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Veröffentlicht am 04.10.2021

Eine ruhige, atmosphärische Geschichte

Der perfekte Kreis
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Ende der 80er Jahre in Südengland. Aus heiteren Himmel tauchen Woche zu Woche seltsame Muster auf den Kornfeldern. Die Bevölkerung ist ratlos bis ängstlich und die Presse freut sich über das neu gefundene ...

Ende der 80er Jahre in Südengland. Aus heiteren Himmel tauchen Woche zu Woche seltsame Muster auf den Kornfeldern. Die Bevölkerung ist ratlos bis ängstlich und die Presse freut sich über das neu gefundene Futter. Sind das Streiche von Jugendlichen oder haben sie Besuche von Aliens? Ungerührt von ganzen Wirbeln gehen zwei Männer Nacht zu Nacht auf den Feldern. Schweigsam, schwer bepackt mit Seilen und Pfosten und Veganer-Essen, achtsam, ohne ein einziges Korn zu schaden, drehen sie sich im Kreis. Redbone, ehemaliger Rocker, Calvert, Ex-Soldat. Zwei völlig verschiedene Männer, deren eigene Art und Weise Narben der Vergangenheit tragen. Eine ungewöhnliche Freundschaft geprägt von gleichem Freiheitsdrang, Einsamkeit, Liebe zur Natur und ein gemeinsames Ziel: Den perfekten Kornkreis zeichnen.

Mit leisen Tönen, ohne Hast, aber sehr bildhaft hat mich Benjamin Myers auf den Kornfeldern mitgenommen. Obwohl die Felder und Vergangenheit der Männer im Dunkeln liegen, hat er mir Stück für Stück den Weg beleuchtet. Am Ende bin ich nicht nur mit wunderschönen Kunstwerken belohnt, sondern konnte mich mit den beiden Männern anfreunden.

Es ist eine sehr ruhige, atmosphärische Geschichte, geschmückt mit poetischer Sprache und mit weniger aber interessanten Charakteren. Perfekter Roman um vom stressigen Alltag zu entfliehen, zum Abschalten und genießen.

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Veröffentlicht am 22.08.2021

Märchenhaftes Debüt

Junge mit schwarzem Hahn
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Der 11-jährige Martin ist der einzige überlebende seine Familie, die einem Gewalttat von seinem Vater ermordet wurde. Er besitzt nichts, außer die übergroße Kleidung, die er am Leibe trägt und einen schwarzen ...

Der 11-jährige Martin ist der einzige überlebende seine Familie, die einem Gewalttat von seinem Vater ermordet wurde. Er besitzt nichts, außer die übergroße Kleidung, die er am Leibe trägt und einen schwarzen Hahn, der ihm überall begleitet, beriet, wärmt und liebt. Der Junge ist freundlich, sehr klug, hat einen scharfen Beobachtersinn und einen großen Herz. Er ist sehr hilfsbereit und stets zufrieden, auch wenn er für seine Hilfe, für seine harte Arbeit, eine einzige Zwiebel zum Essen bekommt. Die Dorfbewohner verstehen die Gutmütigkeit vom Martin nicht, die benutzen ihn nur für ihre eigene Interessen, misshandeln und verwahrlosen ihn. Dazu fürchten sie sich vor dem Hahn, dem sie als Inkarnation von Teufel halten. Bis eines Tages ein Maler ins Dorf kommt und Martin seit langem einen Menschen trifft, der nicht selbstsüchtig ist und beschließt mit ihm wegzugehen...

Mit Martin hat mich die Autorin auf in eine dunkle, düstere, triste Welt mitgenommen. Eine Welt, auf die ich nicht gelebt hab, aber trotzdem mir nicht fremd war. Denn wer ein Märchen gelesen/vorgelesen/geschaut/gehört hat, bekommt hier ein Déjà-vu. Schwarzen Rittern, böse Königin, Aberglauben, sprechende Tiere, verschwundene Kinder, Armut sind Grundthemen von diesem Buches. Das Setting ist historisch, dennoch kann ich nicht genau sagen, wann das Ganze gespielt hat. Was ich zwischen den Zeilen gelesen hab, vermute ich, dass es in Mitte des 14. Jahrhunderts in Europa spielt.

Die Sprache von Stefanie vor Schulte ist poetisch, leicht aber nicht einfach. Hinter fast jeden Satz versteckt was Unausgesprochenes. Einerseits fand ich diese Märchensätze grandios, anderseits haben die mich beim Lesen ermüdet.

Es ist eine märchenhafte, düstere, kunstvolle Geschichte mit mitreißende Figuren, welche ich sehr gerne gelesen hab.

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Veröffentlicht am 09.08.2021

Familiendrama

Unter Wasser Nacht
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Sophie und Thies, Inga und Bodo. Wie die in deren Jugend eine Wohnung geteilt haben, teilen die engbefreundete Paare seit Jahren den Grundstück im Wendland. Dennoch der Traum vom gemeinsamen Leben bläst ...

Sophie und Thies, Inga und Bodo. Wie die in deren Jugend eine Wohnung geteilt haben, teilen die engbefreundete Paare seit Jahren den Grundstück im Wendland. Dennoch der Traum vom gemeinsamen Leben bläst als die Kinder auf die Welt kamen nach und nach ab. Wo Inga und Bodo mit zwei gut erzogenen Kindern die perfekte Vorzeigefamilie sind, hadern Sophie und Thies mit ihrem Unruhestifter Sohn Aaron. Als Aaron unter ungeklärten Umständen ertrank, zerbricht die enge Freundschaft. Schuldgefühle, Trauer und Neid schweben wie dunkle Gewitterwolken über das gemeinsame Grundstück. Bis eines Tages eine fremde Frau, Mara, aus Dänemark aus dem nichts auftaucht...

Eine Geschichte die mich zwiegespalten zurückgelassen hat. Denn ich mochte den lebensnahen und atmosphärischen Erzählstil der Autorin sehr. Auch wie sie die Story über einer unbeliebten, bösartigen Jungen gebaut hat, fand ich sehr originell und der ganze Neid und Bosheit wirkten mir realistisch, doch ab Hälfte des Buches wurde es mir zu viel. Zu viel weil, jede die zum Wort kommt, auf eigene Art und Weise jammert. Jeder kleinster Gefühl, meine Meinung nach, wurde unnötig auf dem Papier gebracht und bei mir nicht der gewünschte Mitleid erzeugt, eher im Gegenteil. Dazu kommen einige Handlungen der Figuren, welche ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte.

Idyllisches Setting, seichter Schreibstil doch da fehlt etwas Tiefe an den Figuren.

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Veröffentlicht am 01.08.2021

Leben in der Fremde

Das Land der Anderen
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Mathilde, jung, groß, blond, Elsässerin, Christin. Eine stattliche, lebenslustige Frau. Amine Belhaj, klein, schmächtig, Marokkaner, Muslim. Ein ehemaliger Soldat, der noch die Narben des Zweiten Weltkriegs ...

Mathilde, jung, groß, blond, Elsässerin, Christin. Eine stattliche, lebenslustige Frau. Amine Belhaj, klein, schmächtig, Marokkaner, Muslim. Ein ehemaliger Soldat, der noch die Narben des Zweiten Weltkriegs trägt. Völlig ungleiche Paar lernen sie sich 1947 in Frankreich kennen, heiraten und lassen sich in der Nähe von Meknès nieder. Die gegenseitige Erwartung ist groß doch Mathilde leidet unter Kulturschock, weißt nicht, wie sie sich verhalten soll. Wo Amine den kargen Land, den er von seinem Vater geerbt hat, versucht mit allem Kräfte fruchtbar zu machen, zieht Mathilde die gemeinsamen Kinder groß, dabei fühlt sie sich einsam und oft ist sie nicht nur traurig, auch wütend. Doch es sind nicht nur die familiäre Probleme, die das junge Paar bewältigen müssen denn in den 50'ern eine Ehe zwischen einem Marokkaner und einer Französin ist nicht vorgesehen. Dazu kommen alltägliche Rassismus, die von Männern dominierten Traditionen und Konflikte zwischen den einheimischen und Franzosen. Aber Mathilde lässt sie sich nicht klein machen und gibt nicht auf...

Basiert auf dem Leben von der eigenen Großmutter nimmt Slimani uns nach Marokko und schildert sehr bildhaft das Leben des Bewohners. Schnörkellos, sehr ehrlich und ungeschönt erzählt sie über in zwei Kulturen geteiltes Land. Einerseits die Franzosen, die in dem eigenen Stadtteil wohnen und leben wie in Vorkriegszeiten in Frankreich, anderseits die Marokkaner, die in einfachen Bedingungen, mit viel Sorge und Not den Tag überstehen. Und Frage aller Fragen „Wer sind die Anderen?“

Ein vielschichtiger, fassettenreicher, lebendiger Roman der über patriarchale Geringschätzung die Frauen, über Herkunft, Heimat, Rassismus. Es ist der empfehlenswerter erster Band von Leila Slimani's auf drei Bände geteiltes Familiensaga und ich bin sehr gespannt auf das zweite Band, in der Sie von dem Geschichte ihrer Mutter erzählen wird.

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Veröffentlicht am 06.07.2021

Eine berührende Lebensgeschichte

Du wirst es mir niemals sagen
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Liv Maria, geboren als Wunschkind, wächst sie behütet auf einer bretonischen Insel auf. Von ihrem gutherzigen norwegischen Vater lernt sie die Liebe zur Literatur, von ihrer französische Mutter zum Schweigen ...

Liv Maria, geboren als Wunschkind, wächst sie behütet auf einer bretonischen Insel auf. Von ihrem gutherzigen norwegischen Vater lernt sie die Liebe zur Literatur, von ihrer französische Mutter zum Schweigen und ihre Onkels bringen ihr Fischen und Autofahren bei. Doch als sie gerade siebzehn war, wurde sie Opfer eines Übergriffs und muss zur ihrer Tante nach Berlin ziehen. In der 80'er Jahre Deutschland lernt sie nicht nur deutsch und englisch, sondern ihre erste große Liebe kennen. Er ist verheiratet, Familienvater, ihr Englischlehrer und erster Mann mit dem sie schläft. Ein Sommer lang erlebt sie eine leidenschaftliche Liebe. Als er zurück zur seiner Familie geht, ändert sich Liv Marias Leben abrupt. Denn egal wie viel sie durch die Welt reist, ihre Leben führt wie sie will, viel verdient und schläft, mit wem sie will, ihre erste Liebe und dadurch entstandenem Schmerz und Geheimnis wird sie immer und überall begleiten...

Sehr feinfühlig und mit leisen Tönen erzählt die französische Autorin eine Lebensgeschichte, die gleichzeitig faszinierend und verstörend ist. Denn Liv Maria hat bei mir viele verschiedene Gefühle herausgerufen. Einerseits wollte ich sie für immer beschützen, anderseits immer wieder Wachschütteln. Mal bin ich mit ihr gelitten, mal konnte ich ihre Gefühle nicht nachvollziehen. Der Roman wirkte mir wie eine Coming-Of-Age Geschichte und ich habe Liv Maria auf ihrem Lebensweg gern begleitet.

Das Buch wurde von dem französischen Buchhändler unter die fünf besten Bücher 2020 gewählt und meine Meinung nach, hat es auch in Deutschland viel mehr Aufmerksamkeit verdient. Ein kleines, feines, atmosphärisches Büchlein über Leben und Liebe, welches ich sehr gern gelesen habe.

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