Profilbild von takabayashi

takabayashi

aktives Lesejury-Mitglied
offline

takabayashi ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit takabayashi über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.11.2021

Urkomisch und gleichzeitig todtraurig

Barbara stirbt nicht
0

Barbara ist seit ca. 50 Jahren die Ehefrau von Herrn Schmidt, Walter Schmidt. Die Geschichte wird größtenteils aus Herrn Schmidts Perspektive geschildert und wir Leser habe teil an seinen Gedankengängen. ...

Barbara ist seit ca. 50 Jahren die Ehefrau von Herrn Schmidt, Walter Schmidt. Die Geschichte wird größtenteils aus Herrn Schmidts Perspektive geschildert und wir Leser habe teil an seinen Gedankengängen. Als eines Morgens beim Aufwachen nicht der übliche Kaffeeduft durchs Haus schwebt, ist Herr Schmidt irritiert. Ist Barbara tot umgefallen? Nun ja, sie ist umgefallen, aber nicht tot, liegt im Badezimmer und braucht Hilfe beim Aufstehen. Er bringt sie ins Bett und da bleibt sie von nun an. Herr Schmidt - ein Meister im Verleugnen und Verdrängen - nimmt den Ernst der Lage nicht zur Kenntnis und ist der Meinung, wenn Barbara nur genug äße, ginge es ihr bald wieder gut. Nun hat Herr Schmidt bislang im Haushalt noch nie einen Finger gerührt und es wirkt rührend wie er, der nicht einmal weiß, wie man Kaffee kocht, allmählich mit etwas Hilfe von außen kochen lernt. Da wir seinen Gedanken folgen können, erschließt sich allmählich auch die Vorgeschichte der Schmidtschen Ehe.
Alina Bronsky beschreibt diesen Herrn Schmidt mit viel schwarzem Humor und schafft es, dass einem dieser eigentlich sehr unsympathische Protagonist sogar irgendwie ans Herz wächst. Es ist höchst amüsant, sein Verhältnis anderen Menschen gegenüber, seine Gedanken über diese Menschen und sein eingeschränktes Weltbild zu beobachten. Aber irgendwann wird das Amüsement von Mitleid unterwandert. Denn eigentlich ist Herr Schmidt kein schlechter Mensch, sondern nur ein armes Würstchen, gefangen in den Konventionen, die er von seiner Erziehung und seiner Herkunft her mit auf den Weg bekommen hat. Nun fängt er sogar an, durch Barbaras Krankheit bedingt, im letzten Abschnitt seines Lebens ein wenig über sich selbst hinauszuwachsen.
„Kaum jemand kann so böse, so witzig und rasant von eigenwilligen und doch so liebenswerten Charakteren erzählen wie Alina Bronsky“ hieß es im Verlagstext zu Bronskys "Der Zopf meiner Großmutter". Die besagte Großmutter fand ich damals alles andere als liebenswert, aber in Bezug auf Walter Schmidt kann ich dieser Beschreibung zustimmen. Alina Bronsky beherrscht ihr Handwerk meisterhaft und schafft es, mit wenigen Pinselstrichen die von ihr beschriebenen Charaktere auf den Punkt zu bringen. Eine großartige, sehr unterhaltsame Tragikomödie!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.10.2021

Die zweite königliche Ermittlung: Macht richtig Spaß!

Die unhöfliche Tote
0

Wie auch beim ersten Band dieser Reihe ist das Cover dieses Buches um Klassen gelungener als beim englischen Original. Was man vom einfallslosen deutschen Titel allerdings nicht behaupten kann!
Da ich ...

Wie auch beim ersten Band dieser Reihe ist das Cover dieses Buches um Klassen gelungener als beim englischen Original. Was man vom einfallslosen deutschen Titel allerdings nicht behaupten kann!
Da ich den ersten Band schon sehr genossen hatte, habe ich voller Vorfreude zu lesen angefangen und wurde nicht enttäuscht. Das Buch ist aktuell in Bezug auf politische Entwicklungen, sehr unterhaltsam mit reichlich britischem Humor, spannend und informativ. Und vor allem ist es nicht seicht, was man bei der Thematik ja befürchten könnte. Die Autorin hat offensichtlich gut recherchiert, denn das Leben bei Hofe wirkt sehr authentisch geschildert (soweit man das als Laie beurteilen kann).
Die Geschichte spielt im Jahr 2016 kurz nach dem Brexit-Referendum und kurz vor der Wahl in den USA. Es geht um ein eher wertloses verschwundenes Gemälde aus der Sammlung der Queen, an dem sie aber aus sentimentalen Gründen sehr hängt, um eine bei ihren Kollegen eher unbeliebte Haushälterin, die ermordet aufgefunden wird, Drohbriefe und Mobbing unter den Palastangestellten. Als Rozie - die stellvertretende Privatsekretärin der Queen - in deren Auftrag zu ermitteln beginnt, kommt es zu weiteren Morden und der Entdeckung von langjährigem Diebstahl im großen Stil.
Natürlich darf die Queen nicht offiziell als Ermittllerin in Erscheinung treten. Rozies Erkenntnisse müssen den dafür zuständigen Angestellten "untergejubelt" werden, so dass diese am Ende das Gefühl haben, sie hätten die Verbrechen selbst aufgeklärt. Die Queen selbst kann nicht viel tun, ist aber sehr gut darin, aus Rozies Ergebnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Es gibt auch reichlich irreführende Spuren, "Red Herrings", aber am Ende ist alles zufriedenstellend gelöst, keine offenen Enden.
Natürlich ist alles Fiktion, aber als Leser hat man das Gefühl, dass sich eine solche Geschichte durchaus so abgespielt haben könnte. Die Queen wirkt sehr sympathisch, man hat häufig an ihren Gedankengängen teil, Prinz Philip, der damals noch am Leben war, lässt auf gewohnt leicht ruppige Art seine zum Teil sehr komischen Bemerkungen los, man erfährt einiges mehr über Rozie und auch die anderen wesentlichen Personen sind gut gezeichnet, der Schreibstil ist sehr gefällig, aber nicht platt. Ich hoffe auf weitere Abenteuer dieses ungewöhnlichen Ermittlerpaares! Klare Leseempfehlung, vor allem für Fans des gepflegten britischen Cosy-Krimis.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.09.2021

Justizkrimi mit unkonventionellem Anwalt

Pirlo - Gegen alle Regeln
0

Das Cover liefert uns einen optischen Eindruck von Anwalt Dr. Anton Pirlo, so wie er im Text beschrieben wird. Dieser (relativ) junge Strafverteidiger ist in kurzer Zeit erst zu größten Höhen aufgestiegen ...

Das Cover liefert uns einen optischen Eindruck von Anwalt Dr. Anton Pirlo, so wie er im Text beschrieben wird. Dieser (relativ) junge Strafverteidiger ist in kurzer Zeit erst zu größten Höhen aufgestiegen und dann ganz tief gefallen. In einer renommierten Kanzlei in Düsseldorf war er durch den Gewinn eines medienwirksamen Verfahrens everybody's darling geworden, bzw. doch nicht wirklich jedermanns, sondern es gab auch viele Neider,wie z.B. den eher unfähigen und intriganten Sohn des Kanzleigründers, und ehe er sich's versieht steht er als Sündenbock für einen Leak arbeitslos auf der Straße. Mit diesem Paukenschlag beginnt die Erzählung: Pirlo besäuft sich erst einmal sinnlos, kommt aber nach einigen Tagen wieder einigermaßen in die Spur. Und Rettung naht in Form einer Mandantin. Die jüngere Ehefrau eines Industriellen soll ihren Mann umgebracht haben und deren ehrgeizige Mutter engagiert Pirlo. Er übernimmt den Fall von seinem Wohnzimmer aus und engagiert durch Vermittlung seines ihm wohlgesonnenen Doktorvaters noch die frischgebackene junge Anwältin Sophie Mahler als Mitstreiterin, Sprössling einer Anwaltsfamilie, aber etwas überkreuz mit ihrer Familie,weil sie sich nicht der väterlichen Kanzlei für Wirtschaftsrecht anschließen will und lieber Strafrecht praktiziert. Sie vervollständigt das ungewöhnliche Anwaltsduo.
Bei Pirlo sind die familiären Altlasten noch gravierender, denn er hat sich von seiner kriminellen Familie losgesagt und seinen Namen von Ramzes Khatib in Anton Pirlo geändert. Seine recht simpel gestrickten Brüder haben sich in die Bredouille gebracht und erwarten Hilfe von ihm.
Das ist die Ausgangssituation dieses Krimis. Der Fall erscheint fast aussichtslos, aber Pirlo und Sophie, die sich allmählich zusammenraufen und sehr gut zusammen arbeiten können, sind beide äußerst hartnäckig! Es macht großen Spaß, die beiden bei ihrer Aufklärungsarbeit zu begleiten, bei der sie oft auf legal eher grenzwertige Methoden zurückgreifen.
Die Charaktere sind sympathisch, vielschichtig und gut gezeichnet, und von ihrem Zusammenspiel und ihren Kontrasten lebt die Handlung. Ich bin ein Fan von Gerichtsdramen (und Anwaltsserien) und fand auch die Szenen im Gerichtssaal sehr spannend und sehr gut beschrieben. Der familiäre Hintergrund der beiden Protagonisten spielt auch eine wesentliche Rolle, auch wenn die beiden darüber nicht miteinander reden.
Der manchmal etwas schnodderige Schreibstil ist gut lesbar, wobei Humor und Spannung auch nicht zu kurz kommen. Mein Fazit: Ein origineller, unterhaltsamer und spannender Roman, der nicht nur Fans von Justizkrimis zu empfehlen ist!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.06.2021

Temporeich, spannend, atmosphärisch

Berlin Heat
0

Dieser Nachcorona Berlin Noir ist sehr ungewöhnlich geschrieben, kein Thriller im herkömmlichen Sinn. Der spielsüchtige Tom Lohoff muss dringend seine Spielschulden begleichen - der Kredithai sitzt ihm ...

Dieser Nachcorona Berlin Noir ist sehr ungewöhnlich geschrieben, kein Thriller im herkömmlichen Sinn. Der spielsüchtige Tom Lohoff muss dringend seine Spielschulden begleichen - der Kredithai sitzt ihm schon im Nacken. Da kommen ihm die beiden unsympathischen Typen, die eine seiner Wohnungen zu einem verlockend hohen Preis für einen "Freund" mieten wollen, gerade recht. Allerdings ahnt er nicht, worauf er sich da eingelassen hat - es hat etwas mit einem AfD-Politiker zu tun! Tom vermietet Wohnungen an angereiste Party People, die alle unbedingt ins "Berghain" wollen, und versorgt sie mit allem, was sie so brauchen. Nach dem Corona-Jahr tut sich endlich wieder etwas auf dem Markt! Atemlos geht es durch die Berliner Nächte und Tom wächst einem trotz aller seiner Fehler irgendwie ans Herz. Im Gegensatz zu den meisten anderen Protagonisten des Romans - brutalen Psychopathen aus der kriminellen Szene - ist er kein schlechter Mensch. Nach allerlei aberwitzigen Wendungen, bei denen auch Menschen zu Tode kommen, kommt Tom am Ende relativ ungeschoren aus dem ganzen Schlamassel heraus.
Ein etwas anderer, ungeschönter Blick auf die Berliner Partyszne, humorvoll, aber teilweise auch recht heftig, rasant, spannend und erfrischend. Sicher nicht jedermanns Sache, aber von mir eine klare Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.03.2021

Sympathischer und spannender Krimi

Lockvogel
0

Ich mochte schon Theresa Prammers Krimireihe um Carlotta Fiore, die allerdings etwas düsterer war. Hier haben die Protagonisten zwar auch reichlich Probleme, aber die Grundstimmung ist doch eher heiter. ...

Ich mochte schon Theresa Prammers Krimireihe um Carlotta Fiore, die allerdings etwas düsterer war. Hier haben die Protagonisten zwar auch reichlich Probleme, aber die Grundstimmung ist doch eher heiter. Antonia (Toni) ist eine junge Schauspielschülerin, die bei ihrer Großmutter aufgewachsen ist. Die Oma ist inzwischen in eine edle Senoirenresidenz umgezogen, hat aber ihre Ersparnisse (über 300.000 €) und ihren Schmuck in einem Tresor in der Wohnung ihrer Enkelin deponiert. Nur leider hat sich Tonis Freund und Mitbewohner Felix mit diesen Wertsachen davongemacht - sie ist verzweifelt und glaubt an unglückliche Umstände, die Felix dazu veranlasst hätten. Deshalb sucht sie einen Privatdetektiv auf, der nach Felix suchen soll. Edgar Brehm ist ihr als preiswert empfohlen worden, aber auch er ist für Toni viel zu teuer. Da Edgar selbst in einer gewissen Notlage ist und einen großen Auftrag, den er allein nicht schaffen würde, bekommen könnte, schließen die beiden einen Pakt: Edgar sucht nach Felix, aber Toni soll ihm bei dem Auftrag der Frau des berühmten Filmregisseurs Alexander Steiner helfen: und schon ist ein originelles und sympathisches Ermittlerduo geboren!
Bei der jährlichen großen Party des Starregisseurs ist ein Kellner ermordet worden, der allerdings gar kein Kellner ist, sondern ein erfolgloser Drehbuchautor, der gehofft hatte, sein Manuskript an den Mann zu bringen. Aber darum geht es Frau Steiner gar nicht - ihr waren Dokumente zugespielt worden, aus denen hervorgeht, dass ihr Mann junge Schauspielerinnen sexuell belästigt hat und daher zu einem #MeToo-Fall werden könnte.
Es gibt diverse Verdächtige und Handlungsstränge und eine für mich unerwartete Auflösung. Wir lernen die beiden Ermittler gut kennen, der Schreibstil ist flüssig und die Handlung ist spannend. Nebenbei können wir auch noch etwas Atmosphäre am Filmset und in der Schauspielschule schnuppern. Obwohl der Krimi in Wien spielt, gibt es nicht allzu viel Lokalkolorit, was mich aber nicht weiter gestört hat. Ich habe die Lektüre genossen und mich gut unterhalten gefühlt, gegen Ende konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen. Klare Leseempfehlung für alle, die Ihre Krimis eher gewaltlos lieben!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere