass der weitaus größte Teil dieses Zeitraums von einem (wenn auch delikaten) Gleichgewicht der Geschlechter geprägt war, ja, dass starke Frauen und die Kooperation der Geschlechter sogar ein Erfolgsgeheimnis unserer Spezies war.

Die heutige Ungleichheit habe also keine biologischen Ursachen, sondern liege in kulturellen Überlieferungen (unserer „zweiten Natur“) begründet.
Auf der Suche nach deren Herkunft werden zahlreiche Etappen unserer Vergangenheit besucht – beispielsweise die Anfänge von Sesshaftigkeit und Landwirtschaft, deren Ausbreitung in Europa und Mesopotamien (mit durchaus unterschiedlichen Folgen), die ersten größeren Reiche mit Kehrseiten wie Ungleichheit, Gewalt und Sklaverei, die Ursprünge des Judentums als Religion eines kleinen Volkes, das im Schatten seiner mächtigeren Nachbarn stand, das Aufkommen des Christentums als frauenfreundliche und egalitäre Bewegung – und seine Transformation in eine Kirche, die an der Seite der Mächtigen steht.
Anders als viele ähnliche Werke identifiziert dieses hier nicht DEN einen Faktor – Landwirtschaft, Pflug, Städte, ... -, von dem die Benachteiligung der Frauen ihren Ausgang genommen habe, sondern es werden vielgestaltige und sich über Jahrtausende erstreckende Prozesse geschildert, die zusammen dazu führten, dass wir heute in einer zutiefst ungerechten Welt leben.

Der Inhalt ist gründlich recherchiert, das Buch weist ein umfangreiches Literaturverzeichnis mit Werken aus unterschiedlichen Epochen und Fachbereichen auf. So fließen hier diverse Erkenntnisse aus Evolutionsbiologie, Geschichtswissenschaften, Psychologie und weiteren Disziplinen ein.
Dennoch sind die Ausführungen allgemein verständlich und oftmals richtig fesselnd. Sie enthalten viele interessante Informationen und werfen spannende Fragen auf. Deren Beantwortung wirkt stellenweise vielleicht ein bisschen zu stark vereinfacht bzw setzt ein etwas zu optimistisches Menschenbild voraus, ist insgesamt aber doch nachvollziehbar und könnte einen guten Ausgangspunkt für weitere Forschungen zu diesem Thema bilden.

Einziges Manko: Die Darstellung beschränkt sich auf die Regionen und Kulturen, die letztlich von der christlichen Religion beeinflusst wurden. Warum Frauen auch in anderen Weltgegenden benachteiligt wurden und werden, wird dagegen nicht angesprochen. Auch wenn eine ausführliche Behandlung natürlich den Rahmen gesprengt hätte, wären ein paar diesbezügliche Überlegungen doch schön gewesen.

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