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Veröffentlicht am 21.11.2021

Ein Buch mit thematischer Schlagkraft

Erfahrungen eines schönen Mädchens
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Sasha wächst in einem Vorort von Cleveland in Ohio auf und merkt schon früh, was es heißt, ein Mädchen zu sein, welchen Bestimmungen sie sich unterwerfen sollte. Doch alles in ihr sträubt sich. Sasha will ...

Sasha wächst in einem Vorort von Cleveland in Ohio auf und merkt schon früh, was es heißt, ein Mädchen zu sein, welchen Bestimmungen sie sich unterwerfen sollte. Doch alles in ihr sträubt sich. Sasha will nicht nur schön sein. Sie ist geistreich, aufgeschlossen und hat ihren eigenen Kopf. Und so flieht sie schon früh aus der Provinz in den Osten um zu studieren, in der Hoffnung sich hier voll entfalten zu können. Doch auch hier ist nicht alles so schön, wie sie gern hätte. Sie erlebt Affären, Enttäuschung, Flucht vor sich selbst und der ständige Kampf gegen die Vorstellungen der Männer und der Gesellschaft.

Das Buch enthält definitiv einige Überraschungen. Stilistisch zuerst einmal die unchronologische Erzählweise. Man begleitet Sasha an den verschiedenen Abschnitten ihres Lebens und hat so den direkten Vergleich zwischen ihr in den frühen 20ern, den späteren 20ern und als junges Mädchen. An jeder dieser Stellen ihres Lebens muss sie den gleichen Kampf führen, auch wenn er sein Gesicht verändert und sich auch Sasha immer weiter charakterlich steigert. Im Generellen finde ich Sasha als Protagonistin brillant umgesetzt. Zunächst einmal, dass sie die alleinige Position als Hauptcharakterin des Buches innehat und man alle anderen Akteure der Geschichte durch ihre Augen wahrnimmt, zwar durchaus subjektiv, aber dafür umso interessanter und für die Leser:innen verständlicher. Vor allem nimmt man den Kampf eine Frau zu sein in all seiner Intensität beim Lesen direkt wahr. Beeindruckt hat mich auch, wie reflektiert Sasha mit ihrem Schicksal umgeht. Mann bekommt dadurch einen ganz anderen Blick auf alltägliche Dinge der 40er, 50er und 60er Jahre, aber auch auf Dinge, die heute noch alltäglich sind. Der Schreibstil der Autorin ist im Großen und Ganzen auch überzeugend, allerdings merkt man sehr oft beim Lesen auch, dass das Buch bereits rund 50 Jahre alt ist, was an und für sich nicht störend ist, bei mir allerdings nicht diese sogartige Wirkung erzeugen konnte, die ich bei Büchern schätze, die mich sprachlich komplett überzeugen konnten. Ein stilistisches Mittel, das mir besonders ins Auge gestochen ist, sind die Ausschnitte aus einem Fachbuch zur Kindererziehung, die im letzten Drittel des Buches mit eingebaut wurden. Man bekommt direkt Einblick darin, was damals als perfekte Erziehung für Babys galt. Interessant und gleichzeitig schauderhaft. Letztendlich möchte ich auch noch die Übersetzung loben, da diese für mich wirklich sehr gut gelungen ist.

Rundum gefällt mir das Buch sehr gut, und ich muss sagen, dass inhaltlich bei mir definitiv ein Nerv getroffen wurde.

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Veröffentlicht am 09.11.2021

Ein ewiger Albtraum

Albwachen
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In der Regel verpuffen die Erinnerungen an einen Albtraum bereits kurz nach dem Erwachen. Nicht so für Thomas, seine Albträume brennen sich in seinen Kopf ein, lassen ihn nicht mehr los und entwickeln ...

In der Regel verpuffen die Erinnerungen an einen Albtraum bereits kurz nach dem Erwachen. Nicht so für Thomas, seine Albträume brennen sich in seinen Kopf ein, lassen ihn nicht mehr los und entwickeln sich so zum wahren Albtraum. Das Leid lässt erst nach, wenn Thomas seinen Traum Detail für Detail nachstellt. Doch wird ihm dadurch nur eine kurze Linderung verschaffen und mehr und mehr steigert sich der innere Zwang, bis es für Thomas nur mehr einen Ausweg gibt. Er verlässt seine Familie und begibt sich auf eine Flucht vor sich selbst und seinen Träumen.

Vorab sei gesagt, dass das Buch definitiv nicht für jeden geeignet ist, und man sich auf eine intensive und anspruchsvolle Lektüre einlassen muss können. Anfangs stockt der Lesefluss noch. Auf sprunghafte Weise mimt der sprachliche Stil die jugendhafte Unerfahrenheit des anfangs noch jungen Thomas, der sich erst mit seinen Problemen zurechtfinden muss. Im Laufe des Buches stellt sich dann aber ein angenehmer Lesefluss, während der sprachlich hochtrabende Stil erhalten bleibt. Besonders gut gelungen sind die Beschreibungen der psychischen Probleme Thomas'. Mit akribischer Genauigkeit wird den Leser:innen vor Augen geführt, wie sich Thomas vergeblich versucht dem Einfluss seiner Träume zu entziehen, die Angst davor, zu Träumen. Unterschwellig steigert sich die Spannung, entstanden dadurch, dass sich Thomas merklich in einer Spirale abwärts bewegt, aus der es kein Entkommen gibt. Schnell ist klar, dass es für Thomas keine Absolution geben wird, und trotzdem hält das Ende eine Überraschung bereit, die bei rückwirkender Betrachtung durch ihre geniale Banalität besticht.

Letztendlich ist das Buch wirklich interessant und lesenswert, da man in eine Welt der ungewollten menschlichen Abgründe entführt wird. Auch wenn der sprachliche Stil sehr gewöhnungsbedürftig ist und sehr viele Leser:innen vielleicht abschrecken mag, hat er mich letztendlich doch für sich begeistern können.

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Veröffentlicht am 03.11.2021

Das Schicksal der Pflegekräfte aus dem Osten

Wenn ich wiederkomme
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Wie tausende andere Frauen auch, verlässt Manuels Mutter ihr Heimatland Rumänien, verlässt ihre Familie, um im Westen Geld zu verdienen. Und so arbeitet sie in Mailand, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche ...

Wie tausende andere Frauen auch, verlässt Manuels Mutter ihr Heimatland Rumänien, verlässt ihre Familie, um im Westen Geld zu verdienen. Und so arbeitet sie in Mailand, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und schickt den Großteil ihres Gehalts in die Heimat zurück. Zwar sind ihre beiden Kinder gut mit Geld versorgt, doch wachsen sie ohne ihre Mutter auf und langsam aber sicher beginnt der Familienzusammenhalt zu bröckeln. Und auch die Mutter vermisst ihre Kinder immer mehr, doch scheint es in Rumänien keine Alternative zu geben.

Ich war wirklich gespannt auf das Buch, da ich immer wieder durchaus positive Meinungen zu Marco Balzano gehört habe, vor allem aber, da mich die Brennpunktthematik sehr ansprach. Pflegekräfte aus Osteuropa, die Stützen des Mittel- und Westeuropäischen Rentensystems und deren körperliche und geistige Ausbeutung ist ein Thema, das mich zwar brennend interessiert, mit dem ich mich leider aber noch nicht so intensiv beschäftigt habe, wie ich es gerne wollen würde. Jedenfalls erhoffte ich mir durch dieses Buch einen tieferen Einblick. Diesen bekam ich dann auch, größtenteils in für mich zufriedenstellendem Ausmaß. Zwar haben wir drei unterschiedliche Perspektiven, die Mutter, den Sohn und die erwachsene Tochter, doch der Fokus liegt definitiv auf den Auswirkungen dieser Wanderarbeit auf die Psyche und das Schicksal der Zurückgeblieben. Zwar wird das, was die Arbeit mit der Mutter psychisch macht, auch sehr genau beschreiben, allerdings hatte ich mir auch erhofft, auch ein wenig mehr über die Hintergründe und Abläufe, wie beispielsweise Bezahlung oder etwaige Probleme mit den Behörden, gewünscht. Der Punkt, der mich leider am meisten enttäuscht hat, ist die fehlende literarische Tiefe des Buches. Sprachlich hat mich das Buch trotz der drei verschiedenen Perspektiven ziemlich kalt gelassen. Der Schreibstil hat sich für mich kalt und abweisend angefühlt, hat bei mir beim Lesen kein angenehmes Gefühl erzeugen können. Und so konnten mich die Protagonist:innen trotz der genauen Beschreibung ihrer Gedanken und Gefühle nicht mitreißen. Zwar scheint das Buch direkt dafür gemacht zu sein, voller Empathie mit diesen mit zu fiebern, doch bei mir blieb es leider aus, dass ich auf dieser persönlichen und emotionalen Ebene abgeholt werde.

Letztendlich ist das Buch thematisch von enormer Bedeutung und trotzdem, dass es mehr literarische Tiefe vertragen hätte, immer noch sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 28.10.2021

Berlin Friedrichstraße, leider mit etwas wenig Friedrichstraße

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm
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Deutschland befindet sich nach dem Ersten Weltkrieg noch in Startschwierigkeiten. Auch für Robert, Louise und Johannes war der Krieg ein einschneidendes Erlebnis. Die Freunschaftsgruppe aus Kindertagen ...

Deutschland befindet sich nach dem Ersten Weltkrieg noch in Startschwierigkeiten. Auch für Robert, Louise und Johannes war der Krieg ein einschneidendes Erlebnis. Die Freunschaftsgruppe aus Kindertagen existiert nicht mehr: Johannes ist irgendwo in Frankreich verschollen und Robert macht Louise einen Heiratsantrag, auch wenn ihre Gefühle für ihn mehr freundschaftlicher Natur sind und ihr Herz immer noch für Johannes schlägt. Am Tag der Hochzeit, dem Tag, an dem ich Robert und Louise für immer aneinander binden, taucht plötzlich der totgeglaubte Johannes wieder auf und stürzt alle in ein Chaos der Schuldgefühle. Und dann ist da noch Ella, das Mädchen, das zu Kinderzeiten eine treue Begleiterin der drei Freunde war.

Der Einstieg in die Geschichte - etwa die ersten 50 Seiten lang - viel mir erstaunlicherweise etwas schwer. Ich musste mich erst an den Schreibstil gewöhnen, der anfangs auf mich abgehackt und holprig wirkte. Ich fand nicht wirklich in die Geschichte hinein. Mit Voranschreiten des Buches wurde dies aber besser. Das Buch lässt sich flott lesen, treibt die Geschichte voran, allerdings ist der Schreibstil in meinen Augen trotzdem nicht herausragend. Der Spannungsbogen der Geschichte ist an und für sich sehr gut ausgearbeitet, hochtrabend durch die Ereignisse der Weimarer Republik, politische Spannungen und wirtschaftliche Probleme. Teilweise gab es dann auch wieder einzelne kurze Stellen, die mir etwas langatmig vorkamen, meist nicht, weil die Handlung unglaublich langweilig war, sondern viel mehr, weil sich diese teilweise im Kreis drehte. Immer wieder ähnliche Szenen und gleiche bzw. ähnliche Satzphrasen. Die Protagonist:innen sind dafür wieder sehr gut ausgearbeitet. Man hat Diversität, die es einerseits leichter macht, sich selbst in irgendeiner der handelnden Personen wiederzufinden, und andererseits die damalige Berliner Gesellschaft sehr gut widerspiegelt. Diverse Gesellschaft ist hier auch schon ein sehr gutes Stichwort dazu, was mich am Buch wirklich beeindrucken und begeistern konnte. Man bekommt beim Lesen ständig interessante Fakten zu Gesellschaft, Prominenz, Politik und wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen eingestreut, sodass sich ein komplexes Bild der Hauptstadt der Weimarer Republik ergibt. Hier muss man definitiv die herausragende Recherchearbeit der Autorin hervorheben und loben. Was mich nach dem Beenden des Buches aber aufgefallen ist, dass der Bahnhof Friedrichstraße nur eine untergeordnete Rolle spielt. Leider ist er nur immer wieder Handlungsstandort, aber Roberts Arbeit, der ja als Architekt am Umbau des Bahnhofs beteiligt ist, geht komplett unter. Meiner Meinung nach wirklich schade, da ich mir mehr zur Geschichte des Bahnhofs und dem damit verbundenen ÖPNV erhofft hatte.

Kurz gesagt bietet das Buch einen soliden und guten Einblick in das Berlin der 20er Jahre, auch wenn es stellenweise ein wenig holprig war.

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Veröffentlicht am 26.09.2021

Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt

Das Glashotel
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Vincent ist 13 Jahre alt, als ihre Mutter von einem Ausflug in der Natur nicht mehr zurückkommt. Eine große Veränderung für das Mädchen, dass British Columbia verlassen muss, und fortan bei ihrer Tante ...

Vincent ist 13 Jahre alt, als ihre Mutter von einem Ausflug in der Natur nicht mehr zurückkommt. Eine große Veränderung für das Mädchen, dass British Columbia verlassen muss, und fortan bei ihrer Tante in Toronto aufwächst. Als Jahre später auch noch ihr Vater stirbt, kehrt sie schließlich auf Vancouver Island zurück und nimmt einen Job im Luxushotel im Dorf ihrer Kindheit an. Eines Tages trifft sie dort auf Jonathan Alkaitis, einen Mann, doppelt so alt wie sie, aus dem New Yorker Finanzwesen. So nimmt ihr Leben wieder eine Wendung, als sie ihm an die Ostküste folgt, seine Frau wird, und fortan ein Leben in Luxus führt. Doch dann schlägt die Finanzkrise zu und Vincent sieht sich dazu gezwungen, erneut ihr leben fundamental umzukrempeln.

Sprachlich konnte mich das Buch von der ersten Seite an begeistern. Tiefgehend, atmosphärisch und nebulös. Abgesehen davon, dass diese Kombination sich wunderbar lesen lässt, entsteht auch eine gewisse Distanz zwischen den Leser:innen und den Protagonisten. man nimmt alles scheinbar aus einer unbestimmten Distanz oder durch einen Nebelschleier wahr. Fast schon, als wäre man ein Geist oder hätte Raum und Rahmen des Realistischen verlassen. Zu diesem Gefühl tragen sicherlich auch die ständigen Perspektiv- und Zeitwechsel bei. So entsteht vor allem bei den kapiteln, die auf Vancouver Island spielen, eine wunderbar melancholische Atmosphäre, die mich tief berührt hat. Die nebelverschleierten Tage an der Küste und die abgeschiedene Ruhe der Natur werden schon fast real. Überzeugen konnte mich die Autorin auch mit den Charakterzeichnungen der Protagonist:innen. Auch sie wirken gleichzeitig unnahbar und wie ein Teil des eigenen Lebens zugleich. Vor allem sind sie aber facettenreich, einzigartig, und man merkt, dass sie nicht als Sympathieträger gestaltet worden sind. Sie wirken viel mehr wie gute Freunde, mit Ecken und Kanten, guten und schlechten Seiten, die einem von den letzten Jahren ihres Lebens erzählen. Die Handlung empfand ich als unglaublich spannend, Vincents weg zu sich selbst und die Wendungen die ihr Leben immer wieder nimmt, vor allem aber die verschiedenen Figurenkonstellationen haben mich fasziniert. Allerdings muss ich sagen, dass mich die Handlung rund um das Schneeballsystem nicht ganz so gefesselt hat, auch wenn es wirklich interessant ist, über diese Form des Betrugs zu lesen. Hier muss ich auch sagen, dass die Thematik des finanzbetrugs keine omnipräsente Rolle eingenommen hat und so auf die Geschichte und den Lesefluss gedrückt hätte. Trotzdem aber konnte mich der Dritte Teil des Buches nicht so begeistern, wie die anderen beiden. Ein kleiner Punkt, den ich noch anmerken möchte, ist, dass ich es viel besser finden würde, wenn das Inhaltsverzeichnis sich am Anfang des Buches befinden würde, und nicht erst am Ende, da ich die Kapitelnamen als besonders spannend empfinde und die die Similarität einiger Kapitel während des Lesens gar nicht auffällt, sich dann aber beim Blich auf das Inhaltsverzeichnis gibt. Hierbei muss ich aber sagen, dass ich darin keinen großen Kritikpunkt sehen, sondern viel mehr eine Sache, die mir ohne werten zu wollen, ins Auge gesprungen ist.

Alles in Allem konnte mich die Geschichte aber wirklich begeistern, und alleine aufgrund der atmosphärischen Sprache der Geschichte ist diese eine große Empfehlung.

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