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Veröffentlicht am 19.09.2021

Erfordert Durchhaltevermögen

Ein frommer Mörder
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Liam McIlvanney stammt aus der Region Ayreshire, Schottland. Für seine Thriller wurde er mit zahlreichen Preisen geehrt. Er arbeitet als Professor für Schottland-Studien an der Universität von Otago, Neuseeland. ...

Liam McIlvanney stammt aus der Region Ayreshire, Schottland. Für seine Thriller wurde er mit zahlreichen Preisen geehrt. Er arbeitet als Professor für Schottland-Studien an der Universität von Otago, Neuseeland. Ein frommer Mörder ist das erste Buch mit dem Ermittler Duncan McCormack.

Es ist bei Heyne als Klappenbroschur am 12.Juli 2021 erschienen und umfasst 448 Seiten.

Inhalt:

„Glasgow, 1969. Ein brutaler Serienkiller versetzt die Stadt in Angst. Als die Behörden beschließen, die Öffentlichkeit in die Suche einzubeziehen, gerät die Lage vollends außer Kontrolle. Während die Bürger in Panik geraten, versinkt die Polizei in nutzlosen Hinweisen. Ein Hilferuf erreicht den talentierten Ermittler DI McCormack. Er soll die Ermittlungen wieder in geordnete Bahnen lenken. Doch die Beamten aus der Stadt stehen dem Neuankömmling aus den Highlands ablehnend gegenüber. Gegen alle Widerstände kämpft McCormack für die Wahrheit.“ (Quelle: Verlagsseite Random House)

Meine Meinung:

Ein frommer Mörder von Liam McIlvanney ist zunächst einmal schwierig zu lesen, weil die Namen der Protagonisten einander häufig sehr ähneln und man dadurch schnell verwirrt ist. Man merkt allerdings ebenso schnell, dass dieses Buch wirklich gut gemacht ist. Der Autor versteht es, die Spannung sehr langsam aufzubauen, was für einen guten Krimi unabdingbar ist. Ein frommer Mörder ist neben dem Genre des Krimis auch ein Buch, das einen Einblick in die Polizeiarbeit und in die Gesellschaft der 1950er und 60er Jahre in Schottland gibt. Im Fokus der Handlung steht der Ermittler Duncan McCormack. Man erfährt über ihn nach und nach Einzelheiten über sein Leben, und zwar nicht nur über sein Leben als Polizist, sondern auch über seinen familiären Hintergrund. Dadurch erfährt man wiederum auch eine Menge über das Leben in Schottland der 1950er Jahre, über das wirklich harte Leben der Arbeiterschicht und die damit verbundenen gesundheitlichen Einschränkungen. McCormack selber hätte auch so ein Leben bevor gestanden wenn er in seiner Heimatstadt geblieben wäre. Er ist aber nach Glasgow, in die Geburtsstadt seiner Mutter, gezogen und dort Polizist geworden.

McCormack ist im Polizeirevier in Glasgow als Sonderermittler eingesetzt, weil die Ermittlungen in einer Mordserie nicht vorangehen. Wie in vielen Kriminalfällen gibt es immer Probleme, wenn Ermittler aus verschiedenen der Dienststellen von oben verordnet zusammenarbeiten müssen. Genauso ist es in diesem Buch. McCormack wird von allen kritisch beäugt und angefeindet und

fühlt sich alles andere als wohl in seiner neuen Rolle. Andererseits weiß er, dass die Ermittlungen sich festgefahren haben und ein neuer Ansatz her muss. Die bisher ermittelnden Polizisten davon zu überzeugen, ist eine schwierige Aufgabe.

Ich kann verstehen, dass dieses Buch den schottischen Krimipreis bekommen hat. In Schottland wird es sicherlich noch lieber gelesen werden als in der deutschen Übersetzung. Hier in Deutschland aber ist es wirklich anstrengend dieses Buch zu lesen, weil man eigentlich sehr ortskundig sein müsste. Mir sagen viele der schottischen Städte, Orte und Plätze nichts und ich müsste per Atlas oder Google erkunden, wo alle Schauplätze zu finden sind. Das macht das Lesen manchmal anstrengend. Nach ungefähr 100 Seiten, durch die muss man durch, nimmt die Handlung an Fahrt auf und wird zunächst spannend. Man erfährt etwas völlig Neues über die private Seite von McCormack und ist erstaunt.

Der Autor wendet einen weiteren spannenden Kniff an, er lässt die getöteten Opfer aus dem Off sprechen. Dadurch weiß der Leser manchmal mehr als die Ermittler, aber nie so viel, dass er auf die korrekte Lösung kommt. Schwierig bleibt das Buch trotzdem, denn es gibt immer wieder diverse Nebenschauplätze, die wiederum Ortskenntnis benötigen um wirklich zu verstehen, worum es hier geht. Mein Eindruck, den ich am Anfang hatte, bestätigt sich beim weiteren Lesen.

Im weiteren Verlauf werden zwei Erzählstränge, die zunächst überhaupt nichts miteinander zu tun haben, sehr gekonnt miteinander verknüpft. So richtig, richtig spannend fand ich das Buch tatsächlich erst ab etwa Seite 300 und das ist natürlich eigentlich nicht gut.

Dieses Buch ist wirklich nur sehr aufmerksam zu lesen, wenn man sich in Schottland überhaupt nicht auskennt. Ich mag Krimis wirklich sehr gerne, dieser gehört allerdings zu denen, die mir zwar gefallen, aber nicht so nebenbei zu lesen sind.

Der Titel steht übrigens in einem anderen Kontext als man zunächst vermuten könnte.

Fazit:

Nur zu empfehlen, wenn man ein gutes Durchhaltevermögen hat und auch bei schwierigen Namen nicht aufgibt.

Veröffentlicht am 19.09.2021

Keine Tat ist je vergessen

Wer das Feuer entfacht - Keine Tat ist je vergessen
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Allgemeines:

Wer das Feuer entfacht ist der dritte Thriller von Paula Hawkins. Mit ihrem ersten Buch Girl on the train landete sie einen weltweiten Bestseller, der verfilmt und ein großer Kinoerfolg wurde. ...

Allgemeines:

Wer das Feuer entfacht ist der dritte Thriller von Paula Hawkins. Mit ihrem ersten Buch Girl on the train landete sie einen weltweiten Bestseller, der verfilmt und ein großer Kinoerfolg wurde. Hawkins arbeitete als Journalistin, bevor sie sich dem Schreiben von Romanen widmete. Seit 1989 lebt sie in London.

Wer das Feuer entfacht ist am 31. August 2021 bei Blanvalet als Hardcover erschienen und umfasst 411 Seiten.

Inhalt:

„Auf einem Hausboot in London wird die Leiche eines brutal ermordeten jungen Mannes gefunden. Besonders drei Frauen geraten danach ins Visier der Ermittlungen.

Laura, die aufgewühlt wirkende junge Frau, die nach einem One-Night-Stand mit dem Opfer zuletzt am Tatort gesehen wurde. Carla, die Tante des Opfers, bereits in tiefer Trauer, weil sie nur Wochen zuvor eine Angehörige verlor. Und Miriam, die neugierige Nachbarin, die als Erste auf die blutige Leiche stieß und etwas vor der Polizei zu verbergen scheint.

Drei Frauen, die einander kaum kennen, mit ganz unterschiedlichen Beziehungen zum Opfer. Drei Frauen, die aus verschiedenen Gründen zutiefst verbittert sind. Die auf unterschiedliche Weise Vergeltung suchen für das ihnen angetane Unrecht. Wenn es um Rache geht, sind selbst gute Menschen zu schrecklichen Taten fähig.“ (Quelle: Verlagsseite Random House)

Meine Meinung:

Paula Hawkins legt mit ihrem Thriller Wer das Feuer entfacht ihr drittes Buch vor. Vielen wird sie durch ihr erstes Buch Girl on the train bekannt sein. Hawkins schafft es auch hier wieder, unglaublich spannend in ihren Plot einzusteigen. Auf dem Klappentext schreibt die New York Times „Nur ein Hellseher könnte das Ende dieses Buches vorhersehen.“ Und damit hat sie aus meiner Sicht total recht.

Im Mittelpunkt stehen drei Frauen, Laura Miriam und Carla und natürlich ein Mord. Die Nebenfiguren sind allerdings auch nicht zu vernachlässigen, da sie durchaus eine wichtige Rolle bei der Informationsbeschaffung einnehmen. Wie auch in Girl on the train ist es auf den ersten Blick so, dass man überhaupt nicht erahnt, wie alles zusammenhängt. Aber wenn man Paula Hawkins kennt, weiß man, dass ihre Bücher häufig so beginnen und sie im weiteren Verlauf alle Erzählstränge in irgendeiner Weise verknüpft. Nichts bleibt dem Zufall überlassen. Dabei führt sie den Leser immer wieder ein bisschen weg vom eigentlichen Plot und lässt ihn selber denken, das macht das Lesen umso spannender.

Wir haben weder einen echten Pageturner vor uns, den man unbedingt schnell bis zum Ende lesen will. Andererseits aber weiß man auch genau, dass man enttäuscht sein wird, wenn das Buch zu Ende ist. Das ist einfach die große Stärke von Paula Hawkins. Sie schafft es auch in diesem Buch wieder, obwohl man eigentlich weiß, wie ihre Schreibweise tickt, den Leser absolut in ihren Bann zu ziehen.

Dem Buch vorangestellt ist eine Karte, auf der die Lebensmittelpunkte der Protagonisten eingezeichnet sind. So kann man ihre Wege gut verfolgen und sich auch auf diese Art und Weise ein Bild von der Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen zu dem am Anfang stehenden Mordfall machen. Hawkins schafft es, dass man zu jedem der Protagonisten eine Art von Beziehung entwickelt. Diese ist manchmal positiv, manchmal aber auch negativ. Je nachdem, wie weit Hawkins einen in die Gedankenwelt und Handlungen der Figur lässt. Je weiter man liest, desto häufiger fragt man sich, wer dem Titel des Buches quasi entspricht.

Wer das Feuer entfacht, das weiß man bis zum Schluss nicht. Man vermutet, man verwirft seine Ideen, man vermutet neu, man verwirft auch diese Vermutungen wieder und so geht es immer weiter. Das könnte durchaus langweilig werden, ist es aber dank Hawkins Erzählweise überhaupt nicht. Innerhalb der Handlung gibt es noch eine Binnenhandlung, die ich teilweise verwirrend finde. Aber auch diese hat ihren durchdachten Platz in der Geschichte. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht mehr darüber verraten, da sonst die Gefahr des Spoilerns bestünde.

Der Untertitel des Buches lautet Keine Tat ist je vergessen. Auch das trifft auf dieses Buch in ganz besonderer Weise zu und ist ein weiterer Spannungsmoment beim Lesen. Das übergeordnete Motiv der Rache ist vielschichtig – wie im echten Leben.

Fazit:

Spannend bis zur letzten Sekunde. Das erwartet man allerdings auch bei Hawkins. Mir sind ihre Bücher insgesamt zu ähnlich aufgebaut, daher gibt es nur vier Herzen.

Veröffentlicht am 24.05.2021

Ein neuer Pfad

Shadowblack – Karten des Schicksals
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Allgemeines:

Shadowblack – Karten des Schicksals ist als zweiter Band einer Reihe im Oktober 2020 bei dtv Junior erschienen. Das gebundene Buch hat 368 Seiten und wird ab einem Lesealter von 12 Jahren ...

Allgemeines:

Shadowblack – Karten des Schicksals ist als zweiter Band einer Reihe im Oktober 2020 bei dtv Junior erschienen. Das gebundene Buch hat 368 Seiten und wird ab einem Lesealter von 12 Jahren empfohlen. Das Lesealter würde ich persönlich bei 14 Jahren ansetzen. Für sehr erfahrene Leser mag es bereits ab 12 Jahren geeignet sein.

Meine begeisterte Rezension zum ersten Band findet ihr hier: https://zeilenliebe.com/?s=spellslinger

Inhalt:

„Kellen und seine neuen Gefährten reisen schon seit Monaten durch die Wüste von Seven Sands. Zu seinem Bedauern muss er feststellen, dass er nicht nur ein schlechter Magier ist, sondern ein noch viel schlechterer Vogelfreier. Die große Klappe von Ferius und Reichis’ Vorliebe für’s Stehlen helfen da auch nicht unbedingt weiter. Doch dann lernt Kellen Seneira kennen: ein Mädchen, das eine Augenbinde trägt – allerdings nicht, weil sie blind ist. Genau wie er leidet auch Seneira unter dem gefürchteten Fluch des Schwarzschattens und versucht, ihr Mal zu verbergen. Doch das ist nicht ihr einziges Geheimnis …“ (Quelle: dtv Verlag)

Meine Meinung:

Für den ersten Band dieser Reihe habe ich euch eine uneingeschränkte Leseempfehlung gegeben. Entsprechend hoch waren bei mir die Erwartungen an den Folgeband rund um Kellen und Ferius und die Magie der Karten. Wohin würde es die beiden als nächstes verschlagen? Würde Kellen eine Heimat finden? Fühlt er sich zum Spellslinger berufen? Oder wird er einen ganz anderen Pfad einschlagen.

Diesen Pfad findet das Buch für Kellen. Dabei begleiten wir ihn sozusagen in einer Geschichte innerhalb der Handlung. Lange Zeit war mir nicht klar, wie diese Geschichte die Gesamthandlung vorantreiben wird. Zunächst dachte ich, dass der Autor sich hier verloren hat. An manchen Stellen scheint es auch, als ob der Autor selbst noch nicht weiß, ob es einen Folgeband geben wird. Nach welchem Maßstab er komplexe Elemente in die Handlung einbetten soll oder wohin diese Reihe ihn führen wird. Zum Glück haben diese Momente nicht überwogen und ich habe verstanden, warum Sebastien de Castell diesen zweiten Band genau so geschrieben hat, wie er eben ist.

Nach und nach kristallisiert sich ein Pfad für Kellen heraus und die Lust darauf, ihn gemeinsam mit Kellen zu beschreiten, wächst wieder. Er und die Baumkatze Reichis sind einfach so ein gutes (nicht-)Team, man kann gar nicht anders als diese Kombination aus trockenem Humor und ungewollter Freundschaft zu mögen (Ich sag nur: Farbwechsel…). Uns allen ist vermutlich klar, dass es aber eher die kluge, kämpferische und dennoch so in sich ruhende Ferius ist, die ihm den richtigen Weg weisen wird. Obwohl das lange Zeit überhaupt nicht so aussieht. Hoffentlich verfolgen sie alle drei im nächsten Band ein gemeinsames Ziel, das sie dort ankommen lässt, wo sie gerne sein wollen und dafür sorgt, dass sie gemeinsam den Schwarzschatten besiegen. Gemeinsam gewachsen sind sie in diesem zweiten Band auf jeden Fall.

Ein spannendes Element de Castells bilden die Argosi. Durch die Teilung des Buches in vier Teile, die alle einen möglichen Pfad/Weg der Argosi beschreiben, bringt das Buch uns ihre Kultur, ihre Denkweise sehr viel näher. Nach dem Lesen muss man die einzelnen Abschnitte jeweils noch einmal Revue passieren lassen, um genau zu verstehen, was mit dem jeweiligen Weg gemeint war. Nach und nach erklärt sich dadurch auf die Namensgebung und Lebensweise der Argosi. Sehr interessant erzählt und erdacht!

Fazit:

Ein auf den ersten Blick betrachtet typischer zweiter Band, sozusagen eine Geschichte innerhalb der Geschichte, die die Handlung dennoch voranbringt und viele Elemente der Welt näher beleuchtet. Kellen, Reichis und Ferius wachsen zusammen, entwickeln sich gemeinsam weiter und beschreiten im dritten Band vermutlich neue Pfade…

Veröffentlicht am 06.03.2021

Bist du ein digitaler Zwilling?

Der Zwillingscode
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Allgemeines:

Der Zwillingscode ist am 13. Januar 2021 als Taschenbuch bei Loewe erschienen. Empfohlen wird das 320-seitige Buch ab einem Lesealter von 14 Jahren.

Autorin Margit Ruile arbeitete zunächst ...

Allgemeines:

Der Zwillingscode ist am 13. Januar 2021 als Taschenbuch bei Loewe erschienen. Empfohlen wird das 320-seitige Buch ab einem Lesealter von 14 Jahren.

Autorin Margit Ruile arbeitete zunächst als Drehbuchlektorin und widmet sich nun auch dem Schreiben eigener Bücher. Das Jugendbuch ist der Kategorie Thriller zugeordnet und enthält viele technische Elemente, sodass es für mich auch vom Genre der Science Fiction geprägt ist.

Inhalt:

Was passiert, wenn die Dinge, die wir erschaffen, uns gar nicht mehr brauchen?

Vincent ist siebzehn und eine Doppel-C-Seele. Sein Sozialpunktestand ist so niedrig, dass an ein Studium nicht zu denken ist. Stattdessen repariert er heimlich die mechanischen Haustiere der Firma Copypet.
Eines Tages bringt eine alte Frau eine Katze zur Reparatur. Und die führt Vincent geradewegs in die Simulation – eine virtuelle Welt, in der alle unsere Gegenstände ihr digitales Leben führen. Verborgen in dieser Zwillingswelt aber liegt ein Code. Vincent muss ihn finden, denn davon hängt die Zukunft der Menschheit ab.

Margit Ruile erzählt vom Internet der Dinge, einer Welt, in der die digitalen Zwillinge unserer Maschinen und Alltagsgegenstände miteinander vernetzt sind zu einer gigantischen K.I. Ein Thriller mit einem außergewöhnlichen Zukunftsszenario im Stil von Black Mirror.

Meine Meinung:

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich Der Zwillingscode nicht unbedingt auf meiner Leseliste stehen hatte. Ich habe das Buch nicht als präsent in Vorschauen oder den sozialen Medien wahrgenommen. Umso mehr hat mich die Anfrage des Loewe-Verlags gefreut. Die Beschreibung des Buches hat mich sofort gefesselt und der Vergleich mit Black Mirror hat mich zum einen den Inhalt fürchten und zum anderen gespannt auf ebendiesen blicken lassen.

Mit gemischten Erwartungen begann ich die Lektüre und ich kann euch bereits an dieser Stelle sagen, dass Der Zwillingscode mich mitgerissen hat. Margit Ruile erschafft eine Welt, die zunächst nicht unmittelbar neu erscheint. Technik ist in den Mittelpunkt der Menschen getreten und ersetzt an vielen Stellen das tägliche Leben, das wir kennen. Katzen, die keine Katzen mehr sind, ein Sozialpunktesystem, das dem in China zumindest zu ähneln scheint. Ruile gelingt es jedoch, diesen Grundvoraussetzungen ihren ganz eigenen Charakter zu verleihen. Sie verleiht den schon heute existierenden Strukturen Tiefe, geht jeweils noch einen Schritt weiter und erzählt ihren Lesern von den Schrecken, die solche Szenarien in der Zukunft auslösen könnten. Von Klassifizierungen echter Menschen bis hin zu künstlichen Menschen, die die Positionen echter Menschen einnehmen, ist hier alles Denkbare dabei. Vieles erscheint mehr als glaubhaft und man sagt sich an mehr als einer Stelle, dass sich unsere Zukunft so hoffentlich nicht entwickeln wird. Hier möchte ich euch nicht noch mehr verraten, weil auch der Klappentext euch ein Detail vorenthält, das letzten Endes eine große Rolle spielt.

Für die Menschen scheint das erschreckende Zukunftsszenario akzeptierte Realität zu sein. Zumindest denkt das unser Protagonist Vincent zunächst. Dass dem nicht so ist, haben aufmerksame Leser des Klappentexts bereits bemerkt. Vincent geht dem System auf den Grund, entdeckt dabei gemeinsam mit seinen Freunden erschreckende Dinge und versucht nebenbei einfach nur zu überleben. Sie verstricken sich schnell immer tiefer in die Thematik und lange Zeit habe ich nicht geglaubt, dass die Autorin die Handlung plausibel auflösen kann. Das gelingt ihr jedoch relativ zufriedenstellend, wenn auch mit dem Ausblick auf einen zweiten Band, in dem die Geschichte vollständig aufgelöst werden könnte. Dabei bleiben in meinen Augen die Charaktere auf der Strecke. Der Zwillingscode bietet nicht ausreichend Raum, um hier wirklich jedem Detail den nötigen Platz zu geben. Hinsichtlich der Charaktere hätte ich mir mehr Entwicklung und weniger Nüchternheit gewünscht.

Ruile gelingt es gut, ihre Leser zum Nachdenken anzuregen. Ist es wirklich so wichtig, wie viele Likes mein Bild auf Instagram erhält? Spielt es eine Rolle, wie viele Menschen meine Rezension lesen werden? Macht das den Inhalt besser oder schlechter? In der Welt von Vincent gibt es darauf eine klare Antwort. Der Algorithmus bestimmt dort alles. Sogar, was für ein Mensch du bist, wo du lebst oder ob du einen Autounfall haben wirst. Mir persönlich fiel es leichter, von einem solchen Szenario zu lesen, als es verfilmt zu sehen. Black Mirror ist eine Serie, die ich nicht weiterverfolgen konnte. Ruile erzählt ihre Geschichte jedoch nicht für Erwachsene, sondern entwickelt ein dystopisches Szenario, das ab 14 Jahren gelesen werden kann. Sie gibt ihren Lesern eine Antwort auf die Frage, die das Buch prägt: Hat der Mensch in der neuen Welt, die er sich erschafft, selbst überhaupt noch einen Platz? Ich hoffe, dass ihr nun neugierig seid und euch auf die Suche nach der Antwort macht!

Fazit:

Ein überraschend spannendes Buch, das mit einer von moderner Technik geprägten Geschichte zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 12.02.2021

Hat es in sich!

Der weiße Abgrund
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Allgemeines:

Henning Boëtius hat Romane, Essays, Lyrik und Sachbücher verfasst. Er wuchs auf der Insel Föhr auf und lebt heute in Berlin. Einem breiteren Publikum wurde er durch seine Kriminalromane um ...

Allgemeines:

Henning Boëtius hat Romane, Essays, Lyrik und Sachbücher verfasst. Er wuchs auf der Insel Föhr auf und lebt heute in Berlin. Einem breiteren Publikum wurde er durch seine Kriminalromane um den niederländischen Kommissar Piet Hieronymus bekannt. Der weiße Abgrund, eine Mischung aus Fakten und Fiktion, ist als Hardcover im Juli 2020 bei btb erschienen und umfasst 190 Seiten.

Inhalt:

„Paris, um 1850. Durch eine unheilbare Krankheit ans Bett gefesselt, versucht Heinrich Heine seinem bevorstehenden Tod ein letztes Werk abzutrotzen: seine Memoiren, die sein Opus Magnum werden sollen. An den illustren Diners der Pariser Bohème kann er schon lange nicht mehr teilnehmen. Stattdessen empfängt er gelegentliche Besuche deutscher Exilanten oder französischer Künstlerfreunde. Dann sucht überraschend Elise Krinitz seine Bekanntschaft: eine junge Frau, die Heine bewundert und zugleich hofft, in ihm einen Mentor für ihre eigenen literarischen Ambitionen zu finden. Mit ihr, die er zärtlich-ironisch „Mouche“ nennt, hat er bald darauf eine zwar platonische, aber nicht minder leidenschaftliche „Affäre“. Seine Memoiren aber werden, nachdem Heine am 17. Februar 1856 stirbt, für alle Zeit verschollen bleiben. Eingebettet in ein faszinierendes Panorama des Paris seiner Zeit, zeichnet Boëtius‘ Roman das einzigartige Porträt der letzten Lebensjahre des großen deutschen Dichters Heine.“ (Quelle: Verlagsgruppe Penguin Random House)

Meine Meinung:

Henning Boëtius ist ein Schriftsteller, der sehr vielseitig ist. Er hat Krimis geschrieben und auch viele historische Romane. Der Heinrich Heine Roman Der weiße Abgrund ist ein kleines feines Buch, das man behutsam behandeln möchte. Das Cover ist wunderschön gestaltet. Man fühlt sich sofort in die Zeit Heines hineinversetzt. Das ist dem Verlag wunderbar gelungen.

Der schmale Roman ist in viele Unterkapitel unterteilt. Im ersten Kapitel „Das blaue Wrack I sitzt der Ich-Erzähler am Ufer des Meeres und lässt sich treiben von seinen Gedanken. Er sitzt auf einem alten Bootswrack und wartet auf einen Freund, mit dem er Gedichte lesen möchte, Gedichte aus einem alten Buch, das er in Händen hält. Anschließend verflüchtigt sich dieses Buch, indem alle Seiten durch die Gegend wirbeln. Auch Heinrich Heine liebte Zeit seines Lebens das Meer, war auf Helgoland und auf Norderney. Daher denke ich, dass Boëtius ganz bewusst diesen Einstieg in das Buch gewählt hat. Danach geht es mit einem Szenenwechsel nach Paris weiter, wohin Heine emigriert ist. Ich selber bin kein großer Kenner Heinrich Heines, daher kann ich nicht beurteilen, was an diesem Roman auf realen Hintergründen beruht und was reine Fiktion ist. Eines aber weiß ich, dass die Sprache von Boëtius wunderbar ist. Kein Wort zu viel, Bilder, die einem eindrücklich fast schon unter die Haut gehen. Gerade im ersten Kapitel fühlt man sich ans Meer versetzt und lässt sich den Wind um die Nase wehen.

Boëtius beschreibt in seinem Roman die letzten Lebensjahre des Dichters Heinrich Heine, der in Paris im Exil lebte. Es ist schon schwierig für einen Leser, der sich kulturell für diese Zeit bisher noch nicht so vertiefend interessiert hat, die Personen, die auftreten, zeitlich richtig einzuordnen. Liszt und Chopin sind einem durchaus bekannt, aber viele anderen Personen eher nur am Rande. Man kann dieses Buch aber auch lesen, ohne über historisches Wissen in großem Ausmaß. Denn das Buch an sich ist ein wahrer Lesegenuss. Heinrich Heine scheint ein richtiger Schürzenjäger gewesen zu sein. Als er seine Frau Mathilde, die eigentlich Augustiner heißt, kennenlernt, ist ihm bewusst dass sie ungebildet, kulturell uninteressiert und somit ein Mensch ist, der eigentlich gar nicht zu ihm passt. Dennoch heiratet er sie und bleibt bis zu seinem Tode mit ihr zusammen. Das Buch ist eine Aneinanderreihung von Kapiteln aus Heines letzten Lebensjahren. Von seiner Krankheit gezeichnet ist der soziale Abstieg deutlich erkennbar. Heine lebt in sehr einfachen Verhältnissen. Heinrich Heine selber ist dem Leser als Reiseschriftsteller, Feuilletonist, Lyriker – einfach als großartiger deutscher Dichter bekannt. Wer kennt nicht das Wintermärchen oder die Loreley…

Fazit:

Dieses schmale Buch hat es in sich. Wenn man Lust hat, auch einmal Fakten zu recherchieren, kann man es besonders gut lesen und ein bisschen interessieren muss man sich auch für den großen Heinrich Heine.