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Veröffentlicht am 22.11.2021

Etwas überzogen und trotzdem spannend

Nichts als Staub
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Im Hamburger Phoenixviertel, welches seit Jahren unter Drogenkriminalität, Bandenkriegen und illegalen Glücksspielen leidet und zudem eine extrem hohe Rate an Alkoholikern aufweist, wird eine Leiche gefunden, ...

Im Hamburger Phoenixviertel, welches seit Jahren unter Drogenkriminalität, Bandenkriegen und illegalen Glücksspielen leidet und zudem eine extrem hohe Rate an Alkoholikern aufweist, wird eine Leiche gefunden, die durch einen Stich ins Herz getötet wurde. Bei dem Toten handelt es sich um Dimitrios Floros, einen Kleinkriminellen, der polizeibekannt war und schon mehrfach im Knast gesessen hat. Die Tatwaffe weist darauf hin, dass es sich hier um das 4. Opfer eines Serienkillers handeln könnte, der mit seinen Bekennerschreiben „Drogen töten!“ auf sich aufmerksam macht.

Alina Grimm, Streifenpolizisten auf dem Hamburger Kiez, und ihr Kollege Bilal Aydin hinterfragen die Tatsache, wieso Dimitrios in Hamburg-Harburg ermordet wurde, wo er seine eignen Geschäfte doch eher in St. Georg abwickelt.

Als sie ihren Kontaktmann treffen möchte, um von ihm Hintergrundinformationen zu bekommen, wird Alina hinterrücks niedergeschlagen und landet im Krankenhaus. Nach 2 Tagen wacht sie aus ihrer Bewusstlosigkeit auf und ist wegen Drogenbesitzes vom Dienst suspendiert. Alina hat keine Ahnung, wer (und warum) ihr diese Drogen untergeschoben haben könnte, es kann jedoch nur eines bedeuten; sie soll ihre Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten stecken.

Doch jetzt beschließt Alina erst recht, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Kann sie den Fall aufklären?

„Nichts als Staub“ ist der erste Fall aus der „Alina Grimm-Reihe“, deren Straftaten und Ermittlungen sich in Hamburg positionieren. Alina ist Streifenpolizistin, ihre eigentliche Berufung sieht sie aber bei der Kriminalpolizei. Wenn ihre persönlichen Umstände andere wären, hätte sie schon lange mit der Ausbildung begonnen Bis ihre große Chance kommt, schiebt sie täglich Streifendienst mit ihrem Kollegen Bilal.
Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus kehrt Alina an den Ort zurück, an dem sie niedergeschlagen wurde und wird dort von Gerwald Arentz angesprochen, einem früheren Freund ihres verstorbenen Vaters. Dieser bietet ihr sowohl finanzielle als auch personelle Unterstützung durch seinen Leibwächter Elias an, damit Alina so schnell als möglich den Täter dingfest machen kann. Alina nimmt das Angebot an.

Gemeinsam mit dem unerschrockenen Elias, der früher als Söldner gearbeitet hat, kommen die Beiden mit ihren Ermittlungen schon recht weit. Aber, um alle Puzzleteile an den richtigen Platz zu bringen, benötigen sie zusätzlich noch die Hilfe von Lennart Dewalt, einem früheren Klassenkameraden von Alina, der in die unterschiedlichsten Verkleidungen schlüpfen kann (und nebenbei per Haftbefehl von der Polizei gesucht wird).

Da es sich um den Auftakt einer Reihe handelt, sind die handelnden Protagonisten noch nicht sehr ausführlich beschrieben. Einerseits bleibt da viel Raum dafür, dass in den Nachfolgebänden immer weitere Informationen einfließen, andererseits führt das dazu, dass die Figuren teilweise noch keine ausreichende Tiefe aufweisen, die den Leser dazu veranlassen, jemanden sympathisch oder unsympathisch zu finden.

Einige der Handlungen sind unrealistisch, andere absolut vorhersehbar, die handelnden Personen sind klischeebehaftet und trotzdem fand ich die Geschichte so spannend, dass ich sie zügig durchgelesen habe.

Für mich handelt es sich jedoch nicht um einen Thriller, ich würde es eher in das Genre Kriminalroman einordnen.

Der Schreibstil des Autors ist – wie ich es schon aus anderen Büchern von ihm kenne – gut zu lesen. Um eine Geschichte rund werden zu lassen, muss ein Autor sich manchmal seiner künstlerischen Freiheit bedienen und hier hat sich Alexander Hartung mehr als einmal daran bedient, was die Story an manchen Stellen hat unglaubwürdig werden lassen – trotzdem hat mich das Buch gut unterhalten.

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Veröffentlicht am 17.10.2021

Sharing Is Caring

Sharing – Willst du wirklich alles teilen?
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Sharing Is Caring

Bettina und Markus Kern sind überzeugt davon, dass es wichtiger denn je ist, die Umwelt und das Klima zu schützen und vorhandene Ressourcen sinnvoll und effektiv zu nutzen. Sie leben ...

Sharing Is Caring

Bettina und Markus Kern sind überzeugt davon, dass es wichtiger denn je ist, die Umwelt und das Klima zu schützen und vorhandene Ressourcen sinnvoll und effektiv zu nutzen. Sie leben nach dem Motto „Sharing Is Caring“ und aus diesem Grund haben sie vor 5 Jahren die Firma „Kern & Kern Carsharing“ eröffnet. Ihr Haupt-Augenmerk liegt auf dem Car-Sharing, sie verfügen aber auch über einige Mietwohnungen.

Als Bettina abends nicht vom Fitness-Center nach Hause kommt, erhält Markus über ihren WhatsApp-Account einen Link, dem er folgen soll. Er landet auf einer Seite im Darknet und sieht seine Frau, nackt und breitbeinig gefesselt, auf einem Stuhl sitzend. Der Entführer setzt ihn telefonisch darüber in Kenntnis, dass über 20.000 online-Kunden (die für die Show natürlich bezahlt haben) gleich sehen werden, wie Bettina „geteilt“ wird. Am nächsten Tag soll Markus seine Frau jedoch wieder zurück bekommen.

Markus bekommt seine Frau zurück – allerdings lebt sie nicht mehr. Und nun beginnt der ganz persönliche Albtraum von Markus Kern, denn am gleichen Tag verschwindet seine 15jährige Tochter Leonie. Auch in ihrem Fall bekommt er vom Entführer einen Link zu einer (kostenpflichtigen) Seite im Darknet, die Leonie-Sharing-Show soll jedoch erst in einigen Stunden beginnen.

Markus hat eine Ahnung, wer sich da an ihm rächen wollen könnte, aber alle Indizien sprechen dafür, dass er selbst seine Frau getötet und seine Tochter entführt hat. Nicht zuletzt deswegen, weil seine Tochter ihn bei der Polizei als Lügner dargestellt hat. Da der Entführer ihm ein Ultimatum gestellt hat und er ein Rätsel lösen muss, um seine Tochter noch vor der offiziellen Sharing-Show im Darknet zu finden, beginnt eine waghalsige Flucht vor der Polizei.

Schafft Markus es, seine Tochter zu retten oder wird auch sie „geteilt“?

„Sharing“ ist das neueste Buch des Thriller-Autors Arno Strobel. Auch dieses Mal greift der Autor – genau wie in „Die App“ oder „Offline„- ein Thema der Zeit auf; Sharing – die Benutzung des gleichen Gegenstandes (Auto/Wohnung/Hund etc.), aus wirtschaftlichen Gründen, durch mehrere Menschen.

Der Schreibstil des Autors ist – wie auch in den anderen Büchern, die ich bisher von ihm gelesen habe – angenehm zu lesen und sehr temporeich. Ich habe das Buch an 2 Tagen gelesen, weil ich wissen wollte, ob der Täter tatsächlich der ist, auf den schon ziemlich weit vorne im Buch hingewiesen wird; wenn ja, was sein Motiv war, wenn nein; wer dann der Täter ist….

Erschreckend finde ich immer wieder, wie schnell man seinen Ruf verlieren kann – vor allen Dingen bei Freunden. Markus steht unter Mordverdacht und ruck zuck wenden sich Menschen von ihm ab, von denen er glaubte, eng mit ihnen befreundet zu sein, oder sie sind sogar Teil seiner Familie. Das ist im echten Leben leider nicht anders als hier in diesem Thriller, der eigentlich der Unterhaltung dient.

In kursiv geschriebenen Kapiteln kann man den Gedanken Leonies folgen, sie erlebt gerade die schrecklichsten Momente ihres Lebens.

Da Arno Strobel den Leser gleich mitten ins Geschehen wirft, konnte ich zu Markus keinerlei Beziehung aufbauen. Ich hätte mir etwas mehr persönlichen Hintergrund gewünscht. Auch der Sharing-Gedanke wird eigentlich nicht weiter ausgeführt, als dass es der Titel des Thrillers ist und Bettinas Peinigung mit mehr als 20.000 Zuschauern im Darknet geteilt wird. Einige Handlungen von Markus sind unrealistisch, einige total vorhersehbar, die Täter-Enthüllung hat mich überrascht, nichts desto trotz hat mich das Buch gut unterhalten.

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Veröffentlicht am 23.08.2021

Sandnerhof/Erlenthal 1952

Ein neuer Horizont
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Der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg ist in Deutschland in vollem Gange, die Not der Nachkriegsjahre ist weitgehend beseitigt und das Leben auf dem Sandnerhof verläuft wieder in geordneten Bahnen.

Hannah ...

Der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg ist in Deutschland in vollem Gange, die Not der Nachkriegsjahre ist weitgehend beseitigt und das Leben auf dem Sandnerhof verläuft wieder in geordneten Bahnen.

Hannah und Melina sind endlich wieder vereint. Melina steht kurz vor dem Abitur und lebt bis dahin weiter bei ihrer Pflegefamilie in München. So oft es möglich ist, hält sie sich jedoch bei ihrer Mutter auf dem Sandnerhof auf, wo sie und David sich wieder etwas annähern.

Hannah trifft auf Lorenz, den Schulleiter von Erlenthal, der ebenfalls schreckliches durchgemacht hat und nach anfänglichen Schwierigkeiten verbringen die Beiden viel Zeit miteinander und dabei heilen sie sich gegenseitig.

Zeitgleich bangt man auf dem Sandnerhof noch immer um den ältesten Sohn Konrad, der aus dem Krieg nicht wieder nach Hause zurückgekehrt ist. Ist er tot oder in einem Kriegsgefangenenlager in Sibirien?

Clarissa Hagen, Peter Hagens Witwe, ist sich sicher, dass der Meinungsumschwung ihres Mannes in den letzten Wochen vor seiner Exekution etwas mit dieser Frau auf dem Foto zu tun hat, welches Clarissa in den Unterlagen ihres Mannes gefunden hat. Sie stöbert in der Vergangenheit ihres Mannes und findet Hannah auf dem Sandnerhof und somit auch Peters Tochter Melina.

Nun lernen sich die Halb-Geschwister Melina und Tristan kennen. Tristan hadert extrem mit der Nazi-Vergangenheit seines Vaters und der Tatsache, dass sie in einer enteigneten Juden-Villa leben.

Jeder einzelne von ihnen hat sein Päckchen zu tragen ….

„Ein neuer Horizont“ ist der 2. und letzte Band der „Eine neue Hoffnung“-Reihe der Autorin Margit Steinborn. Der 1. Teil ist unter dem Namen „Ein neuer Himmel“ erschienen.

Wo mich der 1. Teil dieser Geschichte regelrecht umgehauen hat, hat mich dieser 2. Teil doch etwas enttäuscht zurückgelassen. Auch wenn der Schreibstil der Autorin gleichbleibend angenehm zu lesen ist und auch die handelnden Personen weiterhin detailgetreu beschrieben sind, fehlt mir hier die Spannung, die mich im vorherigen Band hat an den Seiten kleben lassen.

Ich möchte jetzt nicht schreiben, dass mir die „Grausamkeiten“ aus dem 1. Band fehlen, aber es ist immer etwas passiert, was einen durch die Seiten des Buches begleitet hat. In Band 2 geht das Leben aller seinen normalen Weg. Menschen lernen sich kennen, nähern sich (wieder) an, verlieben sich, trennen sich, streiten sich und der Alltag ist wieder eingekehrt.

Es ist schön zu lesen, wie es bei Hanna und Melina weiter geht und wie sich das Leben in der Nachkriegszeit langsam wieder zur Normalität entwickelt. Jeder muss für sich selbst seine Erlebnisse verarbeiten, Konrad ist noch lange in Kriegsgefangenschaft und nach seiner Rückkehr auf den Sandnerhof wird es für ihn sehr sehr lange dauern, bis er wieder zum gewohnten Allgtag zurückfinden kann.

Für mich hätte der 1. Band auch als Einzelband stehen bleiben können, denn die Kriegs-Geschichte von Hanna und Melina war abgeschlossen. Dieser 2. Band hat die Charaktere noch ein wenig weiter wachsen lassen, wäre aber nicht unbedingt notwendig gewesen.

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Veröffentlicht am 17.08.2021

5 Jahre aus dem Gedächtnis verloren

Was wir sehen, wenn wir lieben
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Es sieht alles danach aus, als ob Teresa aus der Discothek „Harry Klein“ gekommen ist und unter Drogen- oder unter Alkoholeinfluss stand. Sie stürzt die Treppe zur U-Bahn hinunter und ist kurze Zeit bewusstlos. ...

Es sieht alles danach aus, als ob Teresa aus der Discothek „Harry Klein“ gekommen ist und unter Drogen- oder unter Alkoholeinfluss stand. Sie stürzt die Treppe zur U-Bahn hinunter und ist kurze Zeit bewusstlos. Als der Sanitäter vor Ort sie nach ihrem Namen fragt, kann sie sich problemlos an diesen erinnern. Sie kann sich jedoch nicht daran erinnern, warum sie eine Tätowierung auf dem linken Handgelenk hat, warum ihr Handy ein iPhone ist, eigentlich hat sie doch ein altes Samsung und warum sie mit der U-Bahn fahren wollte, wo sie doch ein Auto (namens Möhre) hat. Als der Sanitäter sie dann danach fragt, welches Jahr es ist, antwortet Theresa „2014“.

Das Letzte woran sie sich erinnern kann, ist das zufällige Treffen mit ihrem Ex-Freund Henry und die Verabredung, die sie getroffen hatten. Aber das war in Schwabing und wieso befindet sie sich jetzt am Stachus? Teresas Gehirn hat – bedingt durch den Sturz – die Zeit zwischen dem 25. Juni 2014 und Mai 2019 einfach ausgeblendet.

Teresa erkennt nichts mehr wieder – weder ihre Eltern, noch ihre ältere Schwester, ihre teure (Eigentums-)Wohnung ist ihr fremd, mit dem nackten Mann, der bei ihrem Eintreffen unter der Dusche steht, verbindet sie überhaupt nichts, ihre Haarfrisur ist anders als gewohnt und wieso leitet sie eine Kunst-Galerie und arbeitet nicht mehr im Tattoo-Studio?

Fragen über Fragen und Teresa weiß nicht, wie sie mit den ganzen Erinnerungslücken umgehen soll. Sie weiß nicht, warum ihre beste Freundin nicht mehr ihre beste Freundin und warum Henry sauer auf sie ist. Mit Hilfe ihrer Eltern, ihrer Schwester, ihrem „Verhältnis“ Lars und nicht zuletzt Henry, sucht sie Puzzleteil für Puzzleteil zusammen, bis sich irgendwann dann wieder alles zu einem großen Ganzen zusammenfügt.

Es gibt einen Grund, warum Teresas Gehirn genau diese fünf Jahre ausgeblendet hat und nicht vier Jahre, oder sieben.

Teresa Kempf ist 27 Jahre alt und lebt in München. Sie ist Galeristin in der New Art of Munch. Früher zeichnete sie mit großer Leidenschaft und arbeitete in Bennos Tattoo-Studio. Neben dieser Arbeit tätowierte sie an Brustkrebs erkrankten Frauen neue „Brustwarzen“.

Von Henry Bayer weiß ich gar nicht, wie alt er ist. Ich glaube, es wird nicht wirklich erwähnt, oder ich habe es überlesen. Henry hat eine Autowerkstatt in Pasing und restauriert Oldtimer. Teresa und er waren einmal ein Paar, aber aus Gründen, die Henry auch heute noch nicht nachvollziehen kann, hat Teresa die Beziehung von jetzt auf gleich beendet.

Teresa und Henry sind die Haupt-Akteure in dieser Geschichte des sich-wiederfindens. Als Nebencharaktere agieren Sophie, Teresas Schwester, ihre Eltern, Lars (der nackte Mann unter der Dusche), Clara, Theresas Assistentin aus der Galerie und Benno, dem das Tattoo-Studio gehört, in dem Teresa gearbeitet hat.

Die Geschichte wird auf 2 Ebenen erzählt. Im ersten Handlungsstrang begleitet der Leser Teresa im Hier und Jetzt auf ihrer Suche nach Erinnerungen, während im 2. Handlungsstrang Henry Rückblicke auf ihre gemeinsame Zeit gibt.

Ich frage mich, wie ich reagieren würde, hätte ich 5 Jahre meines Lebens aus dem Gedächtnis verloren. Das ist etwas, was ich mir gar nicht vorstellen möchte, trotzdem könnte es – bei einem entsprechenden Vorfall/Unfall – jederzeit passieren.

Teresa tut mir leid. Sie versucht Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, die Gefragten reagieren mitunter schroff und ablehnend und Teresa hat keine Ahnung, warum das so ist. Ihr fehlen die letzten 5 Jahre Erinnerung – dem jeweiligen Gegenüber nicht, und das macht die Sache für beide Seiten sehr schwer.

Nur weil Teresa mir leid tut, bedeutet das aber nicht automatisch, dass ich sie auch sympathisch finde. Das tue ich nämlich nicht. Ich kann noch nicht einmal beschreiben, warum das so ist, aber ich habe tatsächlich ein paar Seiten lang überlegt, ob ich das Buch überhaupt fertig lesen möchte. Erst als Henry auf der Bildfläche erscheint und die Story durch seine Rückblicke an Tiefe gewinnt, kann ich mich auf diese Geschichte einlassen. Henry ist charmant, witzig und überaus sympathisch.

Auch kann man Teresas Eltern bzw. ihre Mutter witzig finden, ich fand sie einfach nur peinlich und auch die WhatsApp-Korrespondenzen zwischen Teresa und ihrer Assistentin Clara, die aufgrund der immer wieder zuschlagenden Autokorrektur von Claras Handy jeglichen Sinn verloren haben, konnten mir noch nicht einmal ein Schmunzeln entlocken. Humor ist ja – Gott sei Dank – individuell verschieden.

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm und flüssig zu lesen und nachdem ich mich auf die Geschichte einlassen konnte, habe ich das Buch auch sehr schnell beendet. Es hat mich berührt, wie Teresa nach und nach die Zusammenhänge herstellen konnte, ihr Gehirn hat da eine sehr sehr schmerzliche Sache ausgeblendet, aber ich kann es nicht nachvollziehen, dass Teresa tatsächlich deswegen allen Menschen in ihrem Umfeld vor den Kopf gestoßen hat.

Leider konnte mich die Geschichte emotional nicht mitreißen, trotzdem hat es mich nicht kalt gelassen was Teresa passiert ist und wie sie mit der Situation umzugehen versucht.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Der Zustand der Straße muss immer berücksichtigt werden

Das Leben ist zu kurz für irgendwann
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Terry möchte ihren dementen Vater im Pflegeheim „Sonnenschein“ besuchen und anschließend ihrer besten Freundin Iris einen Geburtstagskuchen vorbeibringen – sie weiß noch nicht, dass dieser Tag alles in ...

Terry möchte ihren dementen Vater im Pflegeheim „Sonnenschein“ besuchen und anschließend ihrer besten Freundin Iris einen Geburtstagskuchen vorbeibringen – sie weiß noch nicht, dass dieser Tag alles in ihrem Leben verändern wird.

Im Pflegeheim „Sonnenschein“ gibt es einen Schädlingsbefall, weswegen Terry kurzerhand entscheidet, dass sie ihren Vater vorübergehend bei sich zu Hause aufnimmt. Der Kammerjäger sollte in einer Woche mit seiner Arbeit fertig sein und dann kann Eugene wieder in seine gewohnte Umgebung zurück. Demenzpatienten vertragen es nicht so gut, wenn man sie aus ihrem Umfeld herausreißt.

Auf dem Weg nach Hause möchte Terry noch einen Überraschungsbesuch im Yoga-Zentrum machen, in dem ihre Freundin Iris zu ihrem 58. Geburtstag einen Yoga-Kurs gebucht hat. Bevor sie losfährt, ruft sie sicherheitshalber im Yoga-Zentrum an und erfährt, dass keine Anmeldung von einer Iris Armstong vorliegt und nie vorgelegen hat. Zu Hause ist Iris auch nicht anzutreffen. Terry vermutet, dass Iris etwas passiert sein muss und sie dringt mit dem Ersatzschlüssel ins Haus ein. Sie findet das Haus in allen Zimmern aufgeräumt und leer vor. In einem an sie adressierten Brief, den sie auf dem Laptop findet, erklärt Iris ihr, dass sie in die Schweiz reist, um dort die Möglichkeit der Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen.

Iris hat Multiple Sklerose in einer aggressiven Form und sie möchte handeln, bevor sie selbst im späteren Verlauf ihrer Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, handeln zu können.

Auf dem Laptop findet Terry die Reisebuchung der Fähre von Dublin (Irland) nach Holyhead (Großbritannien) und glücklicherweise hat diese noch nicht abgelegt. Mit ihrem Vater im Auto rast sie nach Dublin zum Fähranleger um Iris zur Rede zu stellen und dazu zu bewegen, ihren Plan aufzugeben. Iris lässt sich jedoch nicht umstimmen und Terry lässt sich nicht abwimmeln ……. so beginnt die Reise von Terry, ihrem dementen Vater Eugene und ihrer kranken Freundin Iris, die sie gemeinsam bis nach Zürich in der Schweiz führt, wo Iris in einem dafür vorgesehenen Spital ihre Sterbehilfe gebucht hat.



Der Klappentext des Buches verrät schon die ganze Geschichte, von daher kann man sich als Leser voll und ganz auf die Geschehnisse einlassen und Iris, Terry und Eugene auf ihrer Reise begleiten. Das Buch wurde von Sibylle Schmidt übersetzt, es umfasst 384 Seiten, aufgeteilt in 34 Kapitel, die jeweils mit einer Fahrschul-Regel überschrieben sind, ein Tribut an Terrys Vater Eugene, der früher Taxi gefahren ist. Die Regel hat aber auch immer einen Bezug zum aktuellen Kapitel.

Es geht in diesem Buch gar nicht um Iris und ihre MS, sondern um Terry und ihre Erkenntnisse über ihr eigenes Leben. Auf der Reise mit ihrem dementen Vater und ihrer kranken Freundin erkennt sie, dass sie bisher nur funktioniert hat. Ihre Ehe mit Brendan, ihre beiden Töchter, ihr ganzes Leben folgt einem Plan, den sie selbst aufgestellt hat. Niemals wäre sie spontan verreist, weswegen die Tatsache, dass sie Hals über Kopf eine Autofahrt über 1.600 km antritt, am meisten sie selbst schockiert. Durch die anfänglichen Telefonate mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern bekommt sie ein schlechtes Gewissen – aber sie wird um nichts in der Welt ihre Freundin im Stich lassen, weswegen sie die Anrufe ihrer Familie mehr oder weniger ignoriert und beginnt, ihr bisheriges Leben zu hinterfragen. Für sie ist es schon ein Meilenstein im Leben, dass sie auf einer Autobahn statt auf der Landstraße fährt und in einem ihr fremden Land auch noch auf der verkehrten Straßenseite. An solchen Dingen wächst Terry und in Zürich angekommen ist sie nicht mehr die Terry, die vor 4 Tagen in Dublin gestartet ist.

Iris ist eine toughe Frau. Sie hat Multiple Sklerose in einer aggressiven Form und bevor ihr die Krankheit ihre Handlungsfähigkeit raubt, möchte sie selbst ihrem Leben ein Ende setzen. Auch in Irland ist es nicht erlaubt Sterbehilfe zu leisten, weswegen sie sich einen Platz in einem Spital in der Schweiz gebucht hat, um dort zu sterben. Ihre Freundin Terry lässt sich jede Menge einfallen um sie von ihrem Plan abzuhalten, aber Iris ist fest entschlossen das durchzuziehen. Sie ist nicht begeistert davon, dass Terry sie begleitet, eigentlich findet sie das Verhalten ihrer Freundin mehr als übergriffig, aber da sie sich nicht abwimmeln lässt, nimmt Iris den Komfort an, den ihr die Reise im PKW bietet.

Eugene Keogh, Terrys dementer Vater, ist ungewollt und ungeplant in einen Road-Trip reingeraten, den seine Tochter mit ihrer Freundin macht. Bei seiner Figur bin ich sehr gespalten mit meiner Meinung. Auf der einen Seite muss ich schmunzeln bei seinen Geschichten, an die er sich erinnert, auf der anderen Seite finde ich es teilweise entwürdigend, was er auf der Reise alles über sich ergehen lassen muss. Ein Gutes hat die Sache jedoch, Terry kommt auch ihrem Vater wieder etwas näher. Sie kümmert sich um seine Körperpflege und muss rund um die Uhr auf ihn aufpassen, etwas, was ihr durch die Pflegekräfte im „Sonnenschein“ bisher abgenommen wurde.

Der Schreibstil der Autorin ist durchgehend angenehm zu lesen, die Geschichte wird aus der Sicht von Terry in der Ich-Form erzählt. Die Autorin hat hier gleich mehrere Themen miteinander verwoben: Demenz, Multiple Sklerose und Sterbehilfe. Wie würde man selbst an Iris‘ Stelle mit der Krankheit umgehen? Ich für meinen Teil habe Iris‘ Entscheidung als für zu früh empfunden, aber das ist subjektiv, denn ich leide nicht unter dieser Krankheit und kann ihre Gedanken somit nicht nachvollziehen. Gleichwohl kenne ich 2 Menschen mit MS, die beide an unterschiedlichen Stadien dieser Krankheit angekommen sind und keiner möchte bisher sein Leben beenden.

Die Geschichte hat mich an einigen Stellen nachdenklich werden lassen, an anderen Stellen empfand ich die Geschehnisse als deutlich zu überzogen. Der Schreibstil der Autorin ist durchgehend angenehm zu lesen, den Charakteren fehlt meiner Meinung nach aber etwas Tiefe, denn weder Iris noch Terry haben mich wirklich berühren können. Mr. Keogh, um den es aber eigentlich nur nebenbei ging, konnte mich da schon mehr ansprechen.

Auch wenn es in dieser Geschichte kein Happy End gibt, so gibt es doch die Erkenntnis, dass man sein Leben – auch (oder gerade) als Ehefrau und Mutter – nicht ausschließlich auf die Familie ausrichten soll, denn „Das Leben ist zu kurz für irgendwann“.

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