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Veröffentlicht am 26.07.2021

Kann man dem Tod jemals den Stachel nehmen?

Niemehrzeit
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Das Titelbild zeigt die Eltern des Autoren, Ingrid und Hans Jürgen Dittloff. Beide waren als Teenager zusammen, trennten sich dann wieder, waren anderweitig verheiratet, blieben kinderlos und kamen erst ...

Das Titelbild zeigt die Eltern des Autoren, Ingrid und Hans Jürgen Dittloff. Beide waren als Teenager zusammen, trennten sich dann wieder, waren anderweitig verheiratet, blieben kinderlos und kamen erst als nach Mitte 35jährige wieder zusammen. 1983 war Christian ihr erstes und einziges Kind, das in der Stadt an der Alster geboren wurde.

2018 war ein traumatisches Jahr für den Autoren, denn mit einem Abstand von nicht einmal 3 ½ Monaten verlor er erst seinen Vater ( 1943 ) und dann seine Mutter ( 1946 ).

Er liebte beide und sie ihn auch, obwohl sie etwas hilflos waren, das offen auszudrücken. Dafür zeigte sich diese in vielen anderen Gesten. Als der Vater, der an COPD litt, offenbar an einer Lungenentzündung starb, im Hospital, war das ein harter Schlag für Frau wie Sohn.

All die Formalitäten, die immense Bürokratie, die damit verbunden ist. Der Vater hatte zwar eine Liste erstellt, aber das ändert nichts an den Pflichten, auch wenn man sich waidwund am liebsten verkriechen will.

Seine Mutter, schon schwächelnd und kränkelnd, ja, dann krank, verwindet den Verlust gar nicht. Sie wird immer mehr der Welt entrückt, kappt selbst alle Fäden, die sie noch verbinden, resigniert seelisch und stirbt, noch in Kurzzeitpflege in einem Hamburger Altenheim.

Für den Tod der Eltern gibt es keine Generalprobe. Dieses "Stück" hat zugleich Premiere und wird nur einmal aufgeführt. Wirklich vorbereiten kann man sich darauf nicht. Man wird urplötzlich ins eiskalte Wasser geworfen und kann von Glück sagen, wenn man nicht ertrinkt oder an Unterkühlung stirbt. Mehr Leute, als dem Autoren zu dieser Zeit bewußt sein konnte, hielten seinen Kopf über die Wasserlinie.

Seine Lebensgefährtin, C., ist in diesem seinem Falle eine große, geduldige, empathische, ihn äußerst liebende Hilfe, weil auch sie selbst in jenem Jahr einige Schicksalsschläge erlitt.

Sehr gut finde ich, daß der Autor die landläufigen Meinungen und Ansichten über Trauer, auch die Erkenntnisse der Wissenschaft hinterfragt. Es gibt kein allgemeingültiges Schema für Trauer, die Intensität, gar Dauer. Manche entsprechen den Schemata, manche trauern gar nicht, manche reagieren paradox und bei anderen hört sie nie auf. Ich empfinde es als übergriffige Frechheit, daß Trauer, "die zu lange dauert", als pathologisch bezeichnet wird. Mit welchem Recht? Warum reagieren Freunde genervt? Sind diese dann überhaupt Freunde?

Das Buch ist melancholisch und assoziativ im Erzählstil, weil immer wieder Reminiszenzen auftauchen. Autofiktional, so nennt er das Buch, weil er bezüglich des Lebens seiner Eltern Leerstellen hat, die er mit imaginativer Kraft auffüllt.

Es ist mutig von ihm, so offen darüber zu schreiben und auch einzugestehen, was er falsch gemacht hat. Ich glaube, es gibt fast keinen, der im Angesicht des Todes Heißgeliebter nicht irgendetwas bereut.

Seine Traurigkeit ist greifbar und er ruft eine tiefe Resonanz bei der Leserschaft hervor. Denn zwangsläufig werden durch seine Art zu erzählen, Erinnerungen mannigfaltigster Art bei den Leser / innen erweckt. Wie er selbst schreibt, partizipiert man ohnehin bei der Rezeption, wird ein Teil des Buches, das dadurch wächst.

Das Buch ist aufwühlend, aber nicht bleiern. Tiefgründig und ruft ein profundes Echo beim Lesen hervor, daß sich wiederum auf den Autor zurück überträgt, wenn er von den Reaktionen der Leser / innen erfährt. Und das wird er wohl.

Er beschreibt prägnant, was in ihm psychisch vorgeht, und sich das auch nach außen auswirkt. Ich kann das alles nachvollziehen. Die Wut, die Traurigkeit, das Überbordende des Weinens und die Unfähigkeit selbiges zu tun, das Verkriechen, die Abwehr, die Kaskade der Erinnerungen ...

Er liest außerdem diverse Literatur, die Trauer und Tod tangieren, um zu entdecken, ob er sich reflektiert sieht und es ist eine großartige Hilfe für ihn. Nebenbei bekommt man dadurch sogar noch Literaturtipps! Klasse!

Allerdings stieß mir etwas auf, falls dies der Realität entsprechen sollte: Daß der Bestatter in einer Luxuskarosse vorfuhr — einem schwarzen Jaguar. Das ist pietätlos, weil Bestatter sowieso bei vielen im Ruf stehen, Abzocker zu sein. (2 Euro für ein Totenhemd im Einkauf, bis zu fünfzig Euro bei der Abrechnung für die Hinterbliebenen? Das stand in einem Enthüllungsbuch. Ich jedenfalls machte mit diesen Genossen keine gute Erfahrungen gemacht. Ich nehme mal an, es gibt Anständige, aber diese werden durch die anderen in Verruf gebracht! ) Wenn er mit solch einer Karre ankommt, "schreit" er geradezu: "Seht her, was ich mir mit den überteuert abgerechneten und unnötig aufgeschwatzten Leistungen mir anschaffen konnte!" Privat kann er fahren, was er will, aber beruflich?

Das ist im Buch nur ein Satz, also eigentlich eine Marginalie, ohne, daß der Autor dies bewertet. Nun wird sich der eine oder die andere fragen, warum ich solch einen Aufstand mache. Weil es mich nun einmal gewaltig stört, daß die Trauer Angehöriger ausgenutzt wird, um Geld zu machen. Wozu muß ein Sarg ausgekleidet sein, der Tote ein Kissen, Decke und Totenhemd benötigen? Ich habe dies alles hier erwähnt, weil das mal gesagt werden mußte.

Christian Dittloff jedenfalls hat hier ein Buch geschaffen, das ihm gewiß ebenso von therapeutischem Nutzen war, gleichzeitig ist es eine berührende Liebeserklärung, Elegie und Hymnus an seine verlorenen Eltern. Du kannst noch so alt sein als "Kind", wenn deine Eltern beide tot sind, ist die Kindheit endgültig Geschichte und du fühlst dich als Vollwaise. Ein eminentes Buch! Danke, Christian Dittloff!!! Danke, Berlin Verlag ( Piper )!!!

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Veröffentlicht am 20.07.2021

Wohlweislich überlegen, bevor du eine irreversible ( ? ) Entscheidung triffst .....

Der Lethe-Code
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Willst du aus dem Trott ausbrechen? Tabula Rasa? Ein komplett neues Leben?

Dann nimm ein brandneues Medikament und deine Erinnerungen werden samt und sonders total gelöscht. Aber bedenke: hier gibt es ...

Willst du aus dem Trott ausbrechen? Tabula Rasa? Ein komplett neues Leben?

Dann nimm ein brandneues Medikament und deine Erinnerungen werden samt und sonders total gelöscht. Aber bedenke: hier gibt es kein Total Recall!

Ein eingespielter Film ist deine Rückversicherung, daß du diese komplette Reinigung der Tafel deines Gedächtnisses wolltest.

Aber dann in Thailand zu sein und keinerlei Reminiszenzen zu haben - ist das beängstigend für dich, Edgar, oder befreiend? ( Hauptsache, du haust dir deinen Poe nicht an! 😀 ).

Worin besteht deine Konnektion mit Paula im fernen München? Wer ist T.? Und Sebastian? Und solltest du überhaupt Fragen stellen?

Die abwechselnde Erzählperspektive aus Sicht von Edgar und Paula bringt Starkstrom in den Plot.

Edgars Erlebnisse werden in der zweiten Person erzählt, der Du - Perspektive, Paulas in der ersten Person.

Die Du - Perspektive ist außergewöhnlich und paßt. Diese ist relativ selten in Belletristik, aber einige berühmte Autoren verwendeten sie nichtsdestotrotz. Erich Maria Remarque in "Der Weg zurück", Leo Tolstoi in "Sewastopol im Dezember" und Vendela Vida in "Des Tauchers leere Kleider" und garantiert noch andere.

Durch die Metalepse will der Autor die vierte Wand zum Leser aufbrechen und das gelingt ihm insoweit, daß das Buch sauspannend und äußerst spannend sowie hypnotisch ist. Nebencharaktere sind ebenso gut skizziert.

Wendungen, wie fiese kleine spitze Metallklammern, die sich unbarmherzig in deine Füße bohren, zünden Verve in der Handlung.

Es gibt Sexszenen, wie Pfeffer im Gumbo und ebenso hat das Buch ein sehr befriedigendes Ende, daß sämtliche Klarheiten, äh, kleiner Scherz, Unklarheiten beseitigt.

Ich empfinde die filmisch reife Beschreibung von Bangkok ebenfalls gelungen, sodaß ich sie direkt riechen und sehen konnte.

Ich mag Edgar und Paula. Durch die ihr eigene Art sind ihre jeweiligen Verhaltensweisen erklärbar und entsprechen durchaus ihrem Wesen.

Eine authentische Handlung mit viel Atmosphäre, manchmal beklemmend, die aufzeigt, was im Namen des wissenschaftlichen Fortschritts alles passieren kann. Wenn Wissenschaft Weh wirkt! Danke, Markus Ridder!!!

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Veröffentlicht am 20.07.2021

Auf der Suche nach dem verlorenen Ich!

Der Ratschlag. Eine Mystifikation
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Dieses Buch von Marcus Hladek ist anspruchsvoll und intellektuell stimulierend. Der Autor wurde 1962 auf die Welt geschleudert. Er studierte in Gießen angewandte Theaterwissenschaft und ist freier Theater- ...

Dieses Buch von Marcus Hladek ist anspruchsvoll und intellektuell stimulierend. Der Autor wurde 1962 auf die Welt geschleudert. Er studierte in Gießen angewandte Theaterwissenschaft und ist freier Theater- und Tanzkritiker. Er lebt bei Frankfurt. Dies hier ist sein Debüt. Er publizierte unter anderem in der FAZ, der Frankfurter Neuen Presse, Theater der Zeit, nachtkritik, TANZ, der Neuen Zürcher Zeitung, der Deutschen Bühne usw. 

Hat Marcus Hladek mit dem Protagonisten Markus ( Markus mit K! ) Nicolic seinen eigenen Alter Ego erschaffen? 

Jedenfalls war der Autor ebenfalls in Irland, so wie Markus im Buch zu Beginn des Plots sich dort aufhält. 

Mit einem mysteriösen Ereignis in Rom, der ein regelrechtes Fieber in der italienischen Hauptstadt auslösen wird, beginnt die Geschichte. 

In Erinn erfährt Markus vom Tod seines Vaters Ivo ( er hat kroatische Wurzeln). Er reist nach Frankfurt Hoechst zurück, zu seinen fünf Geschwistern. ( Die Mutter ist bereits verstorben ). Er ist Theaterkritiker. Er ist ledig und kinderlos. Seine Beziehung zur Schauspielerin Bernarda droht in die Brüche zu gehen. 

Auf der Beerdigung lernt er die ältere Niederländerin Jo kennen, der offenbar etwas auf dem Herzen liegt, aber ihn in Rotterdam treffen will. 

Offenbar gibt es ein Enigma in Ivos Vergangenheit, das ihn dazu brachte, via consilium abeundi, die Ausbildung zum Priester abzubrechen, ja, abbrechen zu müssen - in Rom. Was war der Grund dafür? Ohne diesen Anlass gäbe es Markus und seine Geschwister nicht. 

Ivo hat seine Erlebnisse mit seinen Kameraden nach seinem Rauswurf in einem Manuskript niedergeschrieben. Nun wollen seine Kinder unbedingt herausfinden, was es mit einigen Dingen auf sich hat. 

Als er in Rotterdam ankommt, muß Markus feststellen, daß Jo verstorben ist, aber dementsprechende Vorkehrungen getroffen hat. Weitere Spuren in die entrückte Vergangenheit? 

Währenddessen macht sich Markus' Familie Sorgen um ihn, wegen seines Manuskripts über Suizide im kulturliterarischen Kontext.

Das römische Fieber kocht über, als Markus auf Spurensuche nach Barcelona reist und einiges Erhellendes erfährt. Jedoch hat sein Besuch dort auch negative Folgen. 

In Rom angekommen, passieren einige verrückte Dinge mit ihm, die fast schon halluzinatorisch auf seiner kräftezehrenden Tour de force wirkt. Als er letztendlich bei seinem Onkel Urban im Kloster unterkommt, lernt er einen gewißen Geistlichen namens Ettore kennen, der die Parallelen zwischen Quantenphysik und Theologie bzw. Spiritualität aufzeigt. 

Währenddessen wird ein neuer Mann Papst und weist wieder auf Ivos Vergangenheit zurück. Wird Markus das verschachtelte Familiengeheimnis lösen können? 

Sogar die Marshall Inseln und eine Schildkröte spielen eine essentielle Rolle. Das Buch ist vieles, unter anderem ein Psychogramm des getriebenen Markus. Unzufrieden in seinem Job und von großer innerer Leere geprägt, begibt er sich zunächst widerwillig auf diese komplizierte Schnitzeljagd. 

Dabei tritt das Phänomen des Doppelgängers auf und eine endlose Reflektion in einem Kabinett zerschlagener Spiegel. Ivo ist zwar sein Vater, aber im Grunde genommen sucht Markus überall, wo er sich befindet, sich selbst, auch und eben in Ivo.. 

Sollte er mehr über Ivo erfahren, dann mag wohl der Zweck seiner Reisen erfüllt sein, aber solch ein Wissen kann bezüglich eines Toten und noch lebender, aber nicht greifbarer Personen nur marginal sein. 

Die Bedeutung der Suche nach seinem verlorenen Ich wächst exponentiell und er wird tiefere und erschreckendere Einsichten in sich selbst gewinnen, als ihm lieb sein kann. Er findet Fragmente seines Ichs, aber nur überall in Scherben. 

Es ist das Psychogramm eines Individuums, der vielgestaltig mit sich hadert, aber ebenso ein kollektives Psychogramm des Verhaltens der Masse nach jenem Ereignis in Rom und ebenso eines der katholischen Kirche in einem begrenzten Ausschnitt des 20. bzw. 21. Jahrhunderts. 

Durchs ganze Werk ziehen sich ebenso kulturellhistorische und literarische Diskurse, sei es über Suizid oder Quantenphysik in Konvektion mit höheren Ebenen. 

Mysteriös, mit ironischen Querverweisen auf durchaus moderne Erscheinungen, lyrisch gefärbte Passagen und ebensolche Metaphern, nachdenklich und durchaus mental anregend. Sogar mit Metaebenen arbeitend. Atmosphärisch hervorragend geschildert, mit herrlichen Settings. 

Durchaus intellektuell fordernd, mit Fremdwörtern, die vielleicht nicht jedem vertraut sind. Viele Zitate sind enthalten, die einen noch Novitäten unter den Autor / innen entdecken lassen. 

Ein eigenwilliger Sog zieht einen tief hinein, auch emotional ansprechend, durch die Art wie die Gefühlsregungen beschrieben sind. Spöttisch und humorvoll umkreist der Autor seine Thematiken, aber deswegen ist angemessener Ernst nicht fern. Jedenfalls analysiert er scharfsinnig Befindlichkeiten des Inviduums und der Gesellschaft. Der Jahrmarkt der Eitelkeiten spiegelt sich ebenfalls gut, egal, ob in den Feuilletons, in der Familie oder im Vatikan. Überraschendes "Ende"! 

Das Buch ist vielschichtig und operiert auf mehreren Ebenen, als Wiedergabe des höheren Guts, dem Wissen und als starker Widerhall des Einzelnen. 

Danke für dieses superb komponierte Buch, Marcus Hladek und Ruhland Verlag!!!

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Veröffentlicht am 15.07.2021

Wenn lausige Pigmente über Wohl und Wehe entscheiden ...

Pigment
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Aufwühlend, sehr klug geschrieben, entlarvend, die Wurzeln des Übels dekonstruierend, um zu zeigen, wo es im Argen liegt. Meisterwerk!

Ist es denn zu utopisch von mir angedacht zu hoffen, daß wir alle ...

Aufwühlend, sehr klug geschrieben, entlarvend, die Wurzeln des Übels dekonstruierend, um zu zeigen, wo es im Argen liegt. Meisterwerk!

Ist es denn zu utopisch von mir angedacht zu hoffen, daß wir alle in erster Linie nur Menschen sind und ausschließlich nach unserem Charakter sowie Verhalten beurteilt werden? Und daß sämtliche anderen Distinktionen samt und sonders marginal und nachrangig wären? Egal ob Gender, Nationalität, Religion, sexuelle Ausrichtung, soziale Schicht, Beruf, Bildung, Alter, Ethnie, was auch immer? 

Der Film BlacKkKlansman von Spike Lee mit John David Washington und Adam Driver entlarvt sehr intelligent den tumben Rassismus und führt ihn ad absurdum, umso besser, weil er auf kluge Weise Humor einbaut und der Film auf wahren Ereignissen beruht. 

Noch im September 1977 wurde der Ehemann einer Stuttgarterin, eine Freundin meiner Mutter, ein "man of color", Angehöriger der Army in Georgia vom Ku-Klux-Klan gelyncht, aufgeknüpft, mitsamt hrennendem Kreuz. 

Der Film Mississippi Burning ist auch ein wichtiger Film, der wahre Begebenheiten verarbeitet. 

Und immer noch ist der Rassismus quicklebendig, wie man ja immer noch oft bezeugt sehen und hören kann. Deswegen sind Bücher, wie dieses hier, von Johannes Pantel umso eminenter. 

Der Autor, Ahlen 1963 durch seine Erdenankunft definitiv bereichernd, ist studierter Medicus, Philosophicus und Psychologie. Er ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er ist sehr fleißig als Urheber und Herausgeber von mehr als drei Dutzend Büchern und über 300 Buch- und Zeitschriftenartikeln. Er hat an der Frankfurter Goethe - Universität eine Professur für Altersmedizin inne und erhielt für sein wissenschaftliches Wirken schon mehrere Preise. Kein Wunder, daß dieses hier besprochene Werk durch und durch humanistisch sowie von Empathie geprägt ist und ein tiefes Verständnis der Humana Conditio eindrücklich präsentiert.  

Achtung! Für nachfolgende ironische Wortwahl übernimmt Rezensentin keinerlei Haftung. Deswegen die prägnanten Anführungszeichen. 

Wie kann anno domini neglecti 2010 einer "Langnase" und "Weißbrot" klargemacht werden, was Rassismus bedeutet? Indem er gegen seinen Willen dank Melanin dunkler pigmentiert wird und er sich in einen "man of color" verwandelt? 

Genau dies mysteriöse Ereignis widerfährt dem Psychiater Gregor Assmann. Besorgniserregend, beunruhigend, aber ohne Folgen, weil schuldlos? Von wegen! 

Nicht nur läuft ihm die ihn ach so innig liebende Anverlobte davon, nein, seine berufliche Sicherheit sowie Zukunft gerät ebenfalls ins Schwimmen. Am eigenen "nachtenen" Leibe muß er erfahren, was scheinbar harmlose Pigmente doch für gravierende Unterschiede machen können. 

In der "schneeweißen" Umgebung erlebt er latenten wie unverhohlenen Rassismus. Wird er so bleiben? Oder wieder "blütenweiß" werden? Sich durch diese Erfahrungen transzendieren? Wertvolle Einsichten und Erkenntnisse werden? Ein besserer Mensch werden, jenseits sämtlicher Kategorisierungen? 

Der zweite Erzählstrang wird von Toussaint Louverture dominiert, ein charismatischer, kluger, gut taktierender Freiheitskämpfer vor gut zweihundertzwanzig Jahren auf Hispaniola, jenem Teil, der später Haiti wird. 

Er möchte, daß alle Sklaven frei sind und sie einen eigenen Staat bekommen. Im Gegensatz zu den "Kolonialherren" ist er wesentlich vorurteilsfreier, denn auch "Weiße" sind auf seiner Seite. 

Er erlebt Wahnsinn, Chaos und Gewalt pur. Wird er eine Chance haben und Historie schreiben? Toussaint war übrigens ein real existierender Mensch. 

Das Buch ist sehr klug erdacht und komponiert. Gregor und Toussaint sind über den Abyssus der Zeit hinweg ineinander verzahnt, laufen parallel, ja, reflektieren und verbinden sich sogar gegen Ende des Romanes auf eine bestimmte Art und Weise. 

Ungeschönt zeigt der Autor im damaligen historischen Kontext all die Grausamkeit, die den Sklaven widerfuhr, vor allem Sébastian. Das macht unglaublich zornig, hilflos, wühlt auf und treibt Tränen in die Augen. Was den Sadismus betrifft, ist die Phantasie des Menschen grenzenlos. 

Jedoch auch in der Gegenwart macht es einen wütend, wie immer noch Rassismus und Racial Profiling sowie unzählige Klischees noch existieren. Auch Johannes Pantel entlarvt und dekonstruiert den Rassismus auf geschickte Weise und zeigt die toxischen Wurzeln kongenial auf. 

Denn dieses Gift hat das Potential jede Gesellschaft dauerhaft zu zersetzen. Siehe Trump und USA, aber leider auch Europa und der Rest der Welt sowieso. Allein wie noch die Indigenen angegangen werden ... In Kanada wurden noch bis in die 90er Jahre ihnen die Kinder weggenommen. Zwangschristianisierung wie bei den Sklaven auf Haiti. All die vielen Kindergräber im Staate des Ahornblatts ... Der Transcanada-Highway und all die toten, ermordeten indigenen Frauen, die den Behörden anscheinend egal sind. 

Ertrunkene Migranten im Mittelmeer, Hassverbrechen ... Ich glaube, daß aus vielfältigen Gründen Hopfen und Malz verloren ist, was die Menschheit betrifft. 

Der Autor hat das Buch exzellent recheriert und viel viel Herzblut sowie intensive Reflektion in dieses sein Buch einfließen lassen. Chapeau! 

Ein komplexes, aufrüttelndes Buch mit vielschichtigen, ambivalenten Protagonisten in einer emotional packenden Geschichte. Dazu angetan, auf jeden Fall an den heißen Eisen dranzubleiben. Vielen Dank, Johannes Pantel!!!

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Veröffentlicht am 08.07.2021

Die Weisheit der Worte

5-Minuten-Märchen zum Lauschen Teil 1
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Schön gestaltet, zum Entspannen für Groß und Klein, mit sehr angenehmer Sprechstimme und wunderbarer Harfenmusik. Teil Eins!

Michaela Brinkmeiers Stimme ist wunderbar moduliert, angenehm im Klang und ...

Schön gestaltet, zum Entspannen für Groß und Klein, mit sehr angenehmer Sprechstimme und wunderbarer Harfenmusik. Teil Eins!

Michaela Brinkmeiers Stimme ist wunderbar moduliert, angenehm im Klang und ausdrucksstark. Mit viel Sensibilität intoniert sie die Texte. Sie könnte ebenso Synchronsprecherin sein oder auch Bücher einlesen.

Zudem beherrscht sie die Harfe, die als Interludien immer wieder auf dieser CD bezaubern. Harfe hat ohnehin etwas Andersweltliches - wie aus Tir Na Nog höchstpersönlich.

15 Mal 5 Minuten Märchen aus aller Welt, unter anderem Die Wassernixe, Der Zauberhut, Der Krötenkaiser, usw., die alle mit Weisheit und Tiefe punkten.

Für Groß und Klein, hintersinnig und tiefenentspannend, liebevoll gestaltet ist dies Teil Eins aus dem Herz 💜 Verlag aus Rietberg, sodaß man gespannt auf die nächsten Editionen sein kann. Das Coverbild ist von Elena Schweitzer.

Danke, Michaela Brinkmeier!

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