Profilbild von Alsterschwan

Alsterschwan

Lesejury Star
offline

Alsterschwan ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Alsterschwan über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.10.2021

Licht und Schatten in Würzburg im 16. Jahrhundert...

Der Pfeiler der Gerechtigkeit
0

Für mich war „Der Pfeiler der Gerechtigkeit“ bereits der dritte historische Roman von Johanna von Wild – und ich habe wieder jede einzelne Zeile genossen!
Mir gefällt der Schreibstil der Autorin ausgezeichnet, ...

Für mich war „Der Pfeiler der Gerechtigkeit“ bereits der dritte historische Roman von Johanna von Wild – und ich habe wieder jede einzelne Zeile genossen!
Mir gefällt der Schreibstil der Autorin ausgezeichnet, die Recherchen sind umfangreich und exakt, sie fängt Zeit- und Lokalkolorit wunderbar ein, sie ergänzt ihre Bücher durch ein ausführliches Personenverzeichnis (was ich aber selten benutzen muss) und ein Nachwort mit Zeittafeln, Quellen und Anmerkungen runden die Geschichte perfekt ab – also all das, was für mich zu einem guten historischen Roman gehört!
Diesmal war Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn die zentrale historische Figur des Romans (ich gestehe: vorher hatte ich noch nie von ihm gehört, aber jetzt muss ich unbedingt mal nach Würzburg), er lebte von 1545 bis 1617. Außer einer kurzen Episode in Julius Kindheit begleiten wir ihn von 1572 (ein Jahr später wird er Fürstbischof von Würzburg) bis 1583, wir erleben mit, wie er z.B. das Juliusspital und die Universität von Würzburg gründet.
Ihm gegenüber steht die (fiktive) Person Simon Reber, er ist anfangs Bäckerlehrling bei seinem Stiefvater, geht später nach Venedig, lernt dort das Zuckerbäckerhandwerk, nach seiner Rückkehr nach Würzburg übernimmt er die Bäckerei im Juliusspital. Durch ihn lernen wir das Alltagsleben der damaligen Zeit kennen, z.B die Zunftordnungen, ihre Regeln und Bräuche. Wir erfahren u.a. einiges über die Lebensumstände in jenen Tagen, die Rechte und Möglichkeiten von Frauen (eigentlich gar keine!), das Apothekerwesen, die Gerichtsbarkeit.
Julius und Simon werden Freunde (klar, im „richtigen“ Leben passiert so etwas selten oder nie), aber es war ein gelungener „Trick“ der Autorin, uns alle Facetten des Lebens in Würzburg im ausgehenden 16. Jahrhundert darzulegen.
Ich will hier gar nicht so stark auf den Inhalt des Romans eingehen: nur so viel: es gibt Licht und Schatten, Liebe, Intrigen, Neid, Missgunst...Es ist spannend geschildert, so dass man quasi durch die Seiten fliegt und das Kopfkino Bilder produziert! Wir nehmen Anteil an Simons und Julius Leben und an ihren Entscheidungen. Beide sind keine „weißen Ritter“, sondern Menschen mit Ecken und Kanten, ich war bei beiden nicht mit allen Handlungen einverstanden... Julius erschien mir in seinem katholischen Glauben lange Zeit zu fundamentalistisch (gut, die Reformation lag noch keine 100 Jahre zurück), aber letztendlich habe ich mich mit ihm „versöhnt“... Auch Simon hat „schwarze Flecken“, aber auch er konnte dann doch wieder bei mir Punkte sammeln...
Aber gerade das mag ich bei den Protagonisten von Frau von Wild: sie sind Menschen mit Fehlern, aber meistens können wir Leser*innen erkennen, warum sie so und nicht anders handeln (können). Anders als in den vorherigen Büchern endet dieser Roman „gut“, aber durch die Handlung sehr stimmig, ein anderer Schluss hätte mich doch etwas enttäuscht.
Mein Lieblingsbuch dieser Autorin bleibt noch immer „Die Erleuchtung der Welt“, aber das wird sicherlich auch daran liegen, dass ich mich dort mit den Hauptfiguren stärker identifizieren konnte; das soll wirklich keine Wertung sein, sondern nur mein ganz persönliches Gefühl (wie die Frage nach dem Lieblingskind...).
„Der Pfeiler der Gerechtigkeit“ hat mich sehr beeindruckt, mich eine Zeitlang in das 16. Jahrhundert „gebeamt“, ich habe wieder viel Neues gelernt und last but not least: ich habe mich wunderbar unterhalten gefühlt – für Liebhaber/innen von historischen Romanen eine absolute Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.09.2021

Neues von der Hafenschwester und ihren Kindern...

Die Hafenschwester (3)
0

Melanie Metzenthin hat mit ihrem dritten und letzten Band ihrer Trilogie um die Hafenschwester Martha Studt einen „kleinen Ziegelstein“ mit 703 Seiten vorgelegt – und keine einzige Seite war Zuviel! Die ...

Melanie Metzenthin hat mit ihrem dritten und letzten Band ihrer Trilogie um die Hafenschwester Martha Studt einen „kleinen Ziegelstein“ mit 703 Seiten vorgelegt – und keine einzige Seite war Zuviel! Die Autorin schreibt in ihrem Nachwort: „Meine Protagonisten stehen sinnbildlich für die vielen kleinen Leute, die in schwierigen Zeiten das Richtige getan haben.“ (S.698)
Oh, ich habe tagelang mit Familie Studt, ihren Verwandten und ihren Freunden gelebt und sie in der Zeit von 1923 bis 1957 „begleitet“, habe mich mit ihnen gefreut, geärgert, gezittert, gebangt, habe ihre Verzweiflung, Wut und Unverständnis geteilt, war auf Erfolge stolz – und mir sind an zwei Stellen die Tränen gekommen... Denn wir wissen es alle - nur die Protagonisten glücklicherweise nicht – dass die Jahre bis zur Währungsreform 1948 zu den dunkelsten und schwersten Zeiten der deutschen Geschichte gehören. Viele Anlässe zur Freude gibt es deshalb nicht, aber immerhin wird Marthas Enkeltochter während der „Operation Gomorrha“ (militärischer Codename für die Bombenangriffe auf Hamburg 1943) in einem Luftschutzkeller komplikationslos geboren!
Aber ich will hier nicht inhaltlich auf die vielen Ereignisse und Schicksalsschläge der Familie eingehen, ich glaube, da würde ich zu viel vorwegnehmen und verraten...
Die Hauptpersonen sind in diesem Buch logischerweise Marthas und Pauls Kinder Rudi, Fredi und Ella, die unterschiedlicher nicht sein können und auf vollkommen verschiedenen Wegen durch den Nationalsozialismus gehen. Auch ihre Umgebung spiegelt die mannigfaltigen Nuancen der damaligen Gesellschaft wider... Eindrucksvoll fand, dass ich – quasi durch Marthas Anwesenheit – 1924 am ersten Verhandlungstag gegen Hitler wegen seines Putsch-Versuches („Hitler-Ludendorff-Putsch“, 8.+9.11.1923) „teilnehmen“ durfte – da habe ich die Recherchearbeit von Frau Metzenthin sehr bewundert.
Dies nur als kleines Beispiel dafür, wie großartig die Autorin die Kombination von Familiengeschichte und geschichtlichen Ereignissen gelungen ist, denn ich kannte zwar die „trockenen“ Zusammenfassung des Putsches, aber jetzt bleibt er mir viel eindringlicher im Gedächtnis. Überhaupt sollten hier an dieser Stelle die umfangreichen Recherchearbeiten von Frau Metzenthin gewürdigt werden, die sicher auch teilweise keine „leichte Kost“ waren, Chapeau!
Das langsame „Einsickern“ des nationalsozialistischen Gedankengutes bei der Bevölkerung wird bei einem Gespräch von Martha mit ihrer Nachbarin, Frau Hansen, über die SA deutlich:“...die passen ja auf uns auf. Im Grunde sind die für das Viertel besser als die Polizei, denn sehen Sie, Schwester Martha, die Polizei ist doch oft machtlos. (...)Aber die Jungs von der SA, die fackeln nicht lange. Die verpassen den Verbrechern eine Abreibung, dass die es sich künftig zweimal überlegen, ob sie noch mal was Unrechtes tun. (…) Und ich bin froh, dass Franz dabei hilft, hier wieder für Ruhe und Ordnung zu sorgen.“ (S. 245) Auch Fredis Kollege, Werner Rohrbeck, ist Mitglied in der NSDAP und stellt Fredi damit vor besondere Herausforderungen...
Ich hoffe, ich konnte anhand der Beispiele verständlich machen, warum mich dieses Buch so stark in seinen Bann gezogen hat. Ich halte „Die Hafenschwester – Als wir an die Zukunft glaubten“ für den besten Band der Trilogie – wobei ich sicher bin, dass man diesen Teil durchaus unabhängig von seinen Vorgängerbänden lesen kann.
Es ist ein Buch, dass noch lange nachhallt, über das ich sicherlich noch manchmal nachdenken werde, es ist bestimmt einer meiner Lese-Highlights 2021 – ich kann den „kleinen Ziegelstein“ wirklich jedem empfehlen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.08.2021

Können langjährige Beziehungen eine "Auszeit" verkraften?

Der Brand
0

Bei ihrem Roman „Der Brand“ geht Daniela Krien u.a. genau dieser Frage nach... Es war mein erstes Buch von ihr, ich bin aber sicher, dass ich demnächst ihre vorhergehenden Romane ebenfalls lesen werde!
Rahel ...

Bei ihrem Roman „Der Brand“ geht Daniela Krien u.a. genau dieser Frage nach... Es war mein erstes Buch von ihr, ich bin aber sicher, dass ich demnächst ihre vorhergehenden Romane ebenfalls lesen werde!
Rahel (49 Jahre, Psychologin in eigener Praxis) und Peter (55 Jahre, Professor für Literatur sind seit fast 30 Jahren verheiratet. Ihre beiden Kinder Selma und Simon sind aus dem Haus, Selma ist verheiratet und hat schon zwei eigene Kinder.
Sie hatten ihren Urlaub – pandemiebedingt – in einer Hütte in Oberbayern verbringen wollen, aber kurz vor der Abreise teilt ihnen der Vermieter mit, dass die Hütte komplett abgebrannt sei. Fast zeitgleich wird Rahel von ihrer mütterlichen Freundin Ruth gebeten, für drei Wochen ihren Hof in der Uckermark zu hüten, da ihr Mann Viktor einen Schlaganfall erlitten habe und sie ihn in eine Rehaklinik begleiten wolle.
Rahel spürt schon länger, dass es in ihrer Beziehung zu Peter „kriselt“: „Doch die Gelassenheit war ihm abhandengekommen. Sein feiner Humor kippt nun öfter ins Zynische, und an die Stelle ihrer lebhaften Gespräche ist eine distinguierte Freundlichkeit getreten.“ (S.10/11) Und so ziehen Rahel und Peter für drei Wochen auf einen Hof in der Uckermark – und wir Leser*innen begleiten sie...
Daniela Krien schildert die Situation aus der Sicht von Rahel (nur aus purer Neugierde hätte ich zwischendurch gern mal gewusst, was Peter eigentlich denkt...) und wir nehmen teil an ihren Gefühlen, Sorgen, Ängsten, Hoffnungen. Mir hat der Schreibstil ausgezeichnet gefallen: er ist vollkommen unaufgeregt und sehr bildhaft, ich konnte mir Stimmungen und Begebenheiten sofort vorstellen und meinte z.B. die erfrischende Kühle des Sees selbst zu spüren. Aber auch die Formulierungen zur Ehe und Beziehung waren für mich gut nachvollziehbar „... und Rahel denkt, dass besonders in einer Ehe die Summe des Nichtgesagten die Summe des Gesagten bei weitem übertrifft.“ (S.71) Oder das kennen wir doch alle und wünschen es uns ab und zu: „Sie kann sich nicht ausstehen an diesem lähmend heißen Tag. Sie ist sich selbst zu viel und wünscht sich, jemand würde ihr die Last des eigenen Daseins für einige Stunden abnehmen.“ (S. 136) Aber auch eine leichte Hoffnung zur „Heilung“ der Beziehung blitzt immer wieder mal auf: „In der Küche begegnet sie Peter, der ihr im Vorbeigehen kurz über den Arm streicht. Noch Minuten später spürt sie die Berührung, und als sie sich am Tisch gegenübersitzen, scheint sich der Raum zwischen ihnen verringert zu haben.“ (S.100)
Ich weiß nicht, ob Singles oder frischverliebte Menschen in dieses Buch tief eintauchen können / mögen / wollen, ich – in einer langjährigen Beziehung lebend – habe mich manchmal fast direkt angesprochen gefühlt, keine Beziehung ist ein ewiges „honeymoon“...
Der Roman hallt noch lange nach, zumindest ging es mir so: ich habe häufiger noch einmal einzelne Passagen gelesen und darüber nachgedacht, wie ich mich wohl verhalten hätte...
„Der Brand“ gehört auf jeden Fall zu meinen Jahres-Highlights 2021 und aus diesem Grund kann und will ich es wirklich sehr gern weiterempfehlen (auf der Geburtstagsgeschenkliste für einige Freundinnen steht es bereits!)

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.07.2021

In 111 Jahren mit Ayda quer durch Europa...

Gold, Gauner und türkischer Honig
0

Die Autorin Yasemin Schreiber Pekin hat mit ihrem Buch „Gold, Gauner und türkischer Honig“ eine Familiensaga der vollkommen anderen Art geschrieben: wunderbar schräg, abgefahren und skurril!
Wir machen ...

Die Autorin Yasemin Schreiber Pekin hat mit ihrem Buch „Gold, Gauner und türkischer Honig“ eine Familiensaga der vollkommen anderen Art geschrieben: wunderbar schräg, abgefahren und skurril!
Wir machen Bekanntschaft mit Ayda: Ayda Ismailov (30 Jahre alt, Juristin mit Schweizer Pass) trifft 1999 ihre Großeltern zum ersten Mal nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei – bzw. korrekt: ihre Großmutter kennt sie eigentlich schon ihr Leben lang – aber als Pflegemutter. „Als ich meinen Großvater kennenlernte, hielt er in seiner rechten Hand eine Pistole. An seinem spindeldürren linken Oberarm hing eine Infusion.“ (S.8) Während Ayda und ihre Großmutter Sofia im improvisierten Feldlazarett darauf warten, dass sich der Großvater wieder erholt, erzählt Sofia ihrer Enkeltochter die Familiengeschichte, angefangen mit Sofias Mutter Rokselana 1912 in Thessaloniki. Aber auf die Geschichte selbst möchte ich hier eigentlich gar nicht eingehen, da ich niemals den trockenen und herrlichen Humor wiedergeben könnte, in dem das Buch geschrieben wurde.
Die Autorin „jagt“ uns LeserInnen gemeinsam mit Rokselana und Sofia, später auch mit Ayda, quer durch Europa, am liebsten im Orientexpress, da sich Sofia niemals von ihrer Pistole, einer Lady Hawk, trennt – und da sind ja auch noch die Koffer, wahlweise mit Gold, Diamanten oder Banknoten, die transportiert werden müssen, …
Auf ihren Reisen lernen sie bekannte Persönlichkeiten kennen, z.B. tanzt Rokselana kurz nach der Gründung der Türkei mit Kemal Atatürk… Und wir erfahren, wodurch Coco Chanel zum „kleinen Schwarzen“ inspiriert wurde oder auch, wie die Brüder McDonald zu ihrem Firmenlogo kamen – das hat alles natürlich mit den Damen zu tun…
Mir gefiel auch, dass sich Sofia ihren Lebensunterhalt mit Spielcasinos verdient, aber gleichzeitig die ersten Frauenschutzhäuser eröffnet, denn: so kurios die Familiengeschichte von Ayda auch sein mag, die Autorin hat historische Ereignisse immer korrekt eingebaut, so erfahren wir z.B. einiges über den Wandel der Zeit nach Gründung der türkischen Republik durch Atatürk.
Neben den Hauptpersonen gibt es auch liebe- und respektvoll beschriebene „Nebenakteure“, hier habe ich besonders die Ordensschwester Rosa in mein Herz geschlossen, sie hatte immer ganz pragmatische Lösungsvorschläge für die kompliziertesten Verwirrungen.
Das Buch liest sich sehr gut, der Schreibstil ist angenehm und flott, immer mit so einem kleinen Augenzwinkern…wie gesagt: so eine skurrile und schräge Familiensaga habe ich noch nie gelesen – aber sie hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Wer gern eine Familiengeschichte lesen möchte, die nicht dem „normalen“ Muster entspricht, ist mit „Gold, Gauner und türkischer Honig“ bestens versorgt, ich kann es nur wärmstens empfehlen (mit einem kleinen Tipp: vielleicht sollte das Buch nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln gelesen werden, ich habe an einer Stelle so laut losgeprustet, dass mich fast ein ganzer U-Bahn-Wagen verstört und irritiert angeschaut hat - deshalb: ich habe das Buch wirklich „in vollen Zügen“ genossen)!
In

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.07.2021

Vom Zauber der Sprache...

Die Sprache des Lichts
0

… egal, ob gesprochen, gepfiffen oder gebärdet... In diese Welt der Sprachen entführt uns LeserInnen Katharina Kramer in ihrem Debütroman „Die Sprache des Lichts“.
1582: in Europa herrschen fast überall ...

… egal, ob gesprochen, gepfiffen oder gebärdet... In diese Welt der Sprachen entführt uns LeserInnen Katharina Kramer in ihrem Debütroman „Die Sprache des Lichts“.
1582: in Europa herrschen fast überall Religionskriege und wie immer und überall behaupten die jeweiligen Anhänger, Gott sei auf ihrer Seite und nur sie hätten Recht.
In Thüringen macht sich Jacob, ein protestantischer mittelloser Lehrer für Latein, Griechisch und Hebräisch auf die Reise, um einer drohenden Kündigung zuvorzukommen. Jacob ist Synästhetiker, d.h. akustische und visuelle Reize verknüpfen sich bei ihm, er nimmt Sprachen farbig wahr – dadurch fällt es ihm auch leicht, neue Sprachen schnell zu erlernen. Er trifft bald auf Edward einem englischen Alchimisten, der ihm vom Buch Soyga erzählt, dies soll die Sprache der Schöpfung in codierter Form enthalten. Jacob ist fasziniert und macht sich auf den Weg, das Buch zu finden und zu studieren.
Zeitgleich verdingt sich die Übersetzerin Margarète in den von Calvinisten besetzten Pyrenäen als Spionin bei der radikalen katholischen Liga, deren Ziel es ist, die Calvinisten mit allen Mitteln aus ihrer Provinz zu vertreiben. Margarète ist äußerst erfolgreich in ihrer „Arbeit“ als Spionin, sie schafft es, Einlass bei einem Ball des (protestantischen) Königs Heinrich von Navarra zu erhalten, mit dem König zu tanzen und – nebenbei - wichtige Informationen für die Liga zu erlauschen. Auch Margarète ist außergewöhnlich sprachbegabt.
In zuerst getrennten Strängen zeichnet die Autorin die beiden Hauptpersonen, ihre jeweiligen Lebensbedingungen, ihre Ziele, Hoffnungen / Träume in einer bildgewaltigen Sprache nach, so dass das Kopfkino immer schnell anspringt – teilweise habe ich sogar gemeint, die Szenen zu riechen…
Auf die Handlung möchte ich hier bewusst nicht näher eingehen, nur so viel sei gesagt: die Autorin hat akribisch recherchiert, so dass wir Leser*innen viel an geschichtlichen Zusammenhängen „nebenbei“ – eingebettet in eine spannende Handlung – präsentiert und erklärt bekommen. Auch die Pfeifsprache am Beispiel der Hirten von Aas in den Pyrenäen (wohl vergleichbar mit der Pfeifsprache El Silbo auf der Kanareninsel La Gomera) wird detailliert geschildert. Die „Erfindung“ der Gebärdensprache könnte so tatsächlich so stattgefunden haben – ist wohl aber eine nette Fiktion…
Aber mich hat in diesem Buch besonders die Sprache beeindruckt, mit der die Autorin trefflich zu jonglieren weiß (und sie fängt alle „Bälle“ – Worte – perfekt auf). Selten habe ich mir in einem Buch so viele zitierfähige Sätze markiert, hier nur mal ein Beispiel: „Warme Wellen des Glücks pulsierten durch Jacobs Körper. Die Brücke war zu Stein gewordene Silben. Sie war mehr Wort als Stein. Der Stein vermochte nichts, die Worte alles. Doch zu sehen war nur noch die Brücke. Worte arbeiteten unauffällig und hinterließen keine Spuren. Sobald ihr Werk getan war, schlichen sie sich davon.“ (S. 373)
Einzig der Schluss hat mich nicht zu 100 % überzeugt, aber das ist wirklich Jammern auf hohem Niveau… Aber ein Personenverzeichnis zu Beginn, ein Glossar und ein ausführliches Kapitel „Zum historischen und faktischen Hintergrund des Romans“ am Schluss haben mich wieder versöhnt…
Ansonsten ein wahrer Festschmaus für alle Menschen, die Sprache lieben und für alle Freunde historischer Romane. Mir hat es sehr gut gefallen und deshalb möchte ich hier unbedingt eine Leseempfehlung aussprechen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere