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Veröffentlicht am 23.02.2022

Sprachlich ungemein gelungene Erzählungen von den nicht so sonnigen Seiten Floridas

Milch Blut Hitze
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Florida ist der Sunshine State der USA. Viele wohlhabende Amerikaner und Menschen aus aller Welt haben hier ihren (Neben-) Wohnsitz oder verbringen die Winter hier. Tolle Hotels, exklusive Golfclubs und ...

Florida ist der Sunshine State der USA. Viele wohlhabende Amerikaner und Menschen aus aller Welt haben hier ihren (Neben-) Wohnsitz oder verbringen die Winter hier. Tolle Hotels, exklusive Golfclubs und viele Villengegenden prägen nach außen hin den Staat. Aber es leben hier auch viele normale Menschen. Diese sind nicht reich, sondern gehören eher zu den "Working Poor" und müssen sich ihr Leben mit ganz normalen Jobs verdienen. Mehrheitlich wird von Frauen oder Mädchen erzählt, die meisten davon People of Color und damit oft in die niedrigeren Gesellschaftsschichten verbannt. Doch Rassismus ist ein Thema, das im Buch eher sehr subtil daherkommt. Meistens geht es um entscheidende, tragische Momente im Leben. Die erste, titelgebende Geschichte, schlägt hier direkt voll zu. Für die Leser:in ist danach sicherlich eine Pause zum Nachdenken und Verarbeiten notwendig. Ich selbst habe nicht kontinuierlich gelesen und nicht jede der Geschichten ist auf den ersten Blick so dramatisch wie die erste. Allerdings merkte ich immer mehr, wie viel Zeit ich brauchte, um die Erzählungen zu verarbeiten. Sie lesen sich zwar leicht - dringen aber in tiefe Gefühlsschichten ein. Auch dann, wenn die erzählte Lebenswirklichkeit weit weg ist von der eigenen.

Literarisch daher eine unbedingt empfehlenswerte Entdeckung. Sprachgewaltig, tiefgründig und doch so gefährlich leicht zu lesen. Die Wucht der Wirkung kommt später. Gewaltig und eindrucksvoll. Ich habe lange für die Lektüre gebraucht, da ich nicht mehr als 1-3 Geschichten pro Woche lesen konnte. Einige habe ich mir sogar noch aufgespart. Denn ich möchte mir noch ein paar Momente eines vollkommenen sprachlichen Debüts aufbewahren. So etwas wie dieses Buch gibt es nämlich selten.

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Gefühlvoll & tiefgründig. Ein tolles Debüt!

In Richtung Stoppelfelder
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Mit dem Roman "In Richtung Stoppelfelder" ist der Autorin Lene Jansen ein sehr beeindruckendes Debüt gelungen. Ich hatte etwas leichtes, unterhaltsames erwartet und meine Erwartungen wurden positiv übertroffen. ...

Mit dem Roman "In Richtung Stoppelfelder" ist der Autorin Lene Jansen ein sehr beeindruckendes Debüt gelungen. Ich hatte etwas leichtes, unterhaltsames erwartet und meine Erwartungen wurden positiv übertroffen. Denn unterhaltsam war es - aber auch überraschend tragisch und tiefgründig. Und dabei immer gut lesbar.

Dazu das Setting: Eine Fahrt im ICE von München nach Münster. Jule ist unterwegs zur Beerdigung ihrer allerbesten Freundin und entsprechend traurig. Da trifft sie im Abteil ausgerechnet auf ihren Ex-Freund Hannes, der sie vor 10 Jahren verlassen hat. Schlimmer kann es kaum sein. Werden die beiden sich endlich aussprechen? Oder sich anschweigen? Oder sich anschreien? Das werde ich jetzt nicht verraten. Nur soviel: Es werden viele Erinnerungen an eine vergangene Liebe aufkommen und es wird viele Überlegungen geben, was wann wie vielleicht schiefgelaufen ist. Und: Es wird immer wieder positive Elemente geben.

Eine rasante Fahrt im ICE, viele stimmungsvolle Erinnerungen und eine oft schonungslose Analyse, wie wenig perfekt das Leben manchmal sein kann. Das Buch regt also auch sehr zum nachdenken an.

Die Autorin kann schreiben und sie kann Timing. Traurige Passagen wechseln mit Aufheiterungen, negative Erinnerungen mit positiven Ausblicken. Sehr gekonnt. Etwas ähnliches habe ich bisher nur bei Jasmin Schreiber in "Marianengraben" erlebt. Und natürlich bei Benedict Wells... aber das ist jetzt doch noch etwas anderes.....

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, trotz der eigentlich sehr traurigen Grundhandlung. Zum Glück habe ich mich von der Beerdigungsgeschichte nicht abhalten lassen. Denn dann hätte ich ein tolles Debüt verpasst.

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Veröffentlicht am 20.04.2021

Unsagbar traurig und unsagbar schön

Hard Land
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"In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb". Mit diesem ersten Satz in seinem neuen Roman "Hard Land" steckt Benedict Wells den Rahmen für die Handlung. Das Buch erzählt genau ...

"In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb". Mit diesem ersten Satz in seinem neuen Roman "Hard Land" steckt Benedict Wells den Rahmen für die Handlung. Das Buch erzählt genau das, was in dem ersten Satz steht. Und noch vieles mehr. Und alles in einer sehr einfühlsamen, schönen Sprache, die ganz nah am Protagonisten ist. Der Erzähler ist Sam, fast 16 Jahre alt. Er wohnt im (fiktiven) Grady, einer Kleinstadt in Missouri in den 80er Jahren. Die Stadt ist im Niedergang, die Textilfabrik hat zugemacht, viele sind weggezogen und auch der Vater von Sam wurde arbeitslos. Aber das ist nicht das einzige Problem der Familie. Die Mutter ist nämlich unheilbar an Krebs erkrankt und es geht ihr zunehmend schlechter, der Krebs kommt immer wieder zurück. Schon seit Jahren liegt dieses Unheil auf der Familie - und Sam kann es manchmal kaum ertragen. Auf der anderen Seite hat er auch noch andere Probleme. Typische Probleme eines Heranwachsenden eben. Er ist zu klein, hat noch keinen Bartwuchs. Und - das Schlimmste - er ist ein Außenseiter und hat keine Freunde, seitdem sein einziger Freund weggezogen ist. Das Ganze ändert sich, als Sam einen Ferienjob im einzigen Kino der Stadt annimmt. Zunächst, um der Situation Zuhause zu entfliehen. Aber dann findet er nach und nach immer mehr Anschluss an die Clique, die auch im Kino jobbt. Da ist Kristie, die hübsche Tochter des Kinobesitzers (in die sich Sam natürlich verliebt), da ist Cameron, der schwule Filmliebhaber und Brand, der großgewachsene schwarze Baseballstar der Schule. Alle sind älter als Sam, sie werden nach den Ferien aufs College gehen, das Kino wird schließen - die vier haben also eigentlich nur diesen Sommer. Aber den werden sie ausnutzen. Mit kleinen Mutproben, Partys und Sommerabenden am See oder im Kino - was man eben so machen kann im Mittleren Westen - mitten auf dem platten Land. Es ist nicht viel - aber für Sam ist es ein ganz besonderer Sommer.
Es war schön zu lesen, wie dieser Sommer vorbeiging, die Erinnerungen an die 80er (damals war ich jung) kamen wieder und die Musik und und und... aber immer hing das drohende Unheil über der Geschichte. Die Mutter wird sterben. Und das hat mir als Leserin fast das Herz gebrochen und mich persönlich lange daran gehindert, überhaupt weiter zu lesen. Die Mutter wird - wie alle Personen im Buch - sehr gut beschrieben. Sie ist so eine herzensgute, lebendige, intelligente Frau. Es war kaum auszuhalten. Und zu seinem Vater hat Sam kaum einen Draht - wie soll das alles enden?
Irgendwann musste ich dann doch weiterlesen. Und wurde angenehm überrascht. Natürlich stirbt die Mutter - aber die Geschichte endet nicht damit. Und sie endet auch nicht mit dem Ende des Sommers. Auch der folgende Winter wird erzählt und es wird sehr realistisch und hoffnungsfroh geschildert, wie Sam und seine Familie versuchen, mit dem Verlust zu leben. Das alles wirkt sehr warmherzig, sehr realistisch und überhaupt ist es so nah an den Personen beschrieben, dass ich wieder ganz wehmütig wurde.....und das Ende ... einfach gut gelöst... da geht es nämlich wieder um das (fiktive) Gedicht "Hard Land" des (fiktiven) einzigen Dichters aus der Stadt....

Benedict Wells ist wieder ein Buch über Verlust und Trauer gelungen, das einzigartig ist und einen Wechsel aus Trauer und Schönheit für den Leser bereithält. Es gibt sogar eine Wortschöpfung dafür: Euphancholie - eine Mischung aus Euphorie und Melancholie. Passt.

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Veröffentlicht am 03.04.2021

Hoffentlich geht diese Krimireihe weiter!

Doggerland. Fester Grund (Ein Doggerland-Krimi 3)
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Jetzt bin ich zum dritten Mal nach Doggerland gereist - und war wieder gefesselt. Eine Nachmittag und Abend und den nächsten Vormittag habe ich (fast) durchgelesen und spannende Kriminalfälle nachverfolgt. ...

Jetzt bin ich zum dritten Mal nach Doggerland gereist - und war wieder gefesselt. Eine Nachmittag und Abend und den nächsten Vormittag habe ich (fast) durchgelesen und spannende Kriminalfälle nachverfolgt. Und viel über persönliche Probleme von Ermittlern und über Doggerland gelesen.

Wer skandinavische Krimis mit ihrer Mischung aus Privatleben der Ermittler, Kriminalfall und ein wenig Sozialkritik mag, der wird - wie ich - diese Doggerland Krimis lieben.

Aber was bedeutet Doggerland eigentlich? Es ist eine Inselgruppe zwischen England und Dänemark in der Nordsee. Von den Namen her skandinavisch geprägt - aber mit Einflüssen aus England und aus Frankreich. Nordisch-herbe Inseln mitten in der Nordsee - ein wenig wie Shetland oder die Orkneys.

Ob ich schon da war? Natürlich nicht. Geht nämlich nicht. Die Inselgruppe ist fiktiv - die Autorin hat sie erfunden - und kann so in Ruhe soziale Probleme erläutern und eine Landschaft und seine Bevölkerung erfinden. Allerdings gab es vor ungefähr 8.000 Jahren einmal einen Landstrich in dieser Gegend. Dieser wurde von der Nordsee überschwemmt und ist heute noch als "Doggerbank" vorhanden.



Ich hoffe sehr, dass die Krimi-Serie weitergeht. Denn gerade hat die Kommissarin angefangen, wieder Halt in ihrem Leben zu finden. Sie hat Freunde gefunden, eine WG hat sich gegründet und irgendwie findet auch ein wenig die Liebe zu ihr - in einer sehr spröden Art. Denn viel Zeit hat sie nicht. Schließlich muss sie einen üblen Vergewaltiger finden. Und dann ist noch eine berühmte Sängerin verschwunden......

Aber lest selbst! Ich hoffe, Ihr seid auch begeistert!

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Veröffentlicht am 03.04.2021

Ein ganz besonderes Buch über die Sehnsucht nach Inseln

Inseln
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Dies ist ein sehr besonderes und ein sehr hochwertiges Buch. Wunderschön gestaltet - mit Lesebändchen und Abbildungen von alten Karten.

Und es ist eine Geschichte - die Geschichte eines Arztes, der sein ...

Dies ist ein sehr besonderes und ein sehr hochwertiges Buch. Wunderschön gestaltet - mit Lesebändchen und Abbildungen von alten Karten.

Und es ist eine Geschichte - die Geschichte eines Arztes, der sein Leben anhand der Inseln erzählt, die er besucht hat. Und der damit zugleich eine Sehnsucht ergründet, die viele Menschen haben: Die Sehnsucht nach einer Insel. Oder nach Inseln allgemein.

Warum zieht es Menschen auf Inseln? Ist es die "Isolation", die Abkehr von der Welt? Die Sehnsucht nach einer überschaubaren Welt? Die Sehnsucht nach einer versunkenen Welt? Die Sehnsucht nach einem archaischen Leben?

Es gibt viele Gründe - und jeder Mensch, der Inseln liebt, wird seine eigenen Gründe haben.

Dieses Buch ist ein Genuss. Ein Werk, das ich nicht in einem Zug durchlesen konnte und wollte. Dazu ist es zu schön. Und zu gehaltvoll. Ich könnte auf jeder Seite einen Satz anstreichen - aber das tue ich nicht - ich möchte dieses schöne und hochwertig gestaltete Buch nicht verunstalten. Also genieße ich immer wieder einzelne Kapitel und folge dem Autor so durch die Zeiten und durch die Welt der Inseln. Und lerne, warum mich Inseln und Bücher so faszinieren:

"Mir fällt auf, dass ich, seit ich erwachsen bin, Bücher häufig als tragbare Inseln betrachte. Indem sie uns von unserer Umgebung isolieren, bieten sie eine Entlastung von aktuellen Aufgaben und Raum für Kontemplation" (S. 90).

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