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Veröffentlicht am 01.08.2021

Das Männerding

Meine Pferde, Montana und Du
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„...Wenn du mit mir diskutieren willst, was ein Pferd und was ein Pony ist, dann stell dich hinter dem Campingfahrer an...“

Thorunn ist mit zwei Islandpferden auf den Weg zur Sweet Water Ranch in Montana. ...

„...Wenn du mit mir diskutieren willst, was ein Pferd und was ein Pony ist, dann stell dich hinter dem Campingfahrer an...“

Thorunn ist mit zwei Islandpferden auf den Weg zur Sweet Water Ranch in Montana. Wenn unterwegs jemand ihre Pferde als Ponys bezeichnet, reagiert sie ziemlich heftig.
Thorunn stammt aus Island. Sie ist nach Amerika gekommen, weil ihr Ragnar, ihr Großvater, dort ein Stück Land vermacht hat. Außerdem hat er zwei der Pferde nach Montana bringen lassen. Für die sucht Thorunn nun eine Unterkunft, denn sie will zurück nach Island. Sie kennt die Regel:

„...Jedes Pferd, das Island verließ, durfte nie wieder zurück...“

Deshalb ist sie auch sauer auf ihren Großvater. Sie versteht nicht, was er damit bezweckt hat.
Die Autorin hat einen spannenden Roman geschrieben. Es ist der dritte Band, der in Montana spielt.
Der Schriftstil ist sehr abwechslungsreich. Naturbeschreibung, intensive Gespräche, ein feiner Humor und ernste Stellen finden sich.
Thorunn hat in Island mit einer Frau zusammengelebt. Katla war sehr bestimmend und besitzergreifend. Deshalb tut Thorunn die Auszeit gut.
Auf der Ranch hat sich einiges verändert. Chrissie ist irgendwie nicht mehr sie selbst. Warum, erfahre ich erst viel später. Islandpferde kennt sie nicht. Das kommentiert sie so:

„...Sorry, Janie, dein Pferd läuft komisch, aber du sitzt sehr bequem. Das kriegt mein Gehirn noch nicht richtig verarbeitet...“

Den Namen Janie hat man ihr gegeben, weil man Thorunns isländischen Namen nicht aussprechen kann.
Auf der Ranch trifft Thorunn den Campingfahrer wieder. Später wird sie ihn so charakterisieren:

„...Cody war alles Mögliche. Er war Tierarzt, Spinner, Clown, Musiker, Vortragsredner, Gerechtigkeitsfanatiker und er war verdammt schüchtern...“

Zwischen beiden entwickelt sich ein zarte Freundschaft. Cody stammt aus Australien. Auch er kennt Heimweh und weiß, wie es ist, sich an andere Lebensverhältnisse anpassen zu müssen. Beide gehen sehr behutsam miteinander um. Thorunn hat keinerlei Erfahrung mit Männer. In ihren Posts nach Island redet sie deshalb von dem Männerding, wenn sie ihr Erlebnisse mit ihm beschreibt. Ab und an vergleicht sie sein Verhalten mit dem von Katla. Seine Zurückhaltung empfindet sie als wohltuend.
Cody ist für Thorunn da, als sie ihn braucht. Doch ausgerechnet dann, als Thorunn einen schweren Unfall hat und nach Island zurückkehrt, muss Cody nach Australien. Haben die beiden ein Chance?
Der zweite Teil des Buches hat einen völlig anderen Grundton. Während in Amerika trotz aller Probleme eine gewisse Heiterkeit und Leichtigkeit überwog, spielt nun die Melancholie eine tragende Rolle. Und Thorunn kann ziemlich stur sein. Per Internet allerdings hält sie Kontakt nach Montana.
Solveigh, Thorunns Cousine, bringt die Probleme auf den Punkt:

„...Ragnar. Er hat deine Fundamente erschüttert, um dich aus deinem Turmzimmer zu jagen, damit du dir die Welt nicht nur von oben ansiehst, sondern in sie hineingehst...“

Beeindruckend finde ich das Bild, das Solveigh von Island malt. Damit meine ich nicht die außergewöhnliche Landschaft und ihre Meinung über die Interessen der Touristen, sondern, um es so zu formulieren, den Blick in die isländische Seele. Gegenüber Thorunn klingt das so:

„...Du bist wie Island, das zwischen Europa und Amerika immer wieder aufreißt, blutet, heilt und Narben hat. Das ist tief, tief in uns allen drin!...“

Deutlich werden die Unterschiede in den Lebensverhältnissen. Währen Cody in Australien bei großer Hitze gegen Buschbrände kämpft, erlebt Thorunn die Geburt eines Fohlens ihres Lieblingspferdes bei eisiger Kälte und Schneesturm.
Es gäbe noch viel über die Geschichte zu sagen. Mir hat sie ausgezeichnet gefallen.


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Veröffentlicht am 31.07.2021

Garlefs Weg nach Rom

Der Speersohn
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„...Wenn Gadarich ihn auf den Feldern erwischte, erwartete Garlef eine ordentliche Tracht Prügel. Schließlich betrachtete Gadarich die Feldarbeit als reine Frauensache...“

Wir befinden uns im Jahre 8 ...

„...Wenn Gadarich ihn auf den Feldern erwischte, erwartete Garlef eine ordentliche Tracht Prügel. Schließlich betrachtete Gadarich die Feldarbeit als reine Frauensache...“

Wir befinden uns im Jahre 8 n. Chr. in Germanien am Zusammenfluss von Aller und Weser. Garlef ist der jüngere Sohn von Gadarich und etwas aus der Art geschlagen. Er kann Kampf und Streit nichts abgewinnen. Dafür interessiert er sich für Saat und Ernte.
Die Autorin hat einen spannenden und hervorragend recherchierten historischen Roman geschrieben.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Auch mit dem Dialekt der Germanen habe ich keine Probleme.
Es ist die Zeit der Kämpfe der Germanen gegen die Römer. Nach einem Kampf bringt der Vater einen Römer als Sklaven mit. Garlef findet seine Behandlung beschämend. Er freundet sich mit ihm an und lernt Latein. Gaius, der Römer, bringt Garlef außerdem bei, wie er sich mit dem Schild verteidigen kann.
Dann aber wendet sich das Blatt. Die Römer kommen ins Dorf, als ein großer Teil der Männer unterwegs sind. Garlef wird mitgenommen. Das hat er Gaius zu verdanken, denn sonst wäre er tot.
Die ersten Siege der Germanen kommentiert Gaius so:

„...Durch das Anwerben germanischer Hilfstruppen haben wir unser überragendes Wissen mit dem Feind geteilt. Dabei hätten wir vorhersehen müssen, dass sie das bei Gelegenheit gegen uns verwenden...“

Sehr gut wurden Garlefs Zwiespalt herausgearbeitet. Einerseits ist Gaius wie ein Vater für ihn, andererseits weiß er, dass ihm im Kampf sein Vater oder Bruder gegenüber stehen könnten. Garlefs Einstellung äußert sich in den folgenden Zeilen:

„...Ich weiß jetzt, was Kriege bedeuten. Sie sind wie ein Feld, auf das Menschen Hass pflanzen und mit Blut begießen. Innerhalb kürzester Zeit wachsen Dornenbüsche, die so dicht sind, dass man sie nicht mehr durchschreiten oder entwirren kann...“

Ich mag diese bildhafte Sprache! Auch am Inhalt der Aussage hat sich bis heute nichts geändert.
Eine Frage lässt Garlef nicht los. Was ist Heil? Sein Vater hat ihm erklärt, dass man Heil nur im Kampf erringen kann. Garlef aber will nicht kämpfen. Selbst in Rom als Gladiator verteidigt er sich nur. Steht ihm damit kein Heil zu?
In Rom lernt er Mina, die Tochter eines Senators kennen. Im Gegensatz zu den Werten ihrer Zeit weigert sie sich zu heiraten. Bisher hat sie jeden Ehekandidaten vergrault. Nun aber hat ihr Vater die Nase voll. Er hat ihr einen neuen Kandidaten präsentiert. Die junge Frau ist intelligent und kann Menschen geschickt manipulieren. Aber wird ihr das in diesem Fall etwas nützen? Und was wird mit Garlef, der von einem Leben mit Mina träumt?
Im Buch lerne ich eine Menge über die Sitten und Lebensweisen der Germanen und Römer. So bekommt Mina von ihre Schwester gesagt:

„...Du bist zu dünn. Die ideale Frau hat einen mächtigen Hintern. Deiner ist allenfalls mittelmäßig!...“

Auch der Spargelanbau und die schädliche Wirkung von Bleiweiß werden thematisiert. Gerade diese Fakten lassen die Historie lebendig ewrden.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

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Veröffentlicht am 29.07.2021

Spannendes Kinderbuch

Ben & Lasse - Agenten sitzen in der Falle
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„...Kommt rein. Ich habe für euch schon mal die Zimmerschlüssel besorgt. Ihr habt Zimmer 14, das ist im oberen Stockwerk...“

Mit diesen Worten werden die Eltern von Ben im Dorf Fremding von Nina, der ...

„...Kommt rein. Ich habe für euch schon mal die Zimmerschlüssel besorgt. Ihr habt Zimmer 14, das ist im oberen Stockwerk...“

Mit diesen Worten werden die Eltern von Ben im Dorf Fremding von Nina, der Cousine des Vaters, begrüßt. Die Familien treffen sich, um im Haus der verstorbenen Tante Gertrud die mögliche Erbschaft zu sichten.
Lasse lässt Carlotta, Ronja und Finn, die Kinder von Nina, wissen, dass sie Agenten sind. Beim Betreten des Hauses wundern sie sich über die verhangenen Spiegel, die vielen Kerzen und den eigenartigen Geruch.
Der Autor hat erneut ein spannendes Kinderbuch geschrieben. Die Geschichte lässt sich gut lesen. Der Schriftstil ist kindgerecht.
Die Erwachsenen suchen ein Testament und begutachten den Inhalt der Schränke. Die Kinder sollen eigentlich im Garten spielen, finden den Keller aber spannender, obwohl das Betreten verboten war.
Herr Dumpferl, der die Schlüssel für die Haus besitzt, schwärmt vom Münsterbund, den Onkel Hugo, Gertruds Mann geleitet hat und der sich um die Jugendlichen in ihrer Freizeit gekümmert hat.
Dann bekommen die Kinder mit, dass in den Gesprächen der Erwachsenen von einem gewisser Günther die Rede ist. Ben stellt fest:

„...Irgendwie scheint er vor Jahren verschwunden zu sein. Niemand weiß etwas darüber. Und Margret vermutet, dass es im Haus Hinweise darüber gibt...“

Natürlich wollen die Kinder dem nachgehen. Dabei stürzen sie sich in manch Abenteuer, dass schief gehen könnte. Es gibt dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit, die nicht ans Tageslicht kommen sollen.
Gekonnt werden in die Gespräche der Kinder religiöse Themen eingebunden. Es geht um Tod und Sterben, aber auch um Angst. Ronja findet den Religionsunterricht langweilig. Ben entgegnet ihr:

„...Dass Gott uns liebt hat und dass er möchte, dass wir einmal für immer bei ihm im Himmel sind, finde ich nicht langweilig...“

Oft ist Ben von seinem kleinen Bruder Lasse genervt, zumal der ihm zu viel redet. Im Ernstfall aber ist er für ihn da.
Als im Haus eine SS – Uniform gefunden wird, entwickelt sich eine intensive Diskussion über die Vergangenheit und über die Verantwortung des einzelnen. Der Opa bringt das auf den Punkt:

„...Das ist genau das Problem. Das Böse in dieser Welt kann sich so gut ausbreiten, weil zu wenige Leute da sind, die den Mund aufmachen und dem Bösen das Gute entgegenhalten. Das war damals so und das ist auch heute wieder so...“

Geschickt wird Faktenwissen in die Handlung integriert. So erfahren die Kinder zum Beispiel, was ein Testament ist.
Jedes Kapitel beginnt mit einer Lupe, in die die Nummer integriert ist.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Dazu tragen der hohe Spannungsbogen, aber auch die vielfältigen Themen, die berührt werden, bei.

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Veröffentlicht am 28.07.2021

Er ließ sich nicht verbiegen

Julius oder die Schönheit des Spiels
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„...Möglicherweise hätte ein sorgfältiger Beobachter in ihm einen Mann von gestern in der Welt von heute erkannt; gleichermaßen fremd und nicht fremd an diesem besonderen Ort. Aber niemand würdigte ihn ...

„...Möglicherweise hätte ein sorgfältiger Beobachter in ihm einen Mann von gestern in der Welt von heute erkannt; gleichermaßen fremd und nicht fremd an diesem besonderen Ort. Aber niemand würdigte ihn ernsthaft eines Blickes...“

Die Rede ist von einem alten Herrn, der die Tenniswettkämpfe in Wimbledon im Jahre 1984 beobachtet. Als ein junger Deutscher gewinnt, überschlägt sich die Presse in Mutmaßungen über seine sexuelle Orientierung. Das führt die Erinnerungen des alten Herrn zurück in die Vergangenheit.
Jetzt wechselt die Perspektive. Wir befinden uns am Mittelrhein. Dort lebt die Familie von Berg. Gerade hat der Großvater, ein erfolgreicher Winzer, einen eigenen Tennisplatz für die Enkel anlegen lassen. Julius von Berg findet auf dem Spielfeld seine Lebensziel.
Der Autor hat einen spannenden und bewegenden Roman geschrieben. Wie dem Klappentext zu entnehmen ist, ist das Buch eine Hommage an den Tennisspieler Gottfried von Cramm. Es ist aber trotzdem eine fiktive Geschichte.
Der Schriftstil ist ausgefeilt. Sehr detailliert wird erzählt, wie die Kindheit von Julius und seinen beiden Schwestern verlief. Die Einschätzung der Gouvernante lautete:

„...Die von Berg`schen Mädchen sind Rowdys! Und dann gibt es Julius...“

Interessante Formulierung! Hier wird schon deutlich, was sich später vertieft. Julius ist kein „typischer“ Junge. Raufen liegt ihm nicht. Auch wenn es nie so in Worte gefasst wird, ist zu vermuten, dass der Großvater schon früh ahnte, wie sich Julius entwickeln wird. Er sollte sein Leben lang sein Berater und Vertrauter belieben. Doch auch eine Eltern geben ihm wichtige Werte mit:

„...Gewinnen um jeden Preis beinhaltet immer einen Moment der Zügellosigkeit, stellt letztlich eine Charakterschwäche dar. Schließlich leben wir nicht mehr im Mittelalter...“

Im Rheinland lernt Julius die Schattenseiten der Politik kennen. Die im Roman eingeflochtene Geschichte der Rheinischen Republik zeigt die Wankelmütigkeit der Verantwortlichen auf allen Seiten.

„...Ist es das, was Politiker tun? Den Menschen erzählen, was sie hören wollen?...“

Julius geht nach dem Abitur nach Berlin. Er lernt das Berliner Nachtleben kennen. Trotzdem wird Tennis sein Leben. Dafür gibt er das Studium auf. Zwei Dinge könnten ihm Probleme bereiten. Die Öffentlichkeit zeigt sich an seinem Privatleben interessiert. Es wird registriert, mit wem er sich abgibt und welche Lokale er aufsucht. Und die ersten Anzeichen des aufkommenden Nationalsozialismus sind nicht zu übersehen. Zu Julius` Freundeskreis gehören viele Juden. Julius nimmt kein Blatt vor den Mund.
Von Robert, ein Trainer von ihm, stammen die Worte:

„...“...Weißt du, Julius“, sagt er, „es ist recht einfach: Ich habe schlicht keine Lust zu gewinnen, wenn man es von mir verlangt.“...“

Diese Worte gehen Julius im Jahre 1937 während seines Kampfes in Wimbledon durch den Kopf. Und sie sollten entscheidend für seine Zukunft werden. Julius ist nicht bereit, sich zu verbiegen.
Auf zwei besondere Stilmittel greift der Autor ab und an zurück. Der alte Herr von Beginn kommt zwischendurch mehrmals zu Wort. Er war Julius`letzter Spielpartner 1937. Außerdem werden kursiv Situationen aus dem Jahre 1938 geschildert. Sie sind kurz und emotional gestaltet.
Natürlich sind auch manche Tennisspiele detailliert geschildert. Das aber tut der Spannung keinerlei Abbruch.
Ein Nachwort, Angabe der Quellen und ein Gespräch mit dem Autor runden das Buch ab.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Das Buch gehört zu meinen Highlights des Jahres.

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Veröffentlicht am 27.07.2021

Bewegender Roman

Das Leben wie sie es liebten
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„...Jeden Tag beim Aufwachen war Loretta einen herrlichen Moment lang wieder zuhause, zuhause in Reichenberg. Bei Marek und ihren Eltern...“

Schnell begreift Loretta allerdings, dass sie in Wien ist, ...

„...Jeden Tag beim Aufwachen war Loretta einen herrlichen Moment lang wieder zuhause, zuhause in Reichenberg. Bei Marek und ihren Eltern...“

Schnell begreift Loretta allerdings, dass sie in Wien ist, in Wien des Jahres 1946. Sie lebt bei ihrer Tante Emma Kraft, der Witwe eines Arztes.
Die Autorin hat einen bewegenden Roman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Auffallend sind insbesondere die Stellen, wo die Sätze aus einem bis drei Wörtern bestehen. Hier wird Loretta von heftigen Erinnerungen überrascht, die zurücklegende Ereignisse extrem komprimieren.
Loretta kennt nur ein Ziel. Sie möchte ihren Mann Marek finden. Auf mich als Leser wirkt sie verstört und lebensfremd. Viel muss geschehen sein, was sie noch nicht verarbeitet hat.

„...Essen fühlte sich falsch an. Alles fühlte sich falsch an. Alles war falsch ohne Marek...“

In Rückblenden, die mit den Einmarsch der deutschen Wehrmacht in das Sudetenland beginnen, wird die Vergangenheit nach und nach lebendig. Lorettas Vater ist Direktor einer Nervenheilanstalt. Dort probiert man moderne Behandlungsmethoden. Bald aber wird ein neuer Direktor eingesetzt. Plötzlich verschwinden Patienten. Es gilt die Warnung für Loretta:

„...Am besten ist es für dich, hier nichts zu sehen und nichts zu hören...“

In Wien sind die Verhältnisse schwierig. Es gibt kaum etwas zu essen. Männer, zurück aus dem Krieg, haben sich verändert. Gewalt nimmt zu. Die medizinische Versorgung ist grenzwertig. In einer Versammlung, die Emma Kraft inszeniert hat, um vor allem bessere Verhältnisse für die Kinder zu schaffen, bringt es eine Frau auf den Punkt. Der größte Teil der Wiener Ärzte waren Juden. Sie sind tot.
Emma Kraft bekommt eine Wohnungssuchende zugewiesen. Die junge Frau erscheint sehr undurchsichtig.
Positiv dagegen verhält sich die Briefträgerin Ursula. Sie erkennt Lorettas Verstörtheit und nimmt sich ihrer an. Sie gibt außerdem von den Früchten ihres Gartens ab.
An verschiedenen Stellen wird deutlich, dass es zwischen den Siegermächten die ersten Unstimmigkeiten gibt. Jeder hat andere Interessen. Das macht die Verfolgung von Verbrechen schwierig.
Was ist in Reichenberg, jetzt Liberec, in den letzten Tagen wirklich geschehen? Einiges spricht dafür, dass sich die Täter geschickt aus der Affäre gezogen haben. Loretta musste als Deutsche die Stadt verlassen. Ihr Mann Marek aber ist Tscheche. Was ist mit ihm passiert?
Das Ende ruft regelrecht nach einer Fortsetzung.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die detaillierte Beschreibung der Zustände ihn Wien vermittelt ein gutes Bild von Not und Zerstörung. Die Geschehnisse in Reichenberg dagegen werden nur schlaglichtartig behandelt.

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