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Veröffentlicht am 16.06.2017

Stolpersteine des Lebens

Dich im Herzen
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Mit ihrem Mann Martin wohnt Annie Harlow in einer tollen Wohnung in L.A., ist Produzentin einer bekannten Kochshow und schwanger. Doch eines Tages hat Annie einen schweren Unfall und liegt monatelang im ...

Mit ihrem Mann Martin wohnt Annie Harlow in einer tollen Wohnung in L.A., ist Produzentin einer bekannten Kochshow und schwanger. Doch eines Tages hat Annie einen schweren Unfall und liegt monatelang im Koma. Erst ein Jahr später erwacht sie in einem Krankenhaus und kann sich an nichts mehr erinnern, ihr altes Leben gibt es nicht mehr. So kehrt sie allein zurück auf die Ahornfarm ihrer Familie ins idyllische Vermont. Dort trifft sie auf ihre alte Jugendliebe Fletcher Wyndham. Wird Fletcher Annies Erinnerungen wieder auffrischen können? Und wird Annie die Veränderungen in ihrem Leben annehmen und wieder Freude am Leben finden können?

Susan Wiggs hat mit ihrem Buch „Dich im Herzen“ einen unterhaltsamen und gefühlsbetonten Roman vorgelegt, der sowohl menschliche Schicksale als auch die Liebe zum Thema haben. Der Schreibstil ist angenehm flüssig, schnell ist der Leser mitten in der Geschichte gefangen und erlebt als Annies Schatten sowohl die Schatten- als auch die Sonnenseiten der Hauptprotagonistin. Durch die unterschiedlichen Handlungsstränge, die die Gegenwart und Vergangenheit beleuchten, und die eingesetzten Perspektivwechsel bekommt der Leser einen guten Einblick in das Leben von Annie und Fletcher, schaut hinter deren Fassade und kann ihre Gefühle und Gedanken aus erster Hand erfahren. Die Landschaftsbeschreibungen von Vermont sind so bildhaft, dass man sich die wunderschöne Gegend gut vorstellen kann. Auch die Erwähnung so mancher kulinarischen Köstlichkeit macht während des Lesens Appetit. Der Mittelteil des Buches hätte etwas gestrafft werden können, hier war die Handlung etwas langatmig.

Die Charaktere sind sehr schön skizziert und in Szene gesetzt. Sie wirken lebendig und recht authentisch. Annie ist eine sympathische Frau, die sich viele ihrer Träume erfüllt hat, nur um dann durch einen Schicksalsschlag alles zu verlieren. Sie ist eine leidenschaftliche Köchin und es scheint, als wäre sie nur dann wirklich glücklich. Annie ist eine kreative und offene Frau, die allerdings auch einen großen Dickschädel besitzt und sich damit manchmal im Weg steht. Fletcher ist ein netter Mann, der ebenfalls schon so einige Päckchen zu tragen hatte. Er ist freundlich, hilfsbereit, offen und ehrlich. Er steht zu seinen Entscheidungen und steht für die Dinge ein. Auch die nebenbei auftauchenden Protagonisten stützen mit ihrem Wesen, ihrem Verhalten und ihren Geschichten die Handlung und machen sie rund.

„Dich im Herzen“ ist ein schöner Schicksals- und Liebesroman, der aufzeigt, dass das Leben nicht immer gerade verläuft, sondern mit vielen Hindernissen gespickt ist, die es zu überwinden gilt und um aus ihnen zu lernen. Alle Bücherbegeisterten, die gern Romane mit Wendungen und Stolpersteinen lesen verbunden mit einer Liebesgeschichte, werden hier gut bedient. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 07.05.2017

Roadtrip

Apfelblüten im August
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Als Ehemann Troy ganz plötzlich an einer Infektion stirbt, steht Sky mit Tochter Rachel ganz allein und ohne Job da. Obwohl sie zu ihrer Halbschwester Tara kein besonders gutes Verhältnis hat und der Kontakt ...

Als Ehemann Troy ganz plötzlich an einer Infektion stirbt, steht Sky mit Tochter Rachel ganz allein und ohne Job da. Obwohl sie zu ihrer Halbschwester Tara kein besonders gutes Verhältnis hat und der Kontakt in letzter Zeit auch eher sporadisch war, ist es gerade diese, die ihr in ihren schwersten Stunden unter die Arme greift. Tara ist samt Musikband, schwarzem Ehemann Aaron und ihrem Sohn mit einem Tourbus unterwegs durch die USA und nimmt Sky und Rachel auf die Reise mit, um die beiden in ihrer Heimatstadt abzusetzen. Während des Road-Trips haben Tara und Sky viel Zeit, miteinander zu reden, ihre eigenen Konflikte auf den Tisch zu bringen und sie zusammen zu lösen, um sich wieder anzunähern. Wird es den Schwestern gelingen, sich zusammenzuraufen? Wird Sky mit Rachel wieder ein glückliches Leben führen können?

Ann Pearlman hat mit ihrem Buch „Apfelblüten im August“ den Nachfolgerband zu „Christmas Cookie-Club“ vorgelegt. Auch ohne den Vorgängerroman gelesen zu haben, kann der Leser der Handlung gut folgen. Der Schreibstil ist flüssig und recht schnell findet man sich an der Seite von Sky wieder, begleitet sie in ihren schwersten Stunden. Die Handlung wird in wechselnden Perspektiven, mal aus der Sicht von Sky, mal aus der von Tara erzählt und gibt so Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelten, wobei es auch Rückblenden in die Vergangenheit gibt. So lernt der Leser beide Schwestern auf ganz eigene Art kennen und versteht die schwierige Beziehung zwischen den beiden viel besser. Die Handlung bietet von Rassismus bis hin zu den unterschiedlichen Berufen der beiden Schwestern eine Vielfalt an Themen, die Unterschiedlichkeit der Schwestern deutlich zu machen.

Die Charaktere sind vielfältig angelegt und detailliert ausgearbeitet, sie haben alle ihre Eigenheiten, wodurch sie sehr lebendig und authentisch wirken. Sky ist eine erfolgreiche Anwältin, die den plötzlichen Verlust ihres Ehemannes erst einmal verarbeiten muss. Gleichzeitig wird sie dadurch an den frühen Tod ihres Vaters erinnert und an die eigenen schwierigen Familienverhältnisse in der Vergangenheit. Sky fühlt sich ohne Wurzeln, weiß nicht, wohin sie und ihre Tochter nun gehören, verzweifelt fast an der Situation. Das Verhältnis zu ihrer Halbschwester Tara war immer schon schwierig, doch ausgerechnet jetzt bietet diese ihr Unterstützung an. Tara ist die Extrovertierte der beiden Schwestern, sie wirkt fast wie eine Rebellin. Tara ist mit einem Schwarzen verheiratet, macht Rap-Musik und tourt gerade recht erfolgreich mit ihrer Band durchs Land. Die beiden Schwestern standen schon immer in Konkurrenz zueinander und gerade das Zusammenleben auf engem Raum zwingt sie nun dazu, sich miteinander zu arrangieren und ihre alten Vorbehalte außen vor zu lassen bzw. diese endlich auf den Tisch zu bringen und sich damit auseinander zu setzen. Die Nebenprotagonisten stützen die Handlung durch kleine Episoden und eigene Geschichten.

„Apfelblüten im August“ ist ein unterhaltsamer Roman über einen Roadtrip „back to the roots“, die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Verarbeitung eines Schicksalsschlages. Alle, die gern Familiengeschichten lesen, werden diese Geschichte mögen. Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 01.05.2017

Hoffnung und Vergebung

Ein Garten der Hoffnung
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1964 Hollyhill/Kentucky. Nach einem Tornado ist in der Stadt Hollyhill langsam wieder Normalität eingekehrt. Die 13-jährige Joci lebt mit ihrem Vater David und ihrer schwangeren Schwester Tabita zusammen ...

1964 Hollyhill/Kentucky. Nach einem Tornado ist in der Stadt Hollyhill langsam wieder Normalität eingekehrt. Die 13-jährige Joci lebt mit ihrem Vater David und ihrer schwangeren Schwester Tabita zusammen mit dem durch den Tornado verletzten Wes und der Haushälterin Miss Love unter einem Dach. Joci macht sich immer noch Vorwürfe, dass sie an Wes‘ Verletzung schuld ist, die er sich bei einem Tornado zugezogen hat. David ist sowohl der Pastor der Gemeinde als auch der Verleger der örtlichen Zeitung „Banner“, wo Joci ebenfalls immer wieder mithilft. Eines Tages lernt Joci bei einem Fahrradausflug Noah kennen, der Junge ist gerade erst mit seiner Familie von Chicago nach Hollyhill gezogen, weil sein Vater eine Apfelplantage aufbauen will. Noah ist schwarz und erst gerade wurde die Rassentrennung per Gesetz aufgehoben. Doch einige Einwohner können sich mit dieser Tatsache noch nicht abfinden, so dass es nach und nach zu immer mehr zu Unruhen kommt, ob im Diner, in der Schule oder in der Kirche. Doch Joci freundet sich mit Noah und seiner Familie an, und auch David setzt sich dafür ein, dass alle Menschen gleich sind. Unterstützung bekommen sie durch liebe Freunde. Doch der Ku-Klux-Klan rottet sich zusammen und kommt diesmal auch in das kleine Städtchen Hollyhill…

Ann H. Gabhart hat mit ihrem Buch „Ein Garten der Hoffnung“ den zweiten Teil einer Trilogie vorgelegt. Damit man dem Roman gut folgen kann, empfiehlt es sich auf jeden Fall, den ersten Band zuerst zu lesen, um die Familiengeschichte besser nachvollziehen zu können und mehr Informationen zu den Beziehungen der einzelnen Menschen untereinander zu erhalten. Der Schreibstil ist flüssig und erzählt hauptsächlich in der dritten Person aus der Sicht von Joci. Sie ist die eigentliche Hauptperson des Romans, die ihre Familie, Freunde und Bekannten unter die Lupe nimmt und ihre Gefühle für die einzelnen Personen preisgibt. Das Thema „Aufhebung der Rassentrennung“ wurde von der Autorin sehr schön in die Handlung miteingeflochten, es ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte und den Protagonisten, wobei es auch heute noch durchaus aktuell ist, denn die Menschen reagieren heute vielleicht anders, aber nicht weniger grausam als zur damaligen Zeit. Auch macht die Autorin mit dem Thema die Spaltung innerhalb der Bevölkerung deutlich.

Die Charaktere wurden liebevoll ausgearbeitet und in Szene gesetzt. Joci ist ein kluges junges Mädchen, das schon so einige Schläge einstecken musste. Die Mutter verließ sie und hat ihre ältere Schwester einfach mit nach Californien genommen und so die Geschwister für lange Zeit getrennt. Der Tornado hat fast ihren „Opa“ Wes getötet und sie gibt sich dafür die Schuld. Aber Joci führt ein Journal, in dem sie alles über jeden, der ihr lieb und teuer ist, einträgt, um die Person besser zu verstehen. Außerdem hat sie ein Händchen fürs Fotografieren und für Gebete – es gibt einfach für jeden Anlass ein neues Gebet. Joci ist so ohne Vorbehalte, tief in ihrem Glauben verhaftet und stellt trotzdem immer wieder alles in Frage, um sich dann die Antworten bei ihrem Vater oder in Gesprächen mit Wes zu holen, ihren Glauben kann es jedoch nicht erschüttern. David ist ein sehr sympathischer Mann, der plötzlich die Liebe für sich entdeckt. Er hat eine sehr empathische Art seinen Mitmenschen gegenüber und findet immer die richtigen Worte, um schwierige Situationen zu entschärfen. Wes ist ein alter liebevoller Brummbär, der aber selbst ein Geheimnis hat und darunter schwer zu leiden hat. Noah ist ein netter Junge, der schon früh Verantwortung für seine Geschwister und seine Familie trägt. Auch die anderen Charaktere sind schön platziert und tragen mit ihren ganz eigenen Geschichten das Gefühl von Zusammengehörigkeit in einer kleinen Gemeinde bei.

Der christliche Aspekt wurde innerhalb der Handlung sehr schön ausgearbeitet. Es gibt viele Ferse und Psalmen sowie persönliche Gebete, die zu der jeweiligen Situation gut passen. Das Hauptthema „Vergebung“ wird ebenso ausführlich behandelt wie die Hoffnung auf Gott.

„Ein Garten voller Hoffnung“ ist ein nachdenklich stimmender Roman über das Leben in einer Kleinstadt im Amerika der 60er Jahre zu Zeiten Martin Luther Kings und die Aufhebung der Rassengesetze. Alle, die sich für das Thema interessieren, werden hier eine sehr schöne Lektüre vorfinden. Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 01.05.2017

Auf der Suche

Den ganzen Weg entlang
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Liz ist 27 Jahre alt und braucht unbedingt einen Tapetenwechsel. Gerade hat sie ihren Job gekündigt, als sie ihren Freund Jason mit einer anderen erwischt. Nun muss sie sich neben einem neuen Job auch ...

Liz ist 27 Jahre alt und braucht unbedingt einen Tapetenwechsel. Gerade hat sie ihren Job gekündigt, als sie ihren Freund Jason mit einer anderen erwischt. Nun muss sie sich neben einem neuen Job auch noch ein neues Apartment suchen. Also genau der richtige Moment, um den Wohnort zu wechseln. So packt Liz ihre Sachen und findet in einem Haus im kalifornischen San Fernando Valley ein neues Zuhause. Ihr neuer Nachbar Noah ist ein netter junger Mann, der sich Hals über Kopf in Liz verliebt. Aber Liz bemerkt das in ihrer momentanen Situation gar nicht. Sie sieht ihn nur als guten Freund, dem sie ihr Herz ausschütten kann. Kaum kehrt einigermaßen Ruhe in ihr Leben, versetzt sie die Hochzeit ihrer Schwester Casey erneut in Krisenstimmung, denn diese will ihren Vater Jake einladen, den beide seit 19 Jahren nicht mehr gesehen haben. Liz ist nicht begeistert, aber um ihrer Schwester diesen Wunsch zu erfüllen, macht sie sich daran, ihn aufzuspüren. Wie wird ihre erste Begegnung verlaufen? Wird sie ihm jemals verzeihen können, dass er sie im Stich gelassen hat?

Carina Posch hat mit ihrem Buch „Den ganzen Weg entlang“ ihren zweiten Roman vorgelegt, in dem es um verletzte Seelen und zerbrochene Familien geht. Der Schreibstil ist flüssig und gefühlvoll, schnell taucht der Leser in Liz‘ Welt ein und begleitet sie eine Weile durch ihr Gefühlschaos und ihr Leben.

Die Charaktere sind sehr unterschiedlich ausgearbeitet, haben alle ihre Eigenheiten und wirken so sehr lebendig. Liz ist eine Frau, die man erst auf dem zweiten Blick besser verstehen kann. Zu Beginn wirkt sie sehr unstet. Die ständigen Jobwechsel, wenn ihr gerade etwas nicht gefällt, ebenso wie die Beziehung zu Jason zeigen, dass sie noch nicht so wirklich weiß, was sie sich eigentlich für ihr Leben wünscht und in welche Richtung sie gehen will. Vielleicht liegt es gerade daran, dass sie noch ein Kind war, als ihr Vater sie verlassen hat. Sie kennt keine Stabilität in ihrem Leben, wofür auch die Wahl von Jason als Freund sehr bezeichnend ist, denn Jason ist zwar ein cooler Typ, aber er will keine enge Beziehung oder Verpflichtungen, sondern eigentlich nur seinen Spaß; er lässt sich nicht kontrollieren, aber gerade das ist Liz‘ Problem, sie möchte die Kontrolle über die Dinge behalten. Noah ist ein eher verträumter junger Mann, der sein Herz auf Anhieb an Liz verschenkt, die das gar nicht so richtig zu würdigen weiß. Liz ist immer noch wie auf der Flucht und es braucht ein einschneidendes Erlebnis, damit sie endlich anhält und Luft holt, so dass ihr Leben von da an normal verlaufen kann.

„Den ganzen Weg entlang“ ist ein unterhaltsamer und emotionaler Roman über die Liebe, Familienbaustellen und die Suche nach einem glücklichen Leben und sich selbst. Für dieses kleine Buch gibt es auf jeden Fall eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.04.2017

Was nicht sein darf...

Hinter den Augen der Welt
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17. Jh. England. Mary Grosvenor ist die Tochter eines Baronets und wurde schon von Kindesbeinen an erzogen, sich wie eine Adlige zu bewegen und zu benehmen. So weiß sie sich auf Bällen und Empfängen zu ...

17. Jh. England. Mary Grosvenor ist die Tochter eines Baronets und wurde schon von Kindesbeinen an erzogen, sich wie eine Adlige zu bewegen und zu benehmen. So weiß sie sich auf Bällen und Empfängen zu verhalten und ist sich ihrer Rolle durchaus bewusst. Ist es doch ein ständiges Streben ihres Vaters, immer mehr Macht und Anerkennung zu erreichen, weshalb er Mary auch angemessen verheiraten möchte. Zu den einfachen Angestellten und Bediensteten hat Mary kaum engeren Kontakt. Dies ändert sich schlagartig, als sie dem jungen Stallburschen Fynn begegnet. Von ihm fühlt sie sich regelrecht angezogen und auch Fynns Herz schlägt schneller bei ihrem Anblick. Schon bald kommen sich die beiden näher, doch ihre Beziehung ist nicht von Glück beschienen. Ihre Treffen finden in aller Heimlichkeit statt, denn Fynn hat ein Geheimnis, und auch in Marys Familie hat jeder etwas zu verbergen. Wenn jemand herausfindet, dass Fynn gar kein Mann ist, bringt es sowohl Mary als auch Fynn in größte Gefahr und könnte sogar mit dem Tod enden. Hat ihre Liebe trotzdem eine Chance und wer ist ihr größter Feind?

Tess Schirmer hat mit ihrem Buch „Hinter den Augen der Welt“ einen sehr spannenden historischen Debütroman vorgelegt, der vor der Kulisse des mittelalterlichen Englands seine Bühne findet. Der Schreibstil ist geprägt sowohl von Poesie als auch Melancholie, gespickt mit französischen Redewendungen, die mancher Leser nicht gewohnt sein mag, jedoch die passende Sprache der herrschaftlichen und adligen Familien zu jener Zeit wiederspiegelt und sehr authentisch umgesetzt wurde. Der Spannungsbogen wird gemächlich aufgebaut und die Perspektivwechsel zwischen Fynn und Mary mit ihren Gedanken und Gefühlen steigern diese immer mehr bis zum finalen Schluss. Besonders hervorzuheben ist die gelungene Darstellung der einzelnen Gesellschaftsschichten und ihre jeweilige Sicht der Dinge; die Autorin hat hier sehr gute Arbeit geleistet und die jeweiligen Sprachunterschiede und Verhaltensweisen besonders herausgearbeitet, was alles noch authentischer und lebendiger macht. Die aufwendige Recherche hat sich hier auf jeden Fall gelohnt. Auch die Wahl der Hauptthematik, nämlich die damals tabuisierte Liebe zwischen zwei Frauen, hat die Autorin sehr gut ausgearbeitet und spannend in Szene gesetzt. Ständig schwebt der Leser zwischen Heimlichkeit und Aufdeckung, bangt und leidet mit den beiden Hauptprotagonisten, denen die gestohlenen Stunden der Zweisamkeit die glücklichsten Momente ihres Lebens bescheren. Daneben spielen Missgunst, Neid und ständige Intrigen ebenfalls eine Hauptrolle, es wirkt, als wenn alle einen Tanz auf dem Drahtseil unternehmen, wobei bis zum Ende nicht klar ist, wer diesen Akt überstehen wird.

Die Charaktere sind sehr unterschiedlich angelegt und ausgestaltet worden, sie wirken sehr echt und authentisch, der Leser kann sich sehr gut in sie hineinversetzen, wird er doch in ihre Gefühls- und Gedankenwelt eingeweiht. Mary ist eine junge Frau, die behütet aufgewachsen ist und auf ihre Rolle in der Gesellschaft vorbereitet wurde. Wirkt sie zu Beginn noch eher wie ein Snob und recht arrogant, so entwickelt sie sich im Laufe der Handlung doch sehr zu ihrem Vorteil. Sie ist mitfühlend und sympathisch und hat das Herz am rechten Fleck. Fynn ist ein Geheimnis für sich, als Mann verkleidet und ständig auf der Flucht vor Entdeckung, verschmäht er den Adel und verliebt sich doch in ein Mitglied davon. Fynn ist von Ängsten durchzogen und hat ständig Angst, demaskiert zu werden. Manchmal wirkt es auch, als wäre Fynn auf der Flucht vor sich selbst und seinen Gefühlen, denn Fynn ist bewusst, dass das, was er/sie fühlt, kein gesellschaftliches Verständnis oder Toleranz erfahren wird. Lord Henry ist ein selbstverliebter und grausamer Mann, der nichts dem Zufall überlässt und die Menschen nach seinem Gutdünken manipuliert, um ans Ziel zu kommen. Auch die anderen Protagonisten verleihen der Handlung mit ihren eigenen Episoden und ihrem Verhalten auf die eine oder andere Weise Spannung und etwas Geheimnisvolles.

„Hinter den Augen der Welt“ ist ein sehr spannender historischer Roman um eine ungleiche Liebe in einer Gesellschaft, die diese niemals tolerieren würde. Ein sehr beeindruckendes Debüt über ein schwieriges Thema, das bis zum Schluss zu fesseln weiß. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung!