Wenn nur ein Ausweg bleibt...
Als die Stadt in Flammen stand"Wenn man die Leute bis an ihre Grenze treibt und sie nicht die geringste Macht haben, dann finden sie einen Weg, sie sich zu verschaffen."
Von diesem Buch habe ich ehrlich gesagt kaum etwas erwartet, ...
"Wenn man die Leute bis an ihre Grenze treibt und sie nicht die geringste Macht haben, dann finden sie einen Weg, sie sich zu verschaffen."
Von diesem Buch habe ich ehrlich gesagt kaum etwas erwartet, weil mich die Bewertungen bislang abgeschreckt haben, aber ich war doch überrascht, wie sehr mich das Buch fesseln konnte!
Man begleitet hier Lena und Campbell in einer Nacht voller Unruhen, erlebt BLM-Demonstrationen und bekommt deutlich vor Augen geführt, welche Auswirkungen Rassismus hat. Dadurch, dass wirklich nur eine Nacht erzählt wird, ist das Buch ein wahrer Paigeturner. Die Ereignisse überschlagen sich, die Gewalt spitzt sich zu, und die beiden Protagonistinnen mittendrin. In der Ohnmacht unterdrückter Menschen, die sich endlich eine Stimme holen, in der Aggressivität von Trittbrettfahrern und Schlägertypen, in der Scheuklappensicht von Polizisten, aber auch in der Wehrlosigkeit von Menschen, die überleben, ja vielmehr leben wollen.
Das Buch versteht es definitiv, den Leser in seinen Bann zu ziehen, und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass ich es in einem Rutsch durchgelesen habe. Der Einstieg viel mir recht schwer, es wurde nicht deutlich, wer "das weiße" und wer "das schwarze" Mädchen ist, so dass ich sie sogar ewig verwechselt habe und dann erst einmal umdenken musste (zur Auflösung: Lena ist PoC, Campbell nicht). Auch der "Ghettoslang", wie Campbell ihn mal beschreibt, war für mich schwierig zu lesen, diese abgekürzten Worte, das lässige. Nein danke. Und wie Lena ihrem Freund hinterhergerannt ist, diese Abhängigkeit, wie ihre Wertschätzung vor sich selbst direkt verschwunden ist, wenn er sie mal wieder hängen gelassen hat. Dickes Minus.
Die Charakterentwicklung ist dadurch aber ein Bereich, der in diesem Buch wunderbar dargestellt wird. Erkennen des eigenen Wertes. Für sich einstehen. Aus Fehlern lernen. Das Buch beinhaltet so viele wichtige Themen zu Rassismus und menschlichen Abgründen und Mut und Freundschaft, dass ich es nur empfehlen kann. Natürlich hätte man hier und da tiefer gehen können, auch einen Epilog hätte ich mir gewünscht, aber diese eine Nacht mit den Veränderungen, die Ausnahmesituationen hervorrufen können, ist einfach Realität. Hochaktuell. Da kann man nichts schönschreiben. Ich vergebe 4/5 Sterne.