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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.07.2021

Kentucky – unbekanntes Land und doch vertraut

Unbarmherziges Land
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Chris Offutt hat einen spannenden und düsteren Krimi vorgelegt. Mit einigen Twists und Nebenhandlungen, die die Erwartung an das Buch steigern. So z.B. erfahren wir gleich zu Beginn, dass Linda Hardin, ...

Chris Offutt hat einen spannenden und düsteren Krimi vorgelegt. Mit einigen Twists und Nebenhandlungen, die die Erwartung an das Buch steigern. So z.B. erfahren wir gleich zu Beginn, dass Linda Hardin, erster weiblicher Sheriff im County nicht richtig ermitteln kann weil es dem Bürgermeister ungelegen wäre, wenn eine Frau den Fall löst, der County Judge hat was gegen die Familie Hardin, Murvin Knox, ein Kohlemagnat stellt ihr gar einen Aufpasser vom FBI an die Seite, der ihm jeden Zug von Linda Hardin berichtet. Und so bittet Linda ihren Bruder Mick, der gerade auf Heimaturlaub von der Army ist, um Hilfe. Mick ist hochausgebildeter Mordermittler, hat für die Armee viele Fälle gelöst, war in Einsätzen in Syrien, Irak, Afghanistan, er ist also sehr wohl in der Lage seiner Schwester zu helfen. Er ermittelt auf eigene Faust, tauscht sich aber regelmäßig mit Linda aus, bringt sie auf den neuesten Stand.
Eine der Nebenhandlungen sind Micks Eheprobleme mit seiner hochschwangeren Frau Peggy. Ich würde sagen, es sind zu erwartende Probleme, wenn Mann und Frau sich jahrelang nur sporadisch sehen. Mick löst elegant die Situation, so dass damit beide auf ihre Weise damit leben können.
Interessant: bei diesem Krimi erfahren wir nicht erst im letzten Absatz auf der letzten Seite, wer der Mörder ist, sondern schon gut 100 Seiten vorher. Aber die Suche nach einem bekannten Mörder ist genauso spannend wie die Suche nach dem großen Unbekannten. Letztlich war der Mord kein Mord, eher ein Sexunfall, der vermeintliche Mörder wird trotzdem getötet. Wir dürfen nicht vergessen, der Krimi spielt in Kentucky. Hinterwäldler leben nach eigenen uralten Gesetzen und verüben die Blutrache ohne viel Worte und gnadenlos.
Um die Symmetrie zu wahren, beginnt und endet der Roman mit einer humorvollen Szene, wenn man so sagen darf: . Absolut drollig fand ich in der Eröffnungsszene den alten Mann, der zuerst seine Ginseng Pflanze an einen sicheren Ort verpflanzt, bevor er die Polizei wegen der soeben entdeckten Leiche ruft. Der Mann weiß Prioritäten zu setzen. Und die Frau ist ja schließlich tot. Aber die Ginseng Pflanze muss vor dem Niedertrampeln geschützt werden. Die Schlussszene war zum Genießen. Die Liebe zwischen Army und FBI war nie sonderlich groß und was Mick da tut ist ihr auch nicht gerade förderlich. Schön!
Die handelnden Personen sind klar definiert und wirken ansprechend: ein schluchzender Mörder, ein knallharter Ermittler, eine hartgesottene Frau, die ihre Drogen verkaufende Söhne fest im Griff hat, ein stiller Korea-Veteran, der ohne viel Federlesen das tut, was er glaubt sei seine Pflicht. Wir als Leser können die Handlungen all dieser Menschen nachvollziehen, sie verstehen, ihnen Sympathie entgegenbringen. Chris Offutt schafft es, dass wir Mitleid mit den Mördern haben.
Das Titelbild ist beeindruckend: Landschaft und Pickup sind in dramatisches Feuerrot getaucht, ein Hingucker schlechthin.

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Veröffentlicht am 07.07.2021

Skandinavier machen keine halben Sachen!

Tiefer Fjord
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Zuerst scheint alles einfach und klar: Clara und Henrik Haavard sind verheiratet, haben 2 Söhne. Sie ist Juristin im Ministerium, befasst sich mit einem Gesetzesentwurf zum Schutz der Minderjährigen. Ihr ...

Zuerst scheint alles einfach und klar: Clara und Henrik Haavard sind verheiratet, haben 2 Söhne. Sie ist Juristin im Ministerium, befasst sich mit einem Gesetzesentwurf zum Schutz der Minderjährigen. Ihr Entwurf wird abgelehnt. Henrik ist Arzt in der Kinder-Notaufnahme eines Krankenhauses in Oslo. Ein verzweifelter Vater bringt ihm seinen bewusstlosen Sohn, doch das Kind ist nicht mehr zu retten. Es stirbt an den inneren Verletzungen, die ihm sein Vater eingeprügelt hat. Und ab hier geht alles langsam, aber sicher ins Chaos über. Der Vater wird erschossen aufgefunden, bald geschehen weitere Morde. Haavard wird zeitweilig als Verdächtiger verhaftet, aber als ein weiterer Mord während seiner Haftzeit geschieht, muss ihn die Polizei Zähne knirschend entlassen. Sie hatte sich komplett auf ihn eingeschossen, die Lösung der Morde schien so einfach, wenn der Beschuldigte nur gestehen würde. Langsam kommen Geheimnisse, die Henrik und Clara voreinander haben, ans Tageslicht. Haavard hat eine Geliebte, Clara hütet ein dunkles Geheimnis aus ihrer Kindheit. Und reagiert heftig, wenn sie von Kindermissbrauch hört.
Der Roman ist sehr spannend, gegen Ende hin wird er richtig deprimierend, weil das Böse scheinbar obsiegt. Bisher waren wir es gewohnt, am Ende wird alles gut und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. Aber dieses Buch hat keinen guten Ausklang. Das lässt auf eine Fortsetzung hoffen, denn ein derartig eklatanter Sieg des Bösen ist kaum hinzunehmen.
Die wechselnden Erzählperspektiven, mal Henriks Sicht, mal Claras, erhöhen die Neugier des Lesers und decken die Geheimnisse der Eheleute sukzessive auf.
Fazit: Wenn nicht bald die Nachfolgeromane erscheinen, zweifle ich an der ausgleichenden Gerechtigkeit, die zumindest in Büchern doch herrschen sollte.

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Veröffentlicht am 07.07.2021

Ehrlich und einfühlsam

Wildtriebe
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Während der Lektüre weiter Teile des Romans, ist mir wieder einmal aufgegangen, was für ein Glück ich mit meiner Schwiegermutter habe. Seit 31 Jahren hat sie mir nie gezeigt, wie man Fenster "richtig" ...

Während der Lektüre weiter Teile des Romans, ist mir wieder einmal aufgegangen, was für ein Glück ich mit meiner Schwiegermutter habe. Seit 31 Jahren hat sie mir nie gezeigt, wie man Fenster "richtig" putzt, mit Zeitungspapier, und auch nicht wie eine gebügelte Tischdecke zusammengelegt werden muss. Wobei ich aus der Großstadt kam und sie im ländlichen Milieu gelebt hat. Danke Mama!!!
Ich habe Marlies bedauert. Lisbeth hat immer nur gesehen, was sie nicht „richtig“ tat, all das viele andere aber, das Marlies schaffte, war nichts in ihren Augen. Dass sie im Stall und auf dem Acker einen Arbeiter ersetzte, zählte nicht. Aber was hätte Marlies auch tun sollen? Kein Handgriff, den sie im Haushalt tat, war Lisbeth recht. Konrad, der Jungbauer und ihr Mann, hat ihr kein einziges Mal beigestanden, kein einziges Mal für sie Partei ergriffen. So kam es, dass Marlies versuchte es Mann und Schwiegermutter recht zu machen, zu allem schwieg, sich zurückzog, eine Fremde im Haus und Dorf blieb. Nicht einmal ihre Aussteuer durfte sie auspacken, Lisbeth hatte alles und es kam ihr nie in den Sinn, der jungen Frau anzubieten, ihrem Kaffeeservice oder Tischdecken einen Platz im Haushalt zu räumen. Eines Abends sitzen Lisbeth, Karl, Alfred und Konrad auf der Bank vor dem Haus und genießen ein Feierabendbier. Als Marlies sich hinzugesellt, bietet ihr keiner an, für sie auch auf der Bank Platz zu machen oder ihr einen Stuhl zu holen oder auch nur eine Bierflasche. Aber als sie dann weggeht, sieht ihr Lisbeth hinterher und versteht nicht, warum sie lieber im Zimmer hocken will.
In über 20 Jahren Ehe haben Marlies und Konrad keinen Abend gemeinsam irgendwo verbracht. Immer und nur in der Küche des Bauernhauses. Sie gingen kein einziges Mal aus, Tanzen, ins Restaurant, haben nie eine Reise unternommen. Und Marlies hat alles geduldig und ohne Widerworte ertragen.
Leider gestaltete sich dann das Verhältnis auch zu ihrer Tochter schwierig. Marlies wollte für Joanna ein freies, selbstbestimmtes Leben. Aber irgendwie hat sie es nie geschafft, ihr das auch so zu erklären. Sie war die Einzige, die das Gymnasium für Joanna durchsetzte, von einem Studium sprach, nie eine Aussteuer für ihre Tochter sammelte. Joanna sollte keinesfalls allein in der Ehe ihre Erfüllung finden. Nun, Joanna wird in der Tat ihren eigenen Weg gehen. Als Enkelin hat sie ein entspanntes Verhältnis zu ihrer Großmutter, so wie sie es eigentlich nicht zu ihrer Mutter hatte. Lisbeth die ständig Regeln für Marlies aufsetzte, wird sie keinesfalls bei Joanna anwenden. „Ach, und überhaupt. Mit den Regeln würde sie Joanna höchstens vertreiben. Nein, das wollte sie auf keinen Fall. Das konnte niemand wollen.“ (S. 273)
Bezeichnend ist, als Marlies sich entschließt den Bethches-Hof zu verlassen, zeigen weder Konrad noch Lisbeth auch nur eine Spur von Bedauern, keiner äußerte auch nur eine leise Andeutung, sie solle doch bleiben, dies sei auch ihr zu Hause.
Und so kommt es, Marlies verlässt den Hof ihres Mannes, wie sie gekommen ist, mit ihrer noch in den Originalkartons verpackten Aussteuer. Sie wird zwar zu Besuch kommen, aber nur weil es die Tochter so will. Auf dem Hof und im Dorf war sie stets eine Fremde gewesen. Sie hat nie richtig dazugehört. Konrad hat ihr dieses Gefühl nie richtig vermitteln können.

Ute Mank hat einen sehr feinfühligen Roman verfasst. Die Sprachlosigkeit, mit der Marlies, Lisbeth und Konrad zu kämpfen haben, ist ergreifend. Manchmal hätte ich ihnen zugerufen, sie sollen doch mal aus dieser Stimmlosigkeit ausbrechen, sich mal den Frust und die Wut und den Ärger und all die Zweifel von der Seele reden. Aber nein, alles bleibt wohlbehütet tief im Innern verborgen. Und dies versteht es Mank meisterhaft zu zeigen. All das Ungesagte, wird in halben Sätzen angedeutet, skizziert, wie eine leichte Federzeichnung. Dabei ist nichts leicht in diesem Roman, nicht das Leben, nicht die Arbeit, die nie ein Ende nimmt.
Ein lesenswertes Buch, nicht nur für jene, die als „Reingeschmeckte“ oder „Zugelaufene“ in eine feste, uralte Dorfgemeinschaft und Bauernhof reingeheiratet haben. Eine Freundin hat als Städterin, in ein fränkisches Bauerngeschlecht reingeheiratet. Ihr Schwiegervater hat es auf den Punkt gebracht: „Ja, auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn!“

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Veröffentlicht am 28.06.2021

Der Bulle und die Seelenklempnerin – tolles Gespann

Siehst du, wie sie sterben? (Thriller)
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Nach einem gruseligen Prolog lernen wir die zwei Ermittler und zugleich Kontrahenten kennen. Das wird für Spannung aber auch entspannende Kurzweil ab und zu sorgen. Das werden wir bitter nötig haben, denn ...

Nach einem gruseligen Prolog lernen wir die zwei Ermittler und zugleich Kontrahenten kennen. Das wird für Spannung aber auch entspannende Kurzweil ab und zu sorgen. Das werden wir bitter nötig haben, denn Gunnar Schwarz hat für einen rabenschwarzen Thriller gesorgt. Das bezeugt schon das schaurig spannende Titelbild.
Die Psychologin Frieda Rubens und der Polizist Marc Wittmann müssen zusammenarbeiten um einen psychopatischen Mörder zu stellen, der nach dem keltischen Jahr grausam foltert und ermordet um anschließend seine Opfer an diversen Punkten der Stadt drapiert. Ganz langsam und in kleinen Häppchen nur enthüllt Gunnar Schwarz die Puzzle-Teile dieses Thrillers. Erst beim großen Showdown im Finale erfahren wir, wer und warum hinter den Morden steckt. Die Zusammenhänge waren eigentlich schon vorher offen vor unseren Augen, aber der Autor hat es geschickt verstanden, uns davon abzulenken, sie als nebensächlich erscheinen zu lassen. Genau das macht einen guten und spannenden Thriller oder Krimi aus.

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Veröffentlicht am 28.06.2021

Reiselust und Reisefrust liegen manchmal ganz nah beieinander

Happy Road
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Ein wunderschönes Reisebuch, das sich klar von Baedeker & Co. absetzt. Bei Baedeker habe ich immer die Tendenz, die Sehenswürdigkeiten auf der Liste abzuhaken. Bei Sarah Kringes Buch kriege ich Lust mich ...

Ein wunderschönes Reisebuch, das sich klar von Baedeker & Co. absetzt. Bei Baedeker habe ich immer die Tendenz, die Sehenswürdigkeiten auf der Liste abzuhaken. Bei Sarah Kringes Buch kriege ich Lust mich noch mehr auf die Menschen, der Fauna (ok, muss ja nicht immer ein Bär sein) oder der Pflanzenwelt des bereisten Landes oder Stadt einzulassen. Kringe schriebt sehr mitreißend und begeistert. Mein Traum war nie, in einem VW-Schlaf-Koch-Wohn-Bus die Welt zu erkunden. Nach der Lektüre habe ich mich dabei ertappt, dass ich mich fragte, wie das wohl wäre…?
Die Bilder, die jedes Kapitel einleiten, stimmen uns auch auf die nun folgenden Texte ein, umso mehr, wenn man die Bilder zusammen mit dem Motto des Kapitels verbindet, ob es nun ein magischer Zauberspruch von Harry Potter ist, ein etwas derbes Zitat von Matthias ist (Scheiß di ned oa) oder ein Ausspruch von Konfuzius oder Jorma (You have very much succeeded in finding a good man) finnische Lebensweisheiten (in der Sauna sind alle gleich) usw., es heitert auf, macht neugierig auf das nun Folgende und hält dadurch den Leser bei der Stange, ähem, Buch.
Was mich besonders beeindruckt hat: beide Partner sind sich sehr bewusst gewesen, dass die Reise nicht einfach sein wird. Ein Mensch mit Zöliakie und anderen Essensunverträglichkeiten fährt nicht mal so ein paar 1000 km ins Ungewisse. Planung, ehrliche Gespräche zwischen den Partnern, all das gehört dazu, aber auch viel Toleranz und Bereitschaft sich auf den Partner und seine Belange einzulassen. Auch der Mut, zu zugeben, wenn einer am Ende seiner Kräfte ist und der andere das anerkennt und mit dem Abbruch der Reise einverstanden ist, zeugt von der Liebe und Verständnis zwischen den beiden Protagonisten. Dies alles wird in diesem Buch deutlich unter Beweis gestellt.
Der Verlag „Wenn nicht jetzt“ hat mit diesem liebevoll gestalteten Buch allen Vanlifern, Campern aber auch uns, den (bislang) nicht infizierten Lesern ein Kleinod geschenkt.
Zum Schluss muss ich mir das Wort Kalsarikännit merken. Ob ich es anwenden werde, ist eine andere Sache. Aber toll ist das Wort allemal.

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