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Veröffentlicht am 15.03.2021

Die Insel der Wünsche - Stürme des Lebens

Die Insel der Wünsche - Stürme des Lebens
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Handlung
Hamburg 1887
Tine Tiedkens lebt mit ihrer Familie im Gängeviertel. Um zum täglichen Einkommen etwas beizutragen, verdient sich Tine als Blumenmädchen etwas hinzu. Dabei begegnet sie Menschen aus ...

Handlung
Hamburg 1887
Tine Tiedkens lebt mit ihrer Familie im Gängeviertel. Um zum täglichen Einkommen etwas beizutragen, verdient sich Tine als Blumenmädchen etwas hinzu. Dabei begegnet sie Menschen aus verschiedenen Ländern, beobachtet feine Herrschaften und träumt selbst von einem anderen Leben. Und als sie einen jungen Hotelier aus Helgoland trifft, der ihr ein Auskommen in seinem Hotel zusichert, steht für Tine fest, dass sie auf der Insel nach ihrem Glück suchen möchte.
Doch schon kurz nach ihrer Ankunft stellt die junge Frau fest, dass nicht alles so rund läuft, wie sie es sich gedacht hat. Scheinbar alles hat sich gegen sie verschworen. Allerdings gibt Tine nicht so leicht auf, sie will mit ihrem freundlichen Wesen, vor allem aber mit ihrem Fleiß und Ehrgeiz überzeugen...

Meinung
Mir gefällt das Cover richtig gut. Es ist farbenfroh und stimmungsvoll, was ich als sehr ansprechend empfinde. Im Hintergrund sieht man einige Einblicke in die Landschaft des Handlungsortes Helgoland, sowohl das Meer, als auch der charakteristische rote Felsen wurden abgebildet und auch die Natur wurde unter anderem mit viel Dünengras und Sand ausgestattet.
Dazu ist noch eine Dame zu sehen, sie ist der Mode der Zeit um 1890 entsprechend gekleidet und gibt in diese Thematik einen Einblick. Im Hintergrund ist noch ein Ausschnitt eines Hauses, wahrscheinlich eines Hotels zu sehen. Auch mit diesem Gebäude wird ein Teil der Handlung aufgegriffen, so ähnlich habe ich mir das Hotel Heesters auf Helgoland vorgestellt.
Außerdem gibt es noch den Himmel, der in verschiedenen Nuancen erstrahlt, dieser ist wunderbar abwechslungsreich und gibt dem Cover noch den letzten Schliff. Ein sehr schönes, stimmiges und ansprechendes Gesamtbild!

Als Zusatzmaterial wurde vor dem Start der Geschichte eine Karte abgedruckt, auf der ein Teil von Helgoland zu sehen ist. Anhand dieser kann man sich einen Eindruck von der Insel verschaffen, kann schauen, wo sich einige Gebäude befinden und teilweise auch Wege nachverfolgen. Zwar wurde nicht jeder Handlungsort eingetragen, trotzdem fand ich es sehr hilfreich, dass die Karten abgedruckt wurden. Ich hatte vorher nicht wirklich ein Bild der Insel vor Augen und musste so nicht erst im Internet schauen, wie der Aufbau von Helgoland ist. Ein sehr passendes und gutes Detail!

Die 544 Seiten des Romans wurden in sechs Teile gegliedert, welche dann jeweils noch in Kapitel eingeteilt wurden. Die neuen Teile haben kleine Überschriften, die stets einen Bezug zur Handlung haben und in wenigen Worten wiedergeben, unter welchem Motto die folgenden Seiten stehen. Zudem wurde hier auch immer der Handlungsort, sowie eine Jahreszahl abgedruckt, weshalb man stets einen guten zeitlichen Überblick hat und genau benennen kann, wie viel Zeit letztendlich verstreicht.
Ich muss ehrlich sagen, dass es mich am Ende etwas überrascht, dass lediglich zwei Jahre innerhalb der Geschichte vergehen. Mir war zwar klar, dass sich die Handlung nicht sehr stark ausstreckt, aber so ein geringer Zeitraum war irgendwie doch überraschend. Es geschieht so viel, zudem werden viele Situationen und Tage ziemlich genau beschrieben, sodass ich einen anderen Eindruck hatte. Allerdings finde ich es am Ende gut, dass nicht zu viele Jahre in dem Roman beschrieben werden, sondern man die Protagonisten über einen nicht zu langen Zeitraum verfolgt und beobachtet, so sind die Entwicklungen deutlich stärker zu sehen. So war es mir auch möglich, eine bessere Bindung zu den Personen aufzubauen und es gab viele Einblicke in die Lebensweisen von ihnen.

Ich mochte es, dass der Roman ziemlich ruhig und beobachtend beginnt. Man hat genügend Zeit, um sich von Tine, ihrer Familie und ihrer Lebenssituation in Hamburg ein Bild zu machen. Man kann genau verfolgen, wie ihre Gedanken und Gefühle sind und welche Wünsche sie für die Zukunft besitzt.
Es dauert überraschend lange, bis Tine endlich ihren Entschluss fasst und wirklich nach Helgoland zieht, um dort einen Job anzunehmen. Und genau das mochte ich. Es gibt ein beobachtendes Erzählen, man kann sich von den einzelnen Szenen ein starkes Bild zusammensetzen und die Entwicklungen genaustens beobachten. Das hat für mich den Charme des Buches ausgemacht, wie genau man manche Tage im Leben der Personen miterlebt und wie genau jede einzelne Szene beschrieben wurde. Deshalb konnte ich mich stark von der Geschichte einlullen lassen und bin auch so begeistert von dem Auftakt der Reihe!
Die Sprache hat natürlich auch dazu beigetragen, dass ich so viel Freude beim Lesen hatte. Sie ist unglaublich detailliert und bildhaft, lässt zu, dass man sich genaue Bilder von den jeweiligen Kapiteln, Personen und Orten machen kann und hat bei mir bewirkt, dass ich mich wie ein heimlicher Beobachter der Szenen gefühlt habe. So, als würde ich in einer Ecke des Raums oder der Landschaft stehen und genau betrachten, wie sich die Figuren bewegen und welche Mimik und Gestik sie nutzen. Das hat auch dazu geführt, dass ich mich so gern mit dem Buch beschäftigt und die Geschichte mit viel Interesse gelesen haben.
Ich finde, dass die Sprache auf einem angenehmen und recht leichten Niveau gehalten wurde. Das ermöglicht nicht nur ein flüssiges und problemloses Lesen, sondern auch ein leichtes Einlassen auf die Ereignisse. Man kann sich genaue Bilder von jeglichen Szenen, Figuren und Orten machen, zudem ist die Erzählung sehr lebendig und realitätsnah. Bei vielen Momenten konnte ich mir gut vorstellen, dass sie genau so hätten passiert sein können.
Anspruch erhält die Schreibweise anhand von historischen Details und Fakten, die wohldosiert und in einem angenehmen Umfang in die Geschichte eingebunden wurden. Diese geben ein solides Bild der Handlungszeit und zeigen auf, mit welchen Problemen und Sorgen, Hoffnungen und Ängsten sich die Bevölkerung herumgeschlagen hat. Zudem lernt man auch einiges über die Geschichte der Insel Helgoland, unter anderem wird behandelt, unter welcher Herrschaft sie über die Jahre war. Anhand von Diskussionen, die die Figuren darüber halten, kann man verfolgen, wie sie über die Politik denken und man erhält allerhand Informationen über Entwicklungen. Das hat letztendlich ein rundes Bild davon ergeben, was die Bewohner, aber auch Besucher der Insel Helgoland denken und wie sie die politischen Entwicklungen betrachten.

Es gibt zwei Handlungsorte, rund die ersten hundert Seiten, sowie wenige Seiten mitten in der Geschichte spielen in Hamburg. Hier lernt man vor allem den Hafen, aber auch das Gängeviertel kennen, an diesen zwei Orten spielt der Hauptteil in der Hansestadt. Am Hafen der Stadt Hamburg lernt man nicht nur einen Teil der Arbeiten kennen, die u.a. für ein reibungsloses Be- und Entladen der Schiffe nötig sind, sondern hier treffen auch ein Stück weit zwei Welten aufeinander. Einmal kann man hier gut die Arbeiter beobachten, die für einen geringen Lohn stark schuften müssen und sich teilweise jeden Tag eine andere Arbeit suchen. Zugleich treffen hier auch Gäste aus verschiedenen Ländern ein, die eindeutig der besseren Gesellschaft angehören und zum Urlaub oder für Geschäfte in der Stadt sind. Daher empfand ich den Hafen als interessanten Ort, hier treffen Menschen aus unterschiedlichen Schichten aufeinander und es ergibt sich ein Abbild der Gesellschaft.
Bei der Darstellung von Helgoland haben mir vor allem die traumhaften Beschreibungen der Insel gefallen. Diese konnte ich mir sehr lebhaft vorstellen und habe es geliebt, mit den Personen durch die Gegend zu streifen. Sowohl von den Gebäuden, Hotels und Privathäusern, als auch von der Natur hatte ich viele Bilder vor Augen und konnte mir auf Anhieb vorstellen, was gerade beschrieben wurde.
Ich empfand den Vergleich zwischen dem lauten, aufregenden und freizügigen Hamburg und dem beschaulichen und eher ruhigen Helgoland sehr interessant. Es treffen zwei komplett unterschiedliche und spannende Welten aufeinander, die beide auf ihre Art überzeugen können und für ein abwechslungsreiches Setting sorgen. Beide Handlungsorte haben viel Charme, wurden stimmungsvoll beschrieben und haben mir gut gefallen!

Für mich war die Handlung nur sehr selten vorhersehbar. Grob hatte ich eine Vorstellung davon, wie die weitere Geschichte aussehen könnte, jedoch wurde ich oft davon überrascht, wie die Entwicklung dessen tatsächlich aussieht. Häufig gibt es Wendungen und Ereignisse, die der Handlung eine vollkommen neue Richtung gegeben haben und die ich nicht so erwartet hatte. Entweder hatten meine Vermutungen eine vollkommen andere Tendenz oder ich war tatsächlich ratlos und konnte nicht genau sagen, wie ich mir die weitere Geschichte vorstellen würde. Daher blieb die Spannung auf einem sehr guten Niveau, ich wurde immer wieder überrascht und bin sehr zufrieden mit der Entwicklung der Handlung.

Ich finde, dass die Stimmung vor allem im Zusammenhang mit dem Setting, selten auch mit den Protagonisten auftaucht. Je nachdem, ob ich einen Handlungsort, aber auch eine Figur sympathisch oder unsympathisch empfand, hatte dies große Auswirkungen auf die Stimmung. Diese erstreckt sich am über verschiedene Emotionen und zeigt nicht nur das Setting in mal mehr, mal weniger strahlenden Farben, sondern ist auch wichtig, dass die Personen so lebendig und realistisch auftreten. Außerdem mag ich es sehr, wie viele Facetten die Figuren von sich selbst zeigen und sich nicht scheuen, ihre Emotionen offen heraus- und den Leser daran teilhaben zu lassen.

Es gibt eine umfassende Auswahl an verschiedenen Personen, die mit besonderen Merkmalen und ihrem eingängigen Charakter sofort im Gedächtnis bleiben. Direkt vom ersten Auftritt an hatte ich keine Probleme, die Figuren im Folgenden wiederzuerkennen und ihnen bestimmte Merkmale zuzuordnen. Sie zeigten verschiedene Facetten ihrer Person, sichtbare Entwicklungen und blieben stets sich und ihren Wünschen treu. Es gibt gute Entwicklungen, die sowohl in eine positive, als auch in eine negative Richtung ausfallen. Dabei ist es oft interessant, die Gedankengänge der Personen, allen voran natürlich von Tine zu verfolgen, dadurch hatte ich das Gefühl, gerade ihrem Charakter näher als den anderen zu sein.
Zudem mochte ich die Vielfalt der Protagonisten. Es treten Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Klassen auf, man kann sich so einen Eindruck der Gesellschaft verschaffen. Man trifft viele Menschen mit verschiedenen Berufen, die mal mehr, mal weniger angesehen in der Bevölkerung sind und kann so schauen, wie auf diese Personen reagiert wird. Dies ergibt am Ende ein großes Gesellschaftsbild, welches abwechslungsreich und realistisch ist und einen Blick auf die Bevölkerung bietet.

Fazit
Normalerweise beginne ich Romane mit einer gewissen Erwartungshaltung, bei diesem Buch hatte ich allerdings keine Erwartungen. Keine Ahnung, wieso das so war, allerdings ist dies vielleicht auch der Grund, weshalb ich am Ende so begeistert von dem Buch bin. Selbst wenn ich ausführlich darüber nachdenke fällt mir kein Aspekt ein, der mir nicht gefallen hat und den ich kritisch betrachte. Es liegt eine durch und durch runde und stimmige, unterhaltsame, mitreißende und spannende Lektüre vor, die mir viele schöne Lesestunden beschert hat und die ich mit gutem Gewissen weiterempfehlen kann. Ich bin sehr positiv überrascht von dem Buch und freue mich arg auf die Fortsetzungen!

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Veröffentlicht am 24.02.2021

Die Wunderfrauen - Von allem nur das Beste

Die Wunderfrauen
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Handlung
Die 1960er Jahre beginnen spannend und mit vielen neuen Möglichkeiten. Dies spüren auch Luisa, Helga, Marie und Annabel, sie freuen sich auf aufregende Jahre und verfolgen voller Interesse die ...

Handlung
Die 1960er Jahre beginnen spannend und mit vielen neuen Möglichkeiten. Dies spüren auch Luisa, Helga, Marie und Annabel, sie freuen sich auf aufregende Jahre und verfolgen voller Interesse die Errungenschaften der Frauenbewegung, als auch medizinische Neuheiten wie die Pulle. Und Luise plant voller Tatendrang die Umgestaltung ihres kleinen Ladens, sie möchte nicht nur erweitern, sondern den Kunden auch die Möglichkeit bieten, sich selbst zu bedienen, was neuerdings in Supermärkten üblich ist. Helga währenddessen versucht, den Job, als auch das Dasein als alleinerziehende Mutter zu stemmen, Marie kämpft um die Familie, aber auch um ihre Kräfte, die tagtäglich stark beansprucht werden und Annabel steht kurz vor der Geburt des zweiten Kindes. Doch nicht alles klappt und läuft so, wie es sich die vier Damen erhofft haben. Und wiederholt merken sie, dass das Schicksal sie nicht nur immer wieder zusammenführt, sondern sie eine engere Bindung zueinander haben als gedacht...
Meinung
Schon als ich das Buch erstmals gesehen habe, mochte ich das Cover richtig gern. Es strahlt den Charakter der Handlungszeit aus, ist stimmungsvoll und durchdacht, auffallend und geschmackvoll gestaltet. Am unteren Bildrand sind vier Damen abgebildet, von denen man lediglich von Zweien das Gesicht sieht, die anderen beiden sind dem Betrachter abgewandt. Sie tragen die Mode der 1960er Jahre, auch ihre Frisuren und die Schminke wurden daran orientiert und somit vermitteln sie ein lebendiges und authentisches Bild der Handlungszeit.
Die Schrift, aber auch die Schriftart sind sehr lebendig gehalten und dienten für mich als Blickfang, als ich das Buch erstmals in der Hand gehalten hatte, ist mir diese sofort ins Auge gesprungen. Ich mag die Tiefe, die sie bietet und finde, dass sie das gesamte Bild perfekt verbindet. Insgesamt ergibt sich ein ansprechendes und gelungenes Cover, welches ich nicht nur gern mag, sondern auch als einzigartig und besonders empfinde.

Im Juli letzten Jahres hatte ich den ersten Band der Reihe gelesen und sehr geliebt. Ich war davon komplett begeistert, habe die Geschichte einfach nur als perfekt empfunden und letztendlich gehört der Roman auch zu meinen Highlight des Jahres 2020. Dementsprechend groß war meine Vorfreude auf den zweiten Teil, als ich ihn in der Verlagsvorschau entdeckt habe, war ich direkt von dem Cover, aber auch der Inhaltsangabe begeistert. Das Buch dann endlich in den Händen zu halten und wieder in die Welt der vier Wunderfrauen eintauchen zu können, war einfach nur grandios, daher möchte ich mich ganz herzlich beim Fischer Verlag für das Rezensionsexemplar bedanken!

Obwohl es für mich schon ein ganzes bisschen her ist, seitdem ich den ersten Band gelesen habe, hatte ich absolut keine Startschwierigkeiten. Innerhalb kurzer Zeit waren mir die Protagonisten, als auch das Setting wieder vertraut und schnell sind mir Details aus dem ersten Band wieder eingefallen und ich konnte der Geschichte ohne Probleme folgen.
Vielleicht lag das auch an dem sehr aufregenden Start, der die Spannung direkt nach oben treibt und anhand dessen bei mir das Bedürfnis sehr hoch war, dass ich unbedingt wissen wollte, was es mit dieser Situation auf sich hat, wie es dazu kam und wie sie sich auflösen wird. Der Prolog setzt wenige Jahre nach dem eigentlichen Start der Handlung ein und gibt ein Ereignis preis, welches im Laufe der Story geschehen wird. Hier kann man bereits erste Vermutungen anstellen und sich überlegen, wie es zu der Ausgangssituation kommen kann. Es gibt also einen vielversprechenden Start, der mir sehr gut gefallen hat und der einen interessanten und reizvollen Beginn bietet.

Von der ersten bis zur letzten Seite war die Schreibweise einfach traumhaft und wunderbar lesbar. Sie trägt den Leser sehr angenehm durch die Geschichte und lässt sich leicht und locker lesen. Ich bin sehr flüssig vorangekommen, wenn ich das Buch einmal zur Hand hatte, wollte ich mit dem Lesen gar nicht mehr aufhören. Stets hatte ich über einen möglichen Fortgang der Handlung nachgedacht und mir überlegt, wie sich manche Ereignisse auflösen und was noch geschehen könnte. Unter anderem deshalb habe ich mich sehr intensiv mit dem Buch befasst und fühlte mich den Personen, allen voran den vier Damen so vertraut und nahe.
Für meinen Geschmack gestaltete sich die Sprache als recht einfach und daher gut lesbar. Anhand der Spannung, aber auch des Bayerischen Dialekts bekommt die Sprache einen besonderen Charme und wird einzigartig. Beides taucht in einem angenehmen Maß auf und trägt viel dazu bei, dass die Personen, aber auch Handlungen sehr realistisch und glaubwürdig erscheinen.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich meist die Zeit nach den 1950er Jahren nicht so spannend finde, obwohl da ja auch allerhand Spannendes und Bedeutendes in der Welt geschehen ist. Und daher meide ich oft Romane, die nach dem Zweiten Weltkrieg spielen meist. Und dann kamen die Wunderfrauen in mein Leben und ich muss meine Meinung ändern. Stephanie Schuster schafft es, mir diese Zeit schmackhaft zu machen und mich dafür zu begeistern, mir den Zeitgeist zu vermitteln und mich auch ein wenig wünschen zu lassen, einige Tage in diesen Jahren, hier speziell in den 1960ern verleben zu lassen.
Insgesamt gelingt es der Autorin richtig gut, die erzählte Zeit für den Leser lebendig werden zu lassen und ihm verschiedene Lebensweisen zu zeigen. Man bekommt ein unglaubliches Gespür, wie die Stimmung in den Handlungsjahren war, wie sich das familiäre Leben gestaltete und welche Mode gerade begehrt war, aber auch, wie die Wohnungen und Gebäude ausgestattet waren. All dies konnte ich mir problemlos und sehr bildreich vorstellen, wodurch die Einblicke in die Handlungszeit sehr spannend und informativ, aber auch lebendig waren!
Sehr wohldosiert werden auch einige, wenige historische Fakten in den Roman eingebunden. Diese beschäftigen sich mit ausgewählten Themen und sind nie zu üppig, sie wurden sehr gut in die Geschichte verarbeitet und geben noch ein paar Einblicke, was die Welt zu der Handlungszeit beschäftigt hat. Das empfand ich als sehr angenehm und es zeigte sich an zahlreichen Stellen, was für eine tiefe und genaue Recherchearbeit hinter dem Buch steckt!

Auch diesmal stehen wieder die vier Damen im Mittelpunkt und aus ihren Sichtweisen werden die Kapitel erzählt. Dabei kommt jede ausreichend Platz, um ihre Pläne und Ziele, aber auch ihre Lebenssituation vorzustellen und man hat ausreichend Raum, um sich mit ihnen vertraut zu machen.
Es entstehen also vier Erzählperspektiven, die sich immer mal wieder Überschneiden und anhand derer man äußerst lebendige Einblicke in die Handlungszeit, aber auch das alltägliche Leben von realistischen Personen bekommt. Man kann genaustens schauen, welche Probleme die Figuren plagen, wie sie sich entfalten und was es für gesellschaftliche Normen gibt, kann verfolgen, wie sich die Gesellschaft entwickelt und wie auch die Damen nach und nach mehr Rechte zugestanden bekommen.
Zudem ist es aufgrund der vielfältigen Erzählweise möglich, die vier Damen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und sich ein umfassendes Bild ihrer Personen zu machen. Sie werden dabei genaustens beschrieben, man kann Entwicklungen sehen und die Situationen besser einschätzen. Auf diese Weise entsteht eine abwechslungsreiche Handlung, Längen können erst gar nicht entstehen und mir war es möglich, eine noch bessere Bindung zu den Protagonisten aufzubauen.

Ich finde, dass zahlreiche Stimmungen im Buch vorzufinden sind, die sich auch teils auf den Leser übertragen. Nicht nur Emotional ist bei den vier Damen allerhand los und an vielen Stellen habe ich gemerkt, wie ich stark mit den Personen mitleide und mitfiebere, weshalb eine besondere und sehr angenehme Bindung zu ihnen entstanden ist.
Aber auch die allgemeine Stimmung der Zeit, mit den positiven, aber auch negativen Ereignissen war authentisch dargestellt und man merkt immer noch eine Aufbruchsstimmung. An vielen Textstellen wird deutlich, dass sich die Welt, allen voran wird im Buch natürlich Deutschland behandelt, in ständiger Bewegung befindet und immer wieder neue Gesetze kommen, die Gesellschaft ändert sich und die Menschen durchleben verschiedene Phasen. All das macht den unverwechselbaren Charakter des Buches aus und trägt dazu bei, dass man sich in der Geschichte einfach wohlfühlen muss. Man hat allerhand davon erfahren, was die Figuren beschäftigt und das trägt viel zum stimmungsvollen Erzählen bei.

Es wurde ein Hauptsetting gewählt, der Starnberger See und sein Umland und dort spielen alle Szenen. Und allein die Beschreibungen der Landschaft sind unglaublich traumhaft und laden zum Träumen ein. Ich konnte mir diese richtig gut vorstellen und hatte unglaublich lebendige Bilder vor Augen, vor allem, wenn sich die Personen im Freien aufhalten. Dann war auch die Stimmung so fein, ich hatte das Gefühl, mit durch die Gegend zu laufen und die Sonne zu spüren. Traumhaft!
Aber auch die einzelnen Gebäude, allen voran Luises Gemischtwarenladen, aber auch die Seeklinik oder der Bauernhof von Marie hatte eine tolle und umfangreiche Zeichnung erhalten, sodass diese Orte ebenfalls sehr einladend und ausgewählt erscheinen.
Lediglich Helgas Wohnung empfand ich etwas kalt und schwach. Hier hatte ich ein paar Probleme, mir diese vorzustellen, allerdings spielen dort nur wenige Szenen, meist von geringerer Bedeutung, weshalb ich mich daran nicht gestört habe.

Man konnte auch diesmal wieder deutlich merken, dass die vier Damen Annabel, Helga, Luise und Marie im Vordergrund stehen. Sie haben die aussagekräftigsten Charakterdarstellungen erhalten und aus ihrer Sicht erleben wir als Leser die Geschichte mit. Ich mochte es sehr, wie stark man von ihren Erlebnissen, Gefühlen und Gedanken erfährt, eine jede hat ihre kleinen Probleme, Ziele, aber auch Wünsche, die im Buch genannt werden und anhand derer ich mich mit den Damen sehr verbunden gefühlt habe. Eine jede hat einen perfekt auf sie zugeschnittenen Charakter erhalten, der individuell und sehr authentisch daherkommt. Ihre Gedanken sind gut nachvollziehbar, sie haben tiefgründige und komplexe Wesen erhalten und waren einfach besonders, in vielen Momenten hatte ich großen Respekt vor ihnen!
Im Vergleich zum ersten Band der Reihe war für mich deutlich eine Entwicklung der Personen zu sehen. Sie sind nicht nur älter geworden, sondern haben eine tolle Wandlung hingelegt und sind nachdenklicher, aber auch stärker und selbstbewusster geworden. Deshalb hatte ich diesmal auch keine Schwierigkeiten mit den Frauen, sie waren mir noch zu vertraut aus dem ersten Band und nach wenigen Seiten zeigte sich bereits wieder, weshalb ich sie so gerne mag!
Die anderen Protagonisten spielen eine etwas untergeordnetere Rolle, sie agieren nicht so stark im Vordergrund und von ihnen erhält man keine Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelten. Trotzdem haben auch sie Eigenheiten und besondere Charakterzüge erhalten, die sie einzigartig machen und auch bei ihnen war eine Entwicklung sichtbar. Sie nehmen den vier Wunderfrauen nicht den Fokus, treten aber auch stark und ansprechend auf, auch wenn ich nicht jede Person sympathisch empfand, waren sie doch angenehm und interessant.

Fazit
Ich habe, auch wenn ich das Buch nicht in der Hand gehalten habe, viel über die Geschichte nachgedacht und mich mehrere Stunden mit den behandelten Themen beschäftigt. Am Ende war ich so in der ganzen Materie drin, dass ich sogar von Luise Dahlmann und ihrem kleinen Laden geträumt habe, was sehr besonders war und mich den Ereignissen, aber auch den Personen noch näher gebracht hat. Das, aber auch die sehr stimmige und mitreißende Handlung, sowie die unglaublich gut Darstellung der vier Damen und die bildhafte und gut umschreibende Sprache hat dazu geführt, dass ich absolut begeistert von dem zweiten Band bin und ich die Reihe wirklich jedem ans Herz legen möchte. Dicke Empfehlung meinerseits!

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Veröffentlicht am 15.02.2021

Elbleuchten

Elbleuchten
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Handlung
Lily Karsten ist behütet und in Reichtum aufgewachsen. Sie entstammt aus einer der erfolgreichsten Reederfamilien Hamburgs, lebt in einer Villa und ist mit Henry verlobt. Sie träumt von einer ...

Handlung
Lily Karsten ist behütet und in Reichtum aufgewachsen. Sie entstammt aus einer der erfolgreichsten Reederfamilien Hamburgs, lebt in einer Villa und ist mit Henry verlobt. Sie träumt von einer glücklichen Ehe und einem Leben als Schriftstellerin.
Zu ihrer Rolle als einzige Tochter der Karstens gehört es auch, dass sie bei Schiffstaufen anwesend ist und Reden hält. So auch an einem heißen Sommertag 1886. Und hier nimmt das Schicksal seinen Lauf. Ein Gewitter zieht auf, ihr Hut fliegt weg und als ein Arbeiter versucht, ihn aus der Elbe zu fischen, gerät er in einen grauenhaften und folgenreichen Unfall.
Jo Bolten ist Zeuge dessen und möchte für seinen verletzten Freund um Hilfe bitten. Schließlich stammt er ebenfalls aus dem Altstädter Gängeviertel und weiß, wie schwierig es für die betroffene Familie sein wird, zu überleben. Und Lily fühlt sich für den Unfall schuldig und möchte helfen. Jo zeigt ihr die Welt, in der er aufgewachsen ist und die für viele Bürger Hamburgs der traurige Alltag ist. Und Lily erkennt, wie privilegiert sie aufgewachsen ist. Und so wächst das ungleiche Paar zusammen, allerdings müssen beide darauf achten, ihre Zuneigung zueinander vor der Welt verborgen zu halten...

Meinung
Mir gefällt das Cover richtig gut. In der oberen Hälfte werden vorwiegend neutrale und zurückhaltende und neutrale Farben genutzt, die fast ein wenig kühl wirken. Dadurch fällt das untere, von der Sonne angestrahlte Gebäude natürlich umso stärker auf und bildet für mich den Blickfang des Covers. Mit der Darstellung des Gebäudes und des Gewässers wird dem Handlungsort Hamburg gehuldigt und es zeigt einen wichtigen Ort der Geschichte, wo für den weiteren Fortgang wichtige Ereignisse geschehen.
Über diesem staatlichen Bau wurden zwei Damen in grau-weißen Nuancen dargestellt, die der Mode der 1880er Jahre entsprechend gekleidet sind. Eine von Beiden wendet dem Betrachter halb ihr Gesicht zu, die andere zeigt sich im Profil. Sie ergänzen das Bild und geben ihm das gewisse Etwas.
Insgesamt mag ich das Cover wirklich gern. Es ist stimmungsvoll und auffallend, gleichzeitig aber auch schlicht und zurückhaltend. Eine sehr gelungene und gute Mischung!

Tatsächlich habe ich den Roman erstmals bei der Buchboutique entdeckt, wo es vorgestellt wurde und die Möglichkeit bestand, sich bei der Buchpremiere dafür zu bewerben. Daraufhin habe ich mal in die Leseprobe reingeschnuppert und war vollends interessiert und mein Bedürfnis und der Wunsch, das Buch zu lesen wurde immer größer. Leider hatte ich bei dieser Aktion kein Glück, schließlich habe ich auf Lovelybooks eine Buchverlosung dazu entdeckt und nochmals einen Eindruck des Buches und der Leseprobe verfasst. Diesmal wurde mein Wunsch erfüllt und ich konnte mich über ein Exemplar freuen, was mich absolut glücklich gemacht hat. Daher ein riesiges Dankeschön an Lovelybooks und den Verlag für das Rezensionsexemplar!

Mit der Gestaltung der Umschlaginnenseiten wurde sich viel Mühe gegeben und sie wurden individuell gestaltet. Einmal findet man eine historische Karte von Hamburg aus dem Jahre 1886, wo wichtige Orte der Geschichte hervorgehoben wurden und man sich somit einen sehr guten Eindruck von Entfernungen machen kann und es leicht war, die Wege der Protagonisten nachzuverfolgen. Ich fand dies sehr hilfreich und war dankbar, dass es eingebunden wurde.
Auf der Innenseite am Ende ist der zweite Band der Saga abgedruckt, der im April 2021 erscheint. Nachdem ich den Roman beendet habe, war meine Freude auf die Fortsetzung sehr groß und ich habe mir den Titel direkt auf meiner Wunschliste notiert, ich möchte ihn unbedingt lesen, zu gern möchte ich erfahren, wie es mit Lily weitergeht und was sie noch erleben wird.

Ein wenig hätte ich mir, gerade anfangs, ein Personenverzeichnis gewünscht. Die Familie Karsten konnte ich ohne Probleme auseinanderhalten, bei manch anderen Personen hatte ich ein wenig Probleme, sie nach dem ersten Zusammentreffen im Gedächtnis zu behalten. Dazu habe ich ein wenig Zeit gebraucht, auch um mir einzuprägen, welche Positionen die Angestellten im Haushalt Karsten übernehmen. Hier hätte mir ein Verzeichnis der handelnden Personen wirklich weitergeholfen und ich hätte es aufgrund der Fülle an Personen für sehr angebracht gehalten.

Ich fand es sehr angenehm, dass es nicht erst ewige Erklärungen zu den Personen, der Situation gibt, sondern die Handlung ziemlich direkt startet und man währenddessen die Figuren kennenlernt und von ihnen einen ersten Eindruck erhält. Anhand von kleinen Aussagen, Handlungen und Gesten sind einige Wesenszüge erkennbar, die sich schnell verstärken und eine gute Charakterzeichnung ergeben.
Zudem finde ich, dass die Geschichte direkt spannend beginnt, indem der besagte Unfall vom Klappentext kurz bevorsteht und man natürlich wissen möchte, wie dieser ausfällt und welche Auswirkungen er auf die folgende Handlung hat. Das regt dazu ein, weiterzulesen, die Personen besser kennenzulernen und mehr über die Ereignisse zu erfahren.

Zu einem flüssigen und anregenden Lesen hat auch die Schreibweise beigetragen. Sie war von der ersten bis zur letzten Seite sehr angenehm und gut lesbar und hat dadurch dazu verführt, immer weiterzulesen zu wollen. Besonders gefallen haben mir die bildhaften Umschreibungen der Handlungsorte, die ich allesamt sehr lebendig vor Augen hatte und einfach nur beeindruckend fand. Und hier hat mich auch die Vielfalt überzeugen können, zahlreiche Szenen spielen in den ärmeren Vierteln der Stadt, dazu gibt es den Gegensatz zu den Villen der Bellevue. Diese Unterschiede werden dem Leser deutlich vor Augen geführt und ergeben eine schonungslose und ehrliche Sicht auf die gesellschaftlichen Kluften in Hamburg.

Ein klein wenig hat es mich gestört, dass es so schwer möglich war, die Handlungszeit genauer zu bestimmen. Diese ist meines Erachtens gar nicht so lang, wie ich anfangs aufgrund der hohen Seitenanzahl gedacht hatte, aber irgendwie ist es mir auch nicht möglich, sie nur ansatzweise zu bestimmen. Vielleicht wären einige kleine Erwähnungen, wenigstens der Monat am Anfang neuer Kapitel ganz angebracht und hilfreich gewesen.

Und obwohl die Geschichte schon spannend angefangen hat, konnte sie mich erst ab ungefähr der Hälfte der Handlung richtig fesseln. Bis dahin wurde ich gut unterhalten, habe die Story mit viel Interesse verfolgt und mir Gedanken über einen möglichen Fortgang gemacht, war aber noch nicht komplett beeindruckt. Das kam erst später und ab da war ich wirklich Feuer und Flamme. Als dieser Punkt erreicht war, wollte ich das Buch absolut nicht mehr aus der Hand legen und habe die zweite Hälfte innerhalb von knapp zwei Tagen verschlungen. Und dann kam ein wenig die Enttäuschung, dass ich nun bis April warten muss, um zu erfahren, wie es mit den Personen weitergehen wird...
Immer wieder sind Ereignisse eingetreten, die mich überrascht haben und mit denen ich absolut nicht gerechnet hätte. Ich wurde oft überrascht und die Karten über einen möglichen Fortgang der Geschichte wurden immer wieder neu gemischt. Daher blieb die Handlung für mich immer undurchschaubar und interessant.
Anhand von kleinen Bemerkungen und Gesten merkt man, dass die Protagonisten kleine Geheimnisse beherbergen und hier ist es natürlich spannend zu erfahren, was es damit auf sich hat und wie sich manche Zusammenhänge auflösen werden. Wobei hier auch manche Punkte geschickt etwas offen bleiben, um die Vorfreude, aber auch das Verlangen, den zweiten Teil ebenfalls zu lesen, zu erhöhen. Ich wurde damit geködert und möchte unbedingt die Fortsetzung lesen und hoffe, mit dieser ebenfalls so gut unterhalten zu werden wie diesmal!

Ich war ganz überrascht davon, wie viele Erzählperspektiven eingesetzt und genutzt wurden. Ursprünglich hatte ich die Erwartungshaltung, dass ganz viele Kapitel aus Lilys Sicht, sowie der ihrer Familie und vielleicht von ein-zwei außenstehenden Personen beschrieben werden. Doch hier erweist sich die Vielfalt viel größer als ursprünglich angenommen und sowohl die Familie Karsten, als auch unter anderem Jo Bolten, sein Chef oder sein bester Freund kommen zu Wort. Auf diese Weise kann man die Figuren nicht nur auf unterschiedliche Weisen sehen, sondern auch die Ereignisse besser einschätzen und mehr Zusammenhänge finden. Außerdem erweist sich die Geschichte als vielfältiger und abwechslungsreich, zudem lernt man verschiedene Lebensweisen kennen und kann sich von den unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten ein Bild machen.

Anhand vieler kleiner oder großer Details gibt es Informationen über die Handlungszeit. Diese äußern sich in verschiedenen Themen, sowohl in der Politik und dem Handel, als auch im persönlichen Leben, in Krankheiten, der Mode oder den gesellschaftlichen Konventionen. Wegen dieser Details ist es möglich, einen Überblick über die Handlungszeit zu erhalten und die Geschichte bekommt einen hohen Realitätsbezug, was von der gründlichen und tiefen Recherche der Autorin zeugt.

Als Setting dient durchweg Hamburg und wie ich schon erwähnt hatte, lernt man die verschiedensten Ecken kennen, die ich mir meistens sehr gut vorstellen konnte. Ich finde es besonders, welche Stimmungen mit den jeweiligen Handlungsorten daherkommen. Diese sind abwechslungsreich und geben daher noch tiefere Einblicke in bestimmte Orte und Lebensweisen, sind schonungslos ehrlich und lassen sich gut nachvollziehen. Mir war es daher auch möglich zu den Figuren eine bessere Bindung aufzubauen.

Den Großteil der Charaktere fand ich sehr angenehm und abwechslungsreich. Sie haben starke Zeichnungen erhalten und gestalteten sich als vielfältig und Personen mit mehreren Seiten. Es wurde mit ihnen nie langweilig und immer wieder haben sie mit ihren Aussagen und Handlungen überrascht. Zudem war es interessant, von vielen so genau die Emotionen und Gedanken mitzuerleben. Viele haben Gewissenskonflikte gegenüber der Familie oder Freunden und diese waren hautnah mitzuerleben, was die Personen sehr lebendig und realistisch gemacht hat!
Einzig mit Lily hatte ich ab und an ein paar kleine Probleme. Sie war mir zwar sympathisch, manche Handlungen wirkten allerdings etwas überstürzt und zu impulsiv. Manchmal wirkte sie noch etwas kindlich und ihre Aussagen erschienen nicht immer durchdacht. Man merkte aber deutlich, wie sie mit der Zeit reifer wurde und da hat mir Lily deutlich besser gefallen als noch am Anfang.

Fazit
Nach der glänzenden Leseprobe und einem sehr guten ersten Eindruck von der Handlung bin ich mit vollem Enthusiasmus in die Geschichte gestartet und hatte einige Erwartungen an sie. Während des Lesens habe ich dann bereits ein paar kurze Urteile dazu gelesen und diese sind fast durchweg positiv ausgefallen, was meine Erwartungen nochmals etwas erhöht hat. Und lange Zeit konnte ich mich den guten Meinungen anschließen, war aber noch nicht vollends überzeugt. Mir hat noch ein bisschen mehr Spannung gefehlt, die glücklicherweise später dazukam und irgendwann hat mich die Geschichte komplett gefesselt. Gerade das letzte Drittel habe ich verschlungen und war sehr enttäuscht, als das Lesevergnügen dann vorbei war und ich nun ein bisschen warten muss, bis die Fortsetzung erscheint. Ein absolut tolles und mitreißendes Buch, welches mir viele schöne Stunden bereitet hat!

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Veröffentlicht am 12.01.2021

Gut Greifenau - Silberstreif

Gut Greifenau - Silberstreif
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Handlung
1923
Die Weltwirtschaftskrise hält Deutschland in ihren Klauen. Die Bevölkerung ist verzweifelt, viele wissen nicht, wie sie Nahrung kaufen können, weil das Geld stündlich seinen Wert verliert. ...

Handlung
1923
Die Weltwirtschaftskrise hält Deutschland in ihren Klauen. Die Bevölkerung ist verzweifelt, viele wissen nicht, wie sie Nahrung kaufen können, weil das Geld stündlich seinen Wert verliert. Teilweise werden Existenzen vernichtet, andere jedoch können mit der Hyperinflation Gewinn machen und sich bereichern.
Auch die Bewohner des Gut Greifenau sind von der Inflation betroffen, gleichzeitig kommt diese für Konstantin genau recht: er kann das Familiengut retten und es bleibt im Beisitz derer von Auwitz-Aarhayn. Und die Geburt seiner kleinen Tochter scheint dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen. Doch so ganz traut Rebecca, Konstantins Gemahlin, noch immer nicht Nikolaus, einem Bruder Konstantins. Und auch die Bediensteten des Guts haben mit allerlei Problemen und Sorgen zu kämpfen...

Meinung
Beim Cover sind wieder einige Ähnlichkeiten zu den anderen Bänden der Reihe erkennbar. Im Hintergrund befindet sich wieder ein Haus, welches edel und einladend wirkt. Es strahlt eindeutig etwas würdevolles aus und lässt sich in einigen Punkten mit dem titelgebenden Gut Greifenau vergleichen. Der Himmel ist auch diesmal in einem dunklen Grau-Ton gestaltet, was der gesamten Szenerie einen leicht düsteren Hauch gibt und ein wenig auf die kommenden Zeiten mit den politischen Entwicklungen hindeuten könnte.
Die Dame am rechten Rand ist der Mode entsprechend geschminkt, frisiert und gekleidet, zudem findet sich in ihrem silbernen Kleid die passende Farbe des Untertitels – Silber – wieder. Und in genau diesem Farbton wurde auch der Titel abgedruckt, je nachdem, in welches Licht man das Buch hält, zeigen sich verschiedene silberne Nuancen.
Insgesamt gehört das Cover nicht zu meinen Favoriten der Reihe, irgendwie mag ich es aber dennoch und finde es ansprechend.

Nachdem ich den vierten Band gelesen habe, war ich sehr gespannt auf die Fortsetzung und hatte auf den Erscheinungstermin hin gefiebert. Es waren noch einige ungeklärte Fragen und mich haben die Schicksale der Protagonisten einfach nicht losgelassen. Daher habe ich mich nicht nur auf den Moment gefreut, an dem ich das Buch endlich in den Händen halten kann, sondern auch darauf, es endlich zu lesen und wieder in die spannende Welt Greifenaus einzutauchen. An dieser Stelle noch ein Wort des Dankes an den Droemer Knaur Verlag, der mir den Roman freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat!

Auch dieses Mal gibt es vor dem Start in die Geschichte umfangreiches Zusatzmaterial, welches ich immer sehr begrüße. Es wurden Karten von Westpreußen und Pommern abgedruckt, anhand derer man verorten kann, wo sich das fiktive Gut, aber auch der Ort Greifenau befindet. Auf einer weiteren Abbildung gibt es einen Eindruck dessen, wie der Aufbau des Gutes mit den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden ist. Außerdem gibt es noch eine Darstellung des Dorfes Greifenau, wo die wichtigsten Gebäude benannt wurden. Anhand dieser Abbildungen erhält man nicht nur konkrete Angaben, wo sich Gebäude befinden und welche Wege die Protagonisten zurücklegen, sondern man kann die Orte auch lokalisieren und irgendwie erhalten die fiktiven Handlungsorte dadurch mehr Lebendigkeit.
Darauf folgt noch eine umfangreiche und genaue Personenübersicht all der häufiger auftretenden Figuren, die ich mir vor dem Beginn der Geschichte sehr genau angeschaut habe. Allein dadurch kamen direkt wieder Erinnerungen hervor und ich glaube, auch deswegen hatte ich einen guten Start in die Geschichte.

Von der ersten Seite an hat mich die Handlung direkt wieder in ihren Bann gezogen und ich hatte absolut keine Startschwierigkeiten. Klar kamen mir nicht sofort wieder alle Geschehnisse aus den anderen Bänden in den Sinn, aber für mich war der Beginn recht ruhig und langsam, man bekommt als Leser die Möglichkeit, Erinnerungen wieder hervorzukramen und anhand kleiner Bemerkungen über die Geschehnisse aus bisherigen Teilen gestaltete sich dies bei mir problemlos. Es fiel mir sehr leicht, mich auf die Handlung einzulassen und irgendwann bin ich an dem Punkt angekommen gewesen, an dem ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen wollte und letztendlich habe ich für die knapp 550 Seiten ungefähr dreieinhalb Tage gebraucht.

Nicht nur die sehr spannende und mitreißende Handlung, sondern auch die wunderbare Schreibweise hat viel dazu beigetragen, dass ich so stark in die Geschichte eintauchen konnte. Sie nimmt den Leser von der ersten Seite an an die Hand und geleitet ihn angenehm und bildreich durch das Buch. An keiner Stelle hatte ich Verständnisprobleme, sowohl die Personen, als auch die Handlungsorte und allgemein die ganzen Situationen konnte ich mir sehr fein und detailreich vorstellen. Das alles hat dazu geführt, dass ich meine Umgebung beim Lesen vollkommen ausblenden und ich mich sehr gut in die Handlung einfühlen konnte.
Ich finde, dass die Sprache eigentlich einfach ist, wobei ab und an ein paar Fachbegriffe auftauchen. Ganz besonderen Anspruch erhält sie anhand der zahlreichen historischen Informationen und Details, die immer wieder auftauchen und teilweise Angelegenheiten ansprechen, von denen ich zuvor entweder noch nie gehört hatte oder die ich mir nicht so recht vorstellen konnte. Im Roman werden sie lebhaft und anschaulich dargestellt und sind dadurch eingängig, ich hatte das Gefühl, die Informationen besser aufnehmen und verarbeiten zu können als sonst.
Und auch anhand der Lebensweise der Figuren gibt es starke Einblicke in die Handlungszeit. Verschiedene Ziele und Wünsche werden verkörpert und man beobachtet und verfolgt die Protagonisten mit jeweils eigenen Lebensarten. Dabei bekommt man sowohl Details über die gehobenere Gesellschaft, als auch über die Bediensteten und auf diese Weise entsteht ein großes und rundes Abbild der Gesellschaft.

Auch diesmal gibt es wieder am Start neuer Kapitel die Information, an welchem Tag die folgende Handlung stattfindet. Und wie auch bei den anderen vier Bänden bin ich auch diesmal wieder froh, dass diese Information genannt wurde. So kann man nicht nur schauen, wie sich die Politik verändert und man weiß ungefähr, was im Folgenden in diesem Zusammenhang geschehen könnte, sondern auch eine Entwicklung der Protagonisten ist einfacherer zu verfolgen.
Außerdem gibt es auch diesmal wieder einige Zeitsprünge, sodass am Ende fünf Jahre im Buch behandelt werden und ohne diese zeitliche Angabe wäre ich doch ziemlich verloren gewesen. Ich fand es gut, dass gezielt einige Zeit übersprungen wird und nicht jedes Ereignis und jeder Tag genaustens beschrieben werden. So entstehen keine Längen und teilweise bekommen die Kapitel einen kurzweiligen Charakter, für mich wurde es an keiner Stelle langweilig.

Wie auch in den vorherigen Bänden gibt es auch diesmal wieder einen allwissenden Erzähler, der verschiedene Perspektiven einnimmt und daher mehrere Figuren zu Wort kommen lässt. Dadurch gibt es immer ein angenehmes Maß an Abwechslung und es entsteht meinerseits nie Langeweile. Zudem enden viele der Kapitel mit kleinen Fragen meinerseits, was natürlich auch der Spannung zugute kommt.
Ich empfand es als besonders interessant, dass Menschen mit unterschiedlichen sozialen Schichten Platz bekommen und ein wenig über ihr Leben, ihren Alltag und ihre Ambitionen berichten können. So zeigt sich ein breites Bild der Gesellschaft und anhand der anderen Bücher der Reihe kann man gut verfolgen, wie sich die früher starren Regeln ändern und teilweise die Grenzen verschwimmen, die Angestellten mehr Rechte bekommen und nicht mehr so unter dem Knüppel ihrer Herrschaft stehen.

Sehr faszinierend empfand ich die Spannung. Sie war wirklich durchweg auf einem starken Niveau und oft gibt es schon nach einem Kapitel einen kleinen Cliffhanger, der stark dazu verführt immer weiterlesen zu wollen. Immer wieder gibt es Hinweise, wie es weitergehen könnte, die den Leser allerdings teils auf falsche Fährten führen. So habe ich mir oft Gedanken darüber gemacht, wie die Geschichte weitergehen könnte und was im Folgenden vielleicht geschehen wird. Oft wurde ich überrascht und meine Vermutungen gingen ins Leere, selten hatte ich Recht damit. So wird gewährleistet, dass die Handlung immer wieder mit Neuem und unvorhersehbaren Wandlungen aufwarten kann, was der Spannung nur zugute kommen kann. Und trotzdem gab es zur Abwechslung immer wieder Kapitel, die einen ruhigeren Unterton hatten und die eine entspannende Wirkung hatten. So wurde stets ein gutes Maß gehalten und die Geschichte gestaltet sich als abwechslungsreich.
Ein wenig fies finde ich den Cliffhanger am Ende. Dieser lässt so viel Platz für Spekulationen und die Zeit bis Anfang August, wenn die Fortsetzung und der finale Band erscheint, wirkt gerade unendlich lang. Ich habe so viele Fragen und fiebere dem Erscheinungstermin sehr entgegen!

Die Hauptanzahl der Handlungsorte sind bereits bekannt, wenn ich mich nicht täusche, kommen vielleicht ein-zwei neue Häuser hinzu, die eine größere Bedeutung haben. Meinem Gefühl nach finden die meisten Szenen in dem altbekannten und idyllischen Greifenau statt, wobei das Gut den Haupthandlungsort darstellt. Dazu gibt es noch einige Kapitel, die in Berlin und Potsdam spielen, im Grunde war es das auch schon.
Am besten gefallen hat mir eindeutig das Gut Greifenau. Dieses Gebäude ist am vertrautesten, es taucht seit dem ersten Band am häufigsten auf und anhand der Karten am Anfang kann ich mir die Lage des Gutes, aber auch der einzelnen Gebäude am besten vorstellen. Hier wirkt die Handlung für mich meist am Lebendigsten und ich mag es sehr, wie das Zusammenspiel der Herrschaft und der Bediensteten beschrieben wird.

Die meisten der Protagonisten sind alte Bekannte, die bereits in den vorherigen vier Bänden aufgetaucht sind und auch diesmal wieder eine Rolle spielen. Nur wenige neue Figuren tauchen auf und diese sind meist für die weitere Handlung nicht von größter Bedeutung, sie spielen eher eine untergeordnetere Rolle und treten deutlich seltener auf.
Alle haben jedoch eines gemeinsam: Ihnen wurden lebhafte und einzigartige Wesen verliehen, die sie besonders machen und keine Figur gleicht der anderen. Es sind Entwicklungen und Veränderungen zu sehen, die Charaktere stärken sich immer mehr sie verfolgen ihre Ziele. Dabei werden auch sie von Schicksalsschlägen getroffen und haben mit Hürden zu kämpfen, was sie authentisch und glaubhaft macht.

Fazit
Nach diesem unglaublichen Cliffhanger kann ich den Erscheinungstermin des sechsten Bandes kaum erwarten. Und bis dahin ist noch leidlich viel Zeit, um mir Gedanken über einen möglichen Fortgang der Geschichte zu machen, ich hoffe auf ein grandioses Ende!
Alle kleinen Kritikpunkte, die ich in meiner Rezension zu Band vier noch genannt hatte, fallen diesmal komplett weg, ich habe absolut nichts zu meckern. Für meinen Geschmack hat alles gepasst , angefangen von der Schreibweise, über die Protagonisten, die Handlungsorte oder die historischen Fakten. Ein durch und durch rundes und stimmiges Buch, bei dem der Lesespaß leider viel zu schnell vorbei war.

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Veröffentlicht am 07.01.2021

Die Schwestern aus der Steeple Street - Rivalinnen wider Willen

Die Schwestern aus der Steeple Street
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Handlung
Yorkshire 1926
Nachdem Agnes Sheridan ihre Ausbildung als Gemeindeschwester in der Steeple Street erfolgreich abgeschlossen hat, tritt sie nun ihre neue Aufgabe in der Gemeinde Bowden an. Doch ...

Handlung
Yorkshire 1926
Nachdem Agnes Sheridan ihre Ausbildung als Gemeindeschwester in der Steeple Street erfolgreich abgeschlossen hat, tritt sie nun ihre neue Aufgabe in der Gemeinde Bowden an. Doch schnell verfliegt ihr Enthusiasmus, die Dorbewohner vertrauen der alteingesessenen Heilerin und sind der jungen Frau und ihren Methoden abgeneigt. Agnes gibt nicht so schnell auf und hofft, sich nach und nach einen Stand in der Gemeinde zu erarbeiten. Kann sie das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen?

Meinung
Beim Cover herrschen leichte und strahlende Farben vor, die ich irgendwie allesamt mit dem Frühling in Verbindung bringe. Sei es das auffallende Blau im oberen Teil oder das satte Grün in der unteren Hälfte, allein dadurch wird der Blick auf das Buch gelenkt. Im oberen Teil sind drei Damen, sowie ein Baby zu sehen, wobei ich nicht weiß, ob ich das so mag. Allgemein gefällt es mir nie, wenn die Personen auf einem Cover den Betrachter so offen anschauen. Und auch hier stört es mich ein klein wenig, obwohl ich auch sagen muss, dass ich es mag, dass man einen Blick auf die Uniformen der Krankenschwestern / Gemeindeschwestern erhascht. So weiß man, was ungefähr gemeint ist, wenn die Uniform beschrieben wird.
In der unteren Hälfte sieht man eine weite und traumhafte Landschaft, sowie die Dächer von Häusern. Dadurch entsteht ein idyllisches und dörfliches Bild, was einladend wirkt und sehr angenehm zu betrachten ist. Insgesamt gibt es auf jeden Fall ein auffallendes und stimmiges Cover, welches ich nicht als perfekt, aber durchaus ansprechend emfinde.

Mit ihrer Reihe rund um das Nightingale-Krankenhaus steht die Autorin schon lange Zeit auf meiner Wunschliste. Ich habe von ihren Büchern bisher nur positives gehört und auch die Inhaltsangabe ihrer neuen Reihe klang sehr vielversprechend. Und 2019 hatte ich den ersten Band davon gelesen und war davon sehr begeistert. Ich fand die Geschichte rund um die Steeple Street unterhaltsam und spannend, die Charaktere, aber auch die Schreibweise haben mir richtig gut gefallen. Und aus diesem Grund hatte ich mich damals schon sehr auf Fortsetzungen gefreut.
Daher musste ich nicht lange überlegen, als mir gesagt wurde, dass ich Bücher aussuchen soll die ich mir zum Geburtstag wünsche. Dieser zweite Band stand ganz weit oben auf meiner Wunschliste und dementsprechend habe ich mich sehr gefreut, als ich ihn dann tatsächlich geschenkt bekommen habe. Eigentlich wollte ich das Buch noch im Jahr 2020 lesen, hat leider nicht so gepasst, daher bildet es nun meinen buchigen Start in das Jahr 2021 und ich finde, dass ich damit eine sehr gute Wahl getroffen habe!

Ich habe ein paar Seiten benötigt, um mich in der Geschichte zurechtzufinden und mir sind nur schwer Details über den ersten Band eingefallen. Dies kam erst im Lauf der Handlung, teilweise fast am Ende des Buches. Aber im Grunde hat mich dies nicht gestört. Klar ist es besser, wenn man das Vorwissen aus dem ersten Band hat, jedoch ist es nicht entscheidend und wenn man mag, kann man sich auch ohne diese Informationen in der Handlung zurechtfinden. Je mehr ich also gelesen habe, desto mehr Details sind mir wieder eingefallen und schnell habe ich mich wieder ohne Probleme in der Geschichte zurechtgefunden.
Was mir von der ersten Seite an wirklich richtig gut gefallen hat war die Schreibweise. Sie gibt auf die Protagonisten, das Setting und die allgemeine Situation ein lebendiges Bild, lässt sich gut und flüssig lesen und befindet sich auf einem sehr angenehmen Niveau. Für meinen Geschmack wurde die Sprache weder zu einfach, noch zu anspruchsvoll gehalten und dies lädt dazu ein, dass ich so leicht und ohne Probleme mit dem Lesen vorangekommen bin.

Der Erzähler nimmt verschiedene Positionen ein, hauptsächlich folgt man Agnes auf ihren Wegen und ich finde, zu ihrem Charakter konnte ich die beste Bindung aufbauen. Man lernt nicht nur, was sie tagtäglich für Aufgaben übernimmt und mit was für Sorgen sie sich herumplagt, sondern auch über ihre Beziehungen zu den anderen Bewohnern und ihre Gedanken. Agnes ist eindeutig die Hauptfigur und steht im Mittelpunkt, die anderen Figuren nehmen untergeordnetere Rollen ein.
Ich hoffe, dass ich mich nicht täusche, aber ich glaube, dass es noch drei weitere Perspektiven gibt, anhand derer man einen Einblick in das Leben verschiedener Bewohner erhält. Diese haben unterschiedliche Rollen inne, haben eigene Ziele und Vorhaben und geben einen anderen Blick auf Agnes frei. Man lernt sie, aber auch die Gemeinde Bowden auf verschiedene Weisen kennen und kann sich so einen umfassenden Eindruck verschaffen. Zudem gestaltet sich die Geschichte dadurch immer als abwechslungsreich, an keiner einzigen Stelle tauchten Längen auf und es wurden auch nie langweilig. Immer wieder gab es Aspekte, die eine interessante und spannende Handlung versprochen haben, was mir sehr gut gefallen hat.

Ein wenig schade finde ich, dass die Krankenpflege und die medizinische Situation diesmal mehr hinten angestellt wurde. Ich habe das Gefühl, dass dies im ersten Band mehr Platz eingenommen hat und man in dieser Hinsicht ausreichend informiert wurde. Diesmal gibt es auch noch ein paar Momente, bei denen man Agnes auf ihren Wegen begleitet, aber sie tauchen deutlich seltener auf und werden teils nur oberflächlich angekratzt. Im Grunde hat mich das nicht so arg gestört, trotzdem gestaltete sich die Geschichte für meinen Geschmack sehr ansprechend, vielleicht würde ich mir aber für den nächsten Band wünschen, dass das Privatleben und die medizinische Versorgung wieder eine ähnlich große Rolle einnehmen.

Nicht nur anhand einiger Aspekte der Krankenpflege, sondern auch durch die Lebensweisen und Häuser der Bewohner und ihrer Arbeit unter Tage werden allerhand historische Informationen und Fakten erwähnt. Auf diese Weise kann man sich ein gutes Bild der Zeit machen und ein wenig nachvollziehen, mit was für Problemen und Sorgen die Bevölkerung zur Handlungszeit 1926 zu kämpfen hatte. In diesem Punkt wurde ich überrascht, wie viele Details Erwähnung finden, mit einer solchen Fülle an Informationen hatte ich tatsächlich nicht gerechnet, was die Wirkung dessen natürlich noch stärker hat wirken lassen.

Als Setting dient fast ausschließlich die Gemeinde Bowden, nur kurz werden Ausflüge in andere Gegenden gemacht. Auch die titelgebende Steeple Street wird kurz besucht, hier haben mich viele kleine Details direkt wieder an den ersten Band der Reihe erinnert und die Stimmung dessen war direkt wieder vorhanden. Mir hat es gut gefallen, dass wenige Seiten dort stattfinden und man auf diese Weise auch einige bekannte Figuren wiedersieht.
Ich bin auch mit der Darstellung des restlichen Settings sehr zufrieden. Die Beschreibungen geben ein solides Bild von den Häusern, der ganzen Gegend, lassen gleichzeitig Raum, um die eigene Fantasie einzusetzen. Viele Örtlichkeiten konnte ich mir gut vorstellen und einige Orte hatten wunderbar bildhafte Beschreibungen erhalten, die dann auch jeweils eigene Stimmungen ausgestrahlt haben. Dadurch wirkten sie besonders eindrucksvoll und das Zusammenspiel von den Handlungsorten und den Personen wirkte hier besonders stark.

Nur wenige bekannte Gesichter aus dem ersten Band treten diesmal auf. Fast alle Figuren kommen neu hinzu und man lernt sie zeitgleich mit Agnes kennen. Dabei haben die Personen vollkommen unterschiedliche Ambitionen und gehören teilweise verschiedenen gesellschaftlichen Schichten an. Hier treffen eindeutig Welten zusammen, die oft nicht einer Meinung sind und da ist es natürlich klar, dass Konfliktpotenzial vorhanden ist.
Ich mochte viele der Protagonisten recht gern, sie hatten einzigartige Wesen und ein so besonderes Auftreten, dass sie richtige Typen sind, die unvergleichbar auftreten. Man merkt bei vielen, dass sie im ersten Moment wie ein komisches Völkchen wirken, je besser man die Personen allerdings kennenlernt, desto mehr öffnen sie sich nicht nur Agnes, sondern auch dem Leser. Dadurch werden die Figuren mit der Zeit immer sympathischer und es hat Spaß gemacht, sie kennenzulernen und zu begleiten.
Vielleicht wäre ein Personenverzeichnis noch ganz nett gewesen, einige Figuren haben doch recht ähnliche Nachnamen oder anfangs habe ich öfter mal überlegen müssen, welche Person welche Rolle unter Tage einnimmt. Dafür hätte mir ein Verzeichnis der handelnden Protagonisten gefallen, allerdings habe ich mich auch so mit der Zeit gut zurechtfinden können und werde es nicht negativ in die Bewertung einfließen lassen.

Fazit
Als ich das Buch beendet hatte, stand für mich direkt fest, dass ich dem Buch gern eine volle Fünf-Sterne Bewertung geben möchte. Es hat für meinen Geschmack alles gepasst und ich war sehr zufrieden damit, wie sich die Dinge entwickelt haben. Danach erst hatte ich nachgeschaut, was ich dem ersten Band für eine Bewertung gegeben hatte und gesehen, dass ich hier „nur“ 4,5 Sterne vergeben habe. Und irgendwie hat es mich gefreut zu sehen, dass eine Entwicklung sichtbar ist und die Kriterien meinerseits nicht mehr vorhanden sind.
Ich hatte wirklich viel Freude beim Lesen des Romans, wurde gut unterhalten und werde jetzt sehr aufmerksam schauen, wann den die Fortsetzung erscheinen wird. Schließlich endet die Geschichte mit einem kleinen Cliffhanger und ich habe noch allerhand Fragen zum Fortgang dieser!

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