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Veröffentlicht am 02.11.2021

Spannend, fesselnd, geheimnisvoll – und eine Liebeserklärung an die Wissenschaft

Shelter
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Bücher von Ursula Poznanski sind jedes Mal ein Wunderwerk: reich an Spannung, reich an Fantasie und voller unvorhersehbarer Entwicklungen, Wendungen und einem Twist, der mich immer wieder zu überraschen ...

Bücher von Ursula Poznanski sind jedes Mal ein Wunderwerk: reich an Spannung, reich an Fantasie und voller unvorhersehbarer Entwicklungen, Wendungen und einem Twist, der mich immer wieder zu überraschen mag.
Das sind hohe Erwartungen, die an „Shelter“ gestellt werden, allzu gut waren seine Vorgänger. Doch muss Poznanskis neuer Jugendroman diesen Vergleich nicht scheuen, ganz im Gegenteil: Für mich spielt er ganz oben mit in der Liga, gehört zu ihren besten Büchern.
Wo „Cryptos“ mit überbordender Fantasie und einem schier unerschöpflichen Schatz von geradezu unglaublichen und vor allem unglaublich guten Einfällen punkten kann, überzeugt „Shelter“ ganz besonders durch eines: Spannung, Spannung, Spannung. Und zwar gelingt der Autorin das Kunststück, den Spannungsbogen über die gesamte Erzählung hindurch überaus hochzuhalten. Nie wird es langweilig, nie musste ich mich zu dem nächsten Kapitel motivieren. Ganz im Gegenteil: Das Buch ist ein wahrer Pageturner, und tatsächlich hat es meine Nacht wieder mal zum Tag gemacht und meine Augen am nächsten Morgen sehr klein – meine Begeisterung dafür umso größer.
Die Geschichte an sich passt in unsere Zeit, enthält sie für mich doch allerlei Anspielungen auf die sogenannte „Querdenker“-Bewegung. Die Verschwörungstheorie, die „Shelter“ zugrunde liegt, könnte nichts abstruser sein: Nein, kein Chip wird in die Körper impfwilliger Menschen gepflanzt, Außerirdische haben sich Zugang zu eben diesen verschafft – und gleichzeitig auch noch die Erde erwärmt, um es schön gemütlich und kuschelig zu haben. Hört sich weit hergeholt und so unglaublich an: Die Anhängerinnen und Anhänger, die sich bald um den selbsternannten Anführer scharen, werden von Tag zu Tag zahlreicher, und die Idee, ursprünglich aus einer Partylaune heraus entstanden, entwickelt sich zu einer ernsten Gefahr für den Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes.
Doch wie sagte schon der alte Goethe so wunderbar: „Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.“ Und so geht es auch unserer Freundesclique. Die Verschwörungstheorie hat ein Eigenleben entwickelt, und ganz eigene Ziele scheint auch deren Anführer zu verfolgen.
Was folgt sind Rätselraten, falsche Fährten und eine Verfolgungsjagd, die es in sich hat. Jede Seite, jedes Kapitel bietet dabei neue Überraschungen und Wendungen.
„Shelter“ ist vor allem eines: ein gut konstruierter, intelligent gemachter Lesespaß – der scheinbar so ganz nebenbei die Bedeutung von Wissenschaft und vernunftgeleitetem Denken und Handeln in den Mittelpunkt stellt. Möglicherweise ist dies heute wichtiger denn je.

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Veröffentlicht am 25.10.2021

Aufstieg, Fall und Untergang: Denn nobel geht die Welt zugrunde

Das Glashotel
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Emily St. John Mandel erzählt in „Das Licht der letzten Tage“ eine Geschichte des Weltuntergangs, und auch in „Das Glashotel“ bricht eine Welt zusammen – wenn auch ganz anders.
Vincent und Paul haben denkbar ...

Emily St. John Mandel erzählt in „Das Licht der letzten Tage“ eine Geschichte des Weltuntergangs, und auch in „Das Glashotel“ bricht eine Welt zusammen – wenn auch ganz anders.
Vincent und Paul haben denkbar schlechte Startbedingungen in das Erwachsenenwerden: das Verschwinden der Mutter, das zu einer Entwurzelung von der Familie führt, Drogensucht, Tristesse, finanzielle Nöte. Den Wendepunkt bringt für Vincent die Arbeit in dem „Glashotel“ in ihrem Heimatort Caiette, welches zum Ausgangspunkt ihres rasanten sozialen Aufstiegs an der Seite von Jonathan Alkaitis wird.
Das, was dann folgt, könnte der Traum von Cinderella sein, das Leben in der Märchenwelt. Doch Geld täuscht nicht über fehlende Gefühle, die verlorene Freiheit eines Verharrens im goldenen Käfig hinweg. Und, wann war das Sprichwort jemals treffender: „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“ – hier im wahrsten Wortsinne.
Bis zu diesem Zeitpunkt könnte der Leserin und dem Leser die Geschichte nur allzu bekannt vorkommen, doch wartet Emily St. John Mandel mit einem Bruch auf, der sich auch in der Erzählung durch einen Sprung in Figurenperspektive und Zeitebene widerspiegelt. Denn hier kommt er nun: der besagte Weltuntergang, eine Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes, die zahlreiche Existenzen vernichtet und auch Vincent aus dem „Königreich des Geldes“ vertreibt.
Doch damit nicht genug, die wohl größte Überraschung erwartet uns im letzten Drittel der Erzählung: Eine metaphysische Ebene erhält Einzug in das Geschehen. Was für ein Kunstgriff, ich bin begeistert! Der Roman sperrt sich so gegen die Einordnung in gängige Kategorien und eröffnet zugleich eine Bedeutungsebene und eine verborgene „Gegenwelt“, die weit über das Offensichtliche und Sichtbare hinausgeht – und mich als Leserin sehr berührt hat.
Damit ist „Das Glashotel“ für mich vor allem eines und zugleich so viel: ungewöhnlich in Aufbau und Inhalt, vielschichtig in Bedeutung und Aussage – und ein Leseerlebnis so kostbar, wertvoll und unerwartet wie ein Luxushotel in den Einsamkeiten der kanadischen Westküste.

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Veröffentlicht am 30.08.2021

Die Wahrheit ist schmerzhaft, schonungslos, tut weh

Die Wahrheit der Dinge
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Schuld, Gerechtigkeit, Menschlichkeit – der Roman beschäftigt sich mit den ganz großen Fragen des Lebens und ist für mich dabei die große Überraschung des Jahres. Denn die Geschichte als eine Auseinandersetzung ...

Schuld, Gerechtigkeit, Menschlichkeit – der Roman beschäftigt sich mit den ganz großen Fragen des Lebens und ist für mich dabei die große Überraschung des Jahres. Denn die Geschichte als eine Auseinandersetzung mit Ethik und Moral hat mich in ihrem Scharfsinn, ihrer Dichte und Intensität unvorbereitet getroffen, aufgewühlt, erschüttert.
Aufgewühlt und auf der Suche nach Antworten ist auch Frank Petersen, in seiner Überzeugung der eigenen Unfehlbarkeit plötzlich infrage gestellt und dabei in Auseinandersetzung mit traumatischen Erlebnissen seines Berufslebens und dicht und nah an dem geradezu unermesslichen Leid der Opfer von Rassismus, Rechtsextremismus, Unmenschlichkeit. Die Schilderung dieses Hasses, seiner zerstörerischen Wirkung auf das private wie auch gesellschaftliche Leben und seiner Folgen anhand der Hauptperson Corinna Maier ist dabei schonungslos und wohl für die meisten von uns unbegreiflich. Zumindest ging es mir so. Und ich wurde so traurig beim Lesen.
Zugleich bin ich aber auch sehr froh, diese Geschichte für mich entdeckt zu haben, und vor allem stimmt mich diese ehrliche Auseinandersetzung mit diesem unsere Gesellschaft auch und gerade in der heutigen Zeit spaltenden Thema optimistisch. Ist es denn nicht gerade das personifizierte, namentlich zuordbare Leid, das uns berührt, muss der Schrecken nicht ein Gesicht haben, damit er uns erreicht? Und uns zum Nachdenken bringt, wie wir derartige Taten verhindern und den Menschen eine neue Heimat in unserem Land geben können, welche diese hier finden möchten oder auch so dringend benötigen? Ich denke schon. Und ich bin davon überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit „Die Wahrheit der Dinge“ hierzu beitragen kann. Wenn das nicht doch ein Grund zur Freude ist.

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Veröffentlicht am 16.07.2021

Zwei außergewöhnliche Frauen, ein Schicksal – und grenzenlose Lesestunden

Schicksal
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Wenn aus Liebe Schicksal und aus Schicksal eine Begegnung wird, die alles verändert: So verschieden Atara und Rachel auf den ersten Blick zu sein scheinen, so viel verbindet sie doch in ihrer Herkunft, ...

Wenn aus Liebe Schicksal und aus Schicksal eine Begegnung wird, die alles verändert: So verschieden Atara und Rachel auf den ersten Blick zu sein scheinen, so viel verbindet sie doch in ihrer Herkunft, ihrer Geschichte und einer gemeinsamen Vergangenheit, die ihrer beider Leben prägt und unwiderruflich ineinander verschränkt.
Atara, erfolgreiche Architektin, Mutter, Ehefrau, selbstbewusst und Rachel, die ehemalige Freiheitskämpferin, ernüchtert und enttäuscht vom Leben, einsam, bereit für den Tod. Die eine für die andere bereits seit ihrer Kindheit präsent, ein Schatten, der sich über ihre Familie gelegt hat, ein Phantom, das nicht zu fassen und dadurch erst recht bedrohlich und allgegenwärtig ist. Die andere für die eine in ihrer Existenz nicht bekannt, ein unerwarteter Einbruch in die eigene wohlgeordnete Gegenwart und zugleich ebenfalls ein Geisterwesen – aus einem vergangenen Leben, das fest verschlossen und gut verwahrt im eigenen Inneren ruht.
Anhand der Begegnung, des Lebens und Liebens der beiden Frauen nicht nur das Schicksal von Generationen sondern auch die Geschichte eines Landes und seiner Menschen zu erfahren, die uns so nahe und eins sind, ist für mich so faszinierend wie lehrreich zugleich. Die Tiefe und Stärke der Emotionen hat mich dabei berührt, zum Teil auch tief erschüttert. Ataras Trauer hatte für mich bereits etwas Körperliches, war ein gewaltiges, dunkles Tier, das zwischen den Zeilen auf mich zugesprungen ist und sich schwer auf meine Brust gelegt hat. Und dort ruhte.
So intensiv, intim, überwältigend „Schicksal“ ist, so außergewöhnlich sind auch die Lesestunden, die Zeruya Shalev uns bereitet. Getragen von einer poetischen, bildreichen Sprache Leid und Freud, Anfang und Ende, Gestern und Heute erfahren zu dürfen, ist für mich ein Erlebnis von großer Seltenheit und Kostbarkeit – das weit über die letzte Zeile hinaus in meinen Gedanken und Gefühlen verweilen wird.

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Veröffentlicht am 03.07.2021

Atemlose Spannung und so geheimnisvoll, wie das Meer tief ist

Dark Blue Rising (Bd. 1)
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Rätselhaft, mysteriös und mit einem unwiderstehlichen Sog, der mich Seite für Seite tiefer in die Geschichte hinabgezogen hat, bis in die Abgründe von Tabbys Herkunft und Vergangenheit! Den Leserinnen ...

Rätselhaft, mysteriös und mit einem unwiderstehlichen Sog, der mich Seite für Seite tiefer in die Geschichte hinabgezogen hat, bis in die Abgründe von Tabbys Herkunft und Vergangenheit! Den Leserinnen und Lesern stockt bei diesem rasanten Tauchgang der Atem, bleibt auch mal die Luft weg, denn diese Abgründe sind dunkel und schier endlos, scheint doch Tabbys gesamtes Leben auf einer Lüge zu basieren.
Wem kann Tabby Glauben schenken, wer ist Freund, wer Feind und was möglicherweise Teil eines großen Komplottes von ungeheuerlichem Ausmaße? Es ist ein Verwirrspiel, auf das Terry uns da mitnimmt, und von Seite zu Seite kommen neue Puzzlesteine hinzu, fügen sich ineinander, geben das gesamte Bild aber noch lange nicht frei. Tabby bei dieser Enthüllung des Unglaublichen und Unfassbaren zu folgen, mit ihr zu hoffen und zu bangen und gemeinsam mit ihr in der unterirdischen Höhle schließlich eine Entdeckung zu machen, die mir Gänsehaut auf den Rücken und ein verzücktes Grinsen ins Gesicht zaubert, macht einfach nur Spaß und ist ein wunderbares Leseerlebnis.
Dass Terry dabei die Grenzen des Realen verlässt und in die Bereiche des Fantastischen vordringt, gibt der Geschichte für mich einen zusätzlichen Reiz, denn nun scheint alles denkbar und möglich und ein Spielfeld der schier überbordenden Fantasie der Autorin. Und dass diese auch in den Folgebänden zahlreiche Überraschungen und Enthüllungen für uns bereithalten wird, ist für mich schon jetzt eine Tatsache – und so sicher, wie auf Ebbe die Flut folgt und Tabby Sehnsucht nach dem Meer letztendlich der Schlüssel ist, der das große Geheimnis zu lösen vermag.
Mit so viel Spannung und Neugierde und noch viel mehr Fragen im Kopf hat mich die Autorin nach dem ersten Band zurückgelassen, dass ich nun nur widerwillig aus der Geschichte auftauche und am liebsten gleich in ihrem Fluss bliebe. Doch bis das Warten ein Ende hat, genieße ich das freudige Kribbeln – auf Tabbys weitere Abenteuer und meinen Urlaub am Meer, das mir nun so geheimnisvoll und unergründlich erscheint.

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