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Veröffentlicht am 01.05.2021

Herzensmomente

Was wir sehen, wenn wir lieben
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„Weil du der Letzte bist, an den ich mich erinnere, bevor ich mich fünf Jahre gar nicht erinnere.“

„Was wir sehen, wenn wir lieben“ ist ein Liebesroman von Kristina Moninger. Er erschien im März 2021 ...

„Weil du der Letzte bist, an den ich mich erinnere, bevor ich mich fünf Jahre gar nicht erinnere.“

„Was wir sehen, wenn wir lieben“ ist ein Liebesroman von Kristina Moninger. Er erschien im März 2021 im Rowohlt Verlag und ist in sich abgeschlossen.
Als Teresa nach einem schweren Sturz im Krankenhaus aufwacht, fehlen ihr die Erinnerungen der letzten fünf Jahre. Das Einzige, an das sie sich erinnern kann, ist der Mann, der mit ihr scheinbar nichts mehr zu tun haben will. Doch was ist bloß in den letzten Jahren passiert und wo ist die Teresa geblieben, die es früher einmal gab?

Kristina Moningers Roman beschäftigt sich mit einer Frage, die ich sehr interessant finde. Als Teresa nach ihrem Sturz aufwacht, hat sie eine große Erinnerungslücke und bemerkt, dass sie einfach nicht weiß, wer sie in den letzten Jahren geworden ist. Doch verändert hat sie sich offensichtlich. Nichts von dem, was ihr früher mal etwas bedeutet hat, befindet sich noch in ihrem Leben. Statt Tattoos ist dort eine Galerie, statt einer Beziehung hat sie eine Affäre und Zeichnen tut sie auch nicht mehr. Und obendrein ist der Mann, der immer wieder in ihrer Erinnerung auftaucht, aus irgendeinem Grund schrecklich wütend auf sie… Im Grunde steht Teresa vor einem großen Rätsel und dieses Rätsel ist ihr eigenes Leben. Sie ist gezwungen sich mit ihren Gefühlen, Gedanken und Erinnerungsfetzen auseinanderzusetzen und muss sich gleichzeitig fragen, wer sie eigentlich sein will.
Im Laufe der Zeit erkennt sie, dass sie mit ihrem Leben in den letzten Jahren scheinbar nicht wirklich glücklich war und bemerkt auch, dass sie vieles aufgegeben hat, obwohl es eigentlich ihre Leidenschaft ist. Als sie schließlich den Grund erfährt und ihre Erinnerungen zurückkehren, ist dies ein erneuter Schock für sie, den es zu verarbeiten gilt.
Teresas Entwicklung und ihr Weg zu ihrem „neuen, alten“ Ich hat mir dabei sehr gut gefallen. Die Grundfrage um die sich am Ende alles dreht (ich möchte sie jetzt nicht verraten um nicht zu spoilern), hat mir ebenfalls sehr gut gefallen und erscheint mir sehr wichtig.
Obwohl die Gefühle ich beim Lesen nicht wirklich erreichen konnten, irgendwie fehlte mir etwas, wobei ich das nicht genau benennen kann, habe ich den Roman sehr gerne gelesen. Die Suche von Teresa nach der Wahrheit ist sehr schön verpackt, der Schreibstil flüssig und an vielen Stellen auch sehr humorvoll. Teresa hüpft von einem Fettnäpfchen ist nächste und ich habe sie schnell in mein Herz geschlossen. Auch Henry gefällt mir sehr gut, die wenigen Rückblicke aus seiner Perspektive schaffen einen guten zusätzlichen Einblick in die Gedächtnislücke von Teresa und ergänzen die sonstige Ich-Perspektive von Teresa sehr gut.
Die Handlungsidee hat mir auch insgesamt sehr gut gefallen und das Lesen fiel mir sehr leicht. Ich habe mich im Roman sehr wohl gefühlt und finde, dass er einige wichtige Botschaften transportiert und nicht nur eine seichte Liebesgeschichte darstellt. Diese kommt aber auch nicht zu kurz und es gibt durchaus einige Schmetterlingsgefühle im Bauch. Ich finde die Story auch wirklich romantisch, denn wenn man sich nach einem solchen Trauma nur noch an einen Mann erinnern kann, dann muss er doch auch der Richtige sein… Oder…?

Mein Fazit: Für mich ist „Was wir sehen, wenn wir lieben“ definitiv ein Wohlfühlroman und gut geeignet für schöne Lesestunden. Ich freue mich sehr auf weitere Bücher von der Autorin und vergebe 4,5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 22.04.2021

Traum und Wahrheit

Trauma
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„Was ist Traum? Was Wirklichkeit? Ist es möglich, dass der eigene Verstand in so kurzer Zeit einfach aufhört zu funktionieren?“

„Trauma“ ist ein Thriller von Angélique Mundt. Er erschien am 13.04.2021 ...

„Was ist Traum? Was Wirklichkeit? Ist es möglich, dass der eigene Verstand in so kurzer Zeit einfach aufhört zu funktionieren?“

„Trauma“ ist ein Thriller von Angélique Mundt. Er erschien am 13.04.2021 im btb Verlag und ist in sich abgeschlossen.
Leila wacht morgens auf und alles ist anders. Sie kann sich an die vorherige Nacht nicht erinnern und ist Hauptverdächtige in einem Mordfall. Doch hat sie die Tat wirklich begannen? Was wird sie erfahren, wenn ihre Erinnerung zurückkehrt…?

Der Thriller von Angélique Mundt verdient die Bezeichnung absolut. Aus der Ich-Perspektive von Leila begleiten wir die Protagonistin in den Tagen nach dem Mord an dem Musikproduzenten Marius. Zunächst sind die Erinnerungen und der Schreibstil abgehackt, kurz, wirr. Doch nach und nach beginnt sich das Chaos in Leilas Kopf zu lichten, der Schreibstil passt sich entsprechend an.
Erinnerungsfetzen kehren zurück und dennoch bleibt vieles unklar und nebulös. Immer wieder driftet sie ab in ihre Traumwelt, Wahrheit und Fiktion sind nur schwer voneinander abzugrenzen. Dies war auch für mich teilweise schwer, denn wenn ein Traum nicht klar als solcher zu erkennen ist, habe ich teilweise Schwierigkeiten mit dem Lesen.
Dennoch passt natürlich gerade diese Darstellung sehr gut in den Thriller hinein. Leilas Hilflosigkeit sowie ihre Emotionen werden anschaulich übermittelt und auch ihre Verzweiflung ist nahezu greifbar.
Sich die Frage stellen zu müssen, ob man selbst ein Mörder ist oder nicht, stelle ich mir absolut grauenhaft vor! Während Leila in der Psychiatrie ist und versucht der Wahrheit auf die Spur zu kommen, entdeckt sie aber auch Wahrheiten über sich selber. Sie erkennt Dinge, die ihr vorher nicht bewusst waren und sieht plötzlich viel klarer. Ihre Gedanken und Gefühle sind dabei durch die Ich-Perspektive gut nachvollziehbar, wenn auch immer wieder die Frage aufkommt, ob sie nun irre ist oder nicht... Leila macht eine starke Entwicklung durch und kann mithilfe der Therapeutin, die ich von Anfang sehr sympathisch fand, schließlich nicht nur die Wahrheit, sondern auch ihren Lebenstraum finden.
Die Spannung befindet sich während des gesamten Thrillers auf einem hohen Niveau, sodass sich Seite um Seite wirklich sehr schnell las. Die Autorin spielt mit der Psyche ihrer Protagonistin und gleichzeitig mit dem Verstand des Lesers. Zunächst dachte ich, die Handlung sei vorhersehbar, mit den dann folgenden Plot Twists hatte ich allerdings wirklich nicht gerechnet! Daher war das Ende für mich dann auch tatsächlich absolut überraschend und gut gelungen.
Insgesamt ist der Thriller zwar eher unblutig und daher vielleicht auch eher ein Psychothriller, aber der zu Grunde liegende Plan ist absolut perfide und unglaublich spannend umgesetzt!
Die Darstellung der Figuren ist ebenfalls sehr gut gelungen, die Patienten der Psychiatrie sind alle sehr individuell beschrieben und irgendwie muss man sie alle gern haben… Auch Leila und ihre Familie werden in den Beschreibungen und durch ihre Handlungen und Aussagen gut charakterisiert und authentisch gezeichnet – Sympathien und Antipathien waren schnell klar, wobei manche für mich, ebenso wie das Ende, für mich zunächst nicht durchschaubar waren..
Gefallen hat mir außerdem, dass die Autorin auch interessante Hintergrundinformationen zur menschlichen Psyche in die Handlung einbaut und erklärt, die mir bisher unbekannt waren.

Mein Fazit: Ein rasanter und für mich unvorhersehbarer Thriller mit viel Spannung und mitreißendem Schreibstil. Ich ziehe einen halben Stern ab, da ich es nicht so gerne mag, wenn ich Realität und Traum nicht auseinanderhalten kann, auch wenn mir klar ist, dass dies ein Teil von Thrillern ist… Insgesamt gibt es daher aber 4,5 von 5 Sternen!

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Veröffentlicht am 14.03.2021

Schicksalsjahre

Die Erben von Seydell - Die Schicksalsjahre
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„Man kann die Vergangenheit nicht zurückholen. Was vorbei ist, ist für immer verloren.“

„Die Erben von Seydell – Die Schicksalsjahre“ ist der zweite Band der „Gestüt-Saga“ von Sophie Martaler. Er erschien ...

„Man kann die Vergangenheit nicht zurückholen. Was vorbei ist, ist für immer verloren.“

„Die Erben von Seydell – Die Schicksalsjahre“ ist der zweite Band der „Gestüt-Saga“ von Sophie Martaler. Er erschien im Januar 2021 im Goldmann Verlag.

[Achtung, möglicherweise Spoiler, wenn Band 1 noch unbekannt ist!]

Der zweite Weltkrieg beginnt und stellt die Bewohner von Gut Seydell in Deutschland sowie die Bewohner von Los Pintos in Spanien vor neue Herausforderungen und Schicksalsschläge. Während Luise versucht, Gut Seydell zu retten, kämpfen Alexander und sein Sohn im Krieg…

Zu Beginn des Romans hatte ich ein wenig Schwierigkeiten wieder in die Handlung hineinzukommen. Es war schon ein wenig her, dass ich Band 1 gelesen hatte und so fehlten mir ein paar Verknüpfungen, die sich aber dann nach und nach ergaben, da häufig kurze Erklärungen eingebaut waren. So habe ich mich dann insgesamt doch sehr schnell wieder absolut wohl gefühlt. Gerade der absolut mitreißende und kurzweilige Schreibstil des Autorenduos hat es mir angetan. Die Seiten fliegen nur so dahin und auch wenn für mich nicht ganz so viel Spannung aufkam wie im ersten Band der Reihe, konnte ich den Roman kaum aus der Reihe legen.
Die Figuren sind erneut sehr gut charakterisiert und dargestellt, die Handlung und die Schicksalsschläge der Familie Seydell emotional und tiefgehend.
Luise ist und bleibt eine Person, mit der ich nicht wirklich warmwerden kann. Sie handelt weiterhin hauptsächlich egoistisch und versucht die Menschen in ihrer Umgebung nach ihrem Willen zu manipulieren. Nichtsdestotrotz wird nun aber auch ein anderer Wesenszug deutlich, denn auch sie ist in der Lage sich für andere einzusetzen und Mitgefühl zu entwickeln.
Auch die Dienstmagd Martha bleibt für mich interessant, ihr großes Geheimnis wird endlich gelüftet und war für mich tatsächlich unvorhersehbar.
Alexanders Leben wird ebenfalls weiterhin beschrieben, sein Charakter weiterhin stark und hochsympathisch. Seine Tochter ist mittlerweile ein Teenager und versucht ihren eigenen Kopf durchzusetzen, was nicht selten zu Unstimmigkeiten zwischen Vater und Tochter führt.
Die Entwicklung Cristinas und auch sie selbst gefallen mir sehr gut. Durch den Einzug ihres Vaters an die Front, muss sie schnell erwachsen werden und sieht dadurch manche Dinge plötzlich deutlich klarer als zuvor. Zudem wird gerade an Alexander deutlich, dass man die Vergangenheit häufig eben doch nicht für immer hinter sich lassen kann und dass sie einen zuweilen immer wieder einholt. Gleichzeitig kann man sie aber auch nicht zurückholen, auch wenn man es sich noch so sehr wünscht...
Der Roman spielt erneut hauptsächlich in der Vergangenheit, es gibt nur zwei kurze Zeitsprünge in die Zeit von Elisabeth und Javier (1948). Auch diese Textpassagen sind sehr interessant und eine Entdeckung der beiden bietet erneut einen riesigen Cliffhanger.
Mit in die fiktive Handlung eingebunden werden erneut viele historische Details und gerade der Verlauf des ersten Weltkriegs wird sehr eingängig beschrieben. Dies hat mir sehr gut gefallen, wenn ich auch immer wieder erschrocken darüber bin, mit was für einer leichtfertigen Einstellung die Menschen damals in den Krieg zogen: „[…] bis Weihnachten sind wir wieder zu Hause […]“…
Ebenfalls eingebaut werden die sozialistischen Bewegungen in Spanien, welche den Kapitalismus verpönen und mehr Rechte für die Arbeiter fordern. Hierbei wurde ich allerdings etwas stutzig, da meist von „Anarchismus“ und „Anarchisten“ die Rede war und gleichzeitig Marx zitiert wurde. Tatsächlich bin ich auf diesem Gebiet nicht allzu bewandert, dennoch steht Marx für mich eher für den Kommunismus und weniger für den Anarchismus, auch wenn sich natürlich beides nicht vollständig voneinander abgrenzen lässt.

Mein Fazit: „Die Erben von Seydell – Die Schicksalsjahre“ haben mich insgesamt nicht ganz so begeistern können wie der erste Band der Reihe. Nichtsdestotrotz ist der zweite Teil der Familiensaga gut gelungen und eine sehr gute Fortsetzung. Die Geschichte um die Familie Seydell ist interessant und mitreißend, die Charaktere vielschichtig und interessant. Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung und vergebe für diesen Band 4,5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 06.03.2021

Freiheit

Die Frau von Montparnasse
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„War das Glück zugleich auch immer eine Gefahr? Wie konnte sie sich Sartre hingeben – denn nur das bedeutete für sie Liebe – und sich nicht gleichzeitig verlieren?

„Die Frau von Montparnasse“ ist ein ...

„War das Glück zugleich auch immer eine Gefahr? Wie konnte sie sich Sartre hingeben – denn nur das bedeutete für sie Liebe – und sich nicht gleichzeitig verlieren?

„Die Frau von Montparnasse“ ist ein historischer Roman von Caroline Bernard. Er erschien am 15.02.2021 im Aufbau Verlag und gehört zu der Romanreihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“.
Simone de Beauvoir ist anders. Ihr Lebenstraum ist es, ein Buch zu schreiben. Während ihres Studiums lernt sie Jean-Paul Sartre kennen und lieben. Gemeinsam lassen sie sich auf ein ungewöhnliches Bündnis ein: eine offene Beziehung zu einer Zeit, in der bürgerlichen Anschauungen noch sehr konservativ waren und alles außerhalb der klassischen Ehe vollständig abgewertet wurde... Doch was für Simone zunächst einfach klingt, entpuppt sich als echte Herausforderung, denn wie bringt man Liebe, Freiheit und Selbstständigkeit unter einen Hut ohne sich dabei selbst zu verlieren…?

Philosophie, Literatur, Sartre. Das ist Simones Welt. Sie ist anders, anders als die typische Frau zum Ende der 1920er, anders als die typische Frau heute. Sie ist intelligent, unglaublich klug und wissbegierig und daher als „Blaustrumpf“ verpönt. Doch die Schmähungen treffen sie nur bedingt, denn sie ist entschlossen zu lernen. Sie möchte ein Buch schreiben und unterrichten.
Die Ehe? Nur ein bürgerliches Konstrukt und wenig erstrebenswert… Doch dann lernt sie Sartre kennen. Dieser besticht nicht unbedingt durch äußerliche Reize, aber umso mehr durch Intelligenz, Charme und Worte. Im Nu wickelt er Simone um den Finger und eine leidenschaftliche Affäre beginnt. Zusammen bilden Simone und Sartre eine Einheit, die die anderen ausschließt. Sie verstehen einander, wie es sonst niemand kann. Sie ergänzen ihre Gedanken, diskutieren stundenlang philosophische Fragen und haben einander immer etwas zu erzählen. Aus einer lockeren Beziehung entsteht ein Pakt, eine offene Beziehung, die alles erlaubt, aber dennoch Treue verspricht.
Eine Verbindung, die nicht immer einfach ist, denn auch Simone ist vor Gefühlen nicht gefeit und erschrickt selbst über die Anziehungskraft und die Sehnsucht, die Sartre bei ihr auslöst. Doch trotz ihrer Gefühle ist Simone klar, dass die Ehe für sie nicht tragbar ist. Sie möchte frei sein, sich selbst erfinden und sich vor allem selbst treu bleiben: „Ich werde mir immer treu sein, vor allen anderen.“.
Ihr Vorsatz ist eindeutig und klar, aber nicht immer leicht. Zwischen offener Beziehung, Freunden und Liebhaber*innen reibt sich Simone immer mehr auf. Sie nimmt sich Zeit für andere und deren Sorgen, aber verliert ihr Buchprojekt und sich selbst dabei immer wieder aus den Augen. Sie führt kein leichtes Leben und ist dennoch eine Frau, die ich bewundere.
Ich wusste vor dem Roman nichts über Simone de Beauvoir und bin nun vollkommen begeistert von ihr. Sie lebt ihr Leben so, wie sie es wollte und setzt ihren Traum der Freiheit gegen alle Widerstände durch. Dabei ist sie nur selten egoistisch und hat, im Gegensatz zu Sartre, dabei stets das Wohlbefinden ihrer Mitmenschen im Auge. Von ihrer eigenen Familie durch bürgerliche Ansichten getrennt, schafft sie sich eine neue Familie, ihre „Familie von Montparnasse“ aus Künstlern, Freigeistern und Schülerinnen. Sie opfert sich für diese auf und kümmert sich um jeden einzelnen…
Der Roman macht deutlich, wie häufig Simone vor Gewissenkonflikten und Problemen stand, die es zu lösen galt. Beständig ist hauptsächlich Sartre, an den sie ihr Herz unwiderruflich verloren hat. Interessant fand ich, dass die sexuelle Leidenschaft der beiden nach und nach erlosch, sie sich aber intellektuell so sehr ergänzten, dass sie ohne einander nicht leben konnten. Simone ist die Frau an Sartres Seite. Sie ist seine Muse, seine Partnerin, seine Lektorin. Ohne, dass sie seine Schriften redigiert hat, konnte keine veröffentlicht werden und obwohl sie selbst einige bedeutsame Werke zur Rolle der Frau geschrieben hat, wird sie auch heute noch als „Frau an der Seite von Sartre“ gesehen und bezeichnet – ein Trauerspiel der Emanzipation. Denn während die damalige Haltung noch nachvollziehbar war, so sollte zumindest heute klar sein, dass Simone eine Frau war, die Großes geleistet hat. Sie sollte nicht im Schatten Sartres stehen, denn ohne sie, wäre er vielleicht nicht das Genie, das wir heute kennen…
Simone de Beauvoirs Geschichte beschreibt eine interessante und großartige Frau, die ihrer Zeit einige Schritte voraus war. Lange Zeit ist Simone unpolitisch und nur auf philosophische Zusammenhänge bedacht, doch nach dem zweiten Weltkrieg beginnt sie mehr und mehr über die Rolle der Frau nachzudenken und schreibt einige wichtige Werke zur Emanzipation. Ihre innere Entschlossenheit sowie ihre zeitweise Verzweiflung und der Kampf mit sich selbst werden brillant dargestellt und vermittelt. Die personale Erzählperspektive stellt die Ereignisse häufig sehr sachlich und philosophisch dar, was aber absolut zu Simones Charakter passt. Mir war diese Schreibweise an manchen Stellen etwas zu abstrakt und gerade zu Beginn des Romans hatte ich leichte Schwierigkeiten mich in den Schreibstil einzufinden. Im Lauf der Handlung legte sich dieses allerdings vollständig, sodass ich mehr und mehr Freude an dem Roman fand.
Historische sowie biografische Aspekte Sartres und Simones sind gut recherchiert und dargestellt. Auch die philosophischen Fragestellungen werden eindrucksvoll beleuchtet und angerissen. Sie fügen sich leicht in die teils fiktive Handlung ein und vermitteln den Lesern einen guten Einblick in die damalige Zeit. Zudem regen sie zum Nachdenken an, ohne dabei den Lesefluss zu erschweren.

Mein Fazit: Caroline Bernard schreibt einen großartigen und interessanten Roman mit biografischen Zügen über Simone de Beauvoir. Eine Frau, die früh den Gedanken der Emanzipation gelebt hat und uns alle lehrt, was es heißt eine selbstbestimmt lebende Frau zu sein. Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen und bin wieder einmal begeistert über diese großartige Buchreihe aus dem Aufbau Verlag!

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Veröffentlicht am 18.02.2021

Kriegsopfer

Die verstummte Liebe
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„Manchmal bedarf es eines großen Schmerzes, um Fehler zu erkennen und sie nicht noch schlimmer zu machen.“
„Die verstummte Liebe“ ist ein historischer Roman von Melanie Metzenthin. Er erschien am 12.01.2021 ...

„Manchmal bedarf es eines großen Schmerzes, um Fehler zu erkennen und sie nicht noch schlimmer zu machen.“
„Die verstummte Liebe“ ist ein historischer Roman von Melanie Metzenthin. Er erschien am 12.01.2021 im Tinte und Feder Verlag von Amazon Publishing und ist der dritte Band der „Leise Helden-Reihe“.
Helen Mandeville wuchs als Bankierstochter in den besten englischen Kreisen auf. Als sie jedoch standesgemäß verheiratet werden soll, wehrt sie sich gegen ihr Los und überredet ihren Vater zu einer letzten gemeinsamen Europareise, bevor sie die Ehe eingeht. Auf dieser Reise lernt die Britin dann jedoch den deutschen Arzt Ludwig kennen und bricht für ihn mit ihrer Familie. Jahre später reist sie zurück zu ihrer Familie, weil ihre Mutter im Sterben liegt. Doch während sie in England ist, bricht der erste Weltkrieg aus und die Rückreise nach Deutschland wird nahezu unmöglich…

Helen Mandeville ist eine kluge und gebildete junge Frau. Sie ist charmant, aber durch ihren Scharfsinn auch mit einer spitzen Zunge gesegnet und nicht immer zurückhaltend genug, um diese zu hüten. Sie ist damit, gerade für den Anfang des 20. Jahrhunderts, eine sehr ungewöhnliche und weltgewandte junge Frau, die mir sehr imponiert hat. Eine Ehe mit dem arroganten James Mitchell, der eher konventionelle Ansichten in Bezug auf die Rolle der Frau hat, ist für sie aber gerade deswegen von vornherein ausgeschlossen. Einen Ausweg scheint es jedoch nicht zu geben, denn ihr Vater wünscht die Verbindung der beiden um jeden Preis.
Als Helen dann allerdings Ludwig, einen deutschen Arzt, kennenlernt, steht für sie endgültig fest, dass sie die Hochzeit mit James verhindern muss. Aus Liebe zu Ludwig bricht sie schließlich mit ihrer Familie und beginnt ein neues Leben in Hamburg. Ihre Entscheidung fällt ihr zunächst nicht leicht, erweist sich aber als goldrichtig, denn in Deutschland gelingt es Helen ein glückliches und vollkommen zufriedenes Leben an Ludwigs Seite zu führen. Obwohl in der gemeinsamen Ehe nicht immer alles rosig ist, hat sie ein erfülltes Leben und blüht neben ihm regelrecht auf. Sie wird zur kompetenten Arztgattin und führt die Praxis von Ludwig mit ihm gemeinsam auf Augenhöhe. Auch der Haushalt und die Mutterrolle fallen ihr leicht und so vergehen einige glückliche Jahre. Als der erste Weltkrieg kurz bevorsteht, ist Helen jedoch gezwungen ihre Familie in Deutschland zurückzulassen und heimzukehren um ihre kranke Mutter zu pflegen. Der folgende Ausbruch des Weltkrieges verhindert ihre Rückreise, bringt ihr Leben ins Wanken und zwingt sie zu Entscheidungen, die sie später bereuen wird...
Aus der zuvor so selbstbewussten und liebevollen Helen wird nach und nach eine depressive und gefühlskalte Frau. Ihre Entwicklung ist sehr authentisch dargestellt und geht einem sehr zu Herzen. Die Autorin beschreibt eingehend, welche Ereignisse Helen erleiden muss und wie schwer ihr manche ihrer Entscheidungen fallen. Es wird deutlich, dass Fehler passieren und dass manchmal Notlügen sein müssen. Wenn man sich jedoch in seinem Lügenkonstrukt verstrickt, dann gibt es einen Punkt, an dem man nur noch schwer aus diesem herauskommt und eine Rückkehr zur Wahrheit nahezu unmöglich scheint.
Der Schreibstil der Autorin ist unglaublich fesselnd und mitreißend, Helens Geschichte sehr emotional und bildlich beschrieben. Ich habe jeden Augenblick mit ihr mitgefiebert, mit ihr gelacht, geweint und gebangt. Die Geschichte wird als personale Erzählung aus Helens Sicht geschildert. Emotionen und Gedanken Helens werden daher gut transportiert und auch einige humorvolle Szenen tauchen auf. Die Handlung wechselt dabei zwischen Vergangenheit und Gegenwart (1945), wobei der Großteil in der Vergangenheit spielt und beide Zeitebenen gut miteinander verknüpft sind.
Die historischen Ereignisse werden gut und authentisch in die fiktive Handlung eingebaut. Damalige Ansichten und Gedanken sowie das Misstrauen der Menschen gegenüber „Ausländern“ werden gut beschreiben und anschaulich dargestellt.
Lediglich der Schluss des Romans hat mir weniger gut gefallen. Während die Handlung zuvor gut aufs Wesentliche reduziert wurde und trotzdem nicht zu vollgestopft wirkte, ging mir die Entwicklung in der Gegenwart plötzlich zu schnell. Das Handeln von Helens Tochter Ellinor wirkte auf mich zunächst bedacht und sinnvoll, wurde dann aber vollkommen überstürzt und kurzsichtig. Dazu kam dann, dass das Ende offen war und man sich den Rest nur erschließen kann, wenn man die ersten Bände der Reihe kennt. Dies fand ich nicht gut gelöst – zum einen war mir bis dahin gar nicht klar, dass das Buch zu einer Reihe gehört und zum anderen wurden dann auch noch im Nachwort verraten, wie das Ende grob aussieht, was ich dann irgendwie auch ungeschickt fand… Der Abschluss des Romans hat mich also leider ein wenig ernüchtert, obwohl ich ansonsten wirklich begeistert vom Schreibstil der Autorin und der unglaublich authentischen und nahegehenden Handlung war.

Mein Fazit: Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen für einen gut recherchierten, mitreißenden und emotionalen historischen Roman. Ich habe ihn sehr gerne gelesen und hatte nur am Schluss Kleinigkeiten auszusetzen.

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