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Veröffentlicht am 04.06.2022

Packender Thriller mit schwachen Figuren

Die Gottesmaschine
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Der Klappentext dieses Buches hat mich an mein Lieblingsbuch, Der Name der Rose, erinnert und so musste ich zugreifen. Tatsächlich ist der Plot selbst auch ähnlich, wobei wir uns natürlich im 21. Jahrhundert ...

Der Klappentext dieses Buches hat mich an mein Lieblingsbuch, Der Name der Rose, erinnert und so musste ich zugreifen. Tatsächlich ist der Plot selbst auch ähnlich, wobei wir uns natürlich im 21. Jahrhundert befinden und somit bestimmte religiöse und philosophische Fragen in einem anderen Kontext stehen. Obwohl die Ähnlichkeit durchgehen vorhanden war, werde ich in dieser Rezension jedoch keinen Vergleich versuchen oder die Bewertung gar davon abhängig machen, wie gut oder schlecht der Vergleich ausfiele – das wäre mehr als unfair diesem Werk gegenüber.


Spannende Thriller-Elemente

Das Buch verspricht von Anfang an Spannung und liefert diese auch. Das Setting in einem abgelegenen Kloster, das dann auch noch jeden Kontakt zur Außenwelt aufgrund eines Sturms verliert, ist ideal für die stetig wachsende Angst der Protagonisten. Die Art, wie das Innere des Klosters beschrieben ist, liest sich klaustrophobisch. Auch wenn ich mir den Grundriss nicht immer vorstellen konnte, so leistet das Buch doch genügend Arbeit, um das uralte Kloster zum Leben zu erwecken und den Ort selbst beinahe als Bedrohung wirken zu lassen.

Obwohl immer wieder längere Gespräche um Philosophie, Religion, Mathematik und diverse benachbarte Wissenschaften stattfinden, verliert die Geschichte nie an Tempo. Im Gegenteil, diese Gespräche erlaubten es mir, durchzuatmen und mich zu erholen von dem beklommenen Gefühl, dass jederzeit etwas passieren könnte. Gleichzeitig waren sie auch genau ausführlich genug, um mir als Laie die grundlegenden Fragen nahezubringen und die versuchten Lösungen verständlich zu machen. Ich habe es geliebt, die Frage nach Gott auf mathematisch-logische Art und Weise präsentiert zu bekommen.


Mangelnde Charakterentwicklung

Auch wenn wir eine größere Anzahl an Personen begleiten, haben wir einen klaren Hauptcharakter sowie seine Partnerin, die uns durch die Geschichte führen. Obwohl beide direkt zu Beginn genügend Hintergrundgeschichte bekommen haben, um echte, lebende Menschen sein zu können, waren sie es doch am Ende, die mich gestört haben. Trotz des Hintergrundwissens konnte ich bis zum Schluss nicht sagen, welche Charaktereigenschaften sie eigentlich auszeichnen. Mir fehlte die tiefere Bindung zu allen Personen, auch zu den Protagonisten. So spannend ihre Gespräche auch waren, so flach blieben die Charaktere selbst.

Es war für mich von Anfang an klar, dass hier der Plot und die Frage nach Gott – sowie der Mordfall – im Mittelpunkt stehen würden. Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass noch ein wenig mehr Tiefe für alle Personen, vor allem aber für die Protagonisten fühlbar gewesen wäre. Je näher ich mich den Charakteren fühle, umso stärker wirken Bedrohung und Mysterien.


Fazit

Der Thriller „Die Gottesmaschine“ von Reinhard Kleindl besticht durch einen gut recherchierten Plot, der an einem beklemmenden Ort stattfindet. Je länger man die Charaktere im Kloster begleitet, umso mehr kann man die unsichtbare Bedrohung förmlich spüren. Die Gespräche über Religion, Philosophie und andere Wissenschaften geben dem Mordfall Tiefe, während die Figuren selbst leider bis zum Schluss farblos bleiben. Wer noch etwas mehr über die Welt lernen will, während ein Mordfall geklärt wird, ist bei diesem Buch auf jeden Fall genau richtig.

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Veröffentlicht am 07.08.2021

Spannender Einblick in ein fremdes Land

Brillanter Abgang
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Bei diesem Buch hat mich zuerst das Cover gelockt, dann der Klappentext. Die Prämisse klang originell und spannend und ich hoffte, einen mitreißenden Wirtschaftskrimi zu bekommen. Das hat das Buch nicht ...

Bei diesem Buch hat mich zuerst das Cover gelockt, dann der Klappentext. Die Prämisse klang originell und spannend und ich hoffte, einen mitreißenden Wirtschaftskrimi zu bekommen. Das hat das Buch nicht ganz erfüllt, aber dafür hat es in anderen Aspekten sehr überzeugen können, so dass ich am Ende doch zufrieden war.


Fremdes Land, fremde Kultur

Obwohl bereits der Klappentext verrät, dass Kroatien eine Rolle spielen wird in diesem Roman, war ich doch überrascht, wie schnell und vor allem wie intensiv wie dieses Land kennenlernen. Während mir zumindest Kroatien nur als Urlaubsland anderer Deutscher bekannt ist, sehen wir hier eine Seite, die den meisten Touristen wohl verborgen bleibt. Ein Land, das noch immer darum kämpft, wieder richtig auf die Beine zu kommen, wo die Einwohner den letzten Krieg längst nicht vergessen haben und viele nicht wissen, was die Zukunft bringt. Jenseits der Adria, jenseits von Zagreb scheint das Leben stehen geblieben zu sein, und wir bekommen als Leser hier einen kleinen Einblick, wie sich das anfühlen mag.

Auch wenn die meisten Bewohner des kleinen Dorfes, in dem sich ein Großteil der Geschichte abspielt, kaum mehr als Stereotypen sein dürften, gelingt es dem Autor doch, sie alle so authentisch darzustellen, dass man sich die Dorfgemeinschaft schnell vorstellen kann. Alte Bräuche, knurrige, aber loyale Männer, zielstrebige Frauen – das alles ist charmant, gerade weil die Trostlosigkeit so schonungslos beschrieben wird.


Der Krimi läuft eher nebenher

Nachdem also der Protagonist auf anraten seiner kroatischen Freundin mit den 200 Millionen Euro das Weite gesucht hat, dauert es nicht lange, bis die Bank den Fehler bemerkt und anfängt zu ermitteln. Faszinierend war hier, dass der Roman erneut überraschen konnte: Anstatt sich mit dem Zahlungsverkehr zu beschäftigen, um die Spur des verschwundenen Geldes nachzuverfolgen, erleben wir mit, wie der Bankier, der ursprünglich die Sache entdeckt hat, plötzlich in ein ganz anderes Hamsterrad gerät. Als Leser wird man natürlich sofort misstrauisch, doch der Bankier braucht einige Zeit, bis er aufwacht. Auf diese Weise wird Korruption und Bestechung plötzlich greifbar, denn wir erleben es hautnah mit.

Natürlich werden auch Hans und Tonja verfolgt – die Mafia wird bereits im Klappentext erwähnt. Hier zeigt sich, dass Spannung meist dort entsteht, wo es eine unbekannte Größe gibt. Lange Zeit ahnen wir, dass den beiden Gefahr droht, doch wir kennen den Verfolger nicht wirklich. Das Geld ist immer wieder Grund für Streitigkeiten, doch erst am Ende wird es tatsächlich gefährlich. Während Tonja, die selbst einmal für eine Bank und für eine Anwaltskanzlei gearbeitet hat, mehr oder weniger professionell mit dem neuen Reichtum umgeht, sind wir immer bei Hans, der sich eigentlich jeden Schritt des Weges überfordert fühlt – und entsprechend unsicher wird, als plötzlich die Rede von der Mafia ist.

Trotz allem fehlt diesem Aspekt des Romans echte Spannung. Hans ergreift zu wenig Initiative, Tonja scheint zu abgebrüht, als dass mir ein wirkliches Mitfiebern mit den beiden Charakteren möglich wäre. So ist zwar der Plot selbst interessant und die Suche nach dem Geld seitens der Bank durchaus spannend, aber das, was mich wirklich fesselt, die Figuren, bleiben ein wenig zu blass.


Fazit

Der Roman „Brillanter Abgang“ von Alexander Hoffmann besticht durch sehr gute Recherche und Kenntnis der Wirtschaft, ebenso wie durch eine überzeugende Darstellung eines fremden Landes und einer fremden Kultur. Wenn man mit der Erwartung rangeht, neben einem Spannungsroman auch Einblicke in die kroatische Kultur zu erhalten, ist dieses Buch ein echter Schatz. Leider fehlte am Ende die Spannung, um die Jagd nach dem Geld wirklich mitreißende zu gestalten. So lebensnah die Nebenfiguren auch wirken, so distanziert bleibt man doch von den Hauptpersonen, worunter die Spannung leidet. Trotzdem habe ich diesen Roman sehr genossen und die vielen Überraschungen und Wendungen Seite um Seite verschlungen.

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Veröffentlicht am 08.07.2021

Aufwühlende Liebesgeschichte mit komplexen Figuren

Das Lied der Wölfe
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Dieser Roman hat mich mit zwiespältigen Gefühlen hinterlassen. Es ist eine wundervolle Liebesgeschichte, die uns gleichzeitig den Kampf um ausgewogenen Naturschutz zeigt, uns nach Schottland entführt und ...

Dieser Roman hat mich mit zwiespältigen Gefühlen hinterlassen. Es ist eine wundervolle Liebesgeschichte, die uns gleichzeitig den Kampf um ausgewogenen Naturschutz zeigt, uns nach Schottland entführt und uns zum Nachdenken anregt. Gleichzeitig ist es aber auch eine Geschichte über Trauma, Therapie und die Schwierigkeiten, die jeder Betroffene ganz persönlich und ganz eigen erlebt. Als jemand, der hier persönlich betroffen ist, hätte ich mir eine Triggerwarnung gewünscht, denn die reine Erwähnung von Krieg und Therapie im Klappentext reicht nicht aus, um den Leser angemessen vorzubereiten.

Ich werde dazu weiter unten etwas schreiben, was aber ein Spoiler für einen Nebenstrang sein kann – das wird entsprechend markiert! Der Rest der Rezension enthält keine Spoiler.

Eine farbenfrohe Reise nach Schottland

Die Autorin versteht es von der ersten Zeile an, uns in die Geschichte zu holen. Immer wieder nimmt sie sich die Zeit, uns genau zu beschreiben, was die Protagonisten sehen, insbesondere Kaya, die Schottland das erste Mal sieht. Die Farbe des Himmels, die Weite des Landes, der Regen, aber auch die Sonne, allem wir die Chance gegeben, seinen eigenen Charme auszubreiten. Während das einigen anderen Lesern zu langatmig sein mag, habe ich es genossen, vor meinem inneren Auge das mir unbekannte Schottland entstehen zu sehen.

Auch die Charaktere haben alle genügend Zeit, sich zu entwickeln. Die Randfiguren bleiben meist oberflächlich, doch sie stellen wichtige Stereotypen da, die Kayas Kampf für die Wölfe erleichtern oder erschweren. Das funktioniert einfach. Jene, die näher mit Kaya und Nevis in Berührung kommen, erhalten tiefe Persönlichkeiten, haben ihren eigenen Kampf und wirken wie echte Menschen mit eigener Handlungsmotivation. Das verleiht dem Roman eine angenehme Komplexität und gibt uns die Chance, für die verschiedensten Personen zu brennen.

SPOILER, Triggerwarnung!

Das Problem mit dem Trauma

Sowohl Kaya als auch Nevis haben ihr eigenes Trauma, ebenso wie ein Freund von Nevis, der mit ihm im Krieg gedient hat. Bei ihnen allen wirkt es sich anders aus, und bei ihnen allen hat es andere Ursprünge. Der Klappentext hatte bereits auf Krieg und Therapie hingewiesen, doch ich war nicht darauf vorbereitet, wie oft wir Flashbacks sehen würden. Die Flashbacks hier sind so, wie sie durchaus vorkommen und wie man sie als Nichtbetroffener verstehen kann: Es sind lebensechte Erinnerungen, die wie ein Film ablaufen, inklusive aller Gefühle. Gleichzeitig wird aber auch darüber geredet, dass Nevis andere Geschehnisse verdrängt, dass ihm Erinnerungen fehlen – auch das ist eine leider häufig vorkommende Schutzfunktion unseres Körpers.

Nevis widersetzt sich der Therapie, indem er zwar hingeht, aber seinem Psychologen vorspielt, er hätte gar kein PTBS, sondern „nur“ eine Angststörung, die „schnell therapierbar“ ist. Dazu habe er sich diverse Psychologiebücher durchgelesen, um die Symptome korrekt zu schildern. Wir bekomme nie richtig mit, ob sein Therapeut ihm das glaubt, aber ich hoffe, dass das nie der Fall ist. Als er sich am Ende ein wenig öffnet, wird zumindest angedeutet, dass sein Therapeut dies schon lange gehofft hat.

Gleichzeitig sehen wir auch, wie ein Freund von Nevis mit seiner PTBS zu kämpfen hat. Er macht auch Therapie, trotzdem fällt er immer tiefer in dieses Loch, das nur noch Aggressivität zurücklässt. Am Ende verliert er den Kampf und schreibt einen langen, eindrucksvollen Abschiedsbrief an Nevis. Auch wenn der Akt des Selbstmordes nicht selbst gezeigt wurde, war dieser Brief doch extrem triggernd, gerade weil er einen unheimlich destruktiven Gedanken enthält: Ich schütze andere, indem ich mich endgültig aus ihrem Leben entferne. Ich bin eine Last. Das ist ein sehr häufig vorkommender, sehr wirkmächtiger Gedanke, den viele Betroffene sicher kennen. Es ist eine realistische Darstellung des Kampfes, den manche leider verlieren. Ich hätte mir gewünscht, dass man hier mehr von der Therapie sieht, wenn das Thema schon so zentral ist – denn Therapie kann helfen. Nicht Liebe, nicht Freundschaft – Therapie. Sie hilft nicht jedem und ist natürlich abhängig von der Kompetenz des Therapeuten, aber sie kann so einen Unterschied machen, und wird hier leider sehr stiefmütterlich behandelt.

Insgesamt war die Darstellung von Trauma hier in Ordnung – nicht herausragend, aber für einen Roman, der am Ende doch eine Liebesgeschichte zeigen wollte, hatte sie erstaunliche Tiefe. Trotzdem – oder gerade deswegen – hätte ich mir Triggerwarnungen gewünscht.

SPOILER Ende

Fazit

Dem Roman „Das Lied der Wölfe“ gelingt es, eine Liebesgeschichte in einen größeren Kontext einzubinden. Während wir einerseits viel über Wölfe lernen, kommen wir Menschen mit traumatischen Vergangenheiten näher, die alle auf ihre Weise mit ihren Problemen umgehen. Vor der Kulisse von Schottland, die farbenprächtig beschrieben wird, tauchen wir ein in das komplexe Beziehungsgeflecht einer reichen Familie, eines kleinen Dorfes und vieler Freundschaften und neuer romantischer Beziehungen. Ich habe die Lektüre genossen, doch eine Triggerwarnung hätte mich besser darauf vorbereitet, wie intensiv hier Trauma behandelt wird.

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Veröffentlicht am 24.06.2021

Forschung und Kunst erwachen zum Leben

Frau Merian und die Wunder der Welt
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Bevor ich diesen Roman gelesen habe, war mir das Leben von Maria Sybilla Merian unbekannt. Die gründliche Recherche, die die Autorin hier offensichtlich investiert hat, macht das Buch zusammen mit den ...

Bevor ich diesen Roman gelesen habe, war mir das Leben von Maria Sybilla Merian unbekannt. Die gründliche Recherche, die die Autorin hier offensichtlich investiert hat, macht das Buch zusammen mit den ausgedachten, passenden Details zu einem faszinierenden Einblick in das Leben einer außergewöhnlichen Frau am Ende des 17. Jahrhunderts. Obwohl die Geschichte zwischendurch einige Längen hat, ist dieser Mix aus mitreißender Lebensgeschichte und Forschung von Anfang bis Ende eine angenehme Lektüre.

Kunstgeschichte und Forschung lebendig gemacht

Von Anfang an erleben wir Maria als eine Forscherin, die mit sehr viel Geduld die Techniken erlernt hat, die nötig sind, um Insekten und Schmetterlinge zu präparieren. Darüber hinaus ist sie eine begabte Malerin, die auch andere unterrichten kann. Diese Mischung aus Forscherin und Malerin erlaubt ihr einen außergewöhnlichen Blick auf ihre Umgebung. Durch ihre Augen sehen wir Details und Feinheiten, die anderen verborgen bleiben würden. Es ist eine Freude zu sehen, wie in ihrem Inneren immer Neugier und Offenheit vorherrschen.

Da wir uns im 17. Jahrhundert befinden, sind viele Dinge den meisten Menschen natürlich auch noch verborgen. Vieles, was wir heute kennen und durch die Globalisierung für jeden leicht zu bekommen ist – zum Beispiel die Ananas oder Zucker -, ist noch fremd und bietet so viel Potential für eine neugierige Forscherin, es zu entdecken oder durch Analyse noch besser zu verstehen. Maria malt und forscht nicht nur für sich selbst, sondern sie erstellt auch Bücher, die sie sowohl für die gehobene Gesellschaft als auch für Kinder machen will. Bei allem steht für sie immer im Vordergrund, wie sie es anderen zeigen kann.

Teilweise flache Charaktere und eine komplexe Liebesgeschichte

Wir sind beim Lesen in der Perspektive von Maria und bekommen so oft auch ihre Gedanken mit. Dadurch wird sie schnell zu einem komplexen Charakter mit Stärken und Schwächen. So mutig und entschlossen sie auch ist, wenn es um ihre Forschung geht, so offensichtlich unsicher und zurückhaltend ist sie im Umgang mit anderen Menschen. Leider bleiben die meisten Figuren um sie herum eher blass, insbesondere ihre Töchter, die ihr bei der Arbeit zur Hand gehen. Obwohl sie ständige Begleiter sind, liefern sie meistens nur das, was gerade für den Plot relevant ist, ohne einen richtigen Charakter zu entwickeln.

Ähnlich ist es auch mit dem romantischen Gegenpart zu Maria, Jan. Er ist offensichtlich ein erfahrener, weitgereister Mann mit Geheimnissen, aber bis zum Schluss bleibt sein Leben ein Mysterium. Ich konnte die Liebe der beiden nachfühlen, gerade weil sie so gegensätzlich sind, aber bisweilen tritt der Plot ein wenig auf der Stelle, während Maria immer nur besorgt ist, wo Jan ist und ob er noch lebt. Gerade im Mittelteil, ehe die große Reise losgeht, wiederholen sich hier Tage und Wochen mit den immer selben Gedanken und Ängsten.

Im Gegensatz dazu ist das Ende sehr passend, da es offen bleibt und auch die Liebe von Maria und Jan, so tief und echt sie auch ist, kein definitives Ende findet. Gerade dadurch schafft es die Autorin, am Ende den Fokus auf Marias eigenes Leben und ihre Errungenschaften zu richten, auch wenn die Liebesgeschichte viel Raum einnimmt.

Fazit

Der historische Roman „Frau Merian und die Wunder der Welt“ besticht durch die grandios aufgearbeitete Kunstgeschichte und Forschung, die die echte Maria Sybilla Maria betrieben hat. Gleichzeitig hat Ruth Kornberger fantasievoll ausgedachte Elemente eingebaut, die der Geschichte noch mehr Tiefgang verleihen und Maria zu einer sympathischen Hauptfigur machen. Zwischendurch hat das Buch einige Längen, doch bleibt es insgesamt bis zum Schluss spannend.

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Veröffentlicht am 08.06.2021

Ein ganzes Dorf spielt verstecken

Adria mortale - Bittersüßer Tod
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Adria Mortale – Bittersüßer Tod ist so viel mehr als nur ein Krimi. Ganz nah dran an den Dorfbewohnern zeigt uns Margherita Giovanni, wie Nachbarschaftsliebe gemixt mit Misstrauen und Tratsch sehr schnell ...

Adria Mortale – Bittersüßer Tod ist so viel mehr als nur ein Krimi. Ganz nah dran an den Dorfbewohnern zeigt uns Margherita Giovanni, wie Nachbarschaftsliebe gemixt mit Misstrauen und Tratsch sehr schnell in einer Tragödie enden kann. Die Spannung hier entsteht nicht durch viel Action oder lebensgefährliche Situationen, sondern durch das allgegenwärtige Misstrauen gegen alle auftretenden Figuren. So werden wir Leser über 300 Seiten an der Nase herumgeführt, bis sich das Ende dann in seiner ganzen Tragik, aber ohne sich zu viel Zeit zu nehmen, ausbreitet.


Gewöhnungsbedürftiger Schreibstil

Das erste, was mir an diesem Buch aufgefallen ist, ist der Schreibstil: In der dritten Person, aber jeweils aus vielen verschiedenen Perspektiven wird die Geschichte erzählt, und so dürfen wir allen Figuren im Laufe des Romans mal über die Schulter und in den Kopf schauen. Diese Perspektive wechselt manchmal von Absatz zu Absatz und so hatte ich insbesondere zu Beginn Schwierigkeiten, wirklich in den Lesefluss zu kommen. Ich halte wenig von diesem Stil und habe mich immer wieder drüber geärgert, doch gleichzeitig ist es eine Meisterleistung, dass die Autorin uns die wahren Täter und den wahren Tathergang trotzdem bis zum Ende verschweigen konnte.

So sehr mir das head hopping auch missfallen hat, so sehr habe ich hingegen genossen, wie viel Zeit sich Giovanni genommen hat, uns das kleine Dorf mit dem langen Namen und das Meer davor in aller Farbenpracht näher zu bringen. Ich war zwar nie in Italien, aber immerhin im französischen Marseille, und so fühlte ich mich sofort wieder an der Mittelmeerküste. Geruhsam, aber ohne unpassende Länge nimmt uns die Autorin an die Hand und zeigt uns das italienische Dorf in all seiner Pracht.


Ein bunter Haufen mehr oder weniger komplexer Figuren

Auch wenn der Klappentext mich zunächst hat annehmen lassen, dass die beiden deutschen Urlauberinnen die Hauptfiguren werden würden, so waren es am Ende doch die Pensionsbesitzerin Federica und der Commissario Lorenzo Garibaldi, die mich wirklich in die Geschichte gezogen haben. Beide hochintelligent, aber nicht unbedingt voll auf derselben Seite, ist es von Anfang an spannend gewesen zu sehen, wie sie mit- und gegeneinander gearbeitet, sich herausgefordert und am Ende doch zu einer Kameradschaft gefunden haben.

Neben diesen beiden spielen diverse Pensionsgäste und Dorfbewohner unterschiedlich große Rollen, doch man kann keine Rückschlüsse ziehen, wer wirklich wichtig und verdächtig ist. Wir schauen ihnen allen mal in den Kopf, doch was sie wirklich wissen, was sie wirklich fühlen, bleibt uns sehr lange verborgen. Obwohl dadurch die Ermittlungen kaum voran gehen – der Commissario weiß natürlich, dass alle lügen, aber kennt die Wahrheit dennoch nicht -, wird die Spannung durchgehend gehalten. Die Einwohner spielen miteinander verstecken, lästern und tratschen bei jeder Gelegenheit, und mittendrin versucht Lorenzo, das schwächste Glied zu finden, um von dort aus auf die richtige Spur zu kommen. Obwohl es viele Figuren sind, geht doch nie die Übersicht verloren, was eine der größten Errungenschaften dieses Romans ist.


Fazit

Der Krimi „Adria Mortale – Bittersüßer Tod“ überzeugt sowohl durch die Landschaftsbeschreibungen als auch durch die vielen verschiedenen Charaktere. Das Ermittlerduo, so ungleich es auch ist, beweist scharfen Verstand und hohe Menschenkenntnis, und so ist es ein Genuss, das Versteckspiel der Dorfbewohner und Pensionsgäste zu beobachten, wissend, dass es zum Scheitern verurteilt ist. Die Auflösung ist ebenso tragisch wie befriedigend. Nur die teilweise arg häufigen Perspektivwechsel haben meinen Lesefluss immer mal wieder gestört

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