Cover-Bild Offene See
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13,00
inkl. MwSt
  • Verlag: DuMont Buchverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 16.07.2021
  • ISBN: 9783832165987
Benjamin Myers

Offene See

Roman
Klaus Timmermann (Übersetzer), Ulrike Wasel (Übersetzer)

Der junge Robert weiß schon früh, dass er wie alle Männer seiner Familie Bergarbeiter sein wird. Dabei ist ihm Enge ein Graus. Er liebt Natur und Bewegung, sehnt sich nach der Weite des Meeres. Daher beschließt er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, sich zum Ort seiner Sehnsucht, der offenen See, aufzumachen. Fast am Ziel angekommen, lernt er eine ältere Frau kennen, die ihn auf eine Tasse Tee in ihr leicht heruntergekommenes Cottage einlädt. Eine Frau wie Dulcie hat er noch nie getroffen: unverheiratet, allein lebend, unkonventionell, mit sehr klaren und für ihn unerhörten Ansichten zu Ehe, Familie und Religion. Aus dem Nachmittag wird ein längerer Aufenthalt, und Robert lernt eine ihm vollkommen unbekannte Welt kennen. In den Gesprächen mit Dulcie wandelt sich sein von den Eltern geprägter Blick auf das Leben. Als Dank für ihre Großzügigkeit bietet er ihr seine Hilfe rund um das Cottage an. Doch als er eine wild wuchernde Hecke stutzen will, um den Blick auf das Meer freizulegen, verbietet sie das barsch. Ebenso ablehnend reagiert sie auf ein Manuskript mit Gedichten, das Robert findet. Gedichte, die Dulcie gewidmet sind, die sie aber auf keinen Fall lesen will.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.08.2021

Moderner und liebenswerter "Taugenichts"

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Schon die ersten Zeilen des ersten Kapitels von Myers Roman haben mich an Eichendorffs "Taugenichts" erinnert und dann entfaltet sich eine ähnliche und doch ganz andere wunderbare Geschichte:

Der 16-jährige ...

Schon die ersten Zeilen des ersten Kapitels von Myers Roman haben mich an Eichendorffs "Taugenichts" erinnert und dann entfaltet sich eine ähnliche und doch ganz andere wunderbare Geschichte:

Der 16-jährige Robert möchten das Leben jenseits seiner nordenglischen Heimat, einer grauen Stadt geprägt durch den Kohleabbau, kennenlernen. Er macht sich auf die Wanderschaft und bleibt schließlich bei der schon nicht mehr ganz so jungen Dulcie und ihrem Schäferhund Butler hängen. Mental und physisch ausgehungert, päppelt Dulcie den Jungen auf, ohne ihn zu bevormunden. Eine wunderbare Freundschaft entwickelt sich, mit Blick auf die offene See.

Die Geschichte beginnt mit Robert, der sich als alter Mann an seine Jugend erinnert. Diese kleine Rahmenhandlung umklammert die Geschichte am Anfang und am Ende.

Es gibt so viele Parallelen zu Eichendorffs bekanntem Werk. Im Zentrum stehen auch hier die Naturbetrachtungen, die sehr anrührend aus Roberts Sicht beschrieben werden, die Bürger-Künstler-Problematik und die Stellung der Frau. Neu ist die zeitliche Verortung direkt nach dem zweiten Weltkrieg, der die Menschen in Großbritannien immer noch im Griff hat. Die fehlenden Männer und anwesenden Kriegsversehrten, das rationierte Essen und die sich ändernde Gesellschaft sind nicht zu übersehen. Wie der Taugenichts der väterlichen Mühle entkommen möchte, flieht Robert vor der drohenden Arbeit unter Tage, die schon seit Generationen von den Männern seiner Familie ausgeübt wird.

Robert und Dulcie sind wunderbare Charaktere, die den Roman nahezu allein tragen. Robert geht unbekümmert und ein bisschen naiv in die Welt und hat viel vom Eichendorffschen Märchenhelden. Die Natur-, Landschafts- und Tierbeschreibungen sind sehr poetisch gelungen und es hat mir große Freude gemacht sie zu lesen. Die Geschichte hat mich sehr berührt und ich habe sie in kürzester Zeit durchgelesen. Die Frage, wie das Leben für Robert weitergeht, ob er seinen Vorfahren in den Kohleabbau folgen wird, hat durchaus für Spannung gesorgt. Und auch Dulcie trägt ein Geheimnis mit sich herum.



Ich kann das Buch sehr empfehlen. Es lebt von leisen Tönen, poetischen Beschreibungen, Gedanken über die Welt, Wünschen und Realitäten. Das schlichte Cover, das für mich die Weite symbolisiert, passt hervorragend zum Inhalt. Das Buch wurde nicht umsonst zum "Liebling des Unabhängigen Buchhandels 2020" gewählt. Von mir gibt es fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 01.01.2022

Wunderschön

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Es gibt Begegnungen die einen prägen, die das Leben ins wanken bringen oder es völlig verändern.

England, nach dem 2. Weltkrieg: Der 16-jährige Robert, Sohn eines Bergarbeiters, beschliesst auf Wanderschaft ...

Es gibt Begegnungen die einen prägen, die das Leben ins wanken bringen oder es völlig verändern.

England, nach dem 2. Weltkrieg: Der 16-jährige Robert, Sohn eines Bergarbeiters, beschliesst auf Wanderschaft zu gehen. Er hasst die Enge und sehnt sich nach der Weite des Meeres, demnächst eine Lehre „Unter Tage“ zu beginnen ist ihm ein Graus. Er zieht von Hof zu Hof, hilft hier und dort und verdient sich so sein Essen, welches in Europa noch immer knapp ist.
Eines Tages steht er vor dem Cottage der betagten Dulcie, die ihm einen Tee anbietet und zum Abendessen einlädt.
Dulcie ist eine unkonventionelle Frau, die nur ihren eigenen Regeln folgt. Aus einer geplanten Übernachtung entwickelt sich eine ganz besondere Freundschaft, die ein Leben anhalten wird.

Offene See
Benjamin Myers
Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Zimmermann

Benjamin Myers hat hier ein leises, poetisches und unglaublich kraftvolles Buch geschrieben.
Der Schreibstil ist so wunderschön, dass man einfach nichts lesen aufhören zu kann.
Benjamin Myers hat sich in diesem Jahr in mein Herz geschrieben. Seine Beschreibungen sind so detailliert und wunderbar beschrieben, dass ich das Gefühl hatte bei Robert und Dulcie am Tisch gesessen zu haben. Ich konnte den Hummer förmlich schmecken.

Große Buchempfehlung von mir. 4½ Sterne von mir.

"Es war Krieg gewesen, und obwohl der Kampf zu Ende war, tobte er noch immer in den Männern und Frauen, die ihn mit sich nach Hause genommen hatten.
Er lebte in ihren Augen weiter oder hing ihnen schwer um die Schultern wie ein blutgertränkter Umhang. Und er blühte in ihren Herzen, eine schwarze Blume, die dort Wurzeln geschlagen hatte und nie mehr ausgerissen werden konnte. […] Ich war weder alt genug, um mich zum Helden gemacht zu haben, noch jung genug, um den Wochenschaubildern entkommen zu sein oder den langen dunklen Schatten, die die heimkehrenden Soldaten wie leere Särge hinter sich herzogen. Denn niemand gewinnt einen Krieg, wirklich; manche verlieren bloß ein bisschen weniger als die anderen."
(Seite 14/15)

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Veröffentlicht am 16.12.2021

Wanderlust

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Inhalt:
England, 1946: Der Krieg ist vorbei, Europa erwacht zu neuem Leben, mit knurrendem Magen, weil das Essen knapp ist, aber mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft im Blick. Hoffnung hat auch der junge ...

Inhalt:
England, 1946: Der Krieg ist vorbei, Europa erwacht zu neuem Leben, mit knurrendem Magen, weil das Essen knapp ist, aber mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft im Blick. Hoffnung hat auch der junge Robert, als er sich nach der Schule aufmacht, um sein Kohlearbeiterdorf zu verlassen und in der Ferne Abenteuer zu erleben. In der Ferne trifft er auf die sonderbare Dulcie.

Dulcie ist eine Frau, die viel erlebt hat, viel abgibt, und wenig von sich preisgibt. Gemeinsam mit ihr erlebt Robert einen Sommer, der das Leben von beiden verändern wird, der ihm einen Weg in die Zukunft und ihr einen Weg aus der Vergangenheit weist.

Meine Meinung:

„Romantik ist nämlich nicht gleichbedeutend mit Herzschmerz und Rosen. Romantik ist Gefühl, und Romantik ist Freiheit. Romantik ist Abenteuer und Natur und Wanderlust. Sie ist Meeresrauschen und der Regen auf deiner Zeltplane und ein Bussard hoch über einer Wiese und das morgendliche Erwachen mit der Frage, was der Tag wohl bringen mag, um dann loszuziehen und es herauszufinden.“

Ich finde, in diesem Zitat beschreibt Benjamin Myers ziemlich gut, was sein Buch für mich ist: Romantische Literatur des 21. Jahrhunderts.

„Offene See“ steckt voll von Natur und Sommer und gutem Essen und Reiseerfahrungen und Abenteuerlust und Weltschmerz und Sehnsucht.

Ich gebe zu, anfangs hatte ich Schwierigkeiten, mich in das Buch einzufinden. Ich musste mich an die Szenerie und an den Tonfall der Geschichte gewöhnen. „Wann passiert hier denn endlich mal etwas?“, habe ich gedacht, bis mir klar geworden ist, dass die ganze Zeit über etwas passiert und dass es mit dem Reisen ja auch im wahren Leben ganz ähnlich ist: Es braucht seine Zeit, ein bisschen Anlauf, ein bisschen Geduld, bis man in einen Fluss gerät. Bis man sich an das Unterwegssein gewöhnt hat.

Benjamin Myers Beschreibungen vom englischen Landleben, vom Meer und vom Sommer sind unglaublich schön und poetisch. Beinahe jeder Satz ist ein Genuss. Man merkt, dass die Worte mit großer Sorgfalt gewählt wurden. Und an dieser Stelle muss auch unbedingt die grandiose Übersetzung erwähnt werden, die es geschafft hat, die Prosa und auch die Lyrik in diesem Buch, so grandios gut ins Deutsche zu holen.

Ich finde, „Offene See“ ist ein zeitloses Buch, das man in alle Epochen übertragen kann. Die Atmosphäre ist märchenhaft, träumerisch, vielleicht auch etwas unwillkürlich. Es ist ein Buch, das man um das Lesens Willen lesen kann. Einfach, weil Lesen und Worte und Sprache so schön sind. Obwohl auf Handlungsebene tatsächlich wenig geschieht, ist am Ende doch kein Satz und kein Wort zu viel gewesen.

Das Ende hat mich außerdem im Herzen berührt. Ich bin jetzt, wo ich diese Rezension schreibe, immer noch ein wenig emotional, weil ich Robert und insbesondere Dulcie auf diesen 260 Seiten so lieb gewonnen habe, dass es mir nun schwerfällt sie in der Geschichte zurückzulassen. Aber die Geschichten, die wir lesen, bleiben ja auch auf irgendeiner Weise in unseren Atomen, nicht?

Fazit:
„Offene See“ ist ein ganz besonderes, zurecht so hoch gelobtes kleines Stück Literatur. Landliebe, zum Weinen schön. Sollte man gelesen haben.

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Veröffentlicht am 07.08.2023

Kurzweilig und voller Poesie

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Anstatt wie alle Männer seiner Familie Bergarbeiter zu werden, beschließt Robert, sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf eine Reise an die offene See zu machen. Als er beinahe am Ziel angekommen ist, ...

Anstatt wie alle Männer seiner Familie Bergarbeiter zu werden, beschließt Robert, sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf eine Reise an die offene See zu machen. Als er beinahe am Ziel angekommen ist, lernt er Dulcie kennen, eine ältere, unverheiratete Frau, die ihm zunächst nur eine Tasse Tee anbietet. Dulcie ist ganz anders als alle Frauen, die Robert je zuvor getroffen hat. Sie ist eigensinnig, selbstständig und einfach von Grund auf anders. Und so wird schnell aus einer Tasse Tee ein längerer Aufenthalt, bei dem Robert in Dulcies unkonventionelle Welt entführt wird – und sogar Spaß dabei hat.

Ich hab die Geschichte um die eigensinnige Dulcie und den doch anfangs der konventionellen Robert wirklich sehr genossen. Erwartet habe ich ein locker flockiges Buch, das mich durch die Seiten trägt, bekommen habe ich eine Wundertüte an Poesie, unterschiedlichen Blickwinkel und Figuren, die wirklich sehr detailliert ausgearbeitet und dadurch sehr feingliedrig und einnehmend gewesen sind.

Robert, der aus seinem Elternhaus aufbricht, ein wenig naiv und verträumt ist und Dulcie, die sehr lebenserfahren ist, bereits einiges mitgemacht hat, sehr gebildet und einen großen Packen Verlust in sich trägt.

Ich muss gestehen, dass mich nicht die Geschichte an sich am weiterlesen gehalten hat. Auch wenn ich natürlich wissen wollte, was sich hinter der, im Klappentext groß angekündigten, Hecke und dem Gedicht-Manuskript verbirgt. Ich war eher aus auf das Zusammenspiel zwischen Dulcie und Robert. Die Hürden, die sich zu bieten schienen, den Ratschlägen, die sie ihm gab, den Erzählungen, die sie ihm jeden Tag anbot. An manchen Stellen hätte ich mir zwar ein wenig mehr Tiefgang gewünscht, aber die Blässe war vollkommen in Ordnung.

Eine kurzweilige Geschichte, die ich wirklich gern gelesen hab.

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Veröffentlicht am 13.11.2021

Ein ungemein atmosphärisches Buch

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Nordengland 1946, kurz nach dem Krieg. Ein 16jähriger nimmt sich nach dem Schulabschluss den Sommer über Zeit für eine Art Walz. Er will zumindest einige Wochen noch in der Natur verbringen, bevor er Bergmann ...

Nordengland 1946, kurz nach dem Krieg. Ein 16jähriger nimmt sich nach dem Schulabschluss den Sommer über Zeit für eine Art Walz. Er will zumindest einige Wochen noch in der Natur verbringen, bevor er Bergmann werden soll. Das sind alle in seiner Familie und er kann wohl diesem grauen und tristen Schicksal nicht entgehen. Dabei liebt er die Freiheit und die Natur. Nach einiger Zeit mit Hilfsarbeiten gegen Kost & Logis kommt er an eine Meeresbucht und trifft dort in einem fast vollständig von der Natur überwucherten Cottage eine erstaunliche Frau. Eigenständig, offen, unkonventionell. Er führt einige Reparaturen durch und bekommt dafür für ihn neue kulinarische Köstlichkeiten angeboten. Und nicht nur diese Erfahrungen werden neu für ihn sein....

Dieses Buch ist sehr besonders. Die Handlung ist eher ruhig, es gibt viele (Natur-) Beschreibungen, eine (subtile) Kritik an der englischen Gesellschaft und das alles zusammen (mit einem kleinen Geheimnis) führt zu einer einzigartigen Atmosphäre. Ich konnte die Wiese und die Meeresbucht fast spüren und habe hautnah miterlebt, wie der Junge erwachsener und selbstbewusster wird und zu einer Persönlichkeit heranreift.

Ein Coming-of-Age Roman der etwas anderen Art. Sehr empfehlenswert.

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