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Veröffentlicht am 27.12.2022

Die wertvollste Ressource unseres Lebens: Zeit!

Alle_Zeit
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„Viele begreifen es als Naturgesetz, dass die Erwerbsarbeit im Zentrum unserer Zeitkultur steht. Das hat zur Folge, dass wir uns den Ansprüchen unterordnen, die die Wirtschaft auf unsere Lebenszeit erhebt. ...

„Viele begreifen es als Naturgesetz, dass die Erwerbsarbeit im Zentrum unserer Zeitkultur steht. Das hat zur Folge, dass wir uns den Ansprüchen unterordnen, die die Wirtschaft auf unsere Lebenszeit erhebt. Wer viel Zeit für bezahlte Arbeit aufbringen kann, ist der gesellschaftliche Maßstab.“ (19%)

Wie sehr wir in diesem Strudel aus Geld durch Vollzeit-Erwerbsarbeit verdienen und damit konsumieren stecken, merken wir oft in dem Moment, in dem wir zusätzlich Care-Arbeit übernehmen. Wenn das erste Kind zu betreuen ist oder jemand pflegebedürftig wird. Dann spüren besonders auch Frauen, dass noch sehr viel mehr in Schieflage ist. Der Feminismus hat bislang vor allem dafür gekämpft, dass Frauen dieselben Möglichkeiten im Rahmen einer Erwerbsarbeit bekommen. Zusätzlich zur Haus- und Care-Arbeit müssen alle Erwachsenen möglichst bald auch wieder der Wirtschaft dienen. Der Tag hat allerdings immer noch nicht mehr als vierundzwanzig Stunden. Woher diese Extra-Zeit genommen werden soll und ob alle damit glücklich sind, die Erwerbsarbeit in den Fokus ihres Lebens zu rücken, das wird nicht gefragt. So etwas wie eine Zeitpolitik gibt es leider nicht.

Teresa Bücker macht in ihrem Buch „Alle_Zeit“ all diese Zusammenhänge sehr deutlich. Zeit ist unsere wichtigste Ressource und sie ist begrenzt. Um trotz all der Arbeit noch Zeit für sich selbst zu haben, muss man gewisse Dinge anderen Menschen übertragen: Das Haus putzen, die Kinder betreuen… Auch darin steckt so viel mehr. Wie geht es den Menschen, die diese Arbeiten übernehmen? Warum bezahlen wir sie so schlecht (damit es sich rechnet!) und woher nehmen sie wiederum die Zeit für sich und ihre Angehörigen?

Und überhaupt - ist denn der Wunsch nach mehr Zeit für sich und seine Familie nicht legitim? Vielleicht ist es mir doch viel wichtiger, mich um meine Kinder selbst zu kümmern. Zeit mit ihnen zu verbringen. Beziehungen aufzubauen.

Care-Arbeit ist das Gerüst unseres Daseins und Miteinanders. Fiele sie weg, würde alles in sich zusammen brechen. Auch die Wirtschaft.

Zu selten wird das bedacht. Teresa Bücker legt den Finger in die Wunde und argumentiert sehr klug. Ihr Buch ist ungefragt eines der wichtigsten unserer Zeit. Es könnte nur kürzer sein und mit mehr Vorschlägen aufwarten, wie es anders ginge und vor allem, wie jeder selbst den ersten Schritt gehen könnte zu einer anderen Zeitwahrnehmung.

Aber das Buch rüttelt auf. Und es führt die Fäden einiger großer Probleme unserer Zeit zusammen zu einem zentralen Thema: Das der wertvollsten Ressource unseres Lebens, der Zeit!

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Veröffentlicht am 08.08.2022

Leseeinstieg für Dino-Fans

SUPERLESER! Vorsicht, Dinos!
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„Dieses Erstlesebuch über die Welt der Dinos eignet sich mit kurzen Sätzen, einfacher Sprache und extra großer Fibelschrift perfekt zur Leseförderung.“

Inhaltlich handelt es sich bei dem Erstleser-Buch ...

„Dieses Erstlesebuch über die Welt der Dinos eignet sich mit kurzen Sätzen, einfacher Sprache und extra großer Fibelschrift perfekt zur Leseförderung.“

Inhaltlich handelt es sich bei dem Erstleser-Buch „Vorsicht, Dinos!“ um eine Sammlung einiger Dino-Mini-Porträts: Der Name des jeweiligen Dinos wird genannt und seine markanteste Eigenschaft. Der Rest der Doppelseite ist mit einer hervorragenden, fotorealistischen Illustrationen gefüllt.
Es sind auch nicht nur die bekanntesten Dinosaurier porträtiert, sondern durchaus auch weniger bekannte wie der Stegoceras.
Die denn Griechischen entlehnten Dinonamen sind wohl auch das Herausforderndste für den Erstleser.

Mein Sohn findet dieses Buch extrem spannend und er freut sich drauf, wenn er nun bald lesen lernt und sich die Worte und Namen selbst erarbeiten kann.
Inhaltlich kann das Buch dem eingefleischten Dino-Fan aber nicht viel Neues bieten. Die Welt der Dinosaurier beinhaltet so viel mehr und diesem Thema nähern sich durchaus auch die Kleinsten schon aus systematischerer Sicht. Es ist oft gerade die paläontologische Arbeit die die Faszination am Thema ausmacht.

Das bleibt bei diesem sehr kurz gehaltenen Buch natürlich auf der Strecke. Es ist eher dadurch spannend, dass man sich den Selbstlesen hier über sein Lieblingsthema nähern kann.

Sehr gut gefällt uns auch die kleine Bastelanleitung am Ende des Buches. Hier knüpfen wir uns einen Dino-Schlüsselanhänger aus Perlen.

Insgesamt ein durchaus empfehlenswertes Erstleser-Buch, das dem Schulanfänger hier sehr gefällt.

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Veröffentlicht am 05.01.2022

Auf der Suche nach dem guten Konsum

Kauf mich!
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„Das Gefühl, etwas gefunden und genug zu haben, das gibt’s eigentlich nicht.“ (8%)

Wir alle sind Konsumenten. Immer und überall. Die gesamte Gesellschaft scheint sich darüber zu definieren, was der einzelne ...

„Das Gefühl, etwas gefunden und genug zu haben, das gibt’s eigentlich nicht.“ (8%)

Wir alle sind Konsumenten. Immer und überall. Die gesamte Gesellschaft scheint sich darüber zu definieren, was der einzelne kauft und besitzt. Und wenn man das realisiert und vielleicht sogar beschließt, aus diesem System auszusteigen, spürt man plötzlich, wie abhängig man vom Konsum ist; wie sehr sich dieses Immer-mehr-haben-Wollen zutiefst in unser Leben eingegraben hat.

Wir kaufen, um uns etwas Gutes zu tun, um uns weniger einsam zu fühlen oder um unseren Platz in der Gesellschaft zu etablieren. Und außerdem haben wir alle natürlich Grundbedürfnisse und müssen beispielsweise Lebensmittel einkaufen. Wir können also gar nicht anders. Ein gewisses Maß muss gedeckt sein. Aber wir können uns das teils perfide System klar machen und zu mündigen Konsumenten werden. Dazu müssen wir allerdings verstehen, wie dieses System funktioniert und warum wir da eigentlich bisher so naiv mitspielen.

Nunu Kaller deckt diese Zusammenhänge auf vielfältige Weise auf. Sie hinterfragt ihr eigenes Verhalten und ihre Gedanken. Sie spricht mit diversen Experten wie z.B. Psychologen über dieses Thema. Und sie zeigt uns unsere Grenzen als Einzelpersonen auf. Niemand von uns allein kann dieses System ändern und es ist eine geschickte Strategie, dem einzelnen Konsumenten die Verantwortung für nachhaltige Kaufentscheidungen aufzubürden.
Wir sollten uns vor Augen halten, dass wir bei jedem Kauf(an)reiz Spielfiguren im Dauerkonsumspiel unserer Zeit sind. Wenn wir das verstehen und die Spielregeln dieses Spiels durchschauen, wird es einfacher. Dann können wir uns wieder mündiger verhalten.

Nunu Kaller ist mit „Kauf mich!“ ein sehr umfassendes und entlarvendes Buch zum Thema Konsum gelungen. Nach dieser Lektüre geht man mit offeneren Augen durchs Leben. Der Tonfall reicht von humorvoll bis bissig. Und ich muss einschränkend sagen, dass ich mich dadurch manchmal vor den Kopf gestoßen fühlte. Manches war auch so unangenehm, dass ich danach direkt das Bedürfnis hatte, etwas Hübsches zu kaufen, um meiner geschundenen Seele etwas Gutes zu tun.
Insgesamt ist dieses kurzweilige Buch aber absolut bereichernd.

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Veröffentlicht am 14.03.2021

Starkes und aufrüttelndes Buch

Female Choice
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„Das, womit wir im Moment hadern, ist die Erkenntnis, dass die Zivilisation fast nur für eine Sorte Mensch funktioniert: den Mann.“ (3%)

Die Zivilisation hat ihren Beginn in der Landwirtschaft und dem ...

„Das, womit wir im Moment hadern, ist die Erkenntnis, dass die Zivilisation fast nur für eine Sorte Mensch funktioniert: den Mann.“ (3%)

Die Zivilisation hat ihren Beginn in der Landwirtschaft und dem damit verbundenen Sesshaftwerden der Menschen. Davor herrscht ein anderes Prinzip der „Gesellschaftsordnung“ - eines, das uns aus dem Tierreich sehr bekannt ist -, nämlich das der Female Choice:
Die Frauen wählen ihre Sexualpartner (dabei gehen 80% der Männer leer aus) und das Zusammenleben gestaltet sich um stillende Mütter und ihren Nachwuchs.

Die Zivilisation, in der wir auch heute leben, ist vom Mann gestaltet und gründet darauf, das Prinzip der Female Choice ausgehebelt zu haben.
Dabei spiegelt sich das natürliche männliche Konkurrenzbestreben in den künstlich geschaffenen Hierarchien der Gesellschaft und des Arbeitslebens wider. Allerdings können es durch ein Mittel wie Geld nun auch Männer an die Spitze schaffen, die eigentlich nicht das Zeug zum von der Frau erwählten Alphamännchen gehabt hätten. In diesem System - in der Öffentlichkeit - spielen Frauen keine Rolle. Sie werden auf die Männer aufgeteilt (jeder bekommt eine) und verschwinden in der Häuslichkeit. Dass nun im Prinzip jeder Mann mit einer Sexualpartnerin versorgt ist, sorgt weitestgehend für Ruhe und Frieden.

Meike Stoverock beschreibt so in ihrem Buch die geschichtliche Entwicklung unserer heutigen Gesellschaft. Als promovierte Biologin weiß sie aber auch die Prinzipien zu erklären, die der Sexualität der Menschen zugrunde liegen.
In ihrer Beschreibung liegt unheimlich viel Sprengkraft - ihre Analyse ist entlarvend und bestimmt auch eine bittere Pille für manch einen, der gerne am Bekannten festhalten möchte (und sei es nur gedanklich). Aber alle Behauptungen kann sie begründen und erläutern.

Für mich war die Lektüre dieses Buches nicht nur mit einem hohen Erkenntnisgewinn verbunden, sondern auch mit viel Spaß: Dieses Sachbuch ist unterhaltend und humorvoll, denn der Ton der Autorin ist frech und sehr deutlich.

Die Autorin spricht dabei viele wichtige Themen an: Religion, die moderne Lohnarbeit, Mutterschaft und die Rolle der Frau, unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse, hormonelle Verhütung, die Errungenschaften des Feminismus…

Dass der Feminismus schon einige wichtige gesellschaftliche Verbesserungen für Frauen erreicht hat, macht sie genau so deutlich wie sie es in den zeitlichen Kontext zu setzen weiß, dass da noch vieles kommen muss und wird. Dabei fordert sie nicht, dass zum Prinzip der Female Choice zurückgekehrt wird, wie es vor dem Sesshaftwerden des Menschen vorherrschte. Denn sie sagt auch sehr deutlich, dass dieses Prinzip in unserer modernen Zivilisation für Aggressivität und Gewalt sorgen würde.

Im letzten Viertel des Buches versucht Stoverock eines Ausblick zu geben, wie eine Gesellschaft funktionieren kann, in der die Frau eine aktive Rolle hat und selbst über ihre Sexualität bestimmt. Sie nennt dabei einige Ideen - auch, um die potentielle Gewalt abzufedern (die man übrigens heute schon beobachten kann, Stichwort „Incels“). Und diese Vorschläge waren mir größtenteils eher suspekt.

Das ist auch der Grund, warum ich diesem starken und wirklich gut argumentierten Sachbuch nur vier von fünf Sternen geben möchte.

Darüber hinaus lohnt es sich aber sehr, dieses Buch zu lesen, weil es die Gedanken öffnet und Mut macht.

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Veröffentlicht am 06.03.2020

Szenen einer Ehe auf Hornby-Art

Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst
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»Wir fangen an zu reden, jemand sagt was Falsches, und dann reden wir nur noch über dieses Falsche.« (62%)

Tom und Louise sind schon seit einigen Jahren verheiratet, haben gemeinsame Kinder. Nach einem ...

»Wir fangen an zu reden, jemand sagt was Falsches, und dann reden wir nur noch über dieses Falsche.« (62%)

Tom und Louise sind schon seit einigen Jahren verheiratet, haben gemeinsame Kinder. Nach einem Fehltritt Louises gehen sie nun zur Paartherapie, um ihre Ehe zu retten. Sie treffen sich vor jeder Sitzung in einem Pub gegenüber der Therapiepraxis. Worüber sie sich dort unterhalten, erfahren wir im Roman. Zehn Sitzungen, zehn Vorabtreffen im Pub, zehn Kapitel.

Während man am Anfang noch denkt „Lasst es doch lieber, ihr beiden!“, kommt man ganz schnell zu der Einsicht, dass die beiden irgendwie zusammengehören. Was die Zeit eben so aus einer Beziehung macht, das zeigen die Schlagabtäusche der Eheleute sehr deutlich auf. Sehr real und gleichzeitig natürlich zugespitzt. Szenen einer Ehe auf Hornby-Art.

Leider ist die Geschichte so kurz. Kaum ein ganzes Buch. Aber es passt auch irgendwie zu der sehr szenischen, komprimierten Erzählweise.

Ich denke, dass dieses Büchlein sehr schlau ist. Dass es etwas aufzeigt, dass viele Leute in einer langjährigen Beziehung so bestätigen könnten. Und es hat ein schönes, mutmachendes Ende - wenn man das so vorwegnehmen darf…

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