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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.02.2022

Nach schwachem Start super

Eine ganz dumme Idee
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Dieses Buch macht einen die Urteilsfindung wirklich nicht leicht. Ich konnte kaum zählen, wie häufig ich auf den ersten 100 bis 120 Seiten darüber nachgedacht habe, das Buch abzubrechen oder wenigstens ...

Dieses Buch macht einen die Urteilsfindung wirklich nicht leicht. Ich konnte kaum zählen, wie häufig ich auf den ersten 100 bis 120 Seiten darüber nachgedacht habe, das Buch abzubrechen oder wenigstens zu einem späteren Zeitpunkt – mit viel gutem Willen – weiterzulesen. Ich fand zunächst überhaupt keinen Zugang zur Geschichte und den Charakteren. Alles kam mir so wahnsinnig auf gesetzt vor. Nicht ohne Grund, wie sich später herausstellte.

Doch ich habe durchgehalten, denn eigentlich bin ich ein großer Fan von Fredrik Backmans Schreibstil. Ich liebe sein großartiges Gespür für kleine Zwischentöne, besondere Momente, die Dynamik zwischen seinen Figuren… Und ich bin so froh, dass ich durchgehalten habe, denn ab Seite 150 platzte förmlich ein Knoten. Die Story zog mich von Seite zu Seite mehr in ihren Bann und die Figuren wuchsen, wie man es von Beckmans Figuren gewohnt ist, mit all ihren Fehlern und Stärken an Herz. Wieder einmal legt er sein Augenmerk auf wichtige gesellschaftliche Themen, spricht ganz große Gefühle an – gekonnt, mit viel Feingefühl, Menschlichkeit und sooooo viel Liebe zum Detail. Das Buch bringt einem zum Schmunzeln, regt zum Nachdenken an und öffnet das Herz.

⭐⭐⭐⭐ (4 von 5 Sternen)

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Veröffentlicht am 20.06.2021

Heimat ist ein Gefühl

Laudatio auf eine kaukasische Kuh
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Sonne, ein gemütlicher Platz auf dem Balkon, ein Gläschen Wein und ein gutes Buch. Besser konnte das Wochenende am Freitagabend nicht starten. Lesetechnisch ging es für mich in „Laudatio auf eine kaukasische ...

Sonne, ein gemütlicher Platz auf dem Balkon, ein Gläschen Wein und ein gutes Buch. Besser konnte das Wochenende am Freitagabend nicht starten. Lesetechnisch ging es für mich in „Laudatio auf eine kaukasische Kuh“ mit Protagonistin Olga nach Georgien, in das Land ihrer Vorfahren. Während ihre Familie Georgien als Heimat sieht und sich in Deutschland krampfhaft und mal mehr, mal weniger erfolgreich versucht anzupassen und gleichzeitig das Bedürfnis hat, ihre Kultur auszuleben, versucht Olga, jede Verbindung zu ihren griechisch-georgischen Wurzeln zu leugnen, die sie nur leugnen kann. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft liegen für sie klar in Deutschland. Die zwei Welten werden strickt auseinandergehalten. Dabei überlässt die angehende Ärztin nichts dem Zufall, selbst bei der Wahl ihres Freundes geht sie strategisch vor: Der Nachname des Auserwählten darf aus höchstens zwei Silben bestehen. Felix van Saan, ebenfalls Arzt, entspricht diesen Kriterien. Doch da wäre noch der quirlige Jack, der mächtig Chaos in ihr Leben bringt. Und als auch noch ihre Mutter krank wird, kann sie die strickte Grenze zwischen den Welten nicht mehr aufrechterhalten.

Mit dem Einsturz ihres Kartenhauses kommen Zweifel und Erkenntnisse, platzen Lebenslügen, werden Familienstrukturen hinterfragt, neue Bande geknüpft, aber auch gesetzte Barrieren eingerissen. Der dabei stets mitschwingende innere Konflikt von Olga ist stets greifbar, nachvollziehbar und wunderbar gelungen. Mir hat sehr gefallen, dass genau diese Thematik den Kern des Buches ausmacht, und nicht die Liebesgeschichte (die das Buch aber rund macht). Natürlich wird bei all dem Hin und Her kein Klischee ausgelassen, das bereichert die Geschichte, irritiert manchmal aber auch. So fand ich zum Beispiel das Kennenlernen von Olga und Jack einerseits amüsant, andererseits die Dialoge stellenweise zu albern, gewollt und aufgesetzt (besonders von Jack). Das änderte sich glücklicherweise im Verlauf der Geschichte.

Ein sehr lebensbejahendes Buch. Perfekt für den Sommer!

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Veröffentlicht am 30.05.2021

Erfrischend anders

Mado
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Eine Handlung, die nicht gefallen will und die zu keiner Zeit des Buches vorhersagbar ist. Eine Antiheldin, die an ihren Schwächen und an ihrem zugewiesenen Platz im Leben zu ersticken droht. Eine Lebensgeschichte, ...

Eine Handlung, die nicht gefallen will und die zu keiner Zeit des Buches vorhersagbar ist. Eine Antiheldin, die an ihren Schwächen und an ihrem zugewiesenen Platz im Leben zu ersticken droht. Eine Lebensgeschichte, in der es kein Happy-end gibt, aber zumindest ein Fünkchen Hoffnung. Eine Erzählung von starken Frauen, die auf recht unkonventionelle Weise ihr Leben meistern und immer wieder vor großen Herausforderungen gestellt werden. Zusätzlich noch je eine große Prise Abhängigkeit, Freiheitsdrang, kriminelle Energie, Sucht, Neuanfang, Scheitern, Mord, Loyalität, Gewalt, Selbstfindung, Verletzung… All das ist „Mado“ von Wolfgang Franßen – und gleichzeitig noch viel mehr. Ein Erstlingswerk, das erfrischend anders ist, gerade weil nicht zwanghaft nach der „Jetzt wird alles gut“-Wendung gesucht wird, zum Beispiel in Form einer neuen, alles verändernden Liebe. Vielmehr wird deutlich, die Impulse und Entscheidungen müssen von einem selbst kommen? Ob das gelingt? Wer weiß das schon!

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Veröffentlicht am 27.05.2021

Lesenswert

Drei Kameradinnen
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Was mir an diesem Roman zu allererst gefallen hat, ist die frische, ungezügelte Erzählweise, die den Leser oft direkt anspricht und die sich so sehr von anderen Romanen unterscheidet. Ein Sich-Luft-machen, ...

Was mir an diesem Roman zu allererst gefallen hat, ist die frische, ungezügelte Erzählweise, die den Leser oft direkt anspricht und die sich so sehr von anderen Romanen unterscheidet. Ein Sich-Luft-machen, In-der-Wunde-bohren, Ungeschminkte-Wahrheiten-erzählen ohne striktes Kategorisieren, ohne Einteilung in Raster. Die schwere Thematik bringt die Autorin mit einer Leichtigkeit rüber, die ihresgleichen sucht. Spricht gelebten und bewussten Hass gegenüber Minderheiten an, führt uns Szenen des unbewussten Alltags-Rassismus vor Augen, beschreibt das Gefühl, sich zu keiner Gruppe zugehörig zu fühlen, sich ständig infrage zu stellen, und klammert vor allem die Vorurteile beider Seiten nicht aus. Sie hinterfragt, analysiert, beobachtet die Sender und Empfänger – wobei die Grenze manchmal zu verwischen scheint. Dabei lernt der Leser drei beindruckende junge Frauen kennen, die nicht unterschiedlicher sein und die nicht unterschiedlicher durchs Leben gehen könnten. Alle drei haben ihren Weg gefunden, mit der alltäglichen Diskriminierung umzugehen und ihr etwas entgegenzusetzen, und der Leser ertappt sich immer wieder dabei, zu hinterfragen, welcher dieser Wege wohl der beste Weg ist. Eine abschließende Antwort wird es wohl nie geben.
Spannend ist auch, dass die Autorin unablässig Erfindung, Wirklichkeit und Fiktion, Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwebt. Was was ist, bleibt bis zuletzt offen. Das baut Dramatik auf, macht es aber auch an mancher Stelle mühsam, dem Geschehen zu folgen. Zum Teil verliert sich die Geschichte meiner Meinung nach sogar zu sehr in Nebenschauplätzen und Erinnerungen.

Für mich auf jeden Fall ein Buch, dass gleich mehrfach aus der Masse heraussticht.

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Veröffentlicht am 17.02.2021

Das Buch hat mich positiv überrascht

Die Schwimmerin
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Essen 1962: Betty heiratet ihren Martin und ist fest entschlossen, ihr lang ersehntes Glück mit aller Macht festzuhalten. Zu viele Entbehrungen hat sie schon hinnehmen müssen. Der zweite Weltkrieg hat ...

Essen 1962: Betty heiratet ihren Martin und ist fest entschlossen, ihr lang ersehntes Glück mit aller Macht festzuhalten. Zu viele Entbehrungen hat sie schon hinnehmen müssen. Der zweite Weltkrieg hat Betty nicht nur ihre Heimat, ihre Familie und ihre erste Liebe genommen, sondern ihr auch ein düsteres Geheimnis aufgebürdet. Seit jener Zeit ist das Schwimmen Bettys Halt und Trost. Eine Überlebensstrategie, den Kopf immer über Wasser zu halten, komme was wolle. Ausgerechnet beim Schwimmen trifft sie nun auf ein junges Mädchen, das ihr eigenartig vertraut erscheint. Und dieses Mädchen hat entschieden, sich ein Stück von Bettys Glück zu greifen. Es beginnt, sie zu verfolgen, zu erpressen. Betty erkennt, dass die Vergangenheit sie hinabzureißen droht, wenn sie sich ihr nicht endlich stellt.
Der Roman hat mich wirklich im Positiven überrascht. Denn auch wenn der Klappentext im Groben dem Inhalt erfasst, verrät er die eigentliche Geschichte hinter der Geschichte nicht im Ansatz. Erzählt wird das Schicksal von Betty, bzw. der jungen Elisabeth, abwechselnd in zwei Erzählsträngen. Zum einen Anfang der 1940er-Jahre: Elisabeth wird zusammen mit ihrer Mutter nach dem Tod des Vaters und der Zerstörung des Hauses von Düsseldorf in ein kleines Dorf nach Bayern zwangsumgesiedelt. Dort geht sie schnell ihre eigenen Wege, um der depressiven Mutter zu entfliehen, findet in der Pfarrersfamilie eine Art Ersatz-Familie und entwickelt sich zu einem selbstbewussten, unabhängigen Mädchen. Von dieser Stärke und Unabhängigkeit ist im zweiten Erzählstrang, der in den 1960er-Jahren spielt, nicht mehr viel zu erkennen. Von Anfang an fragt man sich, was diese große Veränderung hervorgerufen hat, wie beide Erzählstränge vom derselben Person handeln können. Gefallen hat mir, dass nicht alles schnell vorhersagbar war, sondern sich im Laufe des Buches erklärt hat. Und da gab es eine Menge zu erklären (mehr wird hier aber nicht verraten). Dennoch habe ich mit dem Satz „Sie stellt sich ihrer Vergangenheit“ ein kleines Problem. Denn das tut sie tatsächlich nur auf wenigen Seiten. Im Gegensatz zum Leser. Mir hat das Buch sehr gefallen, vor allem die früheren Zeitabschnitte. Und es hat mir mal wieder vor Augen geführt, wie sehr sich das Leben und der Status von Frauen in den letzten Jahren verbessert hat. Auch wenn es da auch heute noch an der einen oder anderen Stelle immer noch Verbesserungsbedarf gibt.

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