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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.09.2021

Aufgewärmtes

Die Wunderfrauen
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Auf den Abschluss der Wunderfrauen-Trilogie habe ich mich sehr gefreut, aber leider hat die Vorfreude schon nach wenigen Seiten einen Dämpfer erhalten. „Freiheit im Angebot“ ist meiner Meinung nach der ...

Auf den Abschluss der Wunderfrauen-Trilogie habe ich mich sehr gefreut, aber leider hat die Vorfreude schon nach wenigen Seiten einen Dämpfer erhalten. „Freiheit im Angebot“ ist meiner Meinung nach der schwächste Band der Reihe und nutzt die Möglichkeiten, die gerade diese spannende Zeit der Veränderungen bietet, noch nicht einmal in Ansätzen. Anfang der siebziger Jahre könnten die Freundinnen die Ernte einfahren, für die in der zurückliegenden Zeit der Boden bereitet wurde. Könnten, tun sie aber nicht.

Während ihre Ehe in Scherben liegt, wurstelt Luise noch immer mit ihrem Lebensmittelgeschäft herum, versucht es gegenüber den großen Supermärkten konkurrenzfähig zu halten und eine Nische zu finden, in der es überleben kann. Marie flüchtet sich nach dem Verlust ihres Mannes in die Arbeit mit ihren Pferden, Helga startet beruflich durch und verlässt die Seeklinik und Annabel erforscht die Familiengeschichte ihres Mannes.

So weit, so gut. Oder auch nicht, denn viele dieser Themen wurden bereits in den beiden Vorgängern ausführlich behandelt. So langweilen gerade in den Anfangssequenzen diese endlosen Rückblicke, die lediglich Bekanntes aufwärmen und wiederholen. Zeitgeschichtliche Bezüge sind selten, und die Nennung diverser gebräuchlicher Markenartikel schafft es auch nicht, die Atmosphäre dieser Jahre wieder aufleben zu lassen. Die Schilderungen bleiben allesamt an der Oberfläche, kreisen um Banalitäten, das Lob der Freundschaft hingegen wird in den höchsten Tönen gesungen. Aber was die persönlichen Weiterentwicklung der Protagonistinnen angeht, ihre Emanzipation, was ja gerade in diesen Jahren ein großes Thema ist…leider auch Fehlanzeige. So bleibt letztendlich ein schales Gefühl zurück, das dem guten Eindruck, den die beiden Vorgängerbände hinterlassen haben, nicht gerecht wird. Schade.

Veröffentlicht am 04.08.2021

Ein Refugium ist ein sicherer Zufluchtsort

Der Erlkönig
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Von den vielen positiven Rezensionen habe ich mich dazu verleiten lassen, zu diesem Buch zu greifen. Nun bin ich aber kein Fan von Mystery- und Psychothriller, empfinde kein wohliges Gruseln und bekomme ...

Von den vielen positiven Rezensionen habe ich mich dazu verleiten lassen, zu diesem Buch zu greifen. Nun bin ich aber kein Fan von Mystery- und Psychothriller, empfinde kein wohliges Gruseln und bekomme keine Gänsehaut, wenn sich das Grauen auf leisen Pfoten anschleicht. Okay, bei Stephen King mache ich manchmal eine Ausnahme, aber dessen Stories haben in der Regel auch weitaus mehr Fleisch an den Knochen als diese hier.

So ist es kein Wunder, dass ich mich mit dem „Erlkönig“ schwergetan habe. 150 Seiten lang passiert nichts, werden lediglich Spuren ausgelegt, die dann mehr oder weniger gelungen in dieser extrem konstruiert wirkenden Geschichte verwurstet werden. Nun könnte man einwenden, dass es das Anliegen des Autors war, mit den Erwartungen der Leser:innen zu spielen, um dann am Ende das Kaninchen aus dem Hut zu zaubern. Ja klar, das tut er, aber bis es dazu kommt, muss man nicht nur eine lange sondern auch eine langweilige Durststrecke überwinden. Und vor dem Abbruch hat das Buch nur der Umstand gerettet, dass ich meine Vermutung bestätigt wissen wollte.

Auch wenn Loubry als die Krimihoffnung Frankreichs gilt und 2019 für dieses Buch mit dem Prix Cognac du meilleur roman francophone (einer der renommiertesten Krimipreise Frankreichs) ausgezeichnet wurde, konnte er mich nicht überzeugen. Zu offensichtlich waren die Hinweise, die er im Verlauf der Geschichte ausgelegt hat, zu banal die daraus gezogenen Schlussfolgerungen, zu vorhersehbar die Auflösung. Ich verstehe auch, dass man in der deutschen Übersetzung den Originaltitel „Les Refuges“ nicht beibehalten hat, denn dann wäre vielleicht noch mehr Leser:innen von Beginn an klar gewesen, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird.

Eine Frage zum Schluss. Warum ein toter Vogel auf dem Cover? Wirkt der gefiederte Freund etwa verkaufsfördernder als eine tote Katze?

Veröffentlicht am 26.07.2021

Wirres Konstrukt

Die Verlorenen
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Wenn der Klappentext eines Buches vollmundig den „atemberaubenden Auftakt einer neuen Thrillerserie“ verspricht, sind die Erwartungen hoch. Um so enttäuschender für den/die Leser/in, wenn diese der Überprüfung ...

Wenn der Klappentext eines Buches vollmundig den „atemberaubenden Auftakt einer neuen Thrillerserie“ verspricht, sind die Erwartungen hoch. Um so enttäuschender für den/die Leser/in, wenn diese der Überprüfung nicht standhalten.

Kindsentführung, Traumatisierung, Polizeikorruption, Migranten, Bandenkriminalität, Zwangsprostitution, Mord mit und ohne Leiche und natürlich die ansatzweise Lovestory – alles Teil der Handlung, und genau da liegt das Problem. In einer derart wirren Konstruktion werden hier neben jeder Menge nichtssagender Füllmaterialien unzählige Klischees verwurstet, die weder Spannung noch Tempo generieren. Der Protagonist ist zwar angeblich Angehöriger einer Spezialeinheit der Londoner Metropolitan Police, agiert aber dermaßen unprofessionell, dass er ebenso Briefträger oder Autoverkäufer sein könnte, aber mit Sicherheit kein Elitepolizist. Null Überblick in kritischen Situationen, jede Aktion ausnahmslos unüberlegt. so dass man bereits im Vorfeld weiß, dass sie in die Hose geht. Gleich zu Beginn erleidet er eine schwere Knieverletzung, die eine Operation nach sich zieht, was ihn aber nicht daran hindert, sich mit den Krücken bei unzureichender Beleuchtung schnellen Schrittes über Kopfsteinpflaster zu bewegen. Und einer Prügelei geht er natürlich auch nicht aus dem Weg. Ein wahrer Superheld!

Aber offenbar hat er auch eingesehen, dass er für diesen Job nicht der Richtige ist, denn am Ende des Buches quittiert er den Dienst. Und da „Die Verlorenen“ der Auftaktband einer neuen Reihe ist, steht eine Karriere als Privatdetektiv zu erwarten. Allerdings werde ich diesen Werdegang mit Sicherheit nicht weiterverfolgen.

Eine kurze Bemerkung zum Schluss: Es scheint, als wäre Deutschland Becketts erfolgreichster Markt, denn das Original erscheint in Großbritannien erst Ende November. Nicht weiter verwunderlich, gibt es doch genügend englischsprachige Autoren, die ihr Handwerk weit besser beherrschen.

Veröffentlicht am 12.07.2021

Wahrheit und Wahrscheinlichkeit

Der langsame Tod der Luciana B
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Wenn ein promovierter Mathematiker einen Spannungsroman schreibt und dabei auch das fachliche Knowhow seiner Studien in die Story einfließen lässt, kann man zweifelsfrei davon ausgehen, dass das Ergebnis ...

Wenn ein promovierter Mathematiker einen Spannungsroman schreibt und dabei auch das fachliche Knowhow seiner Studien in die Story einfließen lässt, kann man zweifelsfrei davon ausgehen, dass das Ergebnis kein 08/15 Kriminalroman sein wird. Aber schauen wir genauer hin:

Luciana B. hat während des Studiums als Schreibkraft für den erfolgreichen Schriftsteller Kloster gearbeitet. Als sich ihr dieser auf eindeutige Weise nähert, weist sie ihn ab. Eine Anwältin rät ihr, vor Gericht zu gehen. Sie willigt ein, und das Verfahren zerstört nicht nur dessen makellosen Ruf sondern auch seine Familie.

Zehn Jahre später, mittlerweile psychisch und physisch am Boden, sucht sie Hilfe bei einem anderen Autor, für den sie auch gearbeitet hat. Sie ist davon überzeugt, dass Kloster Rache übt, er für die Todesfälle in ihrem persönlichen Umfeld verantwortlich ist. Seit sich ihre Wege getrennt haben, sind sowohl ihr Freund als auch ihre Eltern und ihr Bruder unter seltsamen Umständen zu Tode gekommen. Geblieben ist ihr nur ihre jüngere Schwester. Klosters Reaktion auf Lucianas Anschuldigungen nährt Zweifel. Hat er, oder hat er nicht, ist er schuldig oder unschuldig?

Bis diese Frage geklärt ist, bedarf es des geduldigen Ausharrens und jeder Menge philosophischer Haarspaltereien, die letztlich um die Frage kreisen, wie wahrscheinlich diese Häufung von Todesfällen im Umfeld einer Person sein können und welche logischen Schlüsse sich daraus ziehen lassen. Plausibel oder nicht, wer weiß das schon, denn auch hier lässt uns Martinez im Zweifel. Und dann wäre da noch das Frauenbild - lateinamerikanischer Machismo in Reinkultur - das mir den Rauch aus den Ohren treibt. Unterm Strich eine unbefriedigende Lektüre und ein Ärgernis. Punkt.

Veröffentlicht am 30.04.2021

Der Tiefpunkt der Reihe

Französisches Roulette
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Überschreiben könnte man die dünne Story mit „Die bösen Russen und ihre internationalen Verflechtungen“. Ausgangspunkt für Brunos Ermittlungen ist der Tod eines Bauern, der seinen gesamten Besitz einer ...

Überschreiben könnte man die dünne Story mit „Die bösen Russen und ihre internationalen Verflechtungen“. Ausgangspunkt für Brunos Ermittlungen ist der Tod eines Bauern, der seinen gesamten Besitz einer dubiosen Versicherungsgesellschaft - mit Verbindungen zu einem russischen Oligarchen - im Austausch gegen Wohnrecht in einem luxuriösen Seniorenheim überschrieben hat. Dann ist da noch der alte Rockstar, der sein prächtiges Chateau verkaufen möchte. Aber zuvor kommt dessen Familie noch einmal für einen gemeinsamen Urlaub zusammen, wobei der Sohn, welch Überraschung, seine russische Freundin mitbringt.

Leider verlieren sich die Zusammenhänge immer wieder in Banalitäten und langatmigen Beschreibungen der Kontakte, die Bruno zu den Damen in seinem Umfeld unterhält. Ausritte mit Pamela, Schwimmlektionen für Florence‘ Kinder und natürlich der unvermeidliche Besuch der alten Flamme Isabelle. Dazwischen erfahren wir in aller Ausführlichkeit, wie man einen Hühnerstall baut, wie sich der Weinbau im Périgord verändert hat und wie das mit dem Nachwuchs bei den Bassets funktioniert. Und als ob das noch nicht genug wäre, folgen in regelmäßigen Abständen en détail beschriebene Mahlzeiten und Menüfolgen mit den dazugehörigen Rezepten.

Walker hat viele Jahre als politischer Journalist gearbeitet und offenbar noch Kontakte zu ehemaligen Kollegen, deren Erkenntnisse und Meinungen zu russischen Aktivitäten er unbedingt, wie im Nachwort zu lesen, in diesen Roman einarbeiten wollte. Er wäre besser beraten gewesen, auf dieses ideologische Geschwurbel zu verzichten.

Wenn ich einen Kriminalroman lese, möchte ich unterhalten werden. Gerne darf am mich dabei mit gesellschaftspolitischen Problemen konfrontieren, auf Missstände aufmerksam machen und so zum kritischen Hinterfragen anregen. All dies leistet dieses Buch leider nicht. Im Gegenteil, es ist ein Ärgernis und für mich der Tiefpunkt der Reihe.