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Veröffentlicht am 10.07.2023

Toller Schreibstil - Mir persönlich aber zu viel Gewalt

Angst um Alafair
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"Wir haben Montana immer den 'letzten guten Ort genannt". Jetzt ist es wie überall anders auch. " (S. 37).

Diesmal spielt das Buch nicht im schwül-heißen Louisiana, wie die frühen Dave-Robicheaux-Krimis, ...

"Wir haben Montana immer den 'letzten guten Ort genannt". Jetzt ist es wie überall anders auch. " (S. 37).

Diesmal spielt das Buch nicht im schwül-heißen Louisiana, wie die frühen Dave-Robicheaux-Krimis, sondern im imposanten, landschaftlich wunderschönen Montana. Aber auch hier ist der Niedergang der USA offensichtlich. So wirkt es jedenfalls in diesem Roman (und es wird durch die Nachrichten nicht gerade widerlegt). Eine Gesellschaft voller Gewalt, Exzesse, Alkoholsucht, Rauschgift und voller kaputter Typen, die mit ihrem Leben nicht klarkommen und noch mehr kaputt machen. Dazu gewissenlose Superreiche und Polizisten, die auch nur Menschen sind bzw. tendenziell korrupt oder komplett frustriert von der ganzen Gewalt in ihrem Alltag.

So liest sich dieser Band der Krimireihe "Angst um Alafair" von James Lee Burke. Alafair ist die Adopivtochter des Kriminalpolizisten Dave Robicheaux, der selbst ein äußerst bewegtes Leben als Alkoholiker hinter sich hat. Normalerweise ermittelt er in Louisiana, diesmal ist er auf Urlaub bei einem Freund in Montana, mit Tochter und seinem Freund Clete sowie dessen Tochter Gretchen, die ebenfalls eine komplett kaputte Kindheit hatte.

Schon mal keine guten Voraussetzungen für einen Cosy-Crime. Das hatte ich auch nicht erwartet. Ich kenne ein paar der früheren Robicheaux-Romane und einen Texas Roman von James Lee Burke und weiß, dass hier harte Sachen passieren und der Kern immer die Sozialkritik ist. Dazu schreibt Burke phantastisch gut, plastisch, bildhaft und irgendwie zieht mich das normalerweise in einen Sog. Diesmal hat das nicht funktioniert. Dazu war vieles zu hart, zu gewalttätig und irgendwie war nicht genügend Positives da. Sozialkritik in Krimis soll eigentlich auf Missstände hinweisen, um damit Dinge zu ändern, Besserungen zu erreichen.

Das habe ich hier nicht gespürt. Der Autor hat die USA als komplett verrohte Gesellschaft dargestellt. Besserung? Ziemlich unwahrscheinlich. Wahrscheinlich hat der Autor recht. So ergeht es Staaten und Gesellschaften, die zu wenig soziale Absicherung, zu viel Ellbogenmentalität und ein seltsames Verständnis von "Freiheit" haben, die hier meist eher die Freiheit des Scheiterns bedeutet.

Habe ich mich die ersten 200 Seiten noch in den Sog der Erzählung ziehen lassen, habe ich die nächsten 250 dann nur noch quergelesen und dann aufgegeben. Ich konnte es nicht mehr ertragen. Es war mir zu negativ. Dafür kann der Autor ja eigentlich nichts, da es sicherlich realistisch ist. Aber mit den ganzen Problemen, die der Alltag in Deutschland so bringt, konnte ich mir das nicht antun. Und nein, die Auflösung wollte ich icht wissen. Die ist bei den James-Lee-Burke-Krimis nämlich gar nicht so wichtig.

Ich werde weiter Burke lesen, allerdings zunächst einmal die früheren Romane aus Louisiana. Mit ihrem schwül-heißen-stimmungsvollen Setting der Südstaaten. Als Dave Robicheaux zwar schon ziemlich gezeichnet war, sich aber noch wirklich für Lösungen einsetzte oder an die Menschlichkeit (zumindest ein wenig) glaubte.

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Feel Good Roman über Reisen, Selbstfindung und Liebe

Immer am Meer entlang
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Etwas Entspannendes wollte ich lesen - Und da kam dieser Roman von Franziska Jebens gerade recht. Es geht um eine Auszeit, Selbstfindung, Vanlife und natürlich um Liebe.

Die 30 jährige Josi träumt schon ...

Etwas Entspannendes wollte ich lesen - Und da kam dieser Roman von Franziska Jebens gerade recht. Es geht um eine Auszeit, Selbstfindung, Vanlife und natürlich um Liebe.

Die 30 jährige Josi träumt schon seit ihrem 10ten Lebensjahr von einer Reise "Immer am Meer entlang". Dafür spart sie seit Jahren und hat einen alten Bulli ausgebaut. Ihr Leben als Polizistin, die öfter mit Gewalt gegen Frauen konfrontiert ist, belastet sie zunehmend und außerdem hat sie eine üble Trennung hinter sich. Als ihre Eltern eine Finanzspritze geben, fährt sie früher als geplant los. Ende September. Ein Winter am Mittelmeer soll folgen und ein Sommer in Skandinavien. Alles minutiös geplant. Aber natürlich kommt vieles anders... und ihr Vorsatz, sich auf keinen Fall zu verlieben oder zu binden, wird arg ins Wanken gebracht, als sie Paul trifft....

Im Gegensatz zu Josi ist Paul eher spontan losgefahren. Sein Dasein als erfolgreicher Architekt ödet ihn zunehmend an. Immerhin hat er aber daher genügend Geld, um einfach loszufahren. Als er Josi kennenlernt, ist er zunächst etwas befremdet. Beim nächsten zufälligen Treffen ist er dann schon ziemlich hingerissen..... aber Josi will ja keine romantische Bindung und auch Paul muss noch mit einer gescheiterten Beziehung klar kommen.

Und so treffen sich die beiden immer mal wieder auf ihrem Trip durch Frankreich, Portugal, Spanien und Italien und als sie auf der griechischen Insel Milos ankommen, ändert sich dann einiges.....

Mir hat es Spaß gemacht, das Buch zu lesen. Schöne Landschaftsbeschreibungen (einiges habe ich gegoogled), witzige Dialoge und ein wenig tiefgründigere Einblicke in den Selbstfindungsprozess der beiden (aber nicht zuuu tiefgründig, ist ja ein Unterhaltungsroman).

Vanlife ist ja gerade hip und daher spricht der Roman sicherlich viele Menschen an, die von einer Auszeit träumen, von einsamen Stränden, Ruhe und Zeit für sich. Ich persönlich stehe dem Vanlife ja ziemlich kritisch gegenüber.. Ich würde nie auf die Idee kommen, freiwillig auf nur drei Quadratmetern ohne warme Dusche zu wohnen und permanent unterwegs zu sein. Und dann auf all den schönen Plätzen nur andere Vanlifer zu treffen und vom Alltagsleben im Land nur wenig mitzubekommen (das wird im Buch auch deutlich). Ich habe damals auch von einer Zeit im Ausland geträumt, mich dann aber entschlossen, dort zu arbeiten und länger an einem Ort zu bleiben. Das geht gut als Reiseleiterin (aber auch in der Gastronomie, als Surflehrer oder so). Außerdem verdient man sich so seinen Lebensunterhalt und muss nicht lange sparen, um endlich endlich wegfahren zu können. Aber jedem das Seine. Gegen das Buch spricht das nicht. Ich werde sicherlich noch weitere Bücher der Autorin lesen. Dieser Hinweis auf Finn & Cleo und Finns Farm hat mich neugierig gemacht....

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Veröffentlicht am 25.10.2022

Interessantes Ermittlerduo - aber langatmige Ermittlungen

Hinter der Dunkelheit
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Ein neues Ermittlerduo, das durchaus viel Potential hat: Da ist der charismatische Kriminalpsychologe Jan de Bruyn. Ruhig, besonnen, analytisch. Und da ist die Kriminalhauptkommissarin Hanna Will. Eher ...

Ein neues Ermittlerduo, das durchaus viel Potential hat: Da ist der charismatische Kriminalpsychologe Jan de Bruyn. Ruhig, besonnen, analytisch. Und da ist die Kriminalhauptkommissarin Hanna Will. Eher eine Einzelgängerin mit wenig Geduld aber vielen Erfolgen. Als beide (eher zufälligerweise) einen Banküberfall gemeinsam glücklich beenden, werden sie als Ermittlerteam für besondere Fälle beim LKA Niedersachsen eingesetzt. Ihr erster gemeinsamer Fall ist eine Vergewaltigung mit Todesfolge im Alten Land. Es gibt Parallelen zu vorherigen Fällen und weitere Morde sollen verhindert werden,. Also nehmen die beiden die Ermittlungen auf und kommen sich am Anfang ganz schon in die Quere. Zu unterschiedlich. Aber irgendwie raufen sie sich doch zusammen, fahren in Hannas Wohnmobile durch die Gegend und überschreiten auch schon einmal ihre Kompetenzen. Als die Tendenz feststeht und man als Leser:in ziemlich sicher ist, dass nun der Täter feststeht, ist noch ganz viel Buch übrig..... und dann wird es recht langatmig. Zwar gibt es noch unerwartete Wendungen. Aber: Die Ermittlungsarbeit zieht sich und zieht sich. Wahrscheinlich recht realistisch und durchaus gut und solide erzählt. Aber beim Lesen doch etwas langweilig. Einzig die persönliche Beziehung der beiden unterschiedlichen Ermittlertypen und der private Hintergrund von Hanna und Jan (die aber längst nicht aus erzählt werden, es soll ja weitere Bände geben) haben mich noch bei der Stange gehalten. Ob ich wirklich bereit bin, noch mehr Bände zu lesen, bloß um zu wissen, wie es mit den beiden weitergeht? Ich glaube, eher nicht.

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Veröffentlicht am 06.10.2021

Über das Zurechtkommen und über das Scheitern nach dem Krieg

Wenn wir heimkehren
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Auf fast 600 Seiten erzählt die Autorin die Geschichte von Margot und Willi, von ihren Familien und von ihren Erlebnissen vor, während und nach dem 2. Weltkrieg. Es sind Geschichten, wie es sie wohl viele ...

Auf fast 600 Seiten erzählt die Autorin die Geschichte von Margot und Willi, von ihren Familien und von ihren Erlebnissen vor, während und nach dem 2. Weltkrieg. Es sind Geschichten, wie es sie wohl viele so oder so ähnlich gibt. Die Traumatisierungen der Soldaten, die aus dem Krieg heimkehren. Die neuen Lebensumstände für Familien, die vor und im Krieg begütert waren und dann plötzlich nicht mehr. Die Rolle der Frau, die zumeist als Anhängsel des Mannes gesehen wird. Der langsam wachsende Wohlstand nach dem Krieg, der Wiederaufbau und die neue Generation, die heranwächst und alles hinterfragt.

Es hat mir durchaus Freude bereit, das alles zu lesen. Vor allem, da die Geschichte von Margot und Willi alles andere als in geordneten Bahnen verläuft. Sie lernen sich 1952 kennen und fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Aber beide sind nicht so richtig frei füreinander und irgendwie passt es immer nicht, bis...... nun, jedenfalls gibt es reichlich Verwicklungen und dann gibt es noch die Rückblicke, die mehr über Margot erzählen und ihre Geschichte etwas erläutern.

Allerdings kamen mir die Figuren nicht so richtig nahe. Willi vielleicht - er erinnert an viele Opas, die man selbst so hatte. Margot dagegen ist schon eine Sache für sich. Und insgesamt ist es so, dass viel zu viel erzählt wird. Viele zu viele Geschichten, die zwar einzeln ganz nett oder sogar witzig sind, das Gesamtbild aber irgendwann aus dem Blick verlieren. Wenn ich nicht gerade Urlaub und viel Zeit gehabt hätte, wäre ich sicherlich irgendwann genervt gewesen.

Denn ein literarisches Kunstwerk - das ist das Buch nicht. Es wird einfach nur erzählt, wie in einem Aufsatz. Einem langen Aufsatz. Ohne Schwerpunkte. Und das ist für mich ein Manko. Denn es ist m.E. Aufgabe der Literatur, Texte gut zu strukturieren, Schwerpunkte zu setzen und ein Gesamtbild zu schaffen, dass eine Aussage oder zumindest Denkanreize gibt. All dies geschieht hier nicht. Hier wurde nur geschrieben, erzählt. Hübsche Anekdoten zwischendurch (so mit Ausflug zum Drachenfels mit Auto ohne Führerschein...) aber ein rundes Literaturerlebnis wird das Buch dadurch nicht. Auch die vielen vielen Liedtexte, die als Stilmittel eingesetzt wurden, haben mich irgendwann nur noch genervt.

Fazit: 200 Seiten weniger hätten dem Buch gut getan. Dazu eine Straffung der Handlung auf die Schwerpunkte.

Vielleicht geschah dies nicht, weil das Buch auf Grundlage autobiographischer Familiengeschichten geschrieben wurde und die Autorin einfach zu nah dran war, um den nötigen Abstand zu bekommen und die Geschichte "rund" zu machen? Das könnte sein. Ist auf jeden Fall schade. Großes Potential war da.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Flucht aufs Land ist auch keine Lösung

Solikante Solo
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Solo in Solikante ist auch keine Lösung. So hatte sich das Jann auch nicht vorgestellt, als er das alte Gut im Oderbruch kaufte. Er wollte raus aus der Hektik und dem Gestank der Stadt und wieder neu anfangen. ...

Solo in Solikante ist auch keine Lösung. So hatte sich das Jann auch nicht vorgestellt, als er das alte Gut im Oderbruch kaufte. Er wollte raus aus der Hektik und dem Gestank der Stadt und wieder neu anfangen. Leider hat er darüber die Wünsche seiner Frau Ruth übersehen, die das bunte Leben in Berlin liebt und sich für ihre Tochter wünscht, dass sie die Vielfalt Berlins erleben kann - auch wenn die Mieten immer weiter steigen und sie deshalb inzwischen in einer viel zu kleinen Wohnung leben müssen. Jann und Ruth entzweien sich immer weiter - den Kauf und die (nicht erfolgreiche) Renovierung des Gutes (von Jann als Schloss angesehen...) nehmen sie dabei als Anlass für immer mehr Streit. Dabei lieben die beiden sich doch - und ihre Tochter lieben sie auch - das wird in den Beschreibungen sehr deutlich.

Empfand ich das Buch am Anfang noch als eine Art Sozialkritik (steigende Mieten in Berlin. falsche Vorstellungen vom idyllischen Landleben), so wurde es mir dann im letzten Drittel zu sehr zu einer Art Studie über ein sehr grenzwertiges psychotisches Verhalten. Jann wird paranoid und sieht sich von allem bedroht - Luftwerte, Schweinemastbetriebe, Feinstaub. Er bekommt sein Leben schon lange nicht mehr auf die Reihe - und dann muss er feststellen, das die Landbevölkerung ganz anders tickt, als er denkt. Und Ruth? Sie verzweifelt als alleinerziehende Mutter zwischen Job, krankem Kind und Baustelle im Haus.

Als Fazit sehe ich hier also weniger Sozialkritik (wobei diese im ersten Teil wirklich gelungen ist) als vielmehr eine Studie über eine Generation, die sich weigert, erwachsen zu werden und mit 40 immer noch nicht irgendwo angekommen ist. Der Ausbruch aus dem vermeintlich "spießigen" Landleben der Herkunft ist geglückt - aber mit dem Leben in der Großstadt und den Anforderungen an Geldverdienen, Kinder großziehen und sich den richtigen Platz im Leben suchen - damit scheint man doch überfordert.

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