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Veröffentlicht am 30.07.2021

Neues Ermittlerduo aus Deutschlands Norden

Hundstage für Beck
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Der Polizist Nick Beck gerät in eine äußerst schwierige Situation: Betrunken überfährt er eine junge Frau. Er weiß sich zunächst nicht anders zu helfen, als die Leiche in einem Kanalschacht zu verstecken. ...

Der Polizist Nick Beck gerät in eine äußerst schwierige Situation: Betrunken überfährt er eine junge Frau. Er weiß sich zunächst nicht anders zu helfen, als die Leiche in einem Kanalschacht zu verstecken. Doch bald wird er selbst beruflich mit dem Vermisstenfall konfrontiert.
Tom Voss hat für den ersten Band einer neuen Krimireihe eine überaus vertrackte Ausgangssituation hergestellt. Das funktioniert nur mit einem Antihelden wie Nick, der, von seinem letzten Einsatz schwer traumatisiert, versucht, sich mit Hilfe von Alkohol und Beruhigungsmitteln so einigermaßen am Laufen zu halten. Dazu hat er sich in den fiktiven Ort Nordbek im Norden Hamburgs versetzen lassen, in der Hoffnung, dort keine Gelegenheit für weitere Fehler zu erhalten. Gemeinsam mit der jungen Cleo Torner vom LKA Hamburg soll er nun ausgerechnet die Frau suchen, die er mit seinem Mercedes-Oldtimer überrollt hat.
Die beiden Ermittler erhalten genügend Raum, man lernt sie in ihren momentanen Verfassungen gut kennen und kann sich, falls man möchte, durchaus mit ihnen anfreunden, auch wenn die fortgesetzten Gesetzesübertretungen und allergröbsten Fahrlässigkeiten Nicks einem die Haare zu Berge stehen lassen und nicht immer glaubhaft sind.
Die Atmosphäre ist gut eingefangen, gefühlt eine Chimäre aus viel Norddeutschland mit etwas Westernkolorit. Leider erscheinen manche Dialoge steif, beinahe hölzern, nach dem Schema „Tu das - nein - doch - nein - doch - na gut“.
Der Kriminalfall ist solide gebaut, wenn auch mit wenig Überraschungen, was nach dem spektakulären Einstieg ein wenig enttäuscht.
Natürlich gibt es auch den roten Faden, der neben den wichtigsten Personen und der Entwicklung ihrer Beziehungen die Romane der Reihe verknüpfen wird. Der sei hier aber nicht verraten …
Insgesamt liegt uns hier ein unterhaltsamer, leicht zu lesender Kriminalroman vor, der mehr durch sein Ermittlerduo punktet als durch Spannung oder Originalität.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.08.2020

Auf den Spuren von Miss Marple

Lady Arrington und die tödliche Melodie
3

Um eine Schreibblockade aufzulösen, begibt sich die Krimiautorin Lady Mary Arrington wieder auf das Kreuzfahrtschiff Queen Anne. Beim Eröffnungskonzert verstört der talentierte Pianist sein Publikum, indem ...

Um eine Schreibblockade aufzulösen, begibt sich die Krimiautorin Lady Mary Arrington wieder auf das Kreuzfahrtschiff Queen Anne. Beim Eröffnungskonzert verstört der talentierte Pianist sein Publikum, indem er mit einer völlig falschen Melodie das Lied der Operndiva sabotiert.
Charlotte Gardener greift im zweiten Band der Reihe die klassischen Elemente eines Cosy-Krimis auf. Mit Humor und Gelassenheit wird eine Ausgangssituation geschildert, aus der heraus sich alles entwickelt. Nach und nach werden Personen eingeführt, immer umhüllt von der besonderen Atmosphäre einer Schiffsreise. Das geschieht ebenso gemächlich wie stimmungsvoll. Aufgrund beinahe klischeehafter Überzeichnung sind die einzelnen Charaktere leicht zu merken und wirken auf Anhieb bekannt. Sympathieträgerin ist natürlich die scharfsinnige und eigenwillige Lady Mary, die mit reichlich Neugier, exquisiten Manieren und einer gehörigen Portion Schlagfertigkeit ausgestattet ist. Schnell gelingt es ihr, den ehemaligen Widersacher Kapitän MacNeill für sich einzunehmen und sich seiner Unterstützung zu versichern. Und auch das quirlige Zimmermädchen Sandra und der kernige, wortkarge Maschinist Antonio stehen ihr wieder zur Seite.
Bis zum Mord dauert es eine Weile. Doch er ist rätselhaft und ungewöhnlich. Bei der Auflösung werden mehrere Haken geschlagen, viele kleine Hinweise müssen ausgewertet, Verknüpfungen aufgespürt und auch gefährliche Situationen überstanden werden.
Geleitet von dem Setting wie auch der Sprache fühlt man sich oft in die Welt einer Miss Marple versetzt. Allerdings verorten moderne Errungenschaften wie Handy oder Laufband die Geschichte in der aktuellen Zeit.
Nicht alles gelingt glaubhaft. Zugunsten einiger Effekte und der Konzipierung des durchaus komplizierten Kriminalfalls werden kleine Unstimmigkeiten in Kauf genommen. Dafür darf man sich über ein ausgewogenes Verhältnis von Spannung und Behaglichkeit freuen. Und dass sogar ein wenig Romantik mit ins Spiel kommt, wird den Lesegenuss ganz bestimmt nicht trüben.
Liebhaber des Genres werden sich bei dieser Lektüre sicher behaglich und gut unterhalten fühlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Handlung
  • Charaktere
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 29.11.2021

Zweiter Band der Reihe um Magda Fuchs

Polizeiärztin Magda Fuchs – Das Leben, ein großer Rausch
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Die Annäherung von Polizeiärztin Magda Fuchs und Kriminalkommissar Kuno Mehring beim Tango auf dem Silvesterball 1921/22 in Berlin wird jäh unterbrochen: Die junge Schauspielerin Doris Kaufmann bricht ...

Die Annäherung von Polizeiärztin Magda Fuchs und Kriminalkommissar Kuno Mehring beim Tango auf dem Silvesterball 1921/22 in Berlin wird jäh unterbrochen: Die junge Schauspielerin Doris Kaufmann bricht schwer verletzt zusammen. Jemand hat sie, unbemerkt von allen, niedergestochen.
Das Autorenduo unter dem Pseudonym Helene Sommerfeld knüpft nahtlos an den ersten Band der Reihe um die Polizeiärztin an. Und zwar auf eine spektakuläre Weise, die auf Spannung und ein wenig Kriminalistik hoffen lässt.
Um es gleich vorweg zu sagen: Diese Erwartung wird enttäuscht. Das Verbrechen spielt für sich kaum eine Rolle, sondern bettet sich ein in das Gesamtbild, welches vom Lebensgefühl der damaligen Zeit vermittelt wird. Denn das ist offenbar das Hauptanliegen des Romans.
Am Beispiel einiger Personen, ihrer Beziehungen untereinander, der Konflikte innerhalb und außerhalb der Familien, können wir sehr dicht miterleben, welche Einschränkungen die damaligen politischen, sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen den Menschen, insbesondere den Frauen, vorgaben. Emanzipation, Wirtschaftsmacht, Inflation, Moral, Armut, Antisemitismus sind nur einige der Themen, die Eingang in die Handlung finden und das Berlin der 1920er Jahre heraufbeschwören. Wie viele Steine Celia im Weg zu ihrem Medizinstudium im Weg liegen, was eine ungewollte Schwangerschaft für eine unverheiratete Frau bedeuten kann, mit welchen Zahlen täglich neu die Geldscheine überdruckt werden - die Problematik dieser Zeit wird plastisch dargestellt.
Was zu Anfang etwas stört, ist das explizite Hinweisen auf bestimmte zeittypische Gegebenheiten. Später aber wird aber der Zeitgeist recht authentisch und unaufdringlich vermittelt. Der Schreibstil ist recht flüssig, geradezu routiniert, doch gibt es Nachlässigkeiten wie Wortwiederholungen oder geschraubte Dialoge, die die Lesefreude mindern.
Zu beachten ist außerdem, dass diese Reihe zu jenen gehört, die, wenn irgend möglich, in ihrer chronologischen Reihenfolge gelesen werden sollten.
Neben diesen kleinen Kritikpunkten gibt es aber noch etwas Unverzeihliches, nämlich die Klappentexte. Der auf der inneren Umschlagseite erweckt völlig falsche Erwartungen, der auf der Rückseite verrät Inhalte bis weit in die zweite Hälfte des Buches. Wenn es denn einen Preis für die schlechtesten Klappentexte gäbe - dieses Buch hätte ihn verdient.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.09.2021

Ein Brand, aber wenig Feuer

Der Brand
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Kurz vor dem gemeinsamen Urlaub erfährt Rahel, dass die gebuchte Unterkunft abgebrannt ist. Als unmittelbar darauf die Freundin ihrer verstorbenen Mutter sie dringend bittet, ihren Hof eine Weile am Laufen ...

Kurz vor dem gemeinsamen Urlaub erfährt Rahel, dass die gebuchte Unterkunft abgebrannt ist. Als unmittelbar darauf die Freundin ihrer verstorbenen Mutter sie dringend bittet, ihren Hof eine Weile am Laufen zu halten, willigt sie ein. Drei Wochen verbringt sie mit ihrem Mann Peter abseits des Alltags, auch in der Hoffnung, ihre erloschene Beziehung etwas wiederbeleben zu können.
Daniela Kriens Schreibstil ist nüchtern, schlicht, zügig zu lesen, sehr auf Informationen begrenzt, meist aus Rahels Warte.
Die Anzahl der Personen ist überschaubar: Neben Rahel sind das vor allem der introvertierte Peter, der sich mit Hingabe um die Tiere kümmert, die es zu versorgen gilt, und die gemeinsame Tochter Selma, die mit ihren kleinen Kindern zu Besuch kommt und so völlig andere Erziehungsvorstellungen hat als ihre Eltern.
Konflikte gibt es zuhauf. Das liegt unter anderem an unausgesprochenen Erwartungen, an unerfüllten Sehnsüchten. Vorwürfe sind zu spüren, Ansprüche, Resignation und Verbitterung. Alles wäre irgendwie nachvollziehbar, wenn Rahel nicht ausgerechnet von Beruf Psychologin wäre. Da möchte man sie am liebsten jedes Mal, wenn sie etwas beklagt, packen und schütteln und sie an das erinnern, was eigentlich so selbstverständlich sein sollte: Kommunikation. Denn daran hapert es gründlich. Vieles läuft aneinander vorbei, weil genau die fehlt.
Die Autorin lässt ein wenig Zeitgeist einfließen. Zum Beispiel war es die mangelnde Sensibilität in Bezug auf Geschlechterzuordnung, die Peter Schwierigkeiten in seinem Beruf als Hochschulprofessor eingebracht hat, und auch Corona lässt grüßen. Doch solche Themen werden kaum vertieft, sie dienen wohl eher der zeitlichen Verortung.
Die Geschichte wirkt nicht unsensibel. Sie unterwirft sich keinen gängigen Klischees und hat interessante Ansätze. Doch irgendwie präsentiert sie sich nicht ganz auserzählt (das liegt nicht an dem halbwegs offenen Ende!) und, mit Verlaub, ein wenig unspektakulär.

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Veröffentlicht am 23.05.2021

Enttäuschende Geschichte

Enriettas Vermächtnis
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Die berühmte Schriftstellerin Enrietta da Silva hat in ihrem Testament ihren Ziehsohn Emilio und eine junge Schauspielerin, die sie lange unter ihre Fittiche genommen hatte, bedacht. Nach ihrem Tod sitzen ...

Die berühmte Schriftstellerin Enrietta da Silva hat in ihrem Testament ihren Ziehsohn Emilio und eine junge Schauspielerin, die sie lange unter ihre Fittiche genommen hatte, bedacht. Nach ihrem Tod sitzen diese beiden Personen in einem Zürcher Anwaltsbüro und erfahren, dass es einen weiteren Erbberechtigten gibt, Armando, den leiblichen Sohn der Verstorbenen.
Aus dieser durchaus interessanten Ausgangskonstellation, die Fragen aufwirft und Interesse, beinahe so etwas wie Spannung, hervorruft, vermag Autorin Sylvia Madsack leider nichts zu entwickeln, was der anfänglichen Lesererwartung gerecht wird. Die angedeuteten Familiengeheimnisse bleiben schlicht und oberflächlich, anstatt dessen ergeben sich teilweise sonderbare und nicht nachvollziehbare Beziehungen und Verstrickungen. Die Geschichte verkümmert zu einer Herz-Schmerz-Verwicklung.
Insgesamt entsteht der Eindruck, das Konzept des Buches sei nicht von Beginn an klar gewesen, sondern habe sich im Lauf der Handlung mehr oder minder spontan ergeben. Es fehlen Klarheit und Struktur. Obgleich das Buch keine 300 Seiten umfasst, besteht schon recht bald ein Großteil der Dialoge aus Wiederholungen, auf die gut verzichtet hätte werden können, und die der anfänglich aufgebauten Spannung schnell den Garaus machen.
Die Personen bleiben zunächst seltsam distanziert. Ihr Handeln, allen voran das Enriettas, erscheint oft nicht nachvollziehbar, manchmal unreif, unpassend. Starke Umschwünge wirken unglaubwürdig und wenig authentisch. Dabei sind genau sie es, die anscheinend als Fazit stehen bleiben, allerdings wenig überzeugend.
Am besten gelingen vielleicht die Darstellungen der Schauplätze. Wer Zürich oder Salzburg schon besucht hat, wird hier vieles wiederfinden. Auch die Verbindung nach Argentinien wird transportiert, zum Beispiel durch eingestreute spanische Ausdrücke oder Erwähnung spezifischer Eigenschaften seiner Bewohner.
Cover und Aufmachung sind außergewöhnlich schön. Lesebändchen und großer Schrifttyp vermitteln beim Lesen ein kleines Luxusgefühl. Umso bedauerlicher, dass der Inhalt derartig enttäuscht.

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