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Veröffentlicht am 12.12.2021

Wenn sich Freundschaft ungesund entwickelt - solide Fortsetzung, aber kein Highlight

In ewiger Freundschaft (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 10)
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„Viele Freundschaften beruhten auf Unehrlichkeiten, denn würde man sich tatsächlich die Wahrheit sagen, wäre es mit den meisten Freundschaften schnell aus und vorbei.“

Die ehemalige Programmleiterin und ...

„Viele Freundschaften beruhten auf Unehrlichkeiten, denn würde man sich tatsächlich die Wahrheit sagen, wäre es mit den meisten Freundschaften schnell aus und vorbei.“

Die ehemalige Programmleiterin und Lektorin des renommierten Winterscheid-Verlags Heike Wersch wird vermisst. Kurz zuvor hatte sie den berühmten Autor Severin Velten des Plagiats bezichtigt. Aber auch andere ehemalige Kollegen hatten so ihre Probleme mit Heike. Wurde sie deshalb etwa ermordet? Und wo ist ihre Leiche? Oliver Bodenstein und Pia Sander ermitteln und bekommen es mit einem ganz speziellen Freundeskreis innerhalb des Literaturbetriebs zu tun…

Nele Neuhaus schreibt schlicht, unkompliziert und gut verständlich. Sie begleitet mal Oliver Bodenstein und Pia Sander bei der Arbeit und im Privaten, mal auch andere Figuren wie Lektorin Julia Bremora. Vor allem, wenn es direkt um die Ermittlung bei der Polizei geht, verwendet die Autorin viel wörtliche Rede, um ihre Geschichte lebendig zu gestalten.
Das Titelbild auf dem Cover - eine Katze in der Dunkelheit vor einem beleuchteten Haus- passt gut zu denen der anderen Romane aus der Reihe.

„In ewiger Freundschaft“ ist der zehnte Fall für die beiden Ermittler Pia Sander und Oliver Bodenstein. Wer sie -wie ich- von Anfang an begleitet hat, dem werden sie schon so vertraut vorkommen wie gute alte Bekannte. Pia Sander ist eine resolute, bodenständige, sympathische Ermittlerin, die stets zupackt und auch bei Schwierigkeiten nicht aufgibt. Daher ist sie in ihrem Beruf sehr erfolgreich. Dass ihr Exmann, der Rechtsmediziner Henning Kirchhoff, immer noch sehr viel für sie empfindet und sie offen bewundert, spricht für Pia. Pias Kollege Oliver von Bodenstein leistet in seinem Job ebenfalls sehr gute Arbeit. Er verhält sich sehr sozial, hat ein ausgeprägtes „Helfersyndrom“ und glaubt an Gerechtigkeit, Regeln und Werte. Nicht immer gelingt es ihm, genügend Distanz zu seinen Fällen zu halten. Bei der Wahl seiner Lebenspartnerinnen bewies er leider wiederholt kein glückliches Händchen. Oliver hat sehr unter seinen komplizierten Paar-Beziehungen zu leiden und kann einem dabei oft nur leid tun. Oliver und Pia kennen sich schon lange, sind ein perfekt eingespieltes Team.
Die beiden Ermittler werden diesmal mit einem überaus vertrackten Beziehungsgeflecht unter Freunden konfrontiert, einem ungesunden „Freundschaftssumpf“ voller Geheimnissen, Lügen und Intrigen. Wie nach und nach immer mehr aufgedeckt wird, wie die potentiell Verdächtigen wirklich zueinander stehen, das ist durchaus spannend und interessant zu lesen.


Wie starb Heike Wersch? Während der Ermittlungen kommen schlimme Verbrechen aus der Vergangenheit zutage, die noch nachwirken, und dazu ein gefährliches Abhängigkeitsverhältnis, das sich Freundschaft nennt. Was Freundschaft ausmacht, steht dabei immer wieder im Fokus, auch Oliver Bodenstein macht sich seine Gedanken: „Reichten gemeinsame Jugenderinnerungen tatsächlich als Grundlage für eine lebenslange Freundschaft aus, oder handelte es sich eher um alte Bekannte, die ihre Vergangenheit glorifizierten?“.
Raffiniert, dass hier das Thema „Buch im Buch“ auf verschiedene Weise behandelt wird.
Pias Exmann Henning Kirchhoff hat die ersten beiden Fälle von Pia und Oliver in zwei Romanen verewigt, die auch noch genauso heißen wie die ersten Bände der Nele-Neuhaus-Krimi-Reihe. Außerdem taucht plötzlich das Manuskript eines Romans auf, das sehr detailliert erzählt, was sich wirklich in der Vergangenheit des verdächtigen Freundeskreises zugetragen hat.
Anfangs war ich recht gefesselt von den privaten Ereignissen in Bodensteins Leben, auch der Fall begann spannend. Bei der Menge an involvierten Personen verlor ich zwischenzeitlich allerdings etwas den Überblick und konnte nicht mehr eindeutig zuordnen, wer wie zu wem steht und mit wem verwandt ist. Insgesamt agierten mir etwas zu viele Charaktere. Die Personenübersicht am Anfang war sehr hilfreich dabei, die vielen verschachtelten, konfliktbehafteten Verhältnisse zu erfassen. Die Spannung flachte für mich leider im Mittelteil ab, die Handlung zog sich dann etwas.
Insgesamt hätte die Geschichte durchaus etwas konzentrierter und straffer erzählt werden können. Das Ende riss mich allerdings wieder mit. Ich habe gerne gelesen, wie es für Oliver und Pia beruflich und privat weitergeht, fand es interessant, einen kleinen Einblick in die Arbeitsweise eines Verlags zu erhalten, der teilweise doch stark an eine „Schlangengrube“ erinnert. Meiner Meinung nach kein herausragender, aber ein solider Krimi, der Nele-Neuhaus-Fans sicher gefallen wird.

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Veröffentlicht am 31.10.2021

Die Stunde der Frauen - kurzweiliger Roman um eine junge, tatkräftige New Yorkerin während des Zweiten Weltkriegs

Die Frauen von New York - Glanz der Freiheit
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Lily Rose, Tochter „aus gutem Haus“, arbeitet 1942 im New Yorker Restaurant Valentino‘s als Sous-Chefin, was ihrer Mutter Viictoria sehr missfällt. Als immer mehr Männer an die Front gerufen werden, bekommt ...

Lily Rose, Tochter „aus gutem Haus“, arbeitet 1942 im New Yorker Restaurant Valentino‘s als Sous-Chefin, was ihrer Mutter Viictoria sehr missfällt. Als immer mehr Männer an die Front gerufen werden, bekommt Lily sogar den Posten der Küchenchefin in Aussicht gestellt. Gemeinsam mit anderen Frauen versucht sie das Restaurant am Laufen zu halten, was durch den Mangel an manchen Lebensmitteln immer schwieriger wird. Lilys beruflicher Höhenflug wird unter anderem nur dadurch ermöglicht, dass ihr Kollege Tom, in den Lily verliebt ist, eingezogen wird. Lily hofft sehr, dass er den Krieg überlebt, doch dann trifft eine beunruhigende Nachricht ein…

Die Geschichte lässt sich dank Ella Careys klaren und angenehm leichten Schreibstils sehr unkompliziert und flüssig lesen. Es war für mich kein Problem, in die Handlung hineinzufinden. Die Autorin erzählt chronologisch in der dritten Person.

Lily ist eine nette, sympathische Figur. Sie ist ehrgeizig, gibt sich aber dabei immer rücksichtsvoll, will niemandem etwas Böses. Mitunter wirkt sie etwas naiv, wuchs sie doch gut behütet in einer wohlhabenden Familie auf. Das Leben als Nur-Ehefrau würde Lily nicht ausfüllen, sie möchte beruflich auf eigenen Beinen stehen, es aus eigener Kraft schaffen. Mit Lily fieberte ich mit, hoffte sehr für sie, dass sich ihre Wünsche erfüllen. Vor allem Lilys Mutter Victoria versucht zu verhindern, dass sich Lily beruflich entfaltet. Für sie zählt nur der äußere Schein, eine gute Partie zu machen. Dass Lily arbeitet, passt Victoria gar nicht. Victoria ist sehr von sich überzeugt, auch wenn ihre Aussagen aus heutiger Sicht mitunter seltsam weltfremd anmuten: „Ich weiß, was Patriotismus bedeutet, Lilian. Schließlich habe ich im letzten Krieg Verbandsmaterial aufgewickelt.“
Großmutter Josie ist da eine wesentlich positivere Erscheinung. Sie hat Verständnis für ihre Enkelin, unterstützt sie und hört ihr stets zu.
Männern, die Lily und den Frauen allgemein nichts zutrauen, sind im Amerika der Vierziger Jahren keine Seltenheit und Lily muss sich mit Aussagen wie diesen auseinandersetzen: „Unsere Leser wird es genauso schockieren wie mich, dass eines der renommiertesten Restaurants in New York eine Frau als Chefkoch einstellen musste.“

Wie sehr der zweite Weltkrieg das Leben der New Yorkerinnen und New Yorker verändert, stellt der Roman aus Sicht der Frauen eindrucksvoll dar. Während die jungen Männer im Krieg kämpfen, bekommen Frauen die Möglichkeit, sich zu beweisen, müssen die Arbeit der Männer übernehmen und tun dies durchaus sehr erfolgreich und effektiv. Mir hat ihre Leistung imponiert. Die „Stunde der Frauen“ schlägt unter traurigen Umständen. Lilys packende, interessante Geschichte hat mich gut unterhalten, ein leichter Roman vor dem ernsten Hintergrund des Krieges, der sich fast wie von selbst liest. Gerade gegen Ende wird für mich dann vieles allerdings etwas zu schnell aufgelöst, die Folgen des Krieges bspw. auf die Psyche bestimmter Figuren wurden mir zu oberflächlich abgehandelt, manche Entwicklungen kamen zu überhastet. Dennoch empfand ich „Glanz der Freiheit“ als gelungenen Auftakt einer neuen Reihe. Ich möchte gerne noch mehr „Frauen von New York“ kennenlernen und werde die Fortsetzung auf jeden Fall lesen.

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Veröffentlicht am 12.10.2021

In der Parallelwelt der Elfen - Solider Auftakt einer neuen Serie mit Anleihen bei Harry Potter

Keeper of the Lost Cities – Der Aufbruch (Keeper of the Lost Cities 1)
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„Die Menschen geben ihr Bestes, aber ihr Verstand kann noch nicht einmal annähernd begreifen, wie komplex die Realität in Wirklichkeit ist.“

Sophie Foster ist ein Wunderkind, sie bringt hervorragende ...

„Die Menschen geben ihr Bestes, aber ihr Verstand kann noch nicht einmal annähernd begreifen, wie komplex die Realität in Wirklichkeit ist.“

Sophie Foster ist ein Wunderkind, sie bringt hervorragende Schulleistungen und hat ein fotografisches Gedächtnis. Mit nur zwölf Jahren bietet ihr die Yale-Universität bereits ein Stipendium an. Sophie fühlt sich allerdings oft, als gehöre sie nicht dazu, was nicht zuletzt daran liegt, dass sie Gedanken anderer Menschen hören kann. Davon erzählt sie aber sicherheitshalber niemandem, um nicht für verrückt gehalten zu werden. Eines Tages lernt Sophie Fitz kennen. Der hat Unglaubliches zu berichten und eine Erklärung dafür, warum Sophie so anders ist: Sophie ist ein Elf. Fitz bringt Sophie in die Elfenwelt, wo sie ein komplett neues Leben beginnt und eine Schule mit für sie völlig neuen Fächern besucht. Das ist gar nicht so einfach, wenn man zwölf Jahre als Mensch gelebt hat. Und leider wissen auch die Elfen nicht, woher Sophie wirklich stammt und wer sie eigentlich ist…

Shannon Messenger schreibt altersgemäß und verständlich, manche speziellen Ausdrücke aus der Welt der Elfen müssen aus dem Kontext erschlossen werden. Das Cover mit zwei Figuren und blauen und gelben Lichteffekten passt sehr gut zum Genre Fantasy. Der silberne Schriftzug auf dem Buchrücken verblasst leider recht schnell. Das mit über 500 Seiten sehr umfangreiche Buch richtet sich an aufmerksame, ausdauernde Leserinnen und Leser ab elf, zwölf Jahren.

Die Charaktere sind hauptsächlich Elfen und daher natürlich ziemlich ungewöhnlich und interessant. Mit der großen Anzahl an Personen hatte ich allerdings so meine Schwierigkeiten. Es kommen so viele verschiedene Figuren vor, dass ich teilweise die Übersicht verlor und die einzelnen Charaktere schwer einschätzen konnte. Es ist erforderlich, sehr konzentriert zu lesen, um den Überblick zu behalten.
Sophie als Figur erinnert ein wenig an Harry Potter. In die Menschenwelt gehört sie nicht, fühlt sich dort unwohl. Sie hat besondere Fähigkeiten, von denen keiner wissen darf. Aber auch in der Elfenwelt ist ihre Herkunft ein Geheimnis und so manche Charaktere begegnen ihr mit Misstrauen. Während ihres Studiums an der Foxfire treten einige bisher unbekannte Talente bei ihr auf. Sophie ist ein Rätsel, das die Leser herausfordert. Gleichzeitig tat sie mir auch leid, weil sie überall fremd ist und ihren Platz noch nicht gefunden hat.
Auch andere Figuren bringen zum Grübeln, da sie sehr undurchsichtig sind. Bronte, der in Foxfire unterrichtet zum Beispiel, er scheint der „Snape“ der Foxfire zu sein und eine „wirklich harte Nuss“. Mir persönlich war Sophies Freund Dexter sehr sympathisch, er hat Humor, ist loyal, wie Ron Weasley, einfach ein netter Kerl. Bei ihm hatte ich das Gefühl, dass er es stets ehrlich meint und dass sich Sophie auf ihn verlassen kann. Auf einige andere dubiose Figuren trifft das nicht zu. Dieses Buch ist der Auftakt einer Reihe, sicherlich werden die Figuren im Laufe der Zeit noch klarer herausgearbeitet und kommen so den Leserinnen und Lesern näher.

Sophies Leben ist ein einziges Abenteuer. Sie muss sich in „Keeper of the lost cities - Der Aufbruch“ in einer neuen Umgebung zurecht finden. Sie weiß dabei nicht, wie sie sich verhalten soll, kennt die Regeln nicht und bringt sich immer wieder in die Bredouille. Gleichzeitig scheint Sophie nicht sicher, ihr droht von unbekannter Seite große Gefahr. Ziemlich spannend, was ihr alles widerfährt. Und ziemlich komplex die Handlung. In der Elfenwelt muss man sich auch als Leser erst einmal orientieren. Eigentlich ist die Gesellschaft dort berechenbar, fast erschreckend kontrolliert und gesetzestreu, doch befindet sie sich gerade im Umbruch, passt sich der Menschenwelt an. Es kommt nun auch häufiger bei den Elfen zu Verfehlungen. Wie Elfen- und Menschenwelt dargestellt und verknüpft werden, fand ich grundsätzlich sehr reizvoll und faszinierend, auch wenn mir noch nicht ganz klar war, wie genau beide parallel existieren können. Auch wenn die Elfen das anders sehen, muss da ein wenig Magie dahinter stecken.
Für meine Begriffe kann das Buch trotz vieler offensichtlicher Parallelen dem Vergleich mit Harry Potter noch nicht standhalten. Mir ist noch zu vieles unklar, es gibt für mich noch zu viele Fragezeichen. Ich habe bis jetzt noch zu wenig Bezug zu den Figuren, konnte daher noch nicht komplett in Sophies Welt „eintauchen“. Aber in den nächsten Bänden kann sich das alles noch entwickeln, die Figuren kommen vielleicht der Leserschaft näher, die komplexe Welt wird sicher klarer, einige Rätsel werden gelöst werden. Vielversprechendes Potential ist definitiv vorhanden. Für mich kein perfekter Wow-Auftakt, aber ein stellenweiser doch gelungener, der durchaus Lust auf mehr macht.

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Veröffentlicht am 18.08.2021

Neuanfang mit Hindernissen im Alten Land

Der Himmel ist hier weiter als anderswo
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„Sie wandte sich ab. Der Garten, der sich sanft zum Fluss senkte. Die knorrigen Apfelbäume. Der Pavillon am Wasser, ein Schmuckstück. Die überhängende Weide am Ufer. In ihren Augen war es ein Paradies.“

Als ...

„Sie wandte sich ab. Der Garten, der sich sanft zum Fluss senkte. Die knorrigen Apfelbäume. Der Pavillon am Wasser, ein Schmuckstück. Die überhängende Weide am Ufer. In ihren Augen war es ein Paradies.“

Als Jan, der Mann der Geigerin Felicitas, Fee, ganz unerwartet stirbt, steht diese plötzlich mit vier Kindern alleine da. Dann wird ihr auch noch die Wohnung in Hannover wegen Eigenbedarfs gekündigt und schließlich verliert sie ihren Job als Musiklehrerin, weil sie seit Jans Tod nicht mehr in der Lage ist, ihre Geige zu spielen. Fee beschließt, neu anzufangen und kauft sich vom Erlös der Lebensversicherung ihres Mannes einen Gasthof im Alten Land. Doch leider ist das Anwesen in schlechterem Zustand als angenommen und nicht alle Familienmitglieder leben sich gleichermaßen schnell in der neuen Umgebung ein.

Autorin Valerie Pauling schreibt verständlich, meist in klaren, einfachen, mitunter allerdings etwas „abgehakten“ Sätzen. Mir gelang es rasch, einen Bezug zur Geschichte zu entwickeln und mich in das Geschehen hineinzuversetzen.

Fee steckt tief in der Krise. Sie muss sich um vier Kinder im Alter von fünf bis sechzehn Jahren kümmern und hat außer ihrer besten Freundin Viola, die in Afrika lebt und arbeitet, keine engen Vertrauten. Seit ihr Mann starb, während sie auf einem Konzert Geige spielte, kann sie ihr früher so geliebtes Instrument nicht mehr anfassen. Sie ist in ihrer Trauer gefangen, scheint wie gelähmt. Zunächst blieb ich ihr gegenüber etwas distanziert, konnte sie wegen ihrer Verschlossenheit schwer einschätzen. Doch im Laufe der Geschichte litt ich immer mehr mit ihr, hoffte für sie, dass ihre lange Pechsträhne ein Ende findet. Fees vier Kinder sind völlig unterschiedliche Charaktere. Golo, der Jüngste, ist offen, schließt schnell Freundschaften, seine Schwester Martha wirkt ein bisschen „nerdig“, interessiert sich mehr für Tiere als für Menschen. Rieke, die Zweitälteste, ist sehr umtriebig, aktiv, engagiert und steckt voller Ideen. Rasmus, der Älteste, hat überhaupt keine Ahnung davon, was er wirklich möchte und was nicht. Die Figuren erfüllen einige Klischees, wirken eher stereotyp als tiefgründig, sind aber durchaus nachvollziehbar gezeichnet.

„Der Himmel ist hier weiter als anderswo“ ist für mich ein Eskapismus-Roman. Einige Parallelen finden sich zu den Romanen von Jenny Colgan, die für das Genre steht wie kaum eine andere Autorin. Auch bei Colgan verlassen Städterinnen ihre Heimatstadt nach einem Schicksalsschlag, um auf dem Land ihr Leben komplett umzukrempeln. Fee wagt ebenfalls den Neuanfang, ist aber anfangs innerlich noch nicht richtig bereit dazu. Im Laufe der Handlung hat sie mit zahllosen Widrigkeiten zu kämpfen, da kommt einiges zusammen. Stark erinnert der Plot auch an Jojo Moyes Roman „Der Klang des Herzens“. Bei Moyes entscheidet sich eine frisch verwitwete Geigerin, die ihr Instrument nicht mehr spielen kann, mit ihrer Familie für den Umzug in ein baufälliges Haus auf dem Land. Moyes Roman hat mich emotional aber etwas mehr mitgerissen und berührt, macht insgesamt ein „bisschen mehr her“. Auch wenn Paulings Geschichte an einigen Stellen mehr Tiefe vertragen hätte - ich hätte mir beispielsweise intensivere und substanziellere Gespräche zwischen Fee und ihren Kindern gewünscht- hat mich der Roman insgesamt unterhalten und ich habe ihn über weite Strecken gerne gelesen. Am Ende fügt sich nach all den Verwirrungen und Komplikationen alles recht schnell. Die Vorstellung, dass Landleben wie Medizin heilend auf die Seele wirken kann und dass es durchaus die Möglichkeit gibt, auch mitten im Leben neu anzufangen, hat mir gefallen und gutgetan. Unterm Strich ein leichter, solider, kurzweiliger Eskapismus-Roman über einen Neuanfang mit einigen Hindernissen und Herausforderungen, der vom Landleben träumen lässt.

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Veröffentlicht am 03.08.2021

Miss Marple lässt grüßen - solider, nachvollziehbarer Krimi mit originellen Figuren

Der Donnerstagsmordclub (Die Mordclub-Serie 1)
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„In Coopers Chase beginnt der Tag früh. Während noch die Füchse ihre nächtlichen Runden beschließen und die Vögel ihren Appell anstimmen, pfeifen schon erste Kessel, und durch vorhangverhängte Fenster ...

„In Coopers Chase beginnt der Tag früh. Während noch die Füchse ihre nächtlichen Runden beschließen und die Vögel ihren Appell anstimmen, pfeifen schon erste Kessel, und durch vorhangverhängte Fenster scheint schwaches Lampenlicht. Steife Gelenke knarzen den Morgen herbei.“

Coopers Chase ist keine gewöhnliche Seniorenresidenz. Hier leben einige ganz besondere ältere Menschen. Vier davon treffen sich immer donnerstags im Puzzlezimmer, um über alte, ungelöste Kriminalfälle zu sprechen. Dann ereignet sich tatsächlich ein Mordfall in der unmittelbaren Umgebung. Klar, dass der Donnerstagsmordclub da nicht Ruhe geben kann, bis der Täter entlarvt ist. Auch die ermittelnden Polizisten sind von den schnüffelnden Senioren ziemlich beeindruckt…..

Autor Richard Osman schreibt flüssig, klar, mit Humor und angenehm unkompliziert. Er fungiert als allwissender Erzähler, häufig werden aber auch in Ich-Form Passagen aus der Sicht von Joyce, einem Mitglied des „Detektivclubs“ eingeschoben.

Die Figuren, vor allem die Senioren-Hobbyermittler sind originell: Keine Senioren, die einen ruhigen Lebensabend verbringen, sondern scharfsinnige, intelligente Persönlichkeiten mit Ausdauer und Tatkraft. Der Donnerstagsmordclub besteht aus Joyce, einer ehemaligen Krankenschwester, der Ex-Geheimagentin Elizabeth, die nach wie vor noch über die richtigen Kontakte verfügt und sich selbst als „Rasierklinge“ bezeichnet, dem nicht immer verträglichen Ron, der früher in der Gewerkschaft aktiv war und das Kämpferische nicht verloren hat und Ibrahim, einem Psychiater im Ruhestand, der die Menschen ziemlich gut kennt und schon viele gerettet hat. Diese Truppe funktioniert gemeinsam erstaunlich gut, eine wunderbar unterhaltsame Figurenkonstellation. Auch zu anderen Nebenrollen wie zu Polizistin Donna oder zu ihrem Kollegen Chris hatte ich gleich einen „Draht“, sie kommen recht sympathisch und „nahbar“ rüber

„Wer verliert was?“. Das ist oft die große Frage, die es bei Mordfällen zu beantworten gibt. Auch hier. Alter schützt dabei vor Scharfsinn nicht. Faszinierend, mit welcher Energie die vier Senioren-Ermittler durchs Buch wirbeln. Ihr erster Fall präsentiert sich ziemlich komplex und reich an Verwicklungen und Verdächtigen, da ist es gar nicht leicht, immer den Überblick zu behalten. Viele Szenen sind wirklich lustig und voller Humor, aber es treten durchaus auch traurig- tragische Momente zum Nachdenken auf. Stellenweise hat mit der Roman mit der für mich sehr überzeugenden Grundidee und dem nachvollziehbarem und logisch durchdachtem Plot ziemlich gut gefallen. Aber gerade in der Mitte hätte die Handlung und die Aufklärung des Falls auch etwas zügiger voranschreiten können. Für mich ein solider, meist kurzweiliger Krimi mit netten Figuren, aber kein absolutes Highlight.

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