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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.07.2021

Düstere Suche nach der Wahrheit

Bonuskind
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Ist das vorliegende Buch wirklich ein Thriller? Möglicherweise ein Psychothriller oder doch eher ein Roman? Auf jeden Fall ist es keine Coming-of-Age-Geschichte, wie vom Verlag angekündigt, denn ich sehe ...


Ist das vorliegende Buch wirklich ein Thriller? Möglicherweise ein Psychothriller oder doch eher ein Roman? Auf jeden Fall ist es keine Coming-of-Age-Geschichte, wie vom Verlag angekündigt, denn ich sehe im Buch keine Entwicklung in der Person Lies. Eher mutet sie mich von Beginn an wie die einzige reife Erwachsene unter lauter mehr oder weniger gestörten Familienmitgliedern.
Die 15-jährige Lies und ihr kleiner Bruder Luuk werden seit der Trennung ihrer Eltern zwischen Mutter und Vater hin- und hergereicht und müssen den permanenten hasserfüllten Streit zwischen den Eltern ertragen. Der Vater Peter lebt mit einer jüngeren Frau zusammen, die Mutter Jet ist ihren extremen Gefühlsschwankungen ausgeliefert. Als die Mutter plötzlich verschwindet und schließlich ihre Leiche gefunden wird, sind sich alle einig, dass Jet Selbstmord begangen hat. Schließlich kannten alle ihre psychische Instabilität. Nur Lies als Einzige ist sich sicher, dass die Mutter niemals ihre Kinder im Stich gelassen hätte. Sie findet das Tagebuch von Jet mit außerordentlich verstörenden Details…
Das Buch nimmt den Leser gefangen, weil es so raffiniert und klug konstruiert ist, dass man nie so recht weiß, wem man Glauben schenken darf. Und es nimmt gefangen im Miterleben, welchem psychischen Elend Kinder ausgesetzt sind, wenn Eltern sich in permanentem Hass nur um sich selbst drehen und die Kinder instrumentalisiert werden. Die Autorin wechselt zwischen dem Bericht aus der Sicht von Lies und den in kursiver Schrift gesetzten Abschnitten aus den tagebuchartigen Notizen von Mutter Jet. Sehr eindrücklich ist es Saskia Noort gelungen, in der Person Lies das Wandern auf der Grenze zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt darzustellen. Lies hat mich sehr beeindruckt mit ihrer inneren Stärke und geistigen Klarheit, mit der sie durch Wut und Trauer hindurch auf der Suche nach der Wahrheit ist und die Menschen ihrer Umgebung mit feinem Gespür analysiert. Sehr viel schwächer und weniger nachvollziehbar ist für mich die Schilderung der Mutter Jet gelungen. Auch frage ich mich, ob die breit ausgewalzten erotischen Szenen nicht glaubwürdiger und eindringlicher gewirkt hätten, wenn sie etwas zurückhaltender beschrieben worden wären. Mit dem Ende der Geschichte setzt die Autorin noch einen unerwarteten Überraschungseffekt.
Fazit: Ein ungewöhnlich konstruierter, durchweg packend zu lesender, psychologisch düsterer Roman.

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Veröffentlicht am 23.06.2021

Ein kleines literarisches Juwel

Du wirst es mir niemals sagen
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Diese Rezension fällt mir sehr schwer. Wie werde ich nur diesem Roman gerecht? Einerseits ist er literarisch faszinierend, andererseits handelt es sich um eine Geschichte über eine Hauptperson, mit der ...


Diese Rezension fällt mir sehr schwer. Wie werde ich nur diesem Roman gerecht? Einerseits ist er literarisch faszinierend, andererseits handelt es sich um eine Geschichte über eine Hauptperson, mit der ich nichts, aber auch gar nichts anfangen konnte.

Liv Maria ist ein verwöhntes Einzelkind, gefangen in einem allzu liebevoll-behütenden Elternhaus. Nach einem Vorfall muss Liv Maria 17-jährig von jetzt auf gleich ihre bretonische Heimat verlassen und bei ihrer Tante in Berlin Unterschlupf finden. Dort lernt sie einen um viele Jahre älteren und verheirateten Professor kennen. Fergus ist Ire und hat in Berlin eine befristete Gastprofessur. Liv Maria wird seine Geliebte und erlebt diese Liebe in einer Intensität, dass sie diese Erfahrung nie mehr vergessen wird. Nach dem abrupten Ende der Beziehung wird Liv Maria zu einer Globetrotterin, schlägt sich in fernen Ländern durch, wird erfolgreiche Geschäftsfrau. Als sie in Chile den jüngeren Flynn kennen lernt, kehrt sie mit ihm nach Irland zurück, wird Ehefrau und Mutter zweier Kinder. Man glaubt, jetzt sei Ruhe in Liv’s Leben eingekehrt, doch das ist ein gewaltiger Irrtum….

Der Roman ist ein kleines literarisches Juwel , denn auf recht unerklärliche Weise hat er etwas magisch Betörendes, ohne dass ich in Worte fassen könnte, woran das liegt. Vielleicht ist es die Feinfühligkeit, in der erzählt wird. Schon allein die Schilderung der Anziehung zwischen Professor und Liv, wie Liv geködert wird durch Etymologie, durch die blinkende Kraft der Wörter, ist besonders. Auch der außergewöhnlich ausgeprägte Geruchssinn der Autorin fällt auf. Dessen Beschreibungen erzählen beeindruckend fast eigene Geschichten. Fein, still und doch immens schlagkräftig schreibt Julia Kerninon. Schade nur, dass ich mit der Protagonistin Liv Maria als Person nichts anfangen kann. Sie war und blieb mir über das ganze Buch hinweg völlig fremd in ihrem Denken und Handeln. Und am wenigsten konnte ich die unerwartete Wendung am Ende nachvollziehen. Allerlei Zitate und Verweise führen in das weite Universum der Literatur, was mir jeweils sehr gut gefiel.
Zusammengefasst würde ich sagen, es handelt sich um einen Roman über die Liebe: Über die körperliche, unverbindliche Liebe, über eine Liebe im Vorübergehen, über eine Liebe der Treue und Verantwortlichkeit, der Wurzeln schlagenden Liebe und über eine geheime Liebe, nicht erzählbar und damit letztlich alles bestimmend. Magisch eben.

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Veröffentlicht am 21.06.2021

Den Aufbruch wagen und damit der Angst trotzen

In einem fernen Land - Eine Geschichte über den Mut und die Kraft, die in uns stecken
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Eine schöne Geschichte hat Michael Engler mit „In einem fernen Land“ geschrieben. Eigentlich ein Plot, der ein sehr viel umfangreicheres Kinderbuch für ältere Kinder hätte ergeben können. Denn auch oder ...


Eine schöne Geschichte hat Michael Engler mit „In einem fernen Land“ geschrieben. Eigentlich ein Plot, der ein sehr viel umfangreicheres Kinderbuch für ältere Kinder hätte ergeben können. Denn auch oder gerade Kinder ab 8 Jahren brauchen aufgrund ihrer ersten Erfahrungen in der Welt oftmals sehr viel mehr Ermutigung als die kleinen Bilderbuch-Gucker.

Hinter dem eigenen, armseligen Dorf liegt das Novemberland. Die Erwachsenen warnen davor, das Novemberland aufzusuchen, weil der Weg dorthin sehr, sehr gefährlich ist. Und so weiß niemand, was man findet, wenn man Novemberland durchquert. Die Kinder beginnen, sich sehr fantasiereich auszudenken, was wohl hinter Novemberland liegen könnte: Ein paradiesisch schönes Sehnsuchtsland erträumen sie sich. Und beginnen sich zu fragen, warum man nicht doch wagen sollte, was bisher noch niemand gewagt hat. Es ist einfach eine Frage des Mutes, auf Entdeckungsreise zu gehen. „Ich will keine Angst mehr haben“, beschließen sie gemeinsam. Und nachdem sie sich gegenseitig ermutigt haben, machen sie sich auf den überaus beschwerlichen Weg. Wie es weiter geht, müsst ihr unbedingt selbst lesen und schauen.

"Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer." Diesen Spruch von Seneca hat Michael Engler dem Buch mit auf den Weg gegeben. Ganz schön anspruchsvoll für Kinder im Bilderbuch- und Erstlesealter. Ich hoffe, bald einmal die Möglichkeit zu haben, als Lesepatin diese Geschichte den 4- bis 6-Jährigen vorlesen zu können, denn ich bin unsicher, welche Reaktionen zu erwarten sein werden. Ja, es ist eine kluge Geschichte, die helfen soll, trotz Angst etwas zu wagen, den eigenen Horizont zu erweitern. „Der erste Schritt ist der schwerste.“ Und wie hilfreich es ist, wenn man seine Angst mit anderen teilt. „Angst wird weniger, wenn man davon abgibt.“ Wie viel von diesen Botschaften findet seinen Weg in das kindliche Verständnis? Vorzulesen ist die Geschichte auf jeden Fall sehr ausdrucksstark. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Kinder ganz still werden beim Zuhören. Die Illustrationen von Matthias Derenbach untermalen das Geschehen eindrücklich.
Fazit: Ein anspruchsvolles Bilderbuch, auch für Ältere.

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Veröffentlicht am 16.06.2021

Atmosphäre mit Stil und Genuss

Buona Notte - Ein Lago-Maggiore-Krimi
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Wer beim Lesen eines Krimis mehr Wert auf Lokalkolorit legt, auf atmosphärische Schilderungen, auf die Vermittlung eines besonderen Lebensgefühls, und dem es weniger wichtig ist, spannende Ermittlungsarbeit ...


Wer beim Lesen eines Krimis mehr Wert auf Lokalkolorit legt, auf atmosphärische Schilderungen, auf die Vermittlung eines besonderen Lebensgefühls, und dem es weniger wichtig ist, spannende Ermittlungsarbeit eines rätselhaften Falles zu verfolgen, der hat große Freude an dem vorliegenden Buch. Hinter dem Autorennamen Andrea Di Stefano verbergen sich zwei Brüder, die ihr Pseudonym (fast) so oft wechseln wie ihre T-Shirts und die offensichtlich ein Faible haben für genussvolles Erzählen.

Lukas Geier lebt in einem mittelalterlichen Turm hoch über dem Lago Maggiore. Ohne Treppensteigen geht hier nichts. Nicht bis hoch zum Turm und nicht im Turm selbst zu den einzelnen Zimmern. Lukas kann es sich leisten, seine Tage beschaulich zu verbringen, denn er hatte mit seiner Band einen weltweit erfolgreichen Sommerhit gelandet und daraufhin seinen Job als Zeugenschützer und Erfinder von konstruierten Lebensläufen in München aufgegeben. Als jedoch eines Morgens sein Gitarrist tot im Studio neben Geiers Wohnturm liegt und seine ehemalige Freundin Cristina, die Ermittlerin bei der Polizei in Varese ist, nicht auffindbar ist, wird Lukas Geier aus seiner ruhigen und passiven Lebensweise herausgerissen.

Zu diesem Buch fällt mir das Wort „Genusslesen“ ein. Denn es ist ein Genuss, sich lesend verführen zu lassen in die wunderschöne Gegend rund um den Lago Maggiore, in eine Art Urlaubsfeeling, in ein Lebensgefühl ohne Eile, mit Zeit für Straßencafés und Wein und Muße. Durch die atmosphärisch dichten Schilderungen meint man als Leser, direkt mit allen Sinnen die Fülle an Farben und Gerüchen aufzunehmen, die Hitze des Tages, die Kühle der Nacht auf der Haut zu spüren. „Der Lago Maggiore ist die Heimat der Sehnsucht.“ Der Schreibstil gefällt mir sehr gut. Er ist klar und bildstark. Hinter den lapidar daherkommenden Sätzen stecken herrlicher Humor und feine Sensibilität gleichermaßen. Und enorm viel Musikverständnis obendrein. Das einzige, das etwas zu kurz kommt, ist die Spannung, die nur gelegentlich aufblitzt. Mir hat sie jedoch nicht gefehlt. Denn ich habe auch diesen zweiten Band der Reihe sehr, sehr gerne gelesen.



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Veröffentlicht am 10.06.2021

Sommerleicht, aber nicht seicht

Sieben Tage am Meer
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Diesen Roman zu lesen, empfand ich als sehr entspannend. Einerseits handelt es sich um eine locker-leicht erzählte Geschichte, andererseits ist sie mit einer dezent-unaufdringlichen Lebensweisheit versehen, ...



Diesen Roman zu lesen, empfand ich als sehr entspannend. Einerseits handelt es sich um eine locker-leicht erzählte Geschichte, andererseits ist sie mit einer dezent-unaufdringlichen Lebensweisheit versehen, die das Nachdenken lohnt und das Buch aus der reinen inhaltsleeren Unterhaltung herausholt.

Drei Freundinnen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, Anfang 50, treffen sich zu einem Wochenende auf Sylt, um Gin Tonic zu trinken und über ihre jeweilige Lebenssituation zu sprechen. Da ist ein Ehemann weggelaufen, dort ist die erträumte Karriere trotz allen Einsatzes ausgeblieben und bei der dritten Freundin blieb der Kinderwunsch unerfüllt. Jede ist mit ihrer Situation unzufrieden. In der Nacht träumen alle drei von einer sehr seltsamen Begegnung. Eine Art Engel trägt ihnen auf, Dankbarkeit für all das Schöne in ihrem Leben zu empfinden und anderen zu helfen. Am nächsten Morgen wissen die drei Freundinnen nicht, ob zu viel Gin Tonic schuld war an dieser seltsamen Begegnung. Oder war es nur ein Traum? Aber können drei Menschen gleichzeitig denselben Traum träumen?

Zwar blieben mir die drei Freundinnen, jede in ihrer Art, durch die Geschichte hinweg allesamt nicht besonders sympathisch, dennoch habe ich den Roman gerne gelesen. Mit leisem Humor erzählt Ella Rosen von den Freundinnen, die alle ihr eigenes Päckchen zu tragen haben, aber es über die Tage hinweg doch schaffen, Frieden mit ihrer Vergangenheit zu machen und die enge egozentrische Blickweise zu verlassen. Loslassen und Geduld haben, mit sich, mit anderen, mit dem Schicksal – genau das öffnet neue Wege.

Fazit: Leicht zu lesende, ermutigende Unterhaltung.

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