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Veröffentlicht am 29.09.2021

Passive Selbstfindung

Hitze
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Ein sehr gehyptes Buch mit einem Cover, das um Aufmerksamkeit buhlt, "ein Lieblingsbuch von Obama" - kann es halten, was es verspricht? Ich für mich muss feststellen: eher nicht.

Ich beginne mal mit der ...

Ein sehr gehyptes Buch mit einem Cover, das um Aufmerksamkeit buhlt, "ein Lieblingsbuch von Obama" - kann es halten, was es verspricht? Ich für mich muss feststellen: eher nicht.

Ich beginne mal mit der Aussage zu Obama. Ich glaube, dass der Mann viel liest, aber eigentlich weiß ich nicht genau was und ob unsere Geschmäcker deckungsgleich sind, kann ich nicht beurteilen - denn Lesen ist ein sehr subjektives Erlebnis und nicht bei jedem bringt ein Buch etwas zum Klingen. In diesem Fall muss ich mich aber schon fragen, was Obama denn so umgehauen hat - die passive, stark sexuell aufgeladene und überforderte Sinnsuche der 23-jährigen Edie wird es wohl kaum gewesen sein, sondern (rein spekulativ natürlich) vermutlich eher die Tatsache, dass er namentlich im Buch auf S. 124 erwähnt wird. Würde mir das passieren, wäre ich wohl auch hingerissen und begeistert.

Ansonsten ist dieser Roman einer, der in seiner Bewertung geradezu nach einer deutlichen Trennung von Diskurs- und Inhaltsebene schreit. Auf der Ebene der erzählerischen Vermittlung hat mir der Roman zeitweise richtig gut gefallen. Die Erzählinstanz versteht es, Unausgesprochenes in den Mittelpunkt zu stellen, das Schweigen spricht, verunsichert aber nicht. Sie schlägt unvermittelte Bögen, die sinnvoll sind, und die Leserschaft nicht verwirren, sie deutet an und erkennt, kommentiert und lässt offen - sehr dosiert, sehr gut gemacht. Sie ist Beobachterin ihres eigenen Lebens, mit großer Distanz und Passivität lässt sie die Tage vorbeigleiten. Der einzige Wermutstropfen ist das Sprachregister, das einen Hang zu bildungssprachlichen Fremdwörtern aufweist, nicht zu der Selbstwahrnehmung der Erzählerin zu passen scheint und für mich daher störend war.

Inhaltlich dreht sich der Roman im ersten Teil um sehr viel Sex und die Möglichkeit mit Sex und Gewalt zu kontrollieren und kontrolliert zu werden, sowie der Versuch durch Sex eine Daseinsberechtigung zu erreichen und wahrgenommen zu werden. Diese inhaltliche Ausrichtung soll Edies Minderwertigkeitskomplexe unterstreichen, in ihrer Ausführlichkeit und ihrem Fokus nahm die Thematik für mich aber viel zu viel Raum ein und wurde ziemlich schnell einfach nur öde. Die zweite Hälfte des Romans hat mir inhaltlich besser gefallen, da hier der Fokus mehr auf Edies erwachendes Selbstverständnis gelegt wird. Allerdings waren mir viele Symbole und Ereignisse, die den Weg zur Beantwortung der Frage "Wer bin ich?" ebnen sollten, zu platt, zu zahlreich und zu simpel gewählt. Die vielen fehlschlagenden Versuche, sich selbst zu zeichnen und der verlangende Blick in den Spiegel - das geht doch nun wirklich auch subtiler. Ansonsten besticht Edie hauptsächlich durch ihre schon enervierende passive Art, die besonders in Zeiten eines aktiv selbstbestimmten Feminismus zeitweise wie ein anachronistischer Rückgriff auf ein antiquiertes Frauenbild anmuten mag. Darf man als Frau überhaupt noch zulassen, dass einem alles nur zustößt? Darf man als Mensch heute überhaupt noch zulassen, nichts zu tun oder zu sein?

"Hitze" ist ein Roman, der Gespräche und Gedanken anzustoßen vermag, und sicher auch ein paar Analysemöglichkeiten bietet. Erzählerisch auf gutem Niveau, bleibt er inhaltlich jedoch zu einfach und einseitig.

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Veröffentlicht am 21.06.2021

Ein buntes Amuse-Bouche

Das Leben ist ein Fest
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Eigentlich passt Claire Berests Roman perfekt zum Leben und Temperament der Frida Kahlo, denn in diesem Roman ist es gefühlt immer laut, immer wild, ständig bunt und leidenschaftlich. Die Handlung rast ...

Eigentlich passt Claire Berests Roman perfekt zum Leben und Temperament der Frida Kahlo, denn in diesem Roman ist es gefühlt immer laut, immer wild, ständig bunt und leidenschaftlich. Die Handlung rast schlaglichtartig durch das Leben der berühmtesten Malerin Mexikos, stets auf der Suche nach dem nächsten erzählenswerten Kick, der nächsten Episode, die nach lauten Gefühlen, tiefster Betrübung oder höchster Ekstase verlangt. Das erscheint abwechslungsreich, ist aber auf die Dauer auch etwas atemlos und vor allem - sehr gefährlich - oberflächlich. So fehlen dem Roman meines Erachtens nach sehr häufig die verbindenden Glieder, die leisen Zwischentöne, die Introspektion. Stattdessen wird die Relevanz der fiktionalen Auseinandersetzung mit der Künstlerin durch deskriptive Passagen herzustellen versucht, in denen die Kunstwerke in den Mittelpunkt gerückt werden. Meist erfolgt eine knappe Verknüpfung zur jeweiligen Lebenssituation mit angedeuteter Analyse, aber gerade in diesen Absätzen ist die Erzählinstanz zu zahm und zu brav, wo sie doch an vielen anderen Stellen mit viel Kraft aufs Ganze geht.

Zugegebenermaßen ist es immer schwer, sich einer realen historischen Persönlichkeit fiktional anzunähern, aber dieser Roman, der seine Sache sprachlich und auch von der Grundkonzeption her überzeugend macht, verliert zeitweise den Mut, auch einmal andere Facetten der Frida Kahlo sichtbar zu machen, die nicht schon Teil der Popkultur und des Allgemeinguts sind.

So bleibt "Das Leben ist ein Fest" für mich ein Roman, der mir gefallen und mich interessiert hat, mich aber nicht berauscht oder begeistert hat. Er ist am ehesten mit einem Amuse-Bouche zu vergleichen: er macht durchaus Lust auf mehr, aber satt und zufrieden macht er nicht.

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Veröffentlicht am 18.06.2021

Unterhaltsam-unseriöses Spiel mit dem Geschlechterklischee

Nachrichten von Männern
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"Nachrichten von Männern" fällt für mich in die Kategorie "Geschenkbüchlein für Frauen, die ein Männerproblem haben", denn irgendwie werden hier alle negativen Vorurteile Männern gegenüber bedient. Das ...


"Nachrichten von Männern" fällt für mich in die Kategorie "Geschenkbüchlein für Frauen, die ein Männerproblem haben", denn irgendwie werden hier alle negativen Vorurteile Männern gegenüber bedient. Das ist sehr unterhaltsam, unglaublich stereotyp und klischeehaft und entbehrt jedweder wissenschaftlichen Grundlage, trägt aber trotz allem stets ein Fünkchen Wahrheit in sich und ist daher zumindest zeitweise recht amüsant.

Dabei bleibt es aber auch, denn eins sollte man auf keinen Fall tun: dieses Büchlein in irgendeiner Form ernst nehmen. Zum einen pauschalisiert es auf jeder Seite, zum anderen sind mir zahlreiche Kommunikationsverläufe, die hier als Exklusivdomäne von Männern betrachtet werden, genau so auch von Frauen bekannt. Dazu ist die vorgenommene Kategorisierung äußerst kleinteilig und macht eher deutlich, dass es DIE "Nachrichten von Männern" eher nicht gibt, sondern dass es sich um eine äußerst heterogene Kommunikationsmasse handelt. Die den Nachrichten-Beispielen folgenden Analysen sind locker-witzig geschrieben, aber wiederholen sich in ihrem Anliegen stark und dienen letztlich doch immer wieder dazu, die Überlegenheit der Weiblichkeit gegenüber "dumpfer" Männlichkeit ironisch hervorzuheben. Das nutzt sich ziemlich schnell ab und daher ist das Buch auch sicher keines, dass man in einem Rutsch durchliest, sonder eher eines zum gelegentlichen, amüsierten Durchblättern.

Insgesamt sind die "Nachrichten von Männern" ein oberflächlicher, klischeebehafteter Band mit ein paar wahren Einsichten zum vergnüglichen Zwischendurchlesen. Den Muckefuck unter den Männern wird man aufgrund der Lektüre auch nicht vom Blue Mountain-Kaffee unterscheiden können, aber zumindest wird die geneigte Leserin all ihre Vorurteile bestätigt finden.

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Veröffentlicht am 25.05.2021

Andere Menschen machen glücklich

Warten auf Eliza
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Eliza, einsame Promotionsstudentin mit Selbstwert-, Liebes-, Geld- und Familienproblemen, trifft Ada, einsame Witwe, Dichterin mit Leere im Leben. Gemeinsam überwinden sie ihre persönlichen Schwierigkeiten ...

Eliza, einsame Promotionsstudentin mit Selbstwert-, Liebes-, Geld- und Familienproblemen, trifft Ada, einsame Witwe, Dichterin mit Leere im Leben. Gemeinsam überwinden sie ihre persönlichen Schwierigkeiten und schmieden an einem Freundschaftsband.

Thematisch ist dieser Roman mal etwas anderes, denn hier wird zwar die zur Zeit allgegenwärtige Problemstellung der Einsamkeit ins Zentrum gerückt, überwunden wird sie jedoch nicht durch naheliegende Zusammenkünfte mit Gleichaltrigen und einen vorhersehbaren romantischen Plot, sondern dadurch, dass hier zwei Frauen aus verschiedenen Generationen Gemeinsamkeiten entdecken und zu Freundinnen werden. So innovativ und gefällig diese Handlung auch ist, sie bedient sich sehr häufig bei Feelgood- und Happiness-Klischees und setzt allem Gutem auch immer fruchtbar trübe, traurige Momente gegenüber, die von Missverständnissen geprägt sind. Dies führt dazu, dass neben der immer wieder sehr schematisch wirkenden Erzählweise (die Perspektiven wechseln häufig konsequent von Kapitel zu Kapitel zwischen Ada und Eliza hin und her) auch die Handlung recht berechenbar erscheint.

Der Roman liest sich ausgesprochen angenehm, aber mein Interesse hielt sich stets in Grenzen - außer bei den Passagen, die sich mit Adas Start-up beschäftigen - hier kam viel Komik und Spaß zum Einsatz, auch wenn das Projekt insgesamt wohl eher das Prädikat "unrealistisch" verdient. Daneben gibt es auch einige andere nette Szenen, in denen Altersunterschiede verwischt werden (wenn z.B. die Nacht einmal durchgemacht wird). Insgesamt ist es bei diesem Roman jedoch so, dass man weiter lesen kann, aber nicht muss. Dabei ist der Text nicht langweilig, aber einfach für sein Thema viel zu lang. Dies wird besonders deutlich, wenn die beiden Protagonistinnen sich für einige Zeit aus den Augen verlieren und dann unbedingt noch ein großer Schockmoment gesetzt werden muss, um irgendwie ein überzeugendes Finale zu erzeugen, und zu verhindern, dass der Roman lediglich seinem Ende entgegen plätschert.

Für mich ist Warten auf Eliza ein Roman, der für mehr Verständnis zwischen den Generationen wirbt und aufzeigt, wie beide Seiten von einer Freundschaft profitieren können. Um richtig ernst genommen zu werden, wandelt er aber zu häufig durch die Friede-Freude-Eierkuchen-Abteilung. Die Balance zwischen Fluffigkeit und Düsternis ist nicht harmonisch genug und auf der Inhaltsebene geschieht zu wenig Interessantes. Daher würde ich diesen Roman nur denjenigen empfehlen, die ein ausgesprochenes Interesse an dem Thema haben.

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Veröffentlicht am 07.05.2021

Nur ein Ausschnitt aus einem Leben

Hauskonzert
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Das "Hauskonzert" entzieht sich eigentlich von vornherein einer Bewertung, denn wem stünde es zu, den Inhalt eines Lebens, die Ziele, Wünsche, Träume, den Alltag eines anderen Menschen zu bewerten? Und ...

Das "Hauskonzert" entzieht sich eigentlich von vornherein einer Bewertung, denn wem stünde es zu, den Inhalt eines Lebens, die Ziele, Wünsche, Träume, den Alltag eines anderen Menschen zu bewerten? Und all diese Faktoren spielen nun einmal ungefragt und unumstößlich in die Leseerfahrung des "Hauskonzerts" hinein.

So paradox es klingt, aber versucht man den Menschen Igor Levit aus dem Buch herauszuhalten, so bekommt man im Wesentlichen das, was das "Hauskonzert" leistet: einen eindringlichen Einblick in den Künstler, den Pianisten Igor Levit, in die faszinierend, wahnwitzig schwere Arbeit, die hinter der Virtuosität auf dem Klavier liegt, in die Freude am Spiel, den Willen zur Innovation. Mich hat der Ausflug in die Welt des Pianisten begeistert. Mit Erstaunen ist mir so erst wirklich bewusst geworden, dass das Klavierspiel nicht nur körperlich harte Arbeit bedeutet, sondern dass auch jede einzelne Note, jeder Takt und jede Phrase ihre Daseinsberechtigung hat und eine Interpretation verdient hat. Die Passagen, die sich der Musik widmen, waren erhellend und inspirierend.

Was man außerdem im "Hauskonzert" bekommen soll, sind Erkenntnisse die (politische) Haltung Igor Levits zu wesentlichen gesellschaftlichen Themen, wie Antisemitismus und die Flüchtlingskrise, betreffend. Auch diese werden geliefert. Allerdings werden sie nicht annähernd so überzeugend von Florian Zinnacker transportiert, wie die musikalischen Passagen. Während in den Musik-Teilen ein festes Fundament, ein starker Kontext, eine ganze Lebenswelt aufgebaut wird, ist das politische Engagement zu flüchtig, zu oberflächlich dargestellt, irgendwie wirkt es nur wie angerissen. Die wichtigen Positionen, die Igor Levit vertritt, hätten für mich einfach mehr Tiefe im "Hauskonzert" verdient. Sie im wesentlichen nur durch Auftritte in TV-Sendungen, über Twitter-Meldungen und Witze zu illustrieren, war mir einfach ein bißchen wenig - schade, da wurde Potenzial verschenkt.

Überhaupt erscheint es mir am Ende des Buches so, als ob zu wenig Igor Levit in dem Text steckt. Das Layout der Verfassernamen suggeriert, dass das "Hauskonzert" ein Buch von Igor Levit sei, assistiert von Florian Zinnacker, stattdessen ist es der Blick des Journalisten auf Igor Levit, der nur in Sequenzen, meist in Interview-Auszügen, wirklich selbst zu Wort kommt. Und so liest sich auch der Großteil des Buches wie ein sehr langer Zeitungsartikel, zu präsent ist der beobachtende journalistische Stil des Verfassers, zu starr die Einengung der Person Igor Levits auf die zwei Aspekte "musikalisch" und "politisch". Man wird so beim Lesen stets auf Distanz gehalten und kann sich nicht wirklich annähern. Zu diesem distanzierten Eindruck trägt auch die wirre Chronologie bei, die in der Zeit hin- und herspringt und mitunter fast chaotisch wirkt.

Abschließend ist das "Hauskonzert" ein sehr bereichernder Einblick in das musikalische Leben des Igor Levit, dem es aber an dem Willen zur Offenheit in anderen Bereichen schlichtweg fehlt. Bei einer Biographie muss man als Biograph und auch als beschriebenes Objekt Mut zur Enthüllung habe und dieser Mut, der fehlte mir.

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