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Veröffentlicht am 16.02.2022

Die Handlung gehört den Gezeiten

Die Gezeiten gehören uns
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Die dreizehnjährige Eulabee und ihre Freundin Maria Fabiola beherrschen die Gezeiten in Sea Cliff. Sie wissen genau, wann sie die Bucht überqueren können und wann nicht, bis ein schreckliches Ereignis ...

Die dreizehnjährige Eulabee und ihre Freundin Maria Fabiola beherrschen die Gezeiten in Sea Cliff. Sie wissen genau, wann sie die Bucht überqueren können und wann nicht, bis ein schreckliches Ereignis ihre Freundschaft erschüttert, und dann noch eins, und noch eins,...
Die Handlung des Romans ist selbst wie die Gezeiten des Meeres. Sie beginnt sanft, fast verträumt und ganz schnell und unerwartet nimmt sie plötzlich Fahrt auf und es wird gefährlich, nur um wieder abzuebben, schöne Momente möglich zu machen, die wieder aufschäumen und an den Klippen von den hohen Wellen der Flut zerschlagen werden.
Der Schreibstil ist passend gewählt, ein nostalgisches Zurückerinnern an eine Zeit, die Gott sei Dank überstanden ist und jetzt ohne größeren Schaden zu nehmen betrachtet werden kann... wenn man sie, wie die Protagonistin schon einmal erlebt hat und nicht wie die Leser:innen von den Ereignissen immer wieder von neuem überrascht wird und die Gefahr droht in der Flut unterzugehen.
Die Gezeiten gehören uns ist ein meisterhaft komponierter Roman, dem am Ende nichts fehlt und der einem selbst das Gefühl gibt ein junger Teenager in den 80er Jahren in San Francisco zu sein. Die selben Probleme wie Eulabee möchte man zwar nicht haben, aber deshalb ist es ja gut, dass es nur ein Roman ist.

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Veröffentlicht am 13.09.2021

Berührende Familiengeschichte

Der Gesang der Berge
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Der Gesang der Berge erzählt mit ganz viel Gefühl von einer sehr düsteren Zeit der vietnamesischen Geschichte.
Die Leser:innen verfolgen Guave und ihre Großmutter und deren Leben in Vietnam von den 1930er ...

Der Gesang der Berge erzählt mit ganz viel Gefühl von einer sehr düsteren Zeit der vietnamesischen Geschichte.
Die Leser:innen verfolgen Guave und ihre Großmutter und deren Leben in Vietnam von den 1930er Jahren bis heute - über das Ende des zweiten Weltkrieg, die Besatzung durch Frankreich, der Landreform und den Kommunismus bis zum "Vietnamkrieg", wie er heute bekannt ist. Dabei wirkt das Buch nicht belehrend, aber auch nicht überfordernd für Leser:innen, die vielleicht gar kein Vorwissen über die Geschichte Vietnams besitzen. Im Vordergrund steht noch immer die Familiengeschichte, die uns durch diese historischen Ereignisse führt und von der wir uns nicht losreißen können.
Guave und ihre Großmutter sind Protagonistinnen, die man einfach gern haben muss, denn sie sind menschlich. Sie haben ihre Schwächen und "bösen" Gedanken. Sie entscheiden sich nicht immer für das richtige, oder schaffen immer alles sofort. Wie im echten Leben, geht einmal etwas schief oder man hat Rachegedanken. Sie machen Fehler und bewegen sich teilweise in moralischen Grauzonen, aber das macht sie so nahbar und genau deshalb geht einem das Buch so sehr ans Herz.
Durch den leicht verständlichen und doch wunderschönen Schreibstil fliegen die über 400 Seiten trotz der schweren Thematik nur so dahin und am Ende möchte man mehr haben.
Eine weitere Stärke ist, dass in dem Roman die Namen tatsächlich auch mit den Sonderzeichen für die richtige vietnamesische Aussprache gekennzeichnet sind und auch die Städtenamen sind vietnamesisch gehalten und wurden nicht eingedeutscht.

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Veröffentlicht am 17.08.2021

Was muss dieser Junge ertragen?

Shuggie Bain
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Douglas Stuart erzählt in seinem Roman Shuggie Bain hochemotional vom Leben zwischen Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und dem Anderssein und trifft dabei jeden Nerv.
Shuggie Bain ist ein kleiner Junge, der ...

Douglas Stuart erzählt in seinem Roman Shuggie Bain hochemotional vom Leben zwischen Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und dem Anderssein und trifft dabei jeden Nerv.
Shuggie Bain ist ein kleiner Junge, der ohne Vater, bei seiner alkoholsüchtigen Mutter aufwächst und einfach nur glücklich sein möchte und dafür würde er alles tun.
Die Leser:innen sympathisieren sofort mit Shuggie und obwohl sie genau wissen, wie es enden wird (da das erste Kapitel schon die Gegenwart von Shuggie präsentiert), wünschen sie sich für ihn nur das beste, denn irgendwann hat es auch dieser Junge verdient glücklich zu sein. Was Shuggie alles durchmachen muss, bricht einem das Herz und rührt nicht nur einmal zu Tränen. Seine Reaktion auf all dies und sein Durchhaltevermögen, machen ihn zu einem ganz besonderen, literarischen Charakter, in dem vermutlich viel zu viel tatsächliche Lebenserfahrung des Autors steckt. Auch für Agnes können die Leser:innen Sympathien aufbringen, obwohl man sich hier nie sicher ist, wie man über sie denken soll.
Der Ton, den Stuart anschlägt, ist gehoben, jedoch nicht anstrengend. Er hebt sich zwar von dem Slang ab, der von den meisten Charakteren gesprochen wird (außer Agnes und ihrer Kinder), ist aber immer noch umgänglich, sodass es nicht fremd und distanziert wirkt.
Insgesamt ist das Buch ein gelungenes Fenster in eine Zeit und ein Leben, die nicht allzulang her sind, wie es sie vermutlich heute noch gibt und bei dem man am Ende froh ist, dass man dieses wieder schließen kann und es nicht am eigenen Leib erfahren musste.

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Veröffentlicht am 06.08.2021

Eindrucksvolles Debut

Junge mit schwarzem Hahn
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Junge mit schwarzen Hahn wirkt anfangs wie eine surreale Dorfgeschichte, mit überzeichneten ländlichen Stereotypen, die den merkwürdigen Jungen und seinen schwarzen Hahn fürchten und in ihm den Teufel ...

Junge mit schwarzen Hahn wirkt anfangs wie eine surreale Dorfgeschichte, mit überzeichneten ländlichen Stereotypen, die den merkwürdigen Jungen und seinen schwarzen Hahn fürchten und in ihm den Teufel sehen.
Doch der Maler, der der dörflichen Kirche ein Altarbild malen soll, erkennt jedoch was wahrlich in Martin steckt, der von der Dorfgemeinschaft gemieden wird. Martin zieht mit dem Maler durchs Land und wird Retter und Schutzengel derer, die es am dringendsten benötigen.
Martin ist die Person, die keine Fehler hat, trotz seiner dunklen Vergangenheit und der Missachtung, mit der er im Dorf gestraft wurde, wurde er zu einem herzensguten Jungen, der jede kleinste Ungerechtigkeit erkennt und sich entschieden gegen diese zur Wehr setzt. Er ist ein fast magischer Charakter, den sich die Leser:innen als Vorbild nehmen sollten, denn keine Vergangenheit entschuldigt es, ein schlechter Mensch zu sein.
Stefanie vor Schulte präsentiert ein atemberaubendes Debüt, das ans Herz geht und einem aufzeigt, dass man immer die Wahl hat sich für oder gegen das Böse zu entscheiden. Die Autorin trifft genau den richtigen Ton für die Zeit und das mystische und dunkle Setting des Romans, sodass es einem auch nach dem Ende des Buches nicht sofort loslässt.

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Veröffentlicht am 26.07.2021

Reisen durch Kurzgeschichten

Mein Sternzeichen ist der Regenbogen
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Rafik Schami beweist einmal mehr, dass er nicht nur ein einfacher Autor sondern ein Geschichtenerzähler ist. In diesem Buch veröffentlicht er Kurzgeschichten zu den wichtigen Themen des Lebens, sowie einen ...

Rafik Schami beweist einmal mehr, dass er nicht nur ein einfacher Autor sondern ein Geschichtenerzähler ist. In diesem Buch veröffentlicht er Kurzgeschichten zu den wichtigen Themen des Lebens, sowie einen kurzen Abriss von eigenen Gedanken oder psychologischen, kulturellen, geschichtlichen, etc. Betrachtungen der Themen. Wie so oft gibt er den Leser:innen einen Einblick in Welten, die ihnen sonst unbekannt bleiben würden und zeigt ein Syrien, wie man es Tourist nicht kennenlernen könnte und wie es westliche Medien nie zeigen würden.
Rafik Schamis Erzählstil fühlt sich an wie die perfekte Umarmung: nicht zu fest, sodass es wehtung würde, aber auch nicht zu schlaff, sodass man sich geborgen fühlt, dass man weiß, man könnte jetzt kurz einknicken, weil die andere Person einen festhalten würde. Und auch wenn Kurzgeschichten nicht die typische Länge sind, wie ich es von Schami gewohnt bin, hatten sie wie bei einer Umarmung, immer genau die richtige Länge. Die non-fiktionalen kurzen Abrisse zu jedem Thema waren dann noch wie dieser kurze Moment, bevor man die andere Person loslässt, in der man nochmal kurz fester drückt.
Schami schafft es immer von neuem, mich zu verwundert, wie gut er eigentlich ist und er beweist immer wieder, wie magisch das einfache Leben sein kann!

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