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Veröffentlicht am 29.08.2021

„Meistens belehrt uns erst der Verlust über den Wert der Dinge.“ (Arthur Schopenhauer)

Solange es Liebe gibt
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2010 Berlin. Julie muss einen schrecklichen Schicksalsschlag verkraften, denn sie hat ihren Ehemann Jannick und ihre Zwillinge bei einem Unfall verloren. Doch neben der ganzen Trauer um ihre Lieben stirbt ...

2010 Berlin. Julie muss einen schrecklichen Schicksalsschlag verkraften, denn sie hat ihren Ehemann Jannick und ihre Zwillinge bei einem Unfall verloren. Doch neben der ganzen Trauer um ihre Lieben stirbt auch noch ihr Vater, was sie notgedrungen zu einer Reise in ihre bayrische Heimat Dinzing veranlasst, in die sie seit 11 Jahren nicht mehr zurückgekehrt ist. Als wäre das nicht genug, erbt sie neben der familieneigenen Kaffeemanufaktur auch noch die Verantwortung für alle dort beschäftigten Mitarbeiter. Julie ist mit allem völlig überfordert, muss sich sehr zusammenreißen, um nicht zusammenzubrechen. Zusätzlich muss sie sich mit ihrer unbarmherzigen Großmutter Klara einen ständigen Kampf liefern, denn der alten Dame kann sie es nie recht machen. Doch je länger Julie sich in ihrer alten Heimat aufhält, umso mehr erfährt sie von der Vergangenheit ihres Vaters und dessen Familie, auch über Klara…
Hanni Münzer hat mit „Solange es Liebe gibt“ einen anrührenden Roman vorgelegt, der sich über zwei Zeitebenen erstreckt und den Leser mit gutgehüteten Familiengeheimnissen sowie menschlichen Schicksalsschlägen zu fesseln weiß. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil transportiert den Leser sofort mitten hinein in Julies Leben, an dem er regen Anteil nimmt. Empathisch und behutsam schildert die Autorin Julies Verfassung nach den furchtbaren Schicksalsschlägen, so dass der Leser diese hautnah miterlebt und nachvollziehen kann. Julie hat alles verloren und fällt ins Bodenlose, sämtliche Kraft ist aus ihr entwichen, so atmet und existiert sie nur noch, kaum in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Die Lage ist beklemmend und herzzerreißend, so dass der Leser sich in einer wahren Achterbahn der Gefühle wiederfindet und sich fragt, wie Julie jemals wieder aus diesem Loch herauskommen soll. Geschickt fädelt Münzer einen zweiten Handlungsstrang ein, der in die 1930er Jahre führt und das Leben von Julies Großmutter Klara wiederspiegelt, die als junge Frau ein hartes und einsames Leben fristete, bis sie ihr Herz an den reichen Erben Friedrich verlor. Die wechselnden Perspektiven gewähren einen tollen Lesefluss und schaffen gleichzeitig die benötigten Verschnaufpausen. Während man sich immer mehr von Julie und Klara vereinnahmen lässt und die Probleme in der Kaffeemanufaktur zu lösen versucht, deckt man gemeinsam mit Julie immer mehr von der Familienvergangenheit auf, die so allerlei Geheimnisvolles und Unerwartetes beinhaltet. Der Spannungsbogen hält sich auf einem guten Niveau und hält den Leser konstant in Atem.
Die Charaktere sind mit viel Liebe zum Detail zum Leben erweckt worden und überzeugen mit ihren glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften, die sie dem Leser ans Herz wachsen und ihn mitfiebern lassen. Julie war bis zum Tag X eine offene, lebenslustige und rundum glückliche Frau. Doch das Schicksal hat ihr fast die Luft zum Atmen genommen, verzweifelt, kraftlos und lebensmüde vegetiert sie vor sich hin. Es dauert, bis sie wieder zu Kräften kommt, Stärke und Mut entwickeln und sich wieder auf andere Menschen einlassen kann. Klara ist eine beinharte Frau, die ebenfalls schon einiges erleben musste. Doch sie ist eine Kämpfernatur, hat Entscheidungen getroffen, die vielleicht nicht immer richtig waren. Aber eigentlich ist sie sich treu geblieben und auch ihre Handlungsweisen sind nachvollziehbar. Ebenso wichtig für die Geschichte sind Jannick, Niki, Richard Lanz und Hündchen Charòu, die Licht und Strahlen in die teils doch recht traurige, emotionsgeladene Geschichte bringen.
„Solange es Liebe gibt“ ist eine Achterbahn der Gefühle über Liebe, Verlust, Familie und alte Geheimnisse, aber auch über neue Chancen und Lebensrichtungen. Empathisch und packend erzählt, wobei die Geschichte auch zum Nachdenken anregt. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 28.08.2021

Das Glück spielt immer die erste Geige...

Bella Musica
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Die 33-jährige Halbitalienerin Luna betreibt mit ihrem Bruder Lorenzo in München ein gut frequentiertes italienisches Restaurant. Obwohl schwanger und verlobt mit Chefkoch Diamantino, ist Luna nicht glücklich. ...

Die 33-jährige Halbitalienerin Luna betreibt mit ihrem Bruder Lorenzo in München ein gut frequentiertes italienisches Restaurant. Obwohl schwanger und verlobt mit Chefkoch Diamantino, ist Luna nicht glücklich. Als sie eine Fehlgeburt erleidet, reist Luna gemeinsam mit ihrer Freundin Gitta und einer sehr alten Geige im Gepäck ins italienische Cremona. Dort möchte sie nicht nur Abstand bekommen, sondern vor allem mehr über ihren Vater Daniele herausfinden, der die Familie vor 27 Jahren verlassen hat, als Luna noch ein 6-jähriges Kind war. Seitdem hat sie ihn nie wiedergesehen, alles, was ihr von ihm blieb, ist die alte von ihrer Großmutter Anna Battisti gefertigte Geige. Gemeinsam mit Gitta macht sich Luna auf Spurensuche und deckt nach und nach Teile ihrer Familiengeschichte auf, wobei sie auch ein altes Geheimnis an die Oberfläche holt…
Stefanie Gerstenberger hat mit „Bella Musica“ einen wunderschönen, gefühlvollen und unterhaltsamen Roman vorgelegt, der zwei Zeitebenen in sich vereint und von einer alten Familiengeschichte erzählt. Der flüssige, bildhafte und anrührende Erzählstil lässt den Leser schnell an die Seite von Luna gleiten, um ihre Gedanken- und Gefühlswelt zu erkunden und auch ihr Leben kennenzulernen. Durch die empathische und feine Zeichnung der Autorin merkt der Leser schnell, dass Luna unzufrieden und auf der Suche ist. Während man mit der Hauptprotagonistin nebst Freundin nach Italien reist, erlebt man Luna immer wieder zweifelnd, wankend, aber auch empfindsam, neugierig und voller Erwartungen. Gerstenbergers Liebe zu Italien blitzt aus jedem Wort der Geschichte hervor, während sie den Leser an der Seite von Luna langsam die alte Familiengeschichte entdecken lässt. Während dieser sich mit Luna in der Gegenwart auf die Suche macht, erlebt er gleichzeitig die Vergangenheit von Lunas Großmutter Anna Battisti, die von ihrem Vater das Geigenbauerhandwerk gelernt und die kleine Geige „La Piccola“ gefertigt hat. Anna durfte zur damaligen Zeit als Frau die Werkstatt ihres Vaters nicht übernehmen, es waren andere Zeiten und den Frauen wurde vieles verwehrt. Das einzige, was sie ihrem ältesten Sohn vermacht, ist die von ihr gefertigte Geige, die Lunas Vater Daniele an seine Tochter weitergab, bevor er verschwand. Nach und nach werden immer mehr Hinweise gestreut, so dass sich das Puzzle für den Leser zusammensetzt und dieser gemeinsam mit Luna den alten Geheimnissen auf die Spur kommt. Ob Cremona oder Sizilien, Gerstenbergers Schilderungen sind so farbenfroh und nahbar, dass der Leser den Duft von Kräutern, Meer und Zitronen regelrecht in der Nase trägt, während er mit Luna und Gitta auf Reisen ist. Sehr anschaulich, geradezu virtuos hat die Autorin zudem das Geigenbauerhandwerk dargestellt, was vor allem in Cremona eine lange Tradition hegt und viel Geschick und künstlerisches Talent erfordert, bis dieses Instrument seinen einzigartigen Klang erhält.
Die Charaktere sind lebensnah und mit menschlichen Eigenschaften authentisch ausgestattet, sie machen es dem Leser leicht, sich ihnen nahe zu fühlen und ihnen auf Schritt und Tritt zu folgen. Luna ist eine Frau auf der Suche nach ihren Wurzeln. Sie fühlt sich verloren, verlassen, verzweifelt und nicht wirklich angekommen. Erst bei ihrer Spurensuche in Italien lebt sie auf, wird aufgeschlossener, unternehmungslustiger und vor allem immer lebendiger. Man merkt richtig, wie bei ihr der Lebensmut zurückkehrt. Gitta ist eine tolle Freundin, die Luna beisteht und mit dem nötigen Humor vielen Situationen die Strenge nimmt. Anna war eine Kämpfernatur mit genügend Kraft für Widerstand. Sie liebte ihr Handwerk und hat sich mit ihren Kindern in einer schweren Zeit nicht unterkriegen lassen. Aber auch Valentino, Fabio, Ignazio, Daniele und weitere Protagonisten machen die Geschichte durchweg rund und gelungen.
„Bella Musica“ ist von Anfang bis Ende ein absolutes Highlight: italienisches Flair, Musik, Liebe, alten Familiengeheimnisse und starke Protagonisten geben hier ein Stell-dich-ein. Wunderbar berührend erzählt! Absolute Leseempfehlung – Chapeau!!!

Veröffentlicht am 22.08.2021

Amelies harter Kampf

Die Ärztin - Der Weg einer unerschrockenen Frau
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1914 Berlin. Amelie von Liebwitz hat sich gegen alle Widrigkeiten zur Wehr gesetzt und ist nun Doktorin am Berliner Curias-Klinik, wo sie als Chirurgin tätig ist. Dort muss sie sich immer noch gegen ihre ...

1914 Berlin. Amelie von Liebwitz hat sich gegen alle Widrigkeiten zur Wehr gesetzt und ist nun Doktorin am Berliner Curias-Klinik, wo sie als Chirurgin tätig ist. Dort muss sie sich immer noch gegen ihre männlichen Kollegen durchsetzen. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bietet Amelie nach einem Behandlungsfehler die Möglichkeit sich als Frau beim Militär zu melden. Sie wird als Ärztin in Bosnien eingesetzt, wo sie sich um die Versorgung der Frauen eines Bordells kümmert. Während der Krieg tobt, begegnet sie ihrer früheren großen Liebe Ernst Szabo wieder. Doch auch ein Geheimnis aus der Vergangenheit holt Dr. Amelie von Liebwitz wieder ein…
Sabine Fisch hat mit „Der Weg einer unerschrockenen Frau“ den zweiten Band ihrer historischen Reihe um die Ärztin Dr. Amelie von Liebwitz vorgelegt, der dem Vorgänger an Unterhaltungswert in nichts nachsteht. Auch hier besticht die Autorin mit akribischer Recherche und lässt die damalige Rolle der Frau wieder lebendig werden. Der flüssige, farbenfrohe, fesselnde und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser ins vergangene Jahrhundert eintauchen, wo er sich an der Seite von Amelie wiederfindet und sie auf ihrem harten Weg begleitet. Amelie ist eine Kämpfernatur, die sich in einer männerdominierten Welt zu behaupten weiß, wenn sie auch weiterhin der Missgunst und den Anfeindungen ihrer männlichen Kollegen gegenübersteht. Doch sie gibt den äußeren Anschein, dass alles an ihr abprallt, wenn es sie auch innerlich beschäftigt, und bleibt souverän. Der Einsatz in Bosnien ist für die Autorin der richtige Ansatzpunkt, um auf die Frauen aufmerksam zu machen, die während des Krieges unter Zwang dazu gedrängt wurden, ihren Körper zur Verfügung zu stellen, um ihre Familien zu ernähren. Die Schilderungen jagen den Leser durch eine Achterbahn der Gefühle und zeigen einmal mehr auf, dass Männer zu allen Zeiten Frauen für ihre Belange missbraucht haben. Überraschende Wendungen sowie die Begegnung mit einer alten Liebe lassen die Spannung immer wieder ansteigen und vor allem das Geheimnis aus der Vergangenheit lässt den Leser mitfiebern und unterstreicht Amelies großen Familiensinn.
Die Charaktere sind authentisch und lebensnah gestaltet, sie lassen mit ihren menschlichen Ecken und Kanten keine Wünsche offen. Der Leser verschmilzt mit Amelie und folgt ihr als unauffälliger Schatten. Amelie ist eine starke, selbstbewusste Frau, die ihren Beruf liebt und sich von niemandem beirren lässt. Sie ist hilfsbereit, mutig und vor allem kämpferisch, wenn es um die Dinge geht, die ihr am Herzen liegen. Ihre Intelligenz, Neugier sowie ihr Können bringt ihre männlichen Kollegen gegen sie auf, die mit Misstrauen und Neid reagieren, während einige wenige sie ohne Vorbehalte bewundern.
Mit „Die Ärztin-Der Weg einer unerschrockenen Frau“ ist der Autorin erneut ein sehr unterhaltsamer historischer Roman gelungen, der durch die akribische Recherche die damalige Zeit wunderbar wiederspiegelt und den Leser auf eine spannende Reise mitnimmt. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.08.2021

Die weinende Frau - Picassos Muse Dora Maar

Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe
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Henriette Theodora Markovitch, Tochter eines kroatischen Architekten und einer französischen Mutter in Paris geboren und in Buenos Aires aufgewachsen, kehrt 1926 nach Paris zurück. Seit ihrem 12. Lebensjahr ...

Henriette Theodora Markovitch, Tochter eines kroatischen Architekten und einer französischen Mutter in Paris geboren und in Buenos Aires aufgewachsen, kehrt 1926 nach Paris zurück. Seit ihrem 12. Lebensjahr liebt sie die Fotografie und die Malerei und hofft, dies eines Tages studieren zu können, obwohl Frauen an den Universitäten nicht zugelassen sind. Dora konzentriert sich deshalb auf die Fotografie und perfektioniert ihre Fertigkeiten hier meisterlich, so dass ihr Werk „Pére Ubu“ große Aufmerksamkeit erhält. Das bleibt auch dem bereits bekannten Maler Pablo Picasso nicht verborgen, dem Dora 1936 in Paris vorgestellt wird und den sie heimlich schon lange verehrt. Während Picasso von ihrer dunklen geheimnisvollen Schönheit magisch angezogen ist und Dora schnell zu seiner Muse und seinem Modell kürt, gibt sie die Fotografie auf und sich einem Mann hin, der sie nicht liebt und schon bald egoistisch durch eine neue Frau ersetzt…
Bettina Storks hat mit „Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe“ einen wunderbaren biografischen Roman vorgelegt, der nicht nur fesselnd zu unterhalten weiß und den Leser durch so manche Gefühlsachterbahn schickt, sondern ebenso einer schillernden Frau ein Denkmal setzt. Der flüssige, atmosphärisch-dichte und farbenfrohe Erzählstil lädt den Leser ein, Dora Maar von Grund auf kennenzulernen. Die akribische Recherche der Autorin zahlt sich in jeder Hinsicht aus, denn Realität und Fiktion verschmilzen zu einer wunderbaren Einheit. Der Leser erlebt Dora mit ihren Eltern, ihr Leben mit dem Maler Pablo Picasso, taucht aber auch in ihr eigenes Wirken ein und darf sich ganz in das Wesen der Künstlerin hineinzuversetzen, um ihre Gefühle und ihre Handlungsweisen nachvollziehen zu können. Die Verbindung ihrer Eltern hatte schon etwas von einer toxischen Beziehung, die Mutter ewig unzufrieden, der Vater am liebsten nie zuhause. Dora wurde schon von ihnen eine Zerrissenheit vorgelebt, die sie dann selbst mit Pablo Picasso erleben sollte bis zur Selbstaufgabe. Dora trifft auf Picasso, als sie sich selbst aus eigener Kraft einen Namen gemacht hat und der Maler mitten in einer Schaffenskrise steckt. Der verheiratete Picasso, als Frauenheld verschrien, macht auch vor Dora nicht Halt, die schon lange heimlich für ihn schwärmte und macht sie zu seiner Geliebten und Muse. Dora bringt ihn wieder zum Malen, während sie ihre eigene künstlerische Laufbahn auf seinen Wunsch hin auf Eis legt. Sie steht ihm rund um die Uhr zur Verfügung, ist ihm regelrecht hörig. Am Ende muss Dora feststellen, dass sie austauschbar ist, dass all ihre Gefühle und all ihre Entbehrungen im Dienst der Liebe umsonst waren. Die Verbindung zwischen ihnen war hochexplosiv und doch war es ausgerechnet Dora, die immer wieder einlenkte, so sehr liebte sie ihn. Als Picasso die Beziehung beendete, zog es Dora den Boden unter den Füssen weg, sie stand vor dem Nichts, sowohl was ihre Gefühle anbelangte als auch als Künstlerin. Eindrucksvoll macht Storks die ungesunde Verbindung zwischen den beiden deutlich, während sie den Leser gleichzeitig durch die spannende Welt der Kunstszene schleust, wo man auf Man Ray, Paul Elouard, Lee Miller und andere trifft.
Die Charaktere sind hervorragend herausgearbeitet, sprühen vor Lebendigkeit und überzeugen mit glaubwürdigen Eigenschaften, so dass der Leser sie sehr genau kennenlernen darf. Dora ist eine Frau, die weiß, was sie will und ihre Ziele verfolgt. Sie ist geheimnisvoll, kreativ, temperamentvoll und vor allem sehr feinsinnig, was ihr viele schmerzvolle Erfahrungen einbringt. Picasso ist ein Egomane, selbstverliebt, anstrengend, verletzend und unsensibel. Er kennt nur sein eigenes Wohlergehen.
„Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe“ ist ein außergewöhnlicher historisch-biografischer Roman, der keine Wünsche offen lässt und eine ungewöhnliche Frau wieder zum Leben erweckt. Spät kommt der Ruhm, aber er kommt, zumindest mit diesem Roman, der Dora Maar ein Denkmal setzt. Absolute Leseempfehlung für ein Ausnahmewerk, Chapeau!!!

Veröffentlicht am 07.08.2021

Sarahs Balanceakt zwischen zwei Welten

Das Auktionshaus (Die Auktionshausserie 1)
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1910 London. Für die aus ärmlichen Verhältnissen des Londoner Armenviertels Soho stammende Sarah Rosewell hofft, eines Tages ihrem gewalttätigen Elternhaus zu entfliehen. Ihre verändert sich die Welt von ...

1910 London. Für die aus ärmlichen Verhältnissen des Londoner Armenviertels Soho stammende Sarah Rosewell hofft, eines Tages ihrem gewalttätigen Elternhaus zu entfliehen. Ihre verändert sich die Welt von einem Tag auf den anderen, als sie eine Brosche nebst Handtasche findet und dadurch die Bekanntschaft von Lady Sudbury macht. Sarah wird von ihr als Gesellschafterin angestellt und bildet sie darin aus, ein besonderes Auge für Kunst und Antiquitäten zu bekommen, aber auch Sprachen gehören zu ihrem Lernprogramm. Sarah darf Lady Sudbury nicht nur auf Auktionen begleiten, sondern erhält durch sie auch Zutritt zu den Landsitzen der High Society. Immer mehr perfektioniert sie ihr Wissen und darf bald für das angesehene Auktionshaus Varnham’s arbeiten, für deren Kunden sie die ausgefallensten und wertvollsten Stücke findet. Schnell steigt sie Karriereleiter bei Varnham’s empor, was ihr Neider einbringt, die es gar nicht erwarten können, dass sie strauchelt. Als Sarah in dem Fotografen Philip ihre große Liebe findet, ist es ihre Herkunft, die eine Ehe mit ihm unmöglich macht. Ein Brief bringt Sarahs Leben zusätzlich in die Bredouille, denn schon lange hütet sie ein Geheimnis, das nun an die Oberfläche zu geraten droht. Und dann beginnt der erste Weltkrieg…
Amelia Martin (alias Constanze Wilken) hat mit „Das Auktionshaus-Der Glanz Londons“ den fesselnden Auftaktband ihrer historischen Auktionshaus-Saga vorgelegt, der den Leser von der ersten Seite an zu fesseln weiß, zumal die Autorin einiges an eigener Erfahrung und Fachwissen in ihre Geschichte einfließen lässt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser ins vergangene Jahrhundert reisen, wo er sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg an der Seite von Sarah wiederfindet und ihr fortan wie ein Schatten bis in die Nachkriegszeit folgt. Mit viel Empathie und Einfühlungsvermögen zeichnet die Autorin die gesellschaftlichen Gesellschaftsformen im damaligen England nach, wo Standesdünkel an der Tagesordnung war und Frauen mit Fachwissen und Expertise in gehobenen Arbeitspositionen fast undenkbar. Durch die Bekanntschaft mit Lady Sudbury und harte Arbeit öffnen sich für Sarah Türen, die ansonsten fest verschlossen geblieben wären. Sarahs Zerrissenheit wird sehr gut von der Autorin transportiert, denn der Balanceakt zwischen zwei Welten, ihrer alten im Armenviertel von Soho, wo ihre Familie noch lebt, und ihrer neuen im Auktionshaus sind nicht miteinander zu vereinbaren. Es wäre ein gefundenes Fressen für all jene, die ihr ihre Position neiden und nur einen Grund suchen, sie fallen zu sehen. Bittersüß und spannend auch die eingeflochtene Liebesgeschichte, die durch die gesellschaftlichen Unterschiede nicht erfüllbar erscheint.
Die Charaktere sind sehr lebensnah gezeichnet und mit menschlichen Eigenschaften versehen, die sie dem Leser glaubhaft und nahbar machen. Gern heftet er sich an ihre Fersen und fiebert mit, wie sich die Geschichte wohl für alle Beteiligten entwickeln wird. Sarah ist eine sympathische junge Frau, die einem sofort ans Herz wächst. Mit Fleiß, Ehrlichkeit, Leidenschaft und harter Arbeit erkämpft sie sich einen einflussreichen Platz in der Geschäftswelt. Ihre Wendigkeit, schnelle Auffassungsgabe sowie ihr gutes Auge bescheren ihr Selbstsicherheit, aber auch Anerkennung. Lady Sudbury ist eine warmherzige Frau, die den Diamanten unter den Kohlesteinen gefunden hat und diesen nun mit viel Hingabe schleift, bis er formvollendet ist. Philip ist ein freundlicher Mann, der aus einer guten Familie stammt und seine Haut nicht so einfach abstreifen kann.
„Das Auktionshaus-Der Glanz Londons“ ist eine wunderbare zusammengestellte Mischung aus historischem Roman, Liebesgeschichte und Stippvisite in die Welt der Auktionen, Kunstgegenstände und –liebhaber. Fesselnd, spannend und gefühlvoll erzählt, ist das Buch ein wahrer Pageturner, der das Kopfkino anspringen lässt. Absolute Leseempfehlung!