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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.05.2021

Spannend, unterhaltsam und sehr berührend

Lange Schatten über der Côte d'Azur
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Wen dieser Krimi nicht berührt, der leidet an Empathie-Losigkeit. Christine Cazon verbindet in “Lange Schatten über der Côte D’Azur” einen Mordfall mit französischer Geschichte.

Nicht allzu weit in der ...

Wen dieser Krimi nicht berührt, der leidet an Empathie-Losigkeit. Christine Cazon verbindet in “Lange Schatten über der Côte D’Azur” einen Mordfall mit französischer Geschichte.

Nicht allzu weit in der Vergangenheit gräbt sie hier, aber an ganz neuralgischen Punkten. Wie ging Frankreich, Südfrankreich zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, mit seiner jüdischen Bevölkerung um? Ja, die “Résistance” wurde weit über den Krieg hinaus bekannt und dafür lassen sich viele noch immer gerne feiern, aber gab es auch andere Seiten der selben Medaille?

Kommissar Léon Duval hinterfragt durch seine Ermittlungen auch das Gewissen Frankreichs und - da erst kürzlich in Europa ein Festtag zum Ende des Zweiten Weltkriegs begangen wurde - das aller Leser.

Die spannenden Ermittlungen werden durch lehrreiche Momente ebenso ergänzt wie durch sehr emotionale. Natürlich sind die Personen im Buch fiktiv, aber sie teilen ihr Schicksal mit abertausenden, mit vielen ganz realen Familien, mit Juden, die überlebten. Durch einen erneuten Schicksalsschlag bietet sich ihnen die Möglichkeit, plötzlich Details aus der Familienhistorie kennenzulernen, die für immer verloren geglaubt waren.

Auch wenn Duval, gemeinsam mit seinen Kollegen und seiner Partnerin, den Fall innerhalb der 300 Buchseiten auflösen kann, spürt man als Leser fast körperlich, wie das Erfahrene noch lange darüber hinaus in ihm wirken wird. Wir können die Geschichte nicht wiedergutmachen, nicht ungeschehen machen. Aber wir können jeden Tag Lehren daraus ziehen und uns nicht zu unreflektierten Aussagen und Handlungen verleiten lassen.

Veröffentlicht am 04.05.2021

Unterhaltung, die nachdenklich macht

Die Toten vom Gare d’Austerlitz
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Hier stimmt einfach alles. Umschlag und -text umfassen den wunderbaren historischen Krimi von Chris Lloyd optimal. Lloyds Recherche und Gespür für Atmosphäre machen die Geschichte rund um den fiktiven ...

Hier stimmt einfach alles. Umschlag und -text umfassen den wunderbaren historischen Krimi von Chris Lloyd optimal. Lloyds Recherche und Gespür für Atmosphäre machen die Geschichte rund um den fiktiven Inspecteur Édouard Giral (leider am Umschlag falsch geschrieben) lebendig und beklemmend.

Wir folgen Giral von 14. bis 23. Juni 1940 durch Paris. Seine hartnäckige Art und dass er das Herz am rechten Fleck hat, sind gleichermaßen bewundernswert wie beängstigend. Er stellt sich allen Hindernissen mutig in den Weg und im Paris zu Beginn der deutschen Besatzung gab es unendlich viele davon.

Man könnte vermuten, dass die eine oder andere Leiche, ein Toter mehr, ein Selbstmord da, keine große Rolle spielten zu dieser Zeit. Für viele war das so, aber ein paar wenige sahen das anders. So auch Giral. Er macht keinen Unterschied nach Glaube, Rasse oder Ansehen.

Vier Polen werden grausam ermordet und trotz fehlender Unterlagen und vieler zu Fuß zurückgelegter Kilometer, schwierigen Ermittlungen bleibt er letztlich immer an diesem Fall dran. Durch die Figur des Inspecteurs und jene, die er trifft, zeigt Chris Lloyd viele verschiedene Facetten und Typen auf.

Der alleinlebende Mann und Vater, Soldat im ersten Weltkrieg, traumatisiert und nach der Rückkehr ohne psychologische Beratung geblieben. Die verschiedenen Deutschen: regimetreue Gestapo-Schergen, nationalistische Führer-Kritiker oder Kollaborateure. Journalisten, Flüchtlinge, Deserteure, alle aus diversen Ländern, … in Paris traf sich auf gewisse Weise die halbe Welt.

In “Die Toten vom Gare D’Austerlitz” spielen Fiktion und Tatsachen einander in die Hände, der Krimi unterhält und vermittelt gleichzeitig Begebenheiten, die wir nie vergessen sollten.

Veröffentlicht am 13.04.2021

Historisch, packend, authentisch

Teufelsberg (Wolf Heller ermittelt 2)
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Lutz Wilhelm Kellerhoff lässt den Berliner Kommissar Wolf Heller nach “Die Tote im Wannsee” erneut ermitteln. Wir schreiben das Jahr der Mondlandung, Kommunen sind immer noch attraktiv und gleichzeitig ...

Lutz Wilhelm Kellerhoff lässt den Berliner Kommissar Wolf Heller nach “Die Tote im Wannsee” erneut ermitteln. Wir schreiben das Jahr der Mondlandung, Kommunen sind immer noch attraktiv und gleichzeitig missbilligt und zwischen rechts und links scheint nicht viel Platz zu sein.

Da hinein drängen möchte sich der Kreml, dem West-Berlin ein Dorn im kommunistischen Auge ist. Die Situation der Deutschen, der Berliner ist nicht gerade einfach: Noch deutlich belastet von den NS-Verbrechen, gespalten durch die Mauer und uneins auf welcher Seite man im Konflikt um Israel stehen soll.

In “Teufelsberg” startet Heller mit einem “einfachen Mordfall”, der sich als Startschuss einiger minutiös geplanter und nicht ganz ideal gelaufener Aktionen gegen die stabile West-Berliner Führung herausstellt. Wolf Heller lässt nicht locker und findet beinahe zu spät heraus, was genau wie zusammenhängt. Kann auch er morden, wenn es drauf ankommt?

Die drei Autoren Martin Lutz, Sven Felix Kellerhoff und Uwe Wilhelm flechten ihren spannungsgeladenen Krimi-Plot wieder gekonnt in das so aufwühlende Zeitgefüge ein. Durch Kleinigkeiten und viel musikalischen Background führen sie den Leser in die damalige Zeit. Auch als jüngerer Leser fühlt sich das authentisch an.

Neben Heller treffen wir auch einige bekannte Figuren wieder, dennoch ist es kein absolutes Muss, den ersten Band vorher zu lesen.

Veröffentlicht am 19.03.2021

Kann eine Bombe einen Cold Case aufklären?

Blutnebel
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Erneut trägt die Zusammenarbeit zwischen Thomas Enger (Henning Juul-Reihe) und Jørn Lier Horst (William Wisting-Reihe) Früchte. ”Blutnebel” ist der gelungene Band 2 mit mit Polizist Alexander Blix und ...

Erneut trägt die Zusammenarbeit zwischen Thomas Enger (Henning Juul-Reihe) und Jørn Lier Horst (William Wisting-Reihe) Früchte. ”Blutnebel” ist der gelungene Band 2 mit mit Polizist Alexander Blix und Journalistin Emma Ramm.

Die beiden verbindet eine Geschichte, die hier allerdings kaum mehr thematisiert wird. Die Bände sind gut unabhängig voneinander zu lesen, Wer speziell viel zu den beiden Protagonisten erfahren will, sollte “Blutzahl” zuerst lesen.

Die Fortsetzung zeichnet sich erneut durch eine wohldurchdachte Krimi-Handlung und mehrere Erzählstränge aus, die am Ende alle zusammenfinden. Ein bisschen Action und den erwartbaren Showdown am Schluss gibt es auch.

Blix hat es diesmal mit einem Attentat zu tun, das ihn letztlich auch zu einem Cold Case bringt und entscheidende Hinweise zur Klärung liefert. Die Stärke von “Blutnebel” ist für mich auch, dass Ramm und (vor allem) Blix hier weniger persönlich involviert sind als im Vorgängerband. Das ermöglicht einen stärkeren Fokus auf die Ermittlerarbeit.

Zudem profitiert die Geschichte davon, dass weniger Privates geklärt werden muss, weil das meiste davon schon in “Blutzahl” eingeflossen ist. Ein Oslo-Thriller für alle Fans der skandinavischen Spannungsliteratur, so gekonnt aufgebaut wie ein Verhör durch Alexander Blix.

Und wer nicht genug bekommen kann: Band 3, “Bluttat” soll im Oktober 2021 erscheinen.

Veröffentlicht am 01.05.2021

Küstenflair und Mordgelüste

Nordwesttod
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Die am Cover erwähnte “Soko St- Peter-Ording” darf man nicht wortwörtlich erwarten, denn dieser Norddeutschland-Krimi ist viel ruhiger und familiärer aufgebaut. Anna Wagner tritt als Sonderermittlerin ...

Die am Cover erwähnte “Soko St- Peter-Ording” darf man nicht wortwörtlich erwarten, denn dieser Norddeutschland-Krimi ist viel ruhiger und familiärer aufgebaut. Anna Wagner tritt als Sonderermittlerin für Vermisstenfälle in das Leben der eher Beschaulicheres gewöhnten Polizisten der Halbinsel-Gemeinde St. Peter-Ording in der Nordsee.

Wagner kommt zudem aus München und so gibt ein ein paar kleine schöne Momente mit Sprachverwirrung und mit dem allgegenwärtigen “Moin” tut sie sich auch schwer. Sie ermittelt, weil eine junge Frau, Nina Brechtmann, nach ihrem Urlaub von Arbeitskollegen vermisst gemeldet wurde.

Doch Anna Wagner ist nicht die einzige Neue, zeitgleich bekommt die örtliche Polizeistation auch noch einen neuen Chef. Ziemlich viel für die idyllische Gemeinde, die aber auch viele Touristen anzieht.

Gekonnt verbindet Svea Jensen ihre Krimigeschichte mit den örtlichen Gegebenheiten (es gibt auch eine Karte im Umschlaginneren) und den Themen, die die Region tatsächlich bewegen. Die Problematik um Hotels, neue Bauten und den Tourismus gibt es tatsächlich. Zudem fängt die Autorin die Atmosphäre gut ein.

“Nordwesttod” ist der erste Fall für Anna Wagner und genauso wie die Figur gerne in St. Peter Ording bleiben möchte, freut man sich auch als Leser schon auf weitere Geschichten. Der viel zitierte “Urlaub zwischen den Buchdeckeln” darf gerne in die Verlängerung gehen. Die erste Fortsetzung, “Nordwestzorn” sollte im Mai 2021 erscheinen, wurde aber verschoben.

Svea Jensen ist ein Pseudonym von Angelika Svensson.