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Fantasie-und-Traeumerei

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Veröffentlicht am 19.05.2022

Innehalten

Innehalten
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"Innehalten" war eine Empfehlung von der lieben Petzi, die mir das Buch als absolute Bereicherung ans Herz legte. Da auf ihre Buchtipps immer Verlass ist, bestellte ich mir das Buch sehr zeitnah, obwohl ...

"Innehalten" war eine Empfehlung von der lieben Petzi, die mir das Buch als absolute Bereicherung ans Herz legte. Da auf ihre Buchtipps immer Verlass ist, bestellte ich mir das Buch sehr zeitnah, obwohl ich ja in letzter Zeit sehr viele Bücher aus dem Bereich der mentalen Gesundheit gelesen habe.

"Innehalten" ist noch mal anders, noch mal mehr. Es ist sehr nachhaltig, hat viel bei mir ausgelöst und ich bin mir sehr sicher, dass ich es nochmal lesen werde, denn gefühlt konnte ich gar nicht all die schlauen Gedanken, die darin geteilt werden, erfassen.

"Manche glauben, Freiheit sei, alles selbst bestimmen zu können. Ich jedoch finde es wichtiger, seinen Geist durch einen regelmäßigen Tagesablauf zu befreien."

Fleur Sakura Wöss trifft mich auf dem richtigen Fuß. Ich bin eine der Menschen, die den Tag vollacken, bis keine einzige Lücke mehr bleibt. Kein Zwischenraum zum Durchatmen oder auftanken. Ich habe diesbezüglich schon viel gelernt, aber es ist immer noch schwierig neue Muster zu etablieren. Eins davon ist innehalten. Oft bemerke ich es daran, dass ich meine Gedanken nicht mehr gut sortieren kann oder Schwierigkeiten habe, die richtigen Worte zu finden. Ich betone immer wieder, dass ich Langeweile nicht kenne, aber eben das würde mir mal gut tun. Sie plädiert für mehr Stille. Im Alltag, im Kopf. Etwas, dass ich mir zu Herzen genommen habe. Ich schlafe nun nicht mehr mit Hörbuch oder Musik im Hintergrund ein. Etwas, von dem ich vermeintlich dachte, dass es mir hilft, hat eher dazu geführt, dass ich nicht gut zur Ruhe komme. Ich schlafe besser, seit ich nur noch den Geräuschen des Abends lausche.

"Es gibt Orte, an denen das Herz weit wird, und es gibt Orte, da meint man zu ersticken."

Dieser Satz diente bei uns Zuhause als Diskussionsgrundlage. Mein Mann und ich haben lange darüber geredet, was er bedeutet. Für uns im einzelnen, für uns beide, für unser gemeinsames Leben.

Es ist nur einer, der vielen klugen Sätze, die Fleur Sakura Wöss niederschreibt. In vielen Bereichen unseres Leben hilft innehalten, in vielen Bereichen hilft es leere Räume zu schaffen. Es fällt mir schwer alles, was sie sagt in wenige Worte zu packen, deshalb kann auch ich euch nur raten, dieses Buch zu lesen. Ich glaube, dass sie den Nerv vieler Leser*innen trifft, dass jeder von uns eine Sparte im Leben hat, die zu voll ist, zu schnell, zu dicht.

Fleur Sakura Wöss hat etwas mit mir gemacht. Ich denke oft an ihre Worte. Fühle mich von ihr verstanden und in den Arm genommen. Ganz besonders mit den folgenden Sätzen:

"Auf dem Berg gibt es viel Atem und viel Wind, den Atem der Natur. Viele Menschen steigen auf Berge, um dem Himmel näher zu sein und diese Weite zu spüren."

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Veröffentlicht am 07.03.2022

Elmet

Elmet
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"Elmet" ist ein Buch von kräftigem Sog, wie ich ihn nicht erwartet hätte. Friedlich beginnt die Geschichte von John, der mit seinen Kindern im Wald lebt. Drei Menschen als eine Einheit, die durch Hilfsbereitschaft ...

"Elmet" ist ein Buch von kräftigem Sog, wie ich ihn nicht erwartet hätte. Friedlich beginnt die Geschichte von John, der mit seinen Kindern im Wald lebt. Drei Menschen als eine Einheit, die durch Hilfsbereitschaft einen Freundeskreis aufgebaut hat, aber nicht auf öffentliche Institutionen, wie Schule oder ähnliches, angewiesen ist. Alles, was die Kinder Daniel und Cathy wissen müssen, lernen sie von ihrem Daddy, von der Natur, davon das Leben zu leben. Eine beneidenswerte Einheit.

Cathy und Daniel wirken geerdet. Trotz des Verlustes der Mutter und der immer wieder mal vorkommenden Abwesenheit des Vaters. Ein Streuner, der mal hier mal da Jobs annimmt, in denen er vor allem seine Muskelkraft benötigt. Cathy und Daniel sind zielstrebig, ehrlich, robust. Die Zuneigung ihres Vaters ist uneingeschränkt, sie haben eine gute Kindheit, vermissen nichts. Doch das macht sie zu Außenseitern und weckt Neid und Jagdlust bei den anderen. Es passt nicht ins Weltbild mit wenig zufrieden zu sein. Keinen Trieb nach materiellem oder Anerkennung zu spüren. Empathie und Schläue werden ihnen aberkannt und das, obwohl die sich nicht durch Besitz, sondern durch eine gute Verbindung zu sich selbst und ein friedvolles Miteinander ausbilden.

Es wird schlimm enden. Das ist von Anfang an untergründig zu spüren. Diese Dunkelheit nimmt mehr und mehr Besitz von der Geschichte, meinen Gedanken, meinem Empfinden. Ich spüre ein Unbehagen vor dem, was auf mich zukommt. Es sind die machtgierigen Männer, die Schäden anrichten, und genau so einen gibt es auch in "Elmet". Sein Auftreten ist unangenehm, bedrückend. Es geht eine nicht greifbare Bedrohung von ihm aus, obwohl John Smythe derjenige ist, der die bedrohlich aussehenden Muskeln hat. Doch Gerechtigkeit ist ein Fremdwort für jene, die getrieben sind von Macht und Größenwahnsinn.

Fiona Mozley ist ein beeindruckendes Debüt gelungen, das rau und bedrückend daherkommt, aber einen Hauch von Freiheit und ein Gefühl von Verbundenheit hinterlässt. Wie sehr kann die Gier, die Abhängigkeit von Materiellem, die Menschlichkeit vernichten? Wie sehr erdet und verbindet uns das Leben in der Natur? Gedanken, die bleiben, nach einem Roman, der leise beginnt und mit voller Wucht zuschlägt. Von mir gibt es eine große Leseempfehlung für dieses bestechende Debüt.

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Veröffentlicht am 26.01.2022

Emotionen und Empathie erfahren

Da sein
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Gefühle zu kennen, Gefühle benennen zu können führt zu mehr Handlungsfähigkeit. In Bezug auf die eigenen Bedürfnisse, aber auch im Umgang mit anderen Menschen.

Es kann passieren, dass mein Kind so handelt, ...

Gefühle zu kennen, Gefühle benennen zu können führt zu mehr Handlungsfähigkeit. In Bezug auf die eigenen Bedürfnisse, aber auch im Umgang mit anderen Menschen.

Es kann passieren, dass mein Kind so handelt, dass ich darin die Emotion Wut lese. Tatsächlich ist sie/er aber müde, traurig oder enttäuscht. Vielleicht wird daraus Wut, weil ich sie/ihn nicht verstehe, vielleicht ist ihr/ihm die Äußerung des Gefühls Wut vertrauter. Je besser sie ihre eigenen Gefühle kennt, desto besser ist die Selbstwahrnehmung, die als Basis für jegliches soziales Handeln dient.

Erst das Äußern der eigenen Gefühle, sei es in Worten, Gesten oder Mimik, sorgt dafür, dass ich meine Bedürfnisse verständlich machen und auch die anderer Personen wahrnehmen kann (Stichwort Empathie)

Das Wissen über Emotionen kommt aber nicht von ungefähr, daher sind unsere Kinder auf unsere Unterstützung angewiesen. Dies kann unter anderem in Form von lesen geschehen.

Kathrin Schärer hat mit "Da sein. Was fühlst du?" eine gute Unterstützung für die Entwicklung der Gefühlswelt konzipiert. Liebevolle Zeichnungen begleiten die tierischen Protagonisten ihres Bilderbuchs, das mit wenigen, aber wichtigen Worten auskommt.

Meine Töchter haben viel Freude am Buch. Daran zu erkennen was die herzigen Tiere wie Maus, Erdmännchen oder Igel gerade fühlen und wie sie mit diesen Gefühlen umgehen. "Da sein. Was fühlst du?" hilft uns ins Gespräch zu kommen. Nicht nur über die Emotionen der dargestellten Tiere, sondern auch über die eigenen. Wie sehe ich aus, wenn ich traurig bin? Bedeuten Tränen immer Traurigkeit? In welchen Situationen empfinde ich Freude? Wann Wut? Die Kinder fühlen sich gesehen und ich fühle mich gefördert in meinem Wunsch meine Töchter Bedürfnisorientiert zu begleiten.

Von mir und meinen Räubermädchen gibt es eine große Empfehlung für "Da sein. Was fühlst du?"

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Veröffentlicht am 04.11.2021

Barbara stirbt nicht

Barbara stirbt nicht
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Ich glaube, Alina Bronsky hat ein Buch über meine Großeltern geschrieben. Natürlich nicht, aber was sie über Walter und Barbara schreibt, ist genau das, was die Beziehungen dieser Generationen ausmacht. ...

Ich glaube, Alina Bronsky hat ein Buch über meine Großeltern geschrieben. Natürlich nicht, aber was sie über Walter und Barbara schreibt, ist genau das, was die Beziehungen dieser Generationen ausmacht. Themen, Werte, Verhaltensmuster, die nicht nur die Generation unserer Großeltern prägt, sondern auch die Generationen, die danach folgen. Die unserer Eltern, unsere eigene und wenn wir nicht aufpassen, auch die unserer Kinder.

Walter und Barbara sind schon lange verheiratet. Nach dem Krieg haben sie zueinander gefunden, obwohl die Barbara eigentlich von denen abstammt, vor denen Walter damals mit seiner Familie flüchtete. Für die Mutter erschütternd, weshalb sie und die Barbara nie so richtig zueinander fanden. Und das, obwohl sich er Walter so viel Mühe gegeben hat Barbara die Sprache richtig beizubringen. Und auch das Kochen. Deutsche Gerichte. Nicht dieses rote Bete Zeugs von denen.

Nun liegt Barbara im Bett und isst nicht richtig. Dabei weiß doch jeder, das man nur gesund wird, wenn man richtig isst. Also fängt Walter an zu kochen. Barbara ist ihm dabei keine gute Hilfe. Ihre Mengenangaben sind unpräzise, die Arbeitsschritte kann sie auch nicht detailliert beschreiben. Doch dann entdeckt Walter diesen Fernsehkoch und beginnt seine Rezepte nachzukochen. Mit dem Kochen kommt der Kontakt zu Barbara, zur Vergangenheit, zu seinen eigenen Kindern und zu anderen Menschen. Via Facebook.

Alina Bronsky ist ein ganz großartiges Generationenporträt gelungen. Klug und mit einem spitzfindigen Humor entwickelt sie die Figur Walter, die ich als Leserin mal liebe, mal am liebsten schütteln möchte. Seine Blick auf die Welt ist so engstirnig, konservativ und geprägt vom Nationalsozialismus, dass man ihn eigentlich nicht mögen kann. Aber auf der anderen Seite zeigt sich, dass er eigentlich ein gutes Herz hat und das alle seine Interaktionen geprägt sind von seiner eigenen Sozialisierung, aus der er nie herausgefunden hat. Nicht alles davon ist schlecht. Nicht sein Wunsch sich zu kümmern, nicht sein Wunsch nach Struktur und nicht der Wunsch danach, dass die Menschen, die er mag (nicht so viele) ebenfalls ein geordnetes Leben führen. Seine Herangehensweise jedoch...er schaut weder nach rechts, noch nach links, ist eingefahren in seinen Denkmustern und auch gar nicht bereit diese zu verändern. Die Wünsche seiner Familie nimmt er nicht mal ansatzweise wahr und versteht trotzdem nicht, warum da so viel aus dem Ruder läuft.

Alina Bronsky hat mich sehr häufig zum Lachen gebracht und gleichzeitig ist der Verlauf von Walters Leben und das der Menschen, die er mit seinem Denken und Handeln geprägt hat, sehr traurig. Seine Geschichte ist wichtig für unsere Generation und die Generationen der Zukunft. Denn genau so läuft es in vielen Haushalten, in vielen Familien ab.

Ich halte ihren Roman für sehr wichtig, um verständnisvoller mit uns selbst umzugehen. Um die Schatten der Vergangenheit in unserer Denkweise aufzudecken. Bronsky schafft Verständnis, ohne zu beschönigen, und öffnet einen Weg eigene Perspektiven zu wechseln und zu verändern. Eine ganz große Empfehlung für "Barbara stirbt nicht", das für mich eins der Highlights des Jahres ist.

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Veröffentlicht am 20.09.2021

Resilienz in der Familie

Uns haut so schnell nichts um
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Schon kurz nach dem Einzug in mein Bücherregal, habe ich "Uns haut so schnell nichts um" zweimal gelesen. Leandra Vogt bietet mir so viel Input und das sogar auf mehreren Ebenen.

Als Mutter zweier Töchter ...

Schon kurz nach dem Einzug in mein Bücherregal, habe ich "Uns haut so schnell nichts um" zweimal gelesen. Leandra Vogt bietet mir so viel Input und das sogar auf mehreren Ebenen.

Als Mutter zweier Töchter habe ich ein großes Interesse meinen Kindern möglichst viel Kraft und Stärke mit auf den Weg zu geben. Krisen und negative Erlebnisse sind Teil des Lebens und wir können uns und unsere Kinder nicht davor schützen. Was wir tun können: ihnen einen guten Rucksack voll Kraft, Fähigkeiten und Hilfsmitteln packen. Zusammengefasst ist dieser Rucksack das, was Resilienz macht.

Als Resilienztrainerin und Pädagogin verfüge ich schon über einiges Basiswissen im Bereich Resilienz. "Uns haut so schnell nichts um" empfinde ich als Bereicherung, als Ergänzung und Vertiefung zu meiner Arbeit, aber besonders als sehr gutes Hilfsmittel für mein Mutterleben.

Leandra Vogt bietet eine gute Einführung in das Thema, die auch für diejenigen verständlich ist, die noch nie was von Resilienz gehört oder sich näher damit beschäftigt haben. Sie erläutert die 7 Schlüssel der Resilienz, sowie einen weiteren, den sie durch ihre Erfahrung, ihre Arbeit mit Familien für wichtig erachtet. Alle Schlüssel der Resilienz werden ausgiebig und gut verständlich erläutert.

Mit einer ganz besonderen Leichtigkeit geht Leandra Vogt in die Tiefe der eigenen Erfahrungen, der eigenen Kindheit, ihrer Leserschaft. Welche sozialen Gefüge, welche Glaubenssätze, welche Erziehungsmethoden prägen unsere Elternschaft? Welche können wir gut weiterführen und welche besser überdenken, um unsere Kinder in eine resiliente Kindheit zu begleiten?

Resilienz ist trainierbar. Jeder Zeit. Von uns allen. Das zeigt Leandra Vogt im Praxisteil ihres Buches. Ausführlich und gut umsetzbar, ideenreich und so zugeschnitten, das Eltern und Kinder erreicht werden, gibt sie Tipps, um von Zuhause aus eine stärkere Resilienz zu erarbeiten.

Super gerne mag ich das Layout des Buches. Die Kapitel kommen in aktuellem und einladendem Look daher, freundlich und sympathisch. Hier wurde gut gearbeitet, um das Gesamtkonzept aus Inhalt und Optik auf einen Nenner zu bringen, der auf den ersten Blick die Verbundenheit vermittelt, mit der Vogt mich auch inhaltlich anspricht.

Ich konnte nicht nur als Mutter ganz viel aus Vogts Texten und Anleitungen mitnehmen, sondern auch als Resilienztrainierin. Einige Dinge konnte ich aus einem anderen Blickwinkel betrachten und bekomme gute Methoden für meine Arbeit mit an die Hand. Ich fühle mich von Leandra Vogt gestärkt und sicher begleitet. In meiner Arbeit, in meinem Mutter sein und in meinem eigenen Ich.


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