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Veröffentlicht am 24.05.2021

Von Müttern und Töchtern

Die Frauen von Kilcarrion
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1953 Hongkong. Die Engländerin Joy lebt mit ihrer Familie in Hongkong. Die Eltern drängen sie, endlich zu heiraten, doch Joy will nicht, hat sie doch die katastrophale Ehe ihrer Eltern vor Augen. Lieber ...

1953 Hongkong. Die Engländerin Joy lebt mit ihrer Familie in Hongkong. Die Eltern drängen sie, endlich zu heiraten, doch Joy will nicht, hat sie doch die katastrophale Ehe ihrer Eltern vor Augen. Lieber widmet sie sich dem Reitsport. Als sie bei einer Party die Bekanntschaft des jungen Offiziers Edward macht, hat sie erstmals das Gefühl, angekommen zu sein. Doch Edward ist nur auf der Durchreise und muss zwei Tage später schon weiter nach Korea…
1997 London. Als Kates Vater schwer erkrankt, schickt die Mitdreißigerin und alleinerziehende Mutter ihre 16-jährige Tochter Sabine nach Irland, um nach ihm zu sehen, denn Kate selbst hat eine komplizierte Beziehung zu ihren Eltern. Aber auch das Verhältnis zu ihrer eigenen Tochter ist nicht gerade das Beste, hat diese doch Probleme mit Kates Lebenswandel. Sabine kennt ihre Großeltern kaum und bekommt bei ihrer Ankunft einen Heidenschreck, denn nicht nur das Anwesen sieht aus wie eine Ruine, auch die Familie scheint zerfallen zu sein…
Jojo Moyes hat mit „Die Frauen von Kilcarrion“ ihr Schriftstellerdebüt gegeben, das neu aufgelegt mit einer unterhaltsamen und sehr emotionalen Geschichte aufwartet. Der flüssig-leichte, bildgewaltige und anrührende Erzählstil lässt den Leser über zwei Zeitebenen und über Kontinente wandern, um nicht nur die Geschichte von Joy in der Vergangenheit, sondern auch das Schicksal von Kate und ihrer Familie kennenzulernen. Die Autorin versteht es wunderbar, die beiden Handlungsstränge miteinander zu verflechten und die zwischenmenschlichen Beziehungen ihrer Protagonisten hervorzuheben. Nicht nur Joy, die als junge Frau schon erhebliche Probleme mit ihren Eltern hatte und ein altes wohlgehütetes Geheimnis in sich trägt, sondern auch Kate, die sich von ihren Eltern immer unverstanden und wenig geliebt gefühlt hat, so dass sie seit Jahren ein unstetes Leben fühlt und ihrer eigenen Tochter ebenfalls kaum Halt geben kann, was ebenfalls zu Problemen führt. Gerade Joys Enkelin und Kates Tochter Sabine aber bringt mit ihren Fragen endlich Steine ins Rollen, will hinter die Fassade blicken und vor allem endlich ein richtiges Familienleben haben, auf das sie lange genug verzichten musste. Joy und Kate sind jeweils durch ihre Generationen geprägt, haben sich geschworen, aufgrund des schlechten Vorbilds ihrer Eltern bei den eigenen Kindern alles besser zu machen, was ihnen dann doch nicht gelungen ist. Moyes beschreibt die Konflikte zwischen Müttern und Töchtern sehr lebhaft und glaubhaft, so dass man alle gut nachvollziehen kann.
Die Charaktere sind liebevoll und facettenreich inszeniert, wirken auf den Leser authentisch und lebendig, so dass dieser sich von Beginn an wie ein unsichtbarer Teil von ihnen fühlt, der mit ihnen hadert, bangt und fiebert. Joy ist als junge Frau von einem Elternhaus geprägt, in dem Lug und Trug herrscht. Lebenslustig und voller Hoffnung klammert sie sich daran, nie wie ihre Eltern zu werden. Als alte Frau wirkt sie oftmals hart und unerbittlich, doch manchmal blitzt auch eine weiche Seite durch. Kate ist unstet und flatterhaft, Konstanten langweilen sie und doch ist sie insgeheim auf der Suche nach ihnen. Sabine kann die Unverbindlichkeit ihrer Mutter nicht ausstehen. Sie ist mit ihrer Rebellion und direkten Art ein typischer Teenager, der den Dingen unbedingt auf den Grund gehen will und sich nicht einfach abspeisen lässt.
„Die Frauen von Kilcarrion“ unterhält mit einer emotionalen Geschichte, die nicht nur ein Familiengeheimnis beinhaltet, sondern auch generationenübergreifende Konflikte zwischen Müttern und Töchtern aufdeckt sowie deren jeweilige Suche nach Liebe und Geborgenheit. Unterhaltsam und sehr gefühlvoll verpackt, schenkt dieser Roman fesselnde Lesestunden. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 23.05.2021

"Wenn Du ein Geheimnis bewahren willst, musst Du es auch vor Dir verstecken." (George Orwell)

Besuch aus ferner Zeit
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Die 26-jährige Liv Molyneaux muss gerade den traumatischen Verlust ihres Babys verarbeiten, als ihr Vater Martin auf rätselhafte Weise einfach verschwindet, zu dem sie aufgrund ihrer Trauer zuletzt kaum ...

Die 26-jährige Liv Molyneaux muss gerade den traumatischen Verlust ihres Babys verarbeiten, als ihr Vater Martin auf rätselhafte Weise einfach verschwindet, zu dem sie aufgrund ihrer Trauer zuletzt kaum Kontakt hatte. Um sich ihrem Vater näher zu fühlen und seinem Verschwinden auf den Grund zu gehen, zieht sie in sein Haus in Bristol, was sich allerdings als keine gute Idee erweist. Schon bald plagen sie Alpträume und auch das Weinen eines Babys bringt Livs Gefühlswelt immer wieder an den Rand des Erträglichen. Wird Liv den Grund für das Verschwinden ihres Vaters herausfinden, und vor allem: was hat es mit diesen alptraumhaften Geräuschen im Haus auf sich?
Katherine Webb hat mit „Besuch aus ferner Zeit“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser zwischen Gegenwart und Vergangenheit wandeln lässt und ihm dabei eine Geschichte offenbart wird, die von Mystik und Geheimnissen geprägt ist. Der flüssig-leichte, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil der Autorin nimmt den Leser schnell gefangen und lässt ihn an Livs Seite ein Abenteuer erleben, wobei oftmals kaum zu unterscheiden ist, ob es sich um Realität oder Einbildung handelt. Während der Leser in der Gegenwart mit Liv in Martins Haus einzieht und seine Buchbinderwerkstatt in Augenschein nimmt, trifft er in der Vergangenheit im Jahr 1831 zur Zeit der Sklavenhaltung auf Bethia Shiercliffe, die ein Armenhaus leitet und sich mit der Landstreicherin Louise alsbald jemanden ins Haus holt, der ihre eigene behütete Welt ins Wanken bringen könnte. Die wechselnden Zeitebenen gestatten dem Leser nicht nur, Liv bei den Nachforschungen nach dem Verbleib ihres Vaters über die Schulter zu sehen, sondern geben ihm mit dem Zusammensetzen der Ereignisse in der Vergangenheit auch den Schlüssel für alte Geheimnisse, um die Lösung zu finden. Die Autorin versteht es gut, ihren Leser auf allen Ebenen zu fordern, denn sie löst mit eindrucksvollen Bildern nicht nur ein Kopfkino aus, sondern webt Mystik und Düsternis in ihre Geschichte und baut nebenbei einiges an Spannung auf. Diese kann sich jedoch durch immer wieder auftauchende Langatmigkeit des Erzählflusses leider dauerhaft nicht halten, zumal einiges an der Handlung auch recht konstruiert wirkt.
Die Charaktere sind vielschichtig und facettenreich gestaltet. Mit ihren menschlichen Ecken und Kanten wirken sie authentisch, so dass der Leser ihrem Schicksal neugierig folgt. Liv hat es gerade nicht leicht, muss sie doch einiges verkraften. Die Suche nach ihrem Vater lenkt sie von den eigenen Sorgen etwas ab und lehrt sie, dass sie endlich nach vorn sehen muss. Bei ihrer Entwicklung beweist sie Mut und Stärke. Tanja ist die Ladennachbarin von Livs Vater, die sich schon bald als starke Schulter und gute Freundin für Liv erweist. Adam ist ein Obdachloser, der erst zwielichtig wirkt, um dann doch irgendwie wie aus der Zeit gefallen zu sein. Bethia ist eine arrogante, eiskalt berechnende und harte Frau, die nur ihren eigenen Vorteil im Blick hat und dabei doch allen nur eine Fassade präsentiert. Aber auch Martin, Louisa, Cleo und Polly haben nicht wenig Bedeutung in dieser Geschichte.
„Besuch aus ferner Zeit“ ist ein Roman, dessen Handlung Gegenwart mit der Vergangenheit auf geheimnisvolle und mystische Weise miteinander verknüpft und in dem es einige Geheimnisse ans Tageslicht zu fördern gilt. Nicht das beste Buch der Autorin, da es manchmal etwas langatmig sowie realitätsfern ist, jedoch durchaus einiges an Spannung zu bieten hat. Verdiente Leseempfehlung für alle, die düstere und mystische Geschichten lieben.

Veröffentlicht am 15.05.2021

Zwei wie Katz und Maus

Die Rebellinnen von Oxford - Verwegen
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1879. Der größte Traum der 25-jährigen Annabelle Archer erfüllt sich, als eine der ersten Frauen ein Stipendium für die Universität in Oxford ergattert zu haben. Dafür erwartet man von ihr, sich bei der ...

1879. Der größte Traum der 25-jährigen Annabelle Archer erfüllt sich, als eine der ersten Frauen ein Stipendium für die Universität in Oxford ergattert zu haben. Dafür erwartet man von ihr, sich bei der Frauenbewegung tatkräftig zu betätigen und den einflussreichen Duke Sebastian Devereux als Unterstützer zu gewinnen, der ausgerechnet ganz andere politische Ansichten hat. Mit einer erschlichenen Einladung trifft Annabelle Sebastian auf seinem Landsitz zum ersten Mal, hat aber mit ihrer Mission keinen Erfolg. Allerdings ist es kaum zu leugnen, dass zwischen den beiden eine große Anziehung herrscht. Sebastian jedenfalls geht Annabelle nicht mehr aus dem Kopf, auch wenn gesellschaftliche Standesunterschiede sowie die Politik sie um Welten trennen…
Evie Dunmore eröffnet mit ihrem unterhaltsamen historischen Roman „Die Rebellinnen von Oxford-Verwegen“ die Oxford Rebels Reihe, die sich neben Liebe und Romantik auch mit der damals immer größer werdenden Frauenbewegung beschäftigt, deren Kampf für Gleichberechtigung und Anerkennung dazu beigetragen hat, dass alte verkrustete Strukturen endlich aufgebrochen wurden. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einem Besuch in die viktorianische Zeit ein, um dort auf Annabelle zu treffen, die auf keinen Fall heiraten, sondern viel lieber ein selbstbestimmtes Leben führen möchte. Mit der Zusage des Studienplatzes scheint ihr Wunsch in Erfüllung zu gehen, wenn er auch mit Auflagen verbunden ist. Annabelle stammt aus einfachen Verhältnissen und ein Studium wäre ihr ohne Stipendium nie möglich gewesen. Durch Perspektivwechsel lernt der Leser nicht nur die Gefühls- und Gedankenwelt Annabelles kennen, sondern hat auch Einblick in die von Sebastian, der einer gehobenen Gesellschaftsschicht angehört und andere politische Interessen verfolgt als Annabelle. Mit spritzigen Dialogen und plastischen Beschreibungen schürt die Autorin das Feuer zwischen ihren so gegensätzlichen Protagonisten, die sich zwar gesellschaftspolitisch auf unterschiedlichem Parkett bewegen, zwischen denen jedoch eine große Anziehungskraft herrscht, die beide zu verdrängen suchen. Die Spannung wird dadurch immer weiter in die Höhe getrieben und als Leser fragt man sich, wie die zwei sämtliche Konventionen und gesellschaftlichen Hürden überwinden wollen, um vielleicht doch miteinander glücklich zu werden, da die Erwartungen gerade an Sebastian sehr hoch sind. Während der Lektüre läuft das Kopfkino auf Hochtouren und hält den Leser auf Trab.
Die Charaktere sind mit menschlichen Ecken und Kanten lebendig und facettenreich ausgestaltet, so dass der Leser sich gern an ihre Fersen heftet und mitfiebert. Annabelle ist eine energische junge Frau mit eigenem Kopf. Sie ist intelligent, nicht auf den Mund gefallen und weiß Chancen für sich zu nutzen. Manchmal schießt sie etwas über das Ziel hinaus, doch lässt sie sich von Rückschlägen nicht aufhalten. Sebastian gehört schon von Geburt an zur besseren Gesellschaft. Als Berater der Königin besitzt er ein gesundes Selbstbewusstsein und vor allem einigen Einfluss. Oftmals benimmt er sich wie ein arroganter Snob, an dem alles abprallt; ein Pragmatiker und kalt wie ein Fisch. Er besitzt Verantwortungsgefühl, kann aber durchaus gefährlich charmant sowie geheimnisvoll sein.
„Die Rebellinnen von Oxford-Verwegen“ ist ein richtig unterhaltsamer Schmöker, der neben einem gut verwebten historischen Hintergrund mit einer spannenden Geschichte sowie einer Liebesgeschichte überzeugen kann. Verdiente Leseempfehlung für eine kurzweilige Lektüre!

Veröffentlicht am 08.05.2021

"Ein Anfang ist kein Meisterstück, doch guter Anfang halbes Glück." (Anastasius Grün)

Ein neuer Anfang für die Liebe
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1919. Quinten Aspinall hat seinen Kriegseinsatz hinter sich und will nun seine jüngeren Geschwister in Kanada aufspüren, die vom Waisenhaus aus als preiswerte Arbeitssklaven dorthin vermittelt wurden, ...

1919. Quinten Aspinall hat seinen Kriegseinsatz hinter sich und will nun seine jüngeren Geschwister in Kanada aufspüren, die vom Waisenhaus aus als preiswerte Arbeitssklaven dorthin vermittelt wurden, als die Mutter erkrankte und ins Armenhaus musste. Als Quinten seinem adligen Dienstherrn Lord Brentwood, für den er als Kammerdiener gearbeitet hat, von seinen Plänen erzählt, bittet dieser ihn, seine Nichte Julia aufzuspüren und ebenso nach England zurückzubringen. Diese hat nach einem Zerwürfnis das Weite gesucht und sich mit einem Kriegsveteran nach Toronto aufgemacht. Als Lohn wird Quinten eine Pachtfarm in Aussicht gestellt, die er mit seiner Familie beziehen könnte. In Kanada eingetroffen, spürt Quinten schon bald seine Geschwister und Julia auf. Die Umstände, unter denen seine jüngeren Brüder leben, bestärken ihn darin, sie so schnell wie möglich nach Hause zu bringen, während seine Schwester es gut getroffen zu haben scheint und in Kanada bleiben will. Julia allerdings dazu zu bewegen, nach England zurückzukehren, ist eine viel schwierigere Mission. Während Quinten versucht, sie zu überzeugen, verliebt er sich immer mehr in die junge Frau…
Susan Ann Mason hat mit „Ein neuer Anfang für die Liebe“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der sich neben einer romantischen Liebesgeschichte auch mit dem Schicksal der als Arbeitskräfte vermittelten Kinder beschäftigt, von denen manche ohne das Wissen ihrer verarmten Eltern ins Ausland versandt wurden. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit, um sich an die Seite von Quinten zu gesellen und ihn bei seinem Unterfangen zu begleiten. Die Autorin verknüpft Fiktion mit wahren Begebenheiten sehr geschickt, so gab es die Vermittlung von Kinderarbeitskräften tatsächlich und einige von ihnen haben es bei ihren Arbeitgebern nicht gerade gut getroffen. Vielmehr wurden sie wie Sklaven behandelt, körperlich gezüchtigt, missbraucht oder nur notdürftig mit Lebensmitteln versorgt, damit sie weiterhin die schwere Arbeit leisten konnten. Quinten trifft viele Menschen, die ihn unterstützen und ihm bei der Suche behilflich sind. Mit dem Zusammentreffen von Julia beginnt gleichzeitig der romantische Part in dieser Handlung. Julia hat schon einiges erlebt, ist an die falschen Menschen geraten und schlägt sich mehr schlecht als recht durch. Mit Quintens Hilfe verändert sich ihre Lage und bringt sie gleichzeitig in einen Interessenskonflikt, der ihr einiges abverlangt. Die Geschichte lebt von der Interaktion ihrer Protagonisten, dabei bleibt die Spannung auf mittlerem Niveau. Der christliche Aspekt ist gut und nicht zu aufdringlich in die Handlung eingebettet, in dem es hauptsächlich um Vergebung und Vertrauen in Gott geht.
Die Charaktere sind detailliert ausgestaltet und liebevoll inszeniert. Mit ihren menschlichen Ecken und Kanten können sie den Leser schnell für sich einnehmen, der ihnen neugierig folgt und mit ihnen fiebert. Quinten ist ein offener und freundlicher Mann mit dem Herzen am rechten Fleck. Mit Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit kann er sein Umfeld schnell für sich gewinnen. Manchmal ist er fast schon zu selbstlos. Julia ist eigensinnig, fleißig und stolz, allerdings ist sie auch warmherzig, unterstützend und will niemandem zur Last fallen. Mrs. Chamberlain ist eine Seele von Mensch, mit einem großen Herzen und jeder Menge Lebensweisheit. Pastor Burke wünscht man sich sofort als Gemeindepfarrer für sich selbst, denn er lebt das, was er predigt. Dr. Hawkins ist ein egoistischer Mann, der nur seinen Vorteil sucht und die Wünsche anderer nicht respektiert.
Mit „Ein neuer Anfang für die Liebe“ bekommt man mehr als eine romantische Liebesgeschichte vor historischem Hintergrund. Kurzweilige Lesestunden sind hier garantiert. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 02.05.2021

Bröckelnde Fassaden

Eine perfekte Ehe
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Die Anwältin Lizzie Kitsakis arbeitet in einer großen New Yorker Anwaltskanzlei. Da ihre Ehe aufgrund von hohen Schulden auf wackeligen Füssen steht, möchte sie ihren Mann mehr unterstützen und die Probleme ...

Die Anwältin Lizzie Kitsakis arbeitet in einer großen New Yorker Anwaltskanzlei. Da ihre Ehe aufgrund von hohen Schulden auf wackeligen Füssen steht, möchte sie ihren Mann mehr unterstützen und die Probleme aus der Welt zu schaffen. Doch der Anruf ihres alten Studienkollegen Zach macht ihre Pläne schlagartig zunichte. Zach sitzt momentan in Untersuchungshaft in Rikers Island ein, denn er gilt als Hauptverdächtiger, seit seine Ehefrau Amanda bei einer Party ermordet wurde. Deshalb bittet er Lizzie, in anwaltlich zu vertreten. Lizzie übernimmt seinen Fall, aber je mehr sie sich mit Zach, seiner Ehe und seinen Lebensumständen beschäftigt und dazu eigene Ermittlungen anstellt, umso mehr hat sie den Eindruck, dass hier vieles nicht zusammenpasst. Wird sie den Fall aufklären können und auch ihre Ehe in den Griff bekommen?
Kimberly McCreight hat mit „Eine perfekte Ehe“ einen fesselnden Thriller im Milieu der New Yorker Upper Class vorgelegt, der mit einigen Wendungen und Überraschungsmomenten zu punkten weiß. Der flüssige, bildhafte und rasante Erzählstil lässt den Leser schnell an den Seiten kleben, wo er durch wechselnde Perspektiven, eingefügte Vernehmungsprotokolle und Emailauszügen nach und nach die ganze Geschichte erfährt. Zum einen erhält er Einsicht in die Vergangenheit und die Lebensumstände von Zachs ermordeter Ehefrau Amanda, auf der anderen Seite trifft er in der Gegenwart auf Lizzie, ihre anwaltliche Tätigkeit und Nachforschungen sowie deren eigene eheliche Großbaustelle. Lizzie ist wirklich nicht zu beneiden, denn während sie sich mit vielen Überstunden um den Lebensunterhalt der Familie kümmert, hängt ihr Ehemann mit Vorliebe an der Flasche, was den Stresspegel im Haus Kitsakis immer weiter anschwellen lässt. Durch die von der Autorin unterschiedlich verwendeten Stilmittel und die von Lizzie bröckchenweise aufgedeckten Informationen schraubt sich die Spannung nach und nach in die Höhe. Gleichzeitig muss der Leser feststellen, dass bei den wohlhabenden und hippen Paaren vieles nur Fassade ist, um ihr Umfeld über die Tatsachen hinwegzutäuschen. Ebenso haben fast alle Protagonisten ihre Leichen im Keller und möchten diese nicht unbedingt ans Tageslicht befördert sehen. Mehr Schein als Sein ist die Devise und spiegelt recht gut das Verhalten der heutigen Zeit wieder. Geschickt gelegte Wendungen sorgen am Ende noch für die eine oder andere unvorhergesehen Überraschung, die den Leser zu eigenen Ermittlungen anstiften, und die Spannung bis zum finalen Schluss erhalten bleibt.
Die Charaktere sind differenziert ausgestaltet und mit menschlichen Ecken und Kanten bestückt. Wirken sie zu Beginn noch etwas befremdlich auf den Leser, so ändert sich das im Verlauf der Handlung, je näher er sie kennenlernt. Trotzdem bleibt er auf Abstand, um objektiv zu bleiben und den Fall zu lösen, denn schon bald stellt sich heraus, dass der eine oder andere seine Rolle gut zu spielen weiß und viel mehr dahinter steckt. Lizzie ist in einem Dilemma, denn nicht nur die Probleme zuhause erfordern ihre Aufmerksamkeit, auch der Fall bringt sie an ihre Grenzen. Doch sie kombiniert erstaunlich intelligent und legt immer mehr Dinge offen. Zach kann als Verdächtiger von Lizzie nur profitieren. Trotzdem ist er ihr gegenüber nicht offen, so dass man ihm die Nummer des Unschuldigen nicht wirklich abnimmt. Aber auch Sarah, Maude und einige andere spielen ihre Rollen gut, was die Geschichte abwechslungsreich und spannend gestaltet.
„Eine perfekte Ehe“ besticht durch einen rasanten Spannungsaufbau, Intrigen, Lügen, Misstrauen sowie akribische Ermittlungsarbeit und entwickelt rasch ein Tempo, dass den Leser nicht loslässt. Gute Unterhaltung mit verdienter Leseempfehlung!