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Veröffentlicht am 08.09.2021

Back to the 70's - Flowerpower mit den Powerfrauen

Die Wunderfrauen
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1972. Während in München die Olympischen Spiele stattfinden, hat Luise Dahlmann alle Hände voll zu tun, um ihren kleinen Lebensmittelladen in Starnberg über Wasser zu halten, denn die Konkurrenz durch ...

1972. Während in München die Olympischen Spiele stattfinden, hat Luise Dahlmann alle Hände voll zu tun, um ihren kleinen Lebensmittelladen in Starnberg über Wasser zu halten, denn die Konkurrenz durch die immer mehr verbreiteten Supermärkte nimmt ihr immer mehr Kunden weg. Auch in ihrer Ehe mit Hans steht es nicht zum Besten, denn zu oft schon ist er ihr in den Rücken gefallen. Freundin Helga Löw steht als Ärztin ihre Frau und schlägt ein gutes Klinikangebot aus, weil sie mit einer eigenen Praxis liebäugelt. Zudem tauchen auf einmal ihre Eltern bei ihr auf und beanspruchen Platz in ihrem Leben. Zusätzlich hütet sie ein Geheimnis, das sie nicht einmal mit ihren Freundinnen teilt, vielleicht aus Angst? Marie Brandstetter trauert noch sehr immer um ihren verstorbenen Mann, hält die Familie zusammen und mobilisiert all ihre Kräfte, um einen Reiterhof mit Leben zu füllen. Annabel von Thaler entwickelt sich zur Spürnase und fördert alte Verbrechen aus der Vergangenheit zutage. Gleichzeitig erdrückt sie ihre behinderte Tochter Marlene mit ihrer Liebe und sieht gar nicht, was diese eigentlich will. Jede Menge Baustellen bei den Wunderfrauen, wie wird sich ihr Leben in den 70ern entwickeln?
Stephanie Schuster hat mit „Freiheit im Angebot“ den dritten Teil ihrer historischen „Wunderfrauen“-Trilogie rund um die vier Freundinnen Luise, Helga, Marie und Annabel vorgelegt. Der locker-flüssige, farbenfrohe und packende Erzählstil lädt den Leser ein, sich wieder unter das Damen-Quartett zu mischen und die neuesten Entwicklungen hautnah mitzuerleben. Ein rätselhafter Prolog gibt vorab schon Rätsel auf, für dessen Lösung der Leser sich aber etwas gedulden muss. Erst einmal taucht man über wechselnde Perspektiven ein in das Leben der vier Frauen, macht sich ein Bild über die momentane Lebens, Gedanken- und Gefühlslage, die offen vor ihm liegt. Gleichzeitig erlebt der Leser die engen Bindungen zwischen den Freundinnen mit, die sich jederzeit unterstützen und Hilfestellung geben. Die Autorin färbt ihre Geschichte im Stil der damals bekannten Pril-Blumen kunterbunt ein, lässt den Leser an Luises „Ladenkunde-Album“ regen Anteil nehmen, da es immer wieder wie ein Pop-Up zwischen den Seiten hervorblitzt und allerlei Ratschläge, Lebenshilfe und Bayrisch für Anfänger im Angebot hat. Gleichzeitig lässt Schuster nicht nur den damaligen Zeitgeist, sondern auch historische Fakten wie den Terroranschlag bei den Olympischen Spielen, aber auch Alltägliches miteinfließen, das einem als älterer Leser so bekannt vorkommt. Zudem hat sie auch noch mit Annabel eine Protagonistin, die in der Vergangenheit herumstochert und abscheuliche Dinge ans Tageslicht bringt, die während des Zweiten Weltkriegs im nächsten Umfeld stattgefunden haben. Durch die vielen farbenfroh und gut geschilderten Ereignisse, die Schlag auf Schlag erfolgen, ist der Spannungslevel durchgehend hoch und lässt den Leser regelrecht an den Seiten kleben, fühlt man sich doch so sehr in die Zeit zurückversetzt.
Die Charaktere sind liebevoll und lebendig in Szene gesetzt, haben sich glaubwürdig weiterentwickelt und nehmen den Leser sofort für sich ein, der ihnen auf Schritt und Tritt folgt. Luise ist eine Perle, die sich warmherzig um alle kümmert. Auch Marie vergisst bei ihrer Fürsorge für die Familie fast sich selbst. Annabel ist selbstbewusster geworden, weiß sich zu behaupten und lässt sich nichts mehr vormachen. Helga ist intelligent, selbstsicher und weiß, was sie will. Dabei müsste sie sich gerade jetzt erst einmal um sich selbst kümmern.
„Freiheit im Angebot“ ist nicht nur großartige Unterhaltung vor historischem Hintergrund der 70er Jahre, sondern lässt den Leser miterleben, mitfiebern, mithoffen und mitbangen. Er wird ein Teil der Wunderfrauen und mag sich gar nicht von ihnen trennen. Eine herrliche Zeitreise mit tollen Charakteren, die einem noch lange in Erinnerung bleiben werden. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.09.2021

„Wer mit sich selbst in Frieden leben will, muss sich so akzeptieren, wie er ist.“ (Selma Lagerlöf)

Frühlingsfunkeln am Liliensee
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1966 Schwarzwald. Zimmermann Georg Vogel hat am Liliensee seine Heimat gefunden, wo er neben dem eigenen Campingplatz auch Erlebnis- und Wandertouren für Touristen ausrichtet. Mit der 25-jährigen Marlies ...

1966 Schwarzwald. Zimmermann Georg Vogel hat am Liliensee seine Heimat gefunden, wo er neben dem eigenen Campingplatz auch Erlebnis- und Wandertouren für Touristen ausrichtet. Mit der 25-jährigen Marlies findet sich auf einer seiner Touren eine abenteuerliche Frau ein. Marlies hat einen Aushilfsjob im Ort und braucht den ständigen Adrenalinschub, deshalb fordert sie die Gefahr regelrecht heraus. Das ist Georg eindeutig zu viel und wäscht Marlies gehörig den Kopf, die sich davon allerdings nicht viel annimmt. Das Leben ist zu spannend und wenn es das nicht ist, muss es spannend gemacht werden. Georg will sie auf keinen Fall wieder auf eine seiner Touren mitnehmen, doch Marlies gelingt es, einen Platz bei einer 3-Tage-Wanderung zu ergattern. Diese Wanderung wird sowohl für Georg als auch für Marlies zu einem echten Ereignis…
Elisabeth Büchle hat mit „Frühlingsfunkeln am Liliensee“ einen wunderbar gefühlvollen Roman vorgelegt, der den Leser gedanklich erneut an den idyllischen Liliensee im Schwarzwald reisen lässt, um dort die Erlebnisse von Georg und Marlies hautnah mitzuerleben. Der flüssige, farbenfrohe, teils humorige, aber auch anrührende Erzählstil katapultiert den Leser sofort in die Geschichte hinein, wo er schon bald auf Georg und Marlies trifft. Georg ist ein Mann, der seine Berufung gefunden hat und dies mit großer Zufriedenheit ausführt. Das Aufeinandertreffen mit der doch sehr rebellischen Marlies wirbelt sein leben gehörig durcheinander, was schnell zu hitzigen Dialogen führt, die dem Leser so manche Lachträne in die Augen treibt, aber auch nachdenklich stimmt. Dass Marlies immer wieder ihre Grenzen austesten will und dabei die Gefahr sucht, ist schon ein Warnsignal für etwas, dass bei ihr im Argen liegt. Während die Autorin den Leser mit wunderschönen Landschaftsbeschreibungen becirct und ihn davon träumen lässt, dort ebenfalls eine von Georgs Wanderungen begleiten zu dürfen, eröffnet sie ihm gleichzeitig nach und nach, warum Marlies sich so verhält. Unvorhergesehene Wendungen schüren die Spannung, die Geschichte entwickelt eine Sogwirkung, der sich der Leser kaum entziehen kann. Der christliche Aspekt wurde sehr schön mit der Handlung verknüpft. Es geht um Vertrauen, Hoffnung, Nächsten- und vor allem Selbstliebe sowie -erkenntnis. Auch die Romantik kommt in der Geschichte nicht zu kurz und bietet einige sehr emotionale Momente, die den Leser zu berühren wissen.
Die Charaktere sind sehr liebevoll und lebendig in Szene gesetzt. Mit ihrem authentischen Auftreten schleichen sie sich schnell ins Herz des Lesers, der sich als unsichtbarer Dritte in ihre Mitte schleicht, um keinen Augenblick zu verpassen. Georg ruht in sich selbst, er fühlt sich mit der Natur verbunden und möchte deren Reichtum mit anderen teilen. Er ist ein genügsamer, ruhiger Mann, der das Leben in all seiner Vielfalt schätzt. Marlies ist eine Kratzbürste, rebellisch, stur, leichtsinnig sucht sie die Gefahr, um sich auszutesten und bei anderen aufzufallen. Nach außen tritt sie selbstbewusst und schlagfertig auf, doch eigentlich ist sie zutiefst unsicher und fühlt sich unzulänglich. Es wirkt fast so, als müsse sie anderen beweisen, dass auch sie liebens- und beachtenswert ist. Aber auch die weiteren Protagonisten, allen voran Georgs Familie, tragen zum Wohlfühlfaktor dieser Geschichte bei.
„Frühlingsfunkeln am Liliensee“ ist ein wunderbar spannender, romantischer und aufregender Roman vor malerischer Naturkulisse, dessen Geschichte neben Urlaubsfeeling auch zum Nachdenken anregt und sich damit so richtig ins Herz stiehlt. Wunderschön – absolute Leseempfehlung!!

Veröffentlicht am 08.09.2021

"Das Herz kennt Gründe, die der Verstand nicht begreift." (Blaise Pascal)

Wellenflug
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Anna wächst behütet in einer jüdischen Familie auf und wurde dem damaligen Rollenbild entsprechend so erzogen, dass sie ihre Bestimmung als Ehefrau und Mutter sieht. Sie heiratet betuchten Adolph Reichenheim, ...

Anna wächst behütet in einer jüdischen Familie auf und wurde dem damaligen Rollenbild entsprechend so erzogen, dass sie ihre Bestimmung als Ehefrau und Mutter sieht. Sie heiratet betuchten Adolph Reichenheim, der allerdings früh verstirbt und Anna als junge Witwe mit einer kleinen Tochter zurücklässt. Als ihr Adolphs Bruder Julius einen Antrag macht, stimmt sie zu und gründet mit ihm eine große Familie. Ihr ältester Sohn Heinrich, 1881 geboren, ist Annas Sorgenkind, denn er schert sich weder um jüdische Traditionen noch Standesdünkel, sondern erforscht lieber das Berliner Nachtleben, lebt ohne große Ambitionen in den Tag hinein und ehelicht dann auch noch mit Marie eine Frau, die Anna von vornherein ablehnt, da sie der unteren Gesellschaftsschicht entstammt. Heinrich ist in der Familie nicht länger willkommen und wandert mit Marie in die USA aus. Doch der Erste Weltkrieg bringt sie zurück nach Deutschland, wenn auch nicht zurück in die Familie. Bis zu Annas Tod 1932 gibt es keine Aussöhnung mit ihrem Sohn. Als die Nationalsozialisten immer mehr an Macht gewinnen, versuchen Heinrichs Geschwister ihre Familien und ihr Leben zu retten, während Heinrich selbst mit Marie in Deutschland bleibt…
Constanze Neumann hat mit „Wellenflug“ einen berührenden und spannenden Roman vorgelegt, der nicht nur auf realen Personen und Ereignissen beruht, sondern auch zwei Frauen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten gegenüberstellt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil stellt den Leser sowohl an die Seite von Anna als auch an die von Marie, um das Leben beider Frauen genau kennenzulernen. Gleichzeitig lässt die Autorin mit ihrer akribischen Recherche aus alten Briefen, Dokumenten und der eigenen Familienchronik den historischen Hintergrund der Vergangenheit wunderbar miteinfließen, so dass die Geschichte wie ein wahres Zeitdokument der damaligen Ereignisse wirkt. Anna entstammt einer gutsituierten Familie, hat ein enges Verhältnis zum Vater, während die Mutter eher streng ist. Erst mit dem einen, dann mit dem anderen Sohn der Reichenbachs verheiratet, ist es Anna vor allem wichtig, jenes von der Gesellschaft von ihr erwartete Bild zu erfüllen. Sie muss einige Schicksalsschläge verkraften, verliert aber mit ihnen auch ihre Leichtigkeit, während die Härte wächst. Marie dagegen stammt aus ärmlichen Verhältnissen, musste sich immer durchkämpfen und so einiges durchleben. Heinrich, der sich als Lebemann und Filou entpuppt, hat gerade mit Marie eine wunderbare Wahl getroffen, denn sie unterstützt ihn in jeder Weise, liebt ihn und gibt ihm vor allem immer Kraft. In der Beziehung ist sie der Fels in der Brandung. Der Autorin ist die Darstellung der Gegensätze zwischen den beiden Frauen hervorragend gelungen. Beide lieben den gleichen Mann, die eine als Mutter, die andere als Ehefrau, doch ist die Mutter so sehr im gesellschaftlichen Denken verhaftet, dass sie mit dem Sohn bricht, weil er ihren Wünschen nicht nachkommt und dieser Bruch niemals gekittet wird, bevor die Mutter stirbt. Die historischen Ereignisse wie Weltwirtschaftskrise, vor allem aber der Nationalsozialismus mit seiner Judenfeindlichkeit und den immer schärferen Restriktionen und Bestrafungen, geben der Handlung einen Rahmen, der sowohl düster als auch atmosphärisch dicht ist.
Die Charaktere sind authentisch und lebendig gezeichnet, geben dem Leser das Gefühl, sie zu kennen, der unsichtbar in ihren Spuren wandelt, um die Ereignisse aus erster Hand mitzuerleben. Als junge Frau ist Anna fröhlich und unbeschwert, doch je älter sie wird, umso unterkühlter, herrischer und unnachgiebiger wirkt sie. Marie ist trotz vieler Schicksalsschläge eine mutige, starke und kämpferische Frau, die nie aufgibt und alle Kräfte mobilisiert, die sie hat. Heinrich ist ein Mann ohne Rückgrat und Ambitionen, der sich lieber dem Spiel hingibt. Erst später reift er mit Maries Hilfe charakterlich heran.
„Wellenflug“ ist ein tiefgründiger Roman, der die Familiengeschichte der Autorin auf eindrucksvolle Weise abbildet und gleichzeitig eine Gesellschaftsstudie vor historischen Hintergrund präsentiert. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 05.09.2021

Christiane von Goethe - eine liebende Frau

Frau von Goethe
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1788 Weimar. Die lebenslustige Christiane Vulpius stammt aus ärmlichen Verhältnissen und hat eine Anstellung als einfache Putzmacherin in einer Seidenblumenfabrik. Als ihr Bruder Christian sie um einen ...

1788 Weimar. Die lebenslustige Christiane Vulpius stammt aus ärmlichen Verhältnissen und hat eine Anstellung als einfache Putzmacherin in einer Seidenblumenfabrik. Als ihr Bruder Christian sie um einen Botendienst bittet, lernt sie den bekannten Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe kennen, dem sie den Brief übermitteln soll. Zwischen Goethe und Christiane entwickeln sich schnell starke Gefühle, so dass sie bald zu einem Liebespaar werden. Einige Zeit gelingt es ihnen, ihr Verhältnis vor der Weimarer Gesellschaft zu verbergen, doch schon bald sorgt ihre Beziehung für einen Skandal, gilt Goethe doch als begehrter und angesehener Junggeselle, während Christiane aus der untersten Gesellschaftsschicht stammt. Obwohl nicht verheiratet, ist Christiane schon bald schwanger und schenkt Goethe das erste Kind. Entgegen aller Tuscheleien und Anfeindungen der Weimarer Gesellschaft, besonders durch Goethes ehemaliger engen Vertrauten Charlotte von Stein, bleibt das Liebesverhältnis zwischen Goethe und Christiane innig und stabil. Christiane erhält zwar nie Zugang zum erlauchten Kreis der oberen Gesellschaft, doch ist es ihr auch nicht so wichtig wie die Liebe zu ihrem Johann Wolfgang. Sie stärkt ihm den Rücken und ist es zufrieden, einfach bei ihm zu sein, auch ohne Trauschein, was sie in den Augen der Gesellschaft dem Pöbel gleich zu einer gefallenen Frau machte. Sie hat all die Demütigungen und Beschimpfungen klaglos hingenommen, bis Goethe sie 1806 dann doch endlich ehelichte und zur rechtmäßigen Frau an seiner Seite machte…
Beate Rygiert hat mit „Frau von Goethe“ einen sehr unterhaltsamen, exzellent recherchierten historischen Roman vorgelegt, dem sie wahre Persönlichkeiten zugrunde legte und mit viel Phantasie Fiktion und Tatsachen miteinander verwebte, um Christiane Vulpius post mortem eine Hommage zuteilwerden zu lassen, die ihr gebührt. Der flüssige, bildhafte und anrührende Erzählstil nimmt den Leser mit zurück ins 18. Jahrhundert nach Weimar, wo er die junge Christiane kennenlernt, die sich als Putzmacherin verdingt und den begehrtesten Junggesellen Weimars mit ihrer frischen unkonventionellen Art den Kopf verdreht. Sie lässt sich auf eine Beziehung ein, die ihr eigentlich nur Nachteile bringen kann, denn sie lebt unverheiratet mit Goethe zusammen, ist nicht von Stand, bekommt ein Kind und ist überhaupt nicht abgesichert. Ihre Ängste und Zweifel, aber auch ihre Zuversicht sind für den Leser immer spürbar, auch in ihrer Beziehung zu Johann. Doch sie erträgt alles mit einer Grandezza, lässt die offenen Beschimpfungen und Beleidigungen an sich abprallen, hegt und pflegt Goethes Mütchen, während sie die Familie zusammenhält und sich um alles kümmert, damit Goethe sich seinen Schriften widmen kann. Und während der Leser Christiane bei ihrem alltäglichen Spießrutenlauf wie ein Schatten folgt, wird die damalige Zeit von der Autorin wunderbar lebhaft in Szene gesetzt.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften versehen, sie wachsen dem Leser schnell ans Herz und lassen ihn mitfiebern. Christiane ist eine lebensfrohe, unprätentiöse Frau, tatkräftig, pragmatisch, hilfsbereit, aufopfernd, vor allem mutig, sich den Widerständen in den Weg zu stellen und Bosheiten an sich abprallen zu lassen. Sie geht für ihre Liebe ein großes Risiko ein und bereut doch nichts. Goethe selbst ist eine Künstlerseele, der allerdings Christianes Wesen überaus wertschätzt. Einzig seine Weigerung, sie zu heiraten, lässt ihn einige Punkte beim Leser verlieren, doch diesen Fehler korrigiert er ja am Ende doch noch.
„Frau von Goethe“ überzeugt mit wunderschönem Erzählstil, Einblick in eine interessante historische Epoche, akribischer Recherche und vor allem mit einer Frau, für die man nur Hochachtung empfinden kann. Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau und Christiane Vulpius stand hinter Goethe. Ihr gebührt Respekt und Achtung! Wunderbar geschrieben, absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 05.09.2021

Seelenverwandtschaft

Meine Freundin Lotte
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1921 Berlin. Die Jüdin Lotte Laserstein träumt von einer Karriere als Malerin, doch die Aufnahme für ein Studium an der Kunstakademie als Frau gleicht einem Sechser im Lotto. Doch Lottes Unbeirrbarkeit ...

1921 Berlin. Die Jüdin Lotte Laserstein träumt von einer Karriere als Malerin, doch die Aufnahme für ein Studium an der Kunstakademie als Frau gleicht einem Sechser im Lotto. Doch Lottes Unbeirrbarkeit und ihr Durchsetzungsvermögen sowie ihre Sturheit machen es möglich. In der Fotografin Traute Rose findet sie schnell eine enge Vertraute und Seelenverwandte, denn auch sie ist eine emanzipierte Frau, die sich keinen Regeln unterwerfen will und die Lottes Liebe für die Kunst teilt. Schnell avanciert Traute zu Lottes Muse und Lieblingsmodell, die mit viel Talent sogar die Meisterklasse an der Kunstakademie absolviert. Die immer größere werdende politische Macht der Nazis sowie ihre antisemitische Haltung zwingen Lotte dazu, 1937 die Flucht nach Schweden zu suchen, während Traute in Berlin zurückbleibt. Die beiden Freundinnen sehen sich jahrelang nicht wieder. 1961 reist Traute mit ihrem Ehemann Ernst nach Schweden, um Lotte dort in ihrem Domizil zu besuchen. Doch die einstige Vertrautheit will sich nicht so recht einstellen…
Anne Stern hat mit „Meine Freundin Lotte“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der in einem wohldosierten Mix aus Fiktion, Teilbiografie und wahren Begebenheiten nicht nur die Freundschaft zwischen der Malerin Lotte Laserstein und Traute Rose thematisiert, sondern vor allem das Leben der Künstlerin Lotte näher in Augenschein nimmt. Der flüssige, farbenprächtige und teils poetische Erzählstil lässt den Leser eine Zeitreise antreten in die goldenen Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, um dort über wechselnde Perspektiven Lotte und Traute sowie ihre Lebensumstände, Träume, Gedanken- und Gefühlswelten kennenzulernen. Die akribische Recherche der Autorin macht sich in der Handlung bezahlt, denn Stern lässt den Leser nicht nur den gesellschaftlichen und politischen Hintergrund gemeinsam mit den Protagonistinnen erleben, sondern webt auch viele Informationen zur Künstlerin Laserstein selbst in die Geschichte mit ein, so dass Lotte mehr und mehr zu einer Frau wird, die man persönlich zu kennen glaubt. Gleichzeitig lässt Stern mit farbenfrohen Beschreibungen die Landschaft Schwedens vor dem inneren Auge des Lesers entstehen, setzt aber auch die Gemälde von Lotte Laserstein schön ins Bild. Die Differenzen zwischen den beiden Frauen offenbaren sich dem Leser erst nach und nach durch deren Unterhaltungen, die oftmals gleichzeitig auch wie eine Art Rückschau in die Vergangenheit fungieren.
Die Charaktere wurden von der Autorin liebevoll mit Leben gefüllt. Glaubwürdige menschliche Eigenschaften können den Leser von Beginn an überzeugen und lassen ihn an einer engen Freundschaft teilhaben, die vieles überdauert hat. Lotte ist eine Kämpferin, besitzt Stärke und Durchsetzungsvermögen. Sie hat ihren Traum genau vor Augen und setzt alles daran, diesen zu verwirklichen. Sie lässt sich keine Hindernisse in den Weg legen, folgt immer ihren Prinzipien. Traute ist Lotte gar nicht so unähnlich, auch sie ist eng mit der Kunst verbunden, hat in Lotte eine Seelenverwandte gefunden. Die beiden Frauen ergänzen und stützen sich über eine lange Zeit, bevor sich ihre Wege trennten.
Mit „Meine Freundin Lotte“ hat Anne Stern die Malerin Lotte Laserstein zum Leben erweckt. Die Mischung aus realen Fakten und Fiktion machen die Handlung zu einem Erlebnis der besonderen Art, denn genau so hätte es gewesen sein können. Der wunderschöne Erzählstil sowie die akribische Recherche der Autorin machen die Lektüre zu einem Erlebnis. Absolute Leseempfehlung!!