Cover-Bild Identitti
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser, Carl
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 432
  • Ersterscheinung: 15.02.2021
  • ISBN: 9783446269217
Mithu Sanyal

Identitti

Roman
„Was für eine gnadenlos witzige Identitätssuche, die nichts und niemanden schont. Man ist nach der Lektüre nicht bloß schlauer – sondern auch garantiert besser gelaunt.“ (Alina Bronsky) - Auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2021

Was für ein Skandal: Prof. Dr. Saraswati ist WEISS! Schlimmer geht es nicht. Denn die Professorin für Postcolonial Studies in Düsseldorf war eben noch die Übergöttin aller Debatten über Identität – und beschrieb sich als Person of Colour. Als würden Sally Rooney, Beyoncé und Frantz Fanon zusammen Sex Education gucken, beginnt damit eine Jagd nach „echter“ Zugehörigkeit. Während das Netz Saraswati hetzt und Demos ihre Entlassung fordern, stellt ihre Studentin Nivedita ihr intimste Fragen. Mithu Sanyal schreibt mit beglückender Selbstironie und befreiendem Wissen. Den Schleudergang dieses Romans verlässt niemand, wie er*sie ihn betrat.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.10.2021

Mithu Sanyal - Identitti

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Für Nivedita ist ihre Professorin Dr. Saraswati die Erleuchtung. Endlich jemand, der sie versteht, der ihr die Augen öffnet und zu der Identität verhilft, die sie schon so lange gesucht hat. Mit einem ...

Für Nivedita ist ihre Professorin Dr. Saraswati die Erleuchtung. Endlich jemand, der sie versteht, der ihr die Augen öffnet und zu der Identität verhilft, die sie schon so lange gesucht hat. Mit einem indischen Vater und einer polnischen Mutter war sie nie richtige Deutsche und nie die typische Ausländerin. In ihrem Studium der Postcolonial Studies nun werden Rassismus, Othering und auch Identität greifbar für sie. Doch dann der Schock: Professor Saraswati ist weiß. Sie hat sich ihre Rasse nur konstruiert, sie identifiziert sich selbst als Person of Colour, dabei ist sie nichts dergleichen. Der Internet Shitstorm lässt nicht lange auf sich warten, aber Nivedita ist noch nicht so schnell fertig mit ihr.

Mithu M. Sanyals Roman greift ein aktuelles Thema auf, was mit ein Grund für die Nominierung auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis sein dürfte. Stärker jedoch als die thematische Relevanz erscheint mir der lockere Erzählton, der fantastisch zur Protagonistin passt, bisweilen etwas rotzig und doch in der Sache präzise und genau den Nerv der Zeit treffend. Die beiden Frauen, die junge Studentin wie auch die Professorin, bilden interessante Gegensätze, die der Handlung eine besondere Note verleihen.

Nivedita hat zeitlebens ihren Platz gesucht. Bei ihrer Cousine Piti in England ist die Lage einfach, die indische Community ist groß, wird als solche wahrgenommen und ist klar definiert. Mit nur einem indischen Elternteil und keiner weiteren Verwandtschaft in der Nähe ist Nivedita im Gegensatz etwa zu den türkischen Mitschülerinnen weniger offensichtlich einzuordnen, mit der relativ hellen Haut eher etwas wie „Ausländerin light“, was sich vor allem dadurch auszeichnet, dass ihr direkte Anfeindungen und Rassismus erspart bleiben. Dies macht es jedoch nicht leichter für sie, sich selbst zu identifizieren, denn es gibt für sie wahrnehmbare Unterschiede ohne dass sie in eine der verfügbaren Schubladen passen würde.

Die Professorin hat sich ihre eigene Identität geschaffen, eine Transition von weiß zu PoC erlaubt ihr den Marsch durch die Institution und große Popularität unter den Studierenden. Die Enttäuschung ist groß, noch größer ist jedoch die Frage: darf sie das? Kann Rasse fluide sein wie das Geschlecht? Und: wer hat das Definitionsrecht hierüber?

Interessanterweise ist der Weg in diesem Fall weg von der privilegierten hin zur benachteiligten Identität, was vieles geradezu auf den Kopf stellt. Ihre Anhänger fühlen sich betrogen, man hat sie nicht nur ihres Idols beraubt, sondern auch der Illusion für die eigene Identität zu stehen und dennoch eine Karriere zu haben.

Der Autorin gelingt der Spagat zwischen der Internetsprache, die geschickt untergemischt wird, und dem akademischen Diskurs hervorragend. Aktuelle Fakten und Ereignisse werden ebenso nebenbei eingebaut wie sie strukturellen Rassismus offenlegt. Wenn engagierte Literatur etwas erreichen will, dann so. Ein lockerer Ton bei ernsthafter Thematik, auch mal lustig und dadurch, dass alles gegen bekannte Narrative läuft, nicht verletzend, sondern eher das Denken in bekannten Mustern störend und dadurch neue Denkwege erlaubend. Dieser Roman wäre wahrlich ein würdiger Kandidat für den diesjährigen Buchpreis.

Veröffentlicht am 29.07.2021

Superbuch

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Die indische Starprofessorin Saraswati, die in Düsseldorf den Lehrstuhl für Postkoloniale Studien innehat, wird als ursprünglich als weiße Frau geborene Deutsche geoutet, die sich umgemodelt hatte. Ihre ...

Die indische Starprofessorin Saraswati, die in Düsseldorf den Lehrstuhl für Postkoloniale Studien innehat, wird als ursprünglich als weiße Frau geborene Deutsche geoutet, die sich umgemodelt hatte. Ihre ganze Credibility scheint in sich zusammenzubrechen. Tut sie das wirklich? Kann eine weiße Frau mit ihrer Identität und race spielen? Oder ist das kein Spiel sonder ein Art Wahn? Ihre Studentinnen, die größtenteils People of Colour sind, nehmen Sariswati zusammen mit den Medien auf dem 400-seitigen Roman auseinander.

Ein die eigenen Gedanken äußerst anregendes Buch, das unter anderem die Konzepte von race, Identität und Gender dekonstruiert, neu zusammensetzt, wieder dekonstruiert, wieder neu zusammensetzt usw. Dabei werden viele Nuancen, Ideen und aktuelle Diskussionen geschickt in den Text eingeflochten, ohne dass der rote Faden, zum Beispiel die eigentliche Story, ganz aus dem Blickfeld verschwindet. Das ist vielleicht der einzige negative Kritikpunkt, den ich hier aufführen muss: Eventuell ist das Buch teilweise etwas überladen mit Konzepten, Gedankenexperimenten und akademischen Streitgesprächen. Viel mehr hätte es nach meiner Ansicht nicht ertragen, da sonst der Rahmen eines gut lesbaren Romans eindeutig gesprengt worden wäre. Was sehr schade gewesen wäre, da die Themen des Buches brandaktuell sind und unbedingt auch auf diese Weise öffentlich wahrgenommen werden müssen. Jedenfalls steckt in diesem Buch enorm viel Herzblut. Und das merkt man als Leserin. Und das ist auch gut so. Ein sehr engagiertes Buch.

Fazit: Sehr anregende Lektüre - dieses Buch ist eine Herzensangelegenheit und sollte möglichst viele Leser
innen erhalten.

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Veröffentlicht am 15.06.2021

Ein kluger und irrsinnig wichtiger Roman über Rassismus und Identität, mit Gefühl und Charme erzählt.

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Beschreibung

Nivedita ist sechsundzwanzig Jahre alt und studiert in Düsseldorf bei Prof. Dr. Saraswati Postcolonial Studies. Endlich scheint für Nivedita, die selbst eine Person of Colour ist, alles Sinn ...

Beschreibung

Nivedita ist sechsundzwanzig Jahre alt und studiert in Düsseldorf bei Prof. Dr. Saraswati Postcolonial Studies. Endlich scheint für Nivedita, die selbst eine Person of Colour ist, alles Sinn zu ergeben. Doch als herauskommt, dass Saraswati weiß ist und sich ein Skandal inklusive Shitstorm in den sozialen Medien losbricht, ist Nivedita am Boden zerstört. Sie will Antworten und holt sich diese direkt bei ihrer ehemaligen Professorin.

Meine Meinung

Mithu Sanyal legt nach ihren erfolgreichen Sachbüchern »Vulva. Das unsichtbare Geschlecht« und »Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens« mit »Identitti« ihren ersten Roman vor und wagt sich sogleich auf ein heißes Brett um die gesellschaftlichen Debatten über Rassismus und Identitätspolitik.

Auch, wenn man selbst keine Person of Colour ist, fällt es leicht Mithu Sanyal zu folgen, die Probleme zu verstehen, die Nivedita alleine aufgrund ihrer Herkunft, polnische Mutter und indischer Vater, seit frühester Kindheit begleiten. Ausgrenzung wird schmerzlich bewusst gemacht, als die achtjährige Nivedita bei einem Besuch ihrer Cousine Priti in England von den anderen Kindern als »Coconut« – außen braun und innen weiß – verlacht wird.

Sanyal versteht es die gesellschaftlichen Begriffe von Race, Hautfarbe und dem historischen Erbe aus der Kolonialzeit aufzubrechen und an den wirklich wichtigen Fragen zu rühren. Das alles auf eine aufrüttelnde Art und Weise, die die Gehirnwindungen in einer wilden Karussellfahrt ordentlich durchspülen.

Anhand der Demontage von Niveditas Professorin Saraswati, die sich durch eine Hormonbehandlung die Identität einer Person of Colour übergestülpt hat, bricht ein Sturm über der jungen Frau zusammen, denn was ist, wenn wir uns von den verhärteten Betrachtungen lösen müssen und Identität als genauso wandelbar wie das Geschlecht ansehen sollten? Schließlich sind wir unter unserer Haut, egal welche Farbe diese trägt, doch alle gleich.

»Identitti« wäre allerdings nicht halb so unterhaltsam, wenn die skurrilen Zwiegespräche zwischen Nivedita und ihrer imaginären Gesprächspartnerin Kali, einer indischen Göttin mit mehreren Armen, die die Köpfe ihrer Feinde als Gürtel trägt, beigemengt worden wären. Diese Intermezzos sind erfrischend und lockern die aufgeheizte Geschichte spürbar auf. Interessant ist natürlich auch, dass Nivedita sich gerade Kali erwählt hat, die in der indischen Mythologie als todbringende Macht bekannt ist.

Fazit

Ein kluger und irrsinnig wichtiger Roman über Rassismus und Identität, mit Gefühl und Charme erzählt.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 21.03.2021

Veröffentlicht am 20.04.2021

Tiefgründig, humorvoll und manchmal hochgradig frustrierend

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Nachdem ich das Buch fertig gelesen und zugeklappt habe, fragte mein Mann mich: "Und?" Eine normale Frage, immerhin interessiert er sich für Bücher und was ich lese. Nur fehlten mir die Worte - und das ...

Nachdem ich das Buch fertig gelesen und zugeklappt habe, fragte mein Mann mich: "Und?" Eine normale Frage, immerhin interessiert er sich für Bücher und was ich lese. Nur fehlten mir die Worte - und das Gefühl habe ich jetzt auch immer noch ein wenig. Gerne würde ich jetzt wie Nivedita Kali um Rat fragen.

Nivedita, also mehr oder weniger der Hauptcharakter, ist größtenteils recht blass und auch wenn sie Fragen stellt, beharrt sie selten auf eine Antwort. Und doch... Auch wenn wir sehr wenig gemeinsam haben, konnte ich mich ein wenig in ihrer Ohnmacht und Unsicherheit.

Saraswati war für mich manchmal einfach unbegreiflich und frustrierend. Und doch irgendwie total faszinierend.

Die anderen Charaktere sind nettes Beiwerk, ein bisschen beliebig, aber absolut passend und machen die Sache lebendig. Außer Raji natürlich, der eine wichtige Rolle spielt, aber ich will nicht spoilern.

Ich hatte ein bisschen befürchtet, dass mir das Thema zu trocken ist oder zu viel mit dem Finger auf irgendetwas gezeigt wird. Aber es ist wirklich humorvoll, gut zu lesen (Englischkenntnisse sind klar von Vorteil) und schwebt nicht mahnend über dem Thema. Im Gegenteil, manchmal hat man das Gefühl, in der Meinungsbildung alleingelassen zu werden um danach festzustellen, dass (fast) jede Antwort ihre Berechtigung hat.

Das Buch hat zum Nachdenken angeregt, war manchmal schräg, manchmal nervenaufreibend und ich habe nahezu jede Sekunde genossen.

Mermaids of the World unite. Und Mithu? I love you, too.

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Veröffentlicht am 03.04.2021

Eine Frage der Identität?

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Schon immer weiß Nivedita nicht so richtig, wo sie hingehört. Als Tochter einer Polin und eines Inders lebt sie in Düsseldorf und studiert Postcolonial Studies bei der berühmten (und berüchtigten) Professorin ...

Schon immer weiß Nivedita nicht so richtig, wo sie hingehört. Als Tochter einer Polin und eines Inders lebt sie in Düsseldorf und studiert Postcolonial Studies bei der berühmten (und berüchtigten) Professorin Saraswati. In ihr hat Nivedita ein Vorbild gefunden, an dem sie sich orientieren kann und das ihr eine Identität gibt. Doch dann der Skandal: Saraswati hat mit Indien gar nichts zu tun. Sie ist auch keine PoC (=Person of Colour), sondern weiß. Nivedita ist am Boden zerstört. Warum hat Saraswati sie angelogen? Und was bedeutet das nun für Saraswatis Lehren und Niveditas eigene Identität? Wütend macht sie sich zu Saraswatis Wohnung auf, um sie zur Rede zu stellen.

„Identitti“ ist ein außergewöhnliches Buch – das zeigt eigentlich schon ein Blick auf das Cover. Das stellt übrigens die Göttin Kali dar und schlägt damit einen Bogen zum Inhalt. Immer, wenn Nivedita nicht weiter weiß, begibt sie sich in einen Dialog mit ihr. Auch auf ihrem Blog, den sie als „Identitti“ betreibt, finden diese Gespräche ihren Platz. Der Sprachstil des Romans ist dabei durchaus anspruchsvoll; die Autorin geizt nicht mit Fremdwörtern und Fachbegriffen aus dem Bereich der Rassimus- und Identitätsforschung. Trotz allem kommt dabei aber auch der Humor nicht zu kurz.

Zentrales Thema des Buches ist sicherlich die Frage nach der eigenen Identität. Die Person, die diese Diskussion auslöst, ist dabei nicht einfach zu greifen. Saraswati ist selbstgefällig und arrogant, unerträglich klug und wortgewandt. In ihren Wortgefechten mit Nivedita fragt man sich unweigerlich: „Aber hat sie nicht vielleicht recht?“ Es werden die unterschiedlichsten Fragen aufgeworfen, so zum Beispiel, wann man sich eigentlich einer gewissen Identität zugehörig fühlen darf. Nur als Geburtsrecht? Ändert die Staatsangehörigkeit etwas? Und wieso ist es in Ordnung, sich einen anderen biologischen Geschlecht zugehörig zu fühlen, nicht aber einer anderen Kultur?

Auf all diese Fragen gibt der Roman keine Antworten, sondern lässt durch seine Charaktere und eine fiktive Diskussion in den (sozialen) Medien ein Nebeneinander von Meinungen entstehen. Dabei arbeitete die Autorin übrigens mit realen InfluencerInnen und JournalistInnen zusammen und bat sie, zu diesem fiktiven Diskurs einen Tweet oder Artikel zu verfassen, was der Handlung noch einmal Nachdruck verleiht. Die Antworten auf all die Fragen muss man als LeserIn schließlich selbst finden oder vielleicht gibt es hier auch gar kein „richtig“ oder „falsch“? Unbedingt lesen!

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