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Veröffentlicht am 19.11.2021

Trotz einiger Klischees und geringer Originalität mitreißend und gefühlsintensiv!

We don’t talk anymore
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We don´t talk anymore" war mein erstes Buch von Julie Johnson und auch wenn ich in mehrerlei Hinsicht eine völlig falsche Vorstellung davon hatte, konnte es mich mehr überzeugen als erwartet. Trotz einiger ...

We don´t talk anymore" war mein erstes Buch von Julie Johnson und auch wenn ich in mehrerlei Hinsicht eine völlig falsche Vorstellung davon hatte, konnte es mich mehr überzeugen als erwartet. Trotz einiger Klischees und nur geringer Originalität hat mich die Geschichte von Josephine und Reyes tief berührt und in einem Sog aus Freundschaft, Liebe, Verletzlichkeit, Angst und Gefahr mitgerissen.


Josephine: "Ich rief seinen Namen, und er erwachte zum Leben."


Das Cover ist mit der wasserartigen blauen Blase und den goldenen geometrischen Figuren ein echter Eye-Catcher. Auch wenn ich beim besten Willen nicht erklären kann, was diese Komposition darstellen soll gefällt mir die schlichte, moderne, aber doch mit den goldenen und rosé-goldenen Akzenten sehr hochwertigen Machart sehr gut. Auch dass der LYX Verlag sich hier für den Originaltitel entschieden hat, finde ich sinnvoll. Etwas geärgert hat mich aber, dass hier nicht klarer deutlich gemacht wurde, dass es sich hier um den Auftakt einer Dilogie handelt, die sich um dieselben Figuren drehen. Klar, das war auch mein Fehler, aber als ich "Anymore-Duett" gelesen habe, nahm ich ganz automatisch an, dass es sich hier wie im Young Adult Genre üblich und häufig vorkommend um zwei miteinander verbundene, aber alleinstehende Geschichten handelt. Angesichts der Tatsache, dass Band 2 stattdessen eine echte Fortsetzung der Geschichte von Jo und Archer ist und erst im März 2022 erscheint, hätte ich mir wohl zweimal überlegt, den spannend klingenden Roman zu bestellen. Dann wäre mir aber wohl eine sehr gefühlsintensive Geschichte entgangen...


Josephine: "Egal wie wütend ich auf ihn bin, egal wie sehr er mich verletzt hat, ich kann es nicht ertragen, Archer leiden zu sehen. Ich würde mir lieber tausendmal selbst das Herz brechen, als zuzusehen, wie seins zersplittert. Fühlt es sich so an, jemanden zu lieben?"


Mein zweiter Irrtum, der ebenfalls meiner mangelnden Vorab-Recherche geschuldet ist, ist die Tatsache, dass es sich hier nicht wie erwartet um einen New Adult, sondern um einen Young Adult Roman handelt. Da im LYX Verlag häufig Geschichten von älteren ProtagonistInnen erscheinen, war ich auf den ersten Seiten erstmal überrascht, dass es sich bei der elitären "Exeter Academy" um eine High-School handelt und wir es mit minderjährigen Protagonisten zu tun haben. Versteht mich nicht falsch - ich liebe Young Adult und kann mich auch in jüngeren Charakteren gut wiederfinden -, ich hatte einfach nur nach dem Klapptext eine etwas reifere Geschichte vermutet. Statt um erste Jobs, Leidenschaft und Verantwortung geht es hier also um die soziale Hackordnung an der Schule, Außenseitertum, neue Freundschaften, Collegewahl und Zukunftsplanung, die erste Liebe, Konflikte mit Eltern, Erfolgsdruck und den Abschied von der Kindheit. Von den vermeintlich harmlosen Themen sollte man sich aber nicht in die Irre führen lassen. Gerade zu Beginn und gegen Ende sind einige explizite Szenen enthalten, weshalb ich die Geschichte gemeinsam mit der recht bedrohlichen Nebenhandlung trotzdem eher für eine New-Adult-Zielgruppe empfehlen würde.


Archer: "Ich wünschte, dass ich jede flüchtige Sekunde, die ich in ihrer Gegenwart verbringe, zu einer Stunde, einem Tag, einem Leben ausweiten könnte. Ich wünschte, dass ich ihre sanften Atemzüge mit meinen Händen auffangen und ihre Wärme an meine Brust schmiegen könnte, um die kalten Realitäten abzuwehren, die sich in meinem Herz eingenistet haben. Ihre natürliche Schönheit raubt mir den Atem."


Etwas schade ist, dass die Geschichte einigen typischen Tropes folgt und auch jede Menge Klischees mitnimmt, sodass sich besonders der Mittelteil im gewohnten Hin und Her eines "Er liebt mich, er liebt mich nicht"/"Sie ist zu gut für mich"-High-School-Dramas verliert. Trotz des eher bekannten Grundgerüsts finde ich die Umsetzung des Friends-to-Lovers-Motiv jedoch sehr überzeugend. Besonders der Einstieg und das Ende sind als stark hervorzuheben und haben mich deutlich mehr berührt als erwartet. Julie Johnson weiß es einfach, den Schmerz und die Liebe ihrer Figuren intensiv zum Leser zu transportieren, sodass sehr mitfühlende Leser die ein oder andere Träne verdrücken müssen. Gerade der Herzschmerz ist dabei definitiv auf Emma-Scott-und-Kelly-Oram-Niveau, ohne übertrieben oder künstlich zu wirken. Das kann man von einigen Wendungen der Handlung zwar leider nicht gerade behaupten, durch ihre sehr authentische und lebendige Art zu schreiben hat man aber trotzdem zu jedem Zeitpunkt der Geschichte das Gefühl, zwei echten Schicksalen beizuwohnen.


Josephine: "Das ist eine Lektion, von der ich froh bin, sie gelernt zu haben. Liebe ist keine unumstößliche Konstante in der Gleichung des Lebens, selbst wenn wir sie wie eine solche behandeln. Zu erwarten, dass einen jeder ausnahmslos liebt, ist dumm. Emotionen sind bestenfalls Schwankungen unterworfen, schlimmstenfalls unbeständig. Und immer, immer, immer an Bedingungen geknüpft."


Dazu trägt auch die abwechselnde Erzählung aus der Ich-Perspektive von Josephine und Archer bei. Während die zurückhaltende Jo den Leser sofort mit all ihren Gefühlen und Gedanken überrollt, wir also von all ihren Unsicherheiten, Befürchtungen, aber auch ihren Träumen und Leidenschaften wissen, macht es uns Archer nicht ganz so leicht, ihn von Beginn an ins Herz zu schließen. In seinem Ziel, seine langjährige Freundin von sich wegzustoßen bleibt er erstmal unverstanden und sammelt mit jedem bösen Wort und jeder fragwürdigen Handlung Jo gegenüber erstmal negative Sympathiepunkte. Weshalb er der Meinung ist, Jo vor ihm schützen zu müssen erfahren wir erst nach und nach durch die Offenlegung eines Nebenhandlungsstrangs, der neben der Liebesgeschichte ordentlich Spannung einbringt, gleichzeitig aber auch ein wenig die Glaubwürdigkeit verringert.


Archer: "Es ist weil ich so verrückt nach ihr bin", sage ich stockend, als wir am Schlagmal vorbeigehen. "Was?" Ich schaue ihn an. "Das ist der Grund dafür, dass ich es nicht riskieren kann, ihr zu sagen, was ich empfinde. Weil ich so verrückt nach ihr bin." "Alter... das gibt überhaupt keinen Sinn." "Willkommen in meinem Leben."


Während die beiden wirklich tolle, lebensechte und liebenswerte Figuren sind, die auch gut zueinander passen, bleiben die Nebenfiguren rund um Jo und Archer leider sehr blass. Gerade Josephines Eltern und den Mitschülern der Exeter Academy fehlt es eindeutig an Tiefe und Mehrdimensionalität. Alle verhalten sich durchgängig so, wie sie auf den ersten Blick charakterisiert wurden und bringen werde Überraschungen, noch neue Perspektiven in die Geschichte ein. Sei es der All-American-Goodboy, der allen an die Wäsche will, die oberflächlichen Zwillinge, die die Hauptfigur populär machen wollen oder die abwesenden, reichen Eltern mit hohen Erwartungen - spannende Figuren sehen anders aus. Etwas besser schneiden Archers Eltern Miguel und Flora, aber auch die beiden nehmen keine so wichtige Rolle ein, wie sie es hätten können.


Josephine: "Ich bin ein Mensch. Ich habe Gefühle. Es gab mal eine Zeit, als es dir noch etwas ausmachte, wenn du sie verletzt hattest." Er lässt den Kopf in die Hände sinken und schweigt sehr lange. So lange, dass ich denke, dass er vielleicht wieder weggedriftet ist. Als er schließlich spricht, ist seine Stimme voller Schmerz. "Es macht mir immer noch etwas aus." Tatsächlich? Er schaut zu mir hoch, und es bricht mir das Herz, als ich den gequälten Ausdruck auf seinem Gesicht sehe. "Es macht mir so viel aus, dass es mich umbringt."


Ebenfalls eher unzufrieden bin ich mit dem Ende. Wie schon gesagt hatte ich mit einem Standalone gerechnet und wurde deshalb von dem heftigen Cliffhanger auf den letzten Seiten überrascht. Dieser hat mich zusammen mit den zwei tollen Figuren, der mitreißenden Atmosphäre und dem gelungenen Schreibstil zwar sehr neugierig auf den zweiten Band gemacht, ich habe aber trotzdem nicht das Gefühl, dass dieser besonders notwendig gewesen wäre. Es gibt Liebesgeschichten, in denen bleibt gegen Ende noch wahnsinnig viel zu klären, die Figuren haben noch einen weiten Weg vor sich und müssen sich noch weiterentwickeln, bevor sie zusammenfinden können. In diesen Fällen ist eine Aufteilung in mehrere Bände sinnvoll und kann dazu beitragen, dass die Geschichte wächst. Hier hält jedoch nur ein großer Batzen Drama von außen die beiden davon ab, endlich das Paar zu werden, dass sie von Seite 1 an sein könnten. Demnach gab es in "We don´t talk anymore" im letzten Drittel mehrere Stellen, an denen man die Geschichte ohne Probleme zu einem befriedigenden Ende hätte führen können und die Tatsache, dass die Story auf einen zweiten Band gestreckt wurde, überzeugt mich inhaltlich nicht so ganz. Dass ich jetzt gespannt auf den 25. März 2022 warte, um zu erfahren, wie es mit Jo und Archer weiter geht ist aber trotzdem keine Frage!


Josephine: "Wir sind nicht Josephine und Archer. Nicht beste Freunde. Nicht Todfeinde. Wir sind einfach nur zwei Seelen, die sich immer tiefer miteinander verbinden wie der Rauch von zwei getrennten Dochten in einer einzelnen Kerze. Wir brennen beide wegen und trotz des anderen und sind untrennbar durch ein Fundament miteinander verbunden, das sehr viel tiefer als bloße Anziehungskraft reicht, stärker als Freundschaft und sehr viel größer als Angst ist. Dieser Kuss... er verändert alles."




Fazit:

"We don´t talk anymore" überraschte mich mit einer sehr gefühlsbeladenen Atmosphäre, einer zart-verzweifelten Liebesgeschichte, zwei interessanten Hauptfiguren und einem intensiven Schreibstil. Ein Schatten auf dieses überzeugende Bild werfen hingegen der etwas übertriebene Nebenhandlungsstrang, die vielen Klischees, typischen Tropes und das unnötig in die Länge gezogene Ende

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.11.2021

Trotz einiger Klischees und geringer Originalität mitreißend und gefühlsintensiv!

We don’t talk anymore
0

We don´t talk anymore" war mein erstes Buch von Julie Johnson und auch wenn ich in mehrerlei Hinsicht eine völlig falsche Vorstellung davon hatte, konnte es mich mehr überzeugen als erwartet. Trotz einiger ...

We don´t talk anymore" war mein erstes Buch von Julie Johnson und auch wenn ich in mehrerlei Hinsicht eine völlig falsche Vorstellung davon hatte, konnte es mich mehr überzeugen als erwartet. Trotz einiger Klischees und nur geringer Originalität hat mich die Geschichte von Josephine und Reyes tief berührt und in einem Sog aus Freundschaft, Liebe, Verletzlichkeit, Angst und Gefahr mitgerissen.


Josephine: "Ich rief seinen Namen, und er erwachte zum Leben."


Das Cover ist mit der wasserartigen blauen Blase und den goldenen geometrischen Figuren ein echter Eye-Catcher. Auch wenn ich beim besten Willen nicht erklären kann, was diese Komposition darstellen soll gefällt mir die schlichte, moderne, aber doch mit den goldenen und rosé-goldenen Akzenten sehr hochwertigen Machart sehr gut. Auch dass der LYX Verlag sich hier für den Originaltitel entschieden hat, finde ich sinnvoll. Etwas geärgert hat mich aber, dass hier nicht klarer deutlich gemacht wurde, dass es sich hier um den Auftakt einer Dilogie handelt, die sich um dieselben Figuren drehen. Klar, das war auch mein Fehler, aber als ich "Anymore-Duett" gelesen habe, nahm ich ganz automatisch an, dass es sich hier wie im Young Adult Genre üblich und häufig vorkommend um zwei miteinander verbundene, aber alleinstehende Geschichten handelt. Angesichts der Tatsache, dass Band 2 stattdessen eine echte Fortsetzung der Geschichte von Jo und Archer ist und erst im März 2022 erscheint, hätte ich mir wohl zweimal überlegt, den spannend klingenden Roman zu bestellen. Dann wäre mir aber wohl eine sehr gefühlsintensive Geschichte entgangen...


Josephine: "Egal wie wütend ich auf ihn bin, egal wie sehr er mich verletzt hat, ich kann es nicht ertragen, Archer leiden zu sehen. Ich würde mir lieber tausendmal selbst das Herz brechen, als zuzusehen, wie seins zersplittert. Fühlt es sich so an, jemanden zu lieben?"


Mein zweiter Irrtum, der ebenfalls meiner mangelnden Vorab-Recherche geschuldet ist, ist die Tatsache, dass es sich hier nicht wie erwartet um einen New Adult, sondern um einen Young Adult Roman handelt. Da im LYX Verlag häufig Geschichten von älteren ProtagonistInnen erscheinen, war ich auf den ersten Seiten erstmal überrascht, dass es sich bei der elitären "Exeter Academy" um eine High-School handelt und wir es mit minderjährigen Protagonisten zu tun haben. Versteht mich nicht falsch - ich liebe Young Adult und kann mich auch in jüngeren Charakteren gut wiederfinden -, ich hatte einfach nur nach dem Klapptext eine etwas reifere Geschichte vermutet. Statt um erste Jobs, Leidenschaft und Verantwortung geht es hier also um die soziale Hackordnung an der Schule, Außenseitertum, neue Freundschaften, Collegewahl und Zukunftsplanung, die erste Liebe, Konflikte mit Eltern, Erfolgsdruck und den Abschied von der Kindheit. Von den vermeintlich harmlosen Themen sollte man sich aber nicht in die Irre führen lassen. Gerade zu Beginn und gegen Ende sind einige explizite Szenen enthalten, weshalb ich die Geschichte gemeinsam mit der recht bedrohlichen Nebenhandlung trotzdem eher für eine New-Adult-Zielgruppe empfehlen würde.


Archer: "Ich wünschte, dass ich jede flüchtige Sekunde, die ich in ihrer Gegenwart verbringe, zu einer Stunde, einem Tag, einem Leben ausweiten könnte. Ich wünschte, dass ich ihre sanften Atemzüge mit meinen Händen auffangen und ihre Wärme an meine Brust schmiegen könnte, um die kalten Realitäten abzuwehren, die sich in meinem Herz eingenistet haben. Ihre natürliche Schönheit raubt mir den Atem."


Etwas schade ist, dass die Geschichte einigen typischen Tropes folgt und auch jede Menge Klischees mitnimmt, sodass sich besonders der Mittelteil im gewohnten Hin und Her eines "Er liebt mich, er liebt mich nicht"/"Sie ist zu gut für mich"-High-School-Dramas verliert. Trotz des eher bekannten Grundgerüsts finde ich die Umsetzung des Friends-to-Lovers-Motiv jedoch sehr überzeugend. Besonders der Einstieg und das Ende sind als stark hervorzuheben und haben mich deutlich mehr berührt als erwartet. Julie Johnson weiß es einfach, den Schmerz und die Liebe ihrer Figuren intensiv zum Leser zu transportieren, sodass sehr mitfühlende Leser die ein oder andere Träne verdrücken müssen. Gerade der Herzschmerz ist dabei definitiv auf Emma-Scott-und-Kelly-Oram-Niveau, ohne übertrieben oder künstlich zu wirken. Das kann man von einigen Wendungen der Handlung zwar leider nicht gerade behaupten, durch ihre sehr authentische und lebendige Art zu schreiben hat man aber trotzdem zu jedem Zeitpunkt der Geschichte das Gefühl, zwei echten Schicksalen beizuwohnen.


Josephine: "Das ist eine Lektion, von der ich froh bin, sie gelernt zu haben. Liebe ist keine unumstößliche Konstante in der Gleichung des Lebens, selbst wenn wir sie wie eine solche behandeln. Zu erwarten, dass einen jeder ausnahmslos liebt, ist dumm. Emotionen sind bestenfalls Schwankungen unterworfen, schlimmstenfalls unbeständig. Und immer, immer, immer an Bedingungen geknüpft."


Dazu trägt auch die abwechselnde Erzählung aus der Ich-Perspektive von Josephine und Archer bei. Während die zurückhaltende Jo den Leser sofort mit all ihren Gefühlen und Gedanken überrollt, wir also von all ihren Unsicherheiten, Befürchtungen, aber auch ihren Träumen und Leidenschaften wissen, macht es uns Archer nicht ganz so leicht, ihn von Beginn an ins Herz zu schließen. In seinem Ziel, seine langjährige Freundin von sich wegzustoßen bleibt er erstmal unverstanden und sammelt mit jedem bösen Wort und jeder fragwürdigen Handlung Jo gegenüber erstmal negative Sympathiepunkte. Weshalb er der Meinung ist, Jo vor ihm schützen zu müssen erfahren wir erst nach und nach durch die Offenlegung eines Nebenhandlungsstrangs, der neben der Liebesgeschichte ordentlich Spannung einbringt, gleichzeitig aber auch ein wenig die Glaubwürdigkeit verringert.


Archer: "Es ist weil ich so verrückt nach ihr bin", sage ich stockend, als wir am Schlagmal vorbeigehen. "Was?" Ich schaue ihn an. "Das ist der Grund dafür, dass ich es nicht riskieren kann, ihr zu sagen, was ich empfinde. Weil ich so verrückt nach ihr bin." "Alter... das gibt überhaupt keinen Sinn." "Willkommen in meinem Leben."


Während die beiden wirklich tolle, lebensechte und liebenswerte Figuren sind, die auch gut zueinander passen, bleiben die Nebenfiguren rund um Jo und Archer leider sehr blass. Gerade Josephines Eltern und den Mitschülern der Exeter Academy fehlt es eindeutig an Tiefe und Mehrdimensionalität. Alle verhalten sich durchgängig so, wie sie auf den ersten Blick charakterisiert wurden und bringen werde Überraschungen, noch neue Perspektiven in die Geschichte ein. Sei es der All-American-Goodboy, der allen an die Wäsche will, die oberflächlichen Zwillinge, die die Hauptfigur populär machen wollen oder die abwesenden, reichen Eltern mit hohen Erwartungen - spannende Figuren sehen anders aus. Etwas besser schneiden Archers Eltern Miguel und Flora, aber auch die beiden nehmen keine so wichtige Rolle ein, wie sie es hätten können.


Josephine: "Ich bin ein Mensch. Ich habe Gefühle. Es gab mal eine Zeit, als es dir noch etwas ausmachte, wenn du sie verletzt hattest." Er lässt den Kopf in die Hände sinken und schweigt sehr lange. So lange, dass ich denke, dass er vielleicht wieder weggedriftet ist. Als er schließlich spricht, ist seine Stimme voller Schmerz. "Es macht mir immer noch etwas aus." Tatsächlich? Er schaut zu mir hoch, und es bricht mir das Herz, als ich den gequälten Ausdruck auf seinem Gesicht sehe. "Es macht mir so viel aus, dass es mich umbringt."


Ebenfalls eher unzufrieden bin ich mit dem Ende. Wie schon gesagt hatte ich mit einem Standalone gerechnet und wurde deshalb von dem heftigen Cliffhanger auf den letzten Seiten überrascht. Dieser hat mich zusammen mit den zwei tollen Figuren, der mitreißenden Atmosphäre und dem gelungenen Schreibstil zwar sehr neugierig auf den zweiten Band gemacht, ich habe aber trotzdem nicht das Gefühl, dass dieser besonders notwendig gewesen wäre. Es gibt Liebesgeschichten, in denen bleibt gegen Ende noch wahnsinnig viel zu klären, die Figuren haben noch einen weiten Weg vor sich und müssen sich noch weiterentwickeln, bevor sie zusammenfinden können. In diesen Fällen ist eine Aufteilung in mehrere Bände sinnvoll und kann dazu beitragen, dass die Geschichte wächst. Hier hält jedoch nur ein großer Batzen Drama von außen die beiden davon ab, endlich das Paar zu werden, dass sie von Seite 1 an sein könnten. Demnach gab es in "We don´t talk anymore" im letzten Drittel mehrere Stellen, an denen man die Geschichte ohne Probleme zu einem befriedigenden Ende hätte führen können und die Tatsache, dass die Story auf einen zweiten Band gestreckt wurde, überzeugt mich inhaltlich nicht so ganz. Dass ich jetzt gespannt auf den 25. März 2022 warte, um zu erfahren, wie es mit Jo und Archer weiter geht ist aber trotzdem keine Frage!


Josephine: "Wir sind nicht Josephine und Archer. Nicht beste Freunde. Nicht Todfeinde. Wir sind einfach nur zwei Seelen, die sich immer tiefer miteinander verbinden wie der Rauch von zwei getrennten Dochten in einer einzelnen Kerze. Wir brennen beide wegen und trotz des anderen und sind untrennbar durch ein Fundament miteinander verbunden, das sehr viel tiefer als bloße Anziehungskraft reicht, stärker als Freundschaft und sehr viel größer als Angst ist. Dieser Kuss... er verändert alles."




Fazit:

"We don´t talk anymore" überraschte mich mit einer sehr gefühlsbeladenen Atmosphäre, einer zart-verzweifelten Liebesgeschichte, zwei interessanten Hauptfiguren und einem intensiven Schreibstil. Ein Schatten auf dieses überzeugende Bild werfen hingegen der etwas übertriebene Nebenhandlungsstrang, die vielen Klischees, typischen Tropes und das unnötig in die Länge gezogene Ende

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.11.2021

Trotz einiger Klischees und geringer Originalität sehr mitreißend und gefühlsintensiv!

We don’t talk anymore
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"We don´t talk anymore" war mein erstes Buch von Julie Johnson und auch wenn ich in mehrerlei Hinsicht eine völlig falsche Vorstellung davon hatte, konnte es mich mehr überzeugen als erwartet. Trotz einiger ...

"We don´t talk anymore" war mein erstes Buch von Julie Johnson und auch wenn ich in mehrerlei Hinsicht eine völlig falsche Vorstellung davon hatte, konnte es mich mehr überzeugen als erwartet. Trotz einiger Klischees und nur geringer Originalität hat mich die Geschichte von Josephine und Reyes tief berührt und in einem Sog aus Freundschaft, Liebe, Verletzlichkeit, Angst und Gefahr mitgerissen.


Josephine: "Ich rief seinen Namen, und er erwachte zum Leben."


Das Cover ist mit der wasserartigen blauen Blase und den goldenen geometrischen Figuren ein echter Eye-Catcher. Auch wenn ich beim besten Willen nicht erklären kann, was diese Komposition darstellen soll gefällt mir die schlichte, moderne, aber doch mit den goldenen und rosé-goldenen Akzenten sehr hochwertigen Machart sehr gut. Auch dass der LYX Verlag sich hier für den Originaltitel entschieden hat, finde ich sinnvoll. Etwas geärgert hat mich aber, dass hier nicht klarer deutlich gemacht wurde, dass es sich hier um den Auftakt einer Dilogie handelt, die sich um dieselben Figuren drehen. Klar, das war auch mein Fehler, aber als ich "Anymore-Duett" gelesen habe, nahm ich ganz automatisch an, dass es sich hier wie im Young Adult Genre üblich und häufig vorkommend um zwei miteinander verbundene, aber alleinstehende Geschichten handelt. Angesichts der Tatsache, dass Band 2 stattdessen eine echte Fortsetzung der Geschichte von Jo und Archer ist und erst im März 2022 erscheint, hätte ich mir wohl zweimal überlegt, den spannend klingenden Roman zu bestellen. Dann wäre mir aber wohl eine sehr gefühlsintensive Geschichte entgangen...


Josephine: "Egal wie wütend ich auf ihn bin, egal wie sehr er mich verletzt hat, ich kann es nicht ertragen, Archer leiden zu sehen. Ich würde mir lieber tausendmal selbst das Herz brechen, als zuzusehen, wie seins zersplittert. Fühlt es sich so an, jemanden zu lieben?"


Mein zweiter Irrtum, der ebenfalls meiner mangelnden Vorab-Recherche geschuldet ist, ist die Tatsache, dass es sich hier nicht wie erwartet um einen New Adult, sondern um einen Young Adult Roman handelt. Da im LYX Verlag häufig Geschichten von älteren ProtagonistInnen erscheinen, war ich auf den ersten Seiten erstmal überrascht, dass es sich bei der elitären "Exeter Academy" um eine High-School handelt und wir es mit minderjährigen Protagonisten zu tun haben. Versteht mich nicht falsch - ich liebe Young Adult und kann mich auch in jüngeren Charakteren gut wiederfinden -, ich hatte einfach nur nach dem Klapptext eine etwas reifere Geschichte vermutet. Statt um erste Jobs, Leidenschaft und Verantwortung geht es hier also um die soziale Hackordnung an der Schule, Außenseitertum, neue Freundschaften, Collegewahl und Zukunftsplanung, die erste Liebe, Konflikte mit Eltern, Erfolgsdruck und den Abschied von der Kindheit. Von den vermeintlich harmlosen Themen sollte man sich aber nicht in die Irre führen lassen. Gerade zu Beginn und gegen Ende sind einige explizite Szenen enthalten, weshalb ich die Geschichte gemeinsam mit der recht bedrohlichen Nebenhandlung trotzdem eher für eine New-Adult-Zielgruppe empfehlen würde.


Archer: "Ich wünschte, dass ich jede flüchtige Sekunde, die ich in ihrer Gegenwart verbringe, zu einer Stunde, einem Tag, einem Leben ausweiten könnte. Ich wünschte, dass ich ihre sanften Atemzüge mit meinen Händen auffangen und ihre Wärme an meine Brust schmiegen könnte, um die kalten Realitäten abzuwehren, die sich in meinem Herz eingenistet haben. Ihre natürliche Schönheit raubt mir den Atem."


Etwas schade ist, dass die Geschichte einigen typischen Tropes folgt und auch jede Menge Klischees mitnimmt, sodass sich besonders der Mittelteil im gewohnten Hin und Her eines "Er liebt mich, er liebt mich nicht"/"Sie ist zu gut für mich"-High-School-Dramas verliert. Trotz des eher bekannten Grundgerüsts finde ich die Umsetzung des Friends-to-Lovers-Motiv jedoch sehr überzeugend. Besonders der Einstieg und das Ende sind als stark hervorzuheben und haben mich deutlich mehr berührt als erwartet. Julie Johnson weiß es einfach, den Schmerz und die Liebe ihrer Figuren intensiv zum Leser zu transportieren, sodass sehr mitfühlende Leser die ein oder andere Träne verdrücken müssen. Gerade der Herzschmerz ist dabei definitiv auf Emma-Scott-und-Kelly-Oram-Niveau, ohne übertrieben oder künstlich zu wirken. Das kann man von einigen Wendungen der Handlung zwar leider nicht gerade behaupten, durch ihre sehr authentische und lebendige Art zu schreiben hat man aber trotzdem zu jedem Zeitpunkt der Geschichte das Gefühl, zwei echten Schicksalen beizuwohnen.


Josephine: "Das ist eine Lektion, von der ich froh bin, sie gelernt zu haben. Liebe ist keine unumstößliche Konstante in der Gleichung des Lebens, selbst wenn wir sie wie eine solche behandeln. Zu erwarten, dass einen jeder ausnahmslos liebt, ist dumm. Emotionen sind bestenfalls Schwankungen unterworfen, schlimmstenfalls unbeständig. Und immer, immer, immer an Bedingungen geknüpft."


Dazu trägt auch die abwechselnde Erzählung aus der Ich-Perspektive von Josephine und Archer bei. Während die zurückhaltende Jo den Leser sofort mit all ihren Gefühlen und Gedanken überrollt, wir also von all ihren Unsicherheiten, Befürchtungen, aber auch ihren Träumen und Leidenschaften wissen, macht es uns Archer nicht ganz so leicht, ihn von Beginn an ins Herz zu schließen. In seinem Ziel, seine langjährige Freundin von sich wegzustoßen bleibt er erstmal unverstanden und sammelt mit jedem bösen Wort und jeder fragwürdigen Handlung Jo gegenüber erstmal negative Sympathiepunkte. Weshalb er der Meinung ist, Jo vor ihm schützen zu müssen erfahren wir erst nach und nach durch die Offenlegung eines Nebenhandlungsstrangs, der neben der Liebesgeschichte ordentlich Spannung einbringt, gleichzeitig aber auch ein wenig die Glaubwürdigkeit verringert.


Archer: "Es ist weil ich so verrückt nach ihr bin", sage ich stockend, als wir am Schlagmal vorbeigehen. "Was?" Ich schaue ihn an. "Das ist der Grund dafür, dass ich es nicht riskieren kann, ihr zu sagen, was ich empfinde. Weil ich so verrückt nach ihr bin." "Alter... das gibt überhaupt keinen Sinn." "Willkommen in meinem Leben."


Während die beiden wirklich tolle, lebensechte und liebenswerte Figuren sind, die auch gut zueinander passen, bleiben die Nebenfiguren rund um Jo und Archer leider sehr blass. Gerade Josephines Eltern und den Mitschülern der Exeter Academy fehlt es eindeutig an Tiefe und Mehrdimensionalität. Alle verhalten sich durchgängig so, wie sie auf den ersten Blick charakterisiert wurden und bringen werde Überraschungen, noch neue Perspektiven in die Geschichte ein. Sei es der All-American-Goodboy, der allen an die Wäsche will, die oberflächlichen Zwillinge, die die Hauptfigur populär machen wollen oder die abwesenden, reichen Eltern mit hohen Erwartungen - spannende Figuren sehen anders aus. Etwas besser schneiden Archers Eltern Miguel und Flora, aber auch die beiden nehmen keine so wichtige Rolle ein, wie sie es hätten können.


Josephine: "Ich bin ein Mensch. Ich habe Gefühle. Es gab mal eine Zeit, als es dir noch etwas ausmachte, wenn du sie verletzt hattest." Er lässt den Kopf in die Hände sinken und schweigt sehr lange. So lange, dass ich denke, dass er vielleicht wieder weggedriftet ist. Als er schließlich spricht, ist seine Stimme voller Schmerz. "Es macht mir immer noch etwas aus." Tatsächlich? Er schaut zu mir hoch, und es bricht mir das Herz, als ich den gequälten Ausdruck auf seinem Gesicht sehe. "Es macht mir so viel aus, dass es mich umbringt."


Ebenfalls eher unzufrieden bin ich mit dem Ende. Wie schon gesagt hatte ich mit einem Standalone gerechnet und wurde deshalb von dem heftigen Cliffhanger auf den letzten Seiten überrascht. Dieser hat mich zusammen mit den zwei tollen Figuren, der mitreißenden Atmosphäre und dem gelungenen Schreibstil zwar sehr neugierig auf den zweiten Band gemacht, ich habe aber trotzdem nicht das Gefühl, dass dieser besonders notwendig gewesen wäre. Es gibt Liebesgeschichten, in denen bleibt gegen Ende noch wahnsinnig viel zu klären, die Figuren haben noch einen weiten Weg vor sich und müssen sich noch weiterentwickeln, bevor sie zusammenfinden können. In diesen Fällen ist eine Aufteilung in mehrere Bände sinnvoll und kann dazu beitragen, dass die Geschichte wächst. Hier hält jedoch nur ein großer Batzen Drama von außen die beiden davon ab, endlich das Paar zu werden, dass sie von Seite 1 an sein könnten. Demnach gab es in "We don´t talk anymore" im letzten Drittel mehrere Stellen, an denen man die Geschichte ohne Probleme zu einem befriedigenden Ende hätte führen können und die Tatsache, dass die Story auf einen zweiten Band gestreckt wurde, überzeugt mich inhaltlich nicht so ganz. Dass ich jetzt gespannt auf den 25. März 2022 warte, um zu erfahren, wie es mit Jo und Archer weiter geht ist aber trotzdem keine Frage!


Josephine: "Wir sind nicht Josephine und Archer. Nicht beste Freunde. Nicht Todfeinde. Wir sind einfach nur zwei Seelen, die sich immer tiefer miteinander verbinden wie der Rauch von zwei getrennten Dochten in einer einzelnen Kerze. Wir brennen beide wegen und trotz des anderen und sind untrennbar durch ein Fundament miteinander verbunden, das sehr viel tiefer als bloße Anziehungskraft reicht, stärker als Freundschaft und sehr viel größer als Angst ist. Dieser Kuss... er verändert alles."




Fazit:

"We don´t talk anymore" überraschte mich mit einer sehr gefühlsbeladenen Atmosphäre, einer zart-verzweifelten Liebesgeschichte, zwei interessanten Hauptfiguren und einem intensiven Schreibstil. Ein Schatten auf dieses überzeugende Bild werfen hingegen der etwas übertriebene Nebenhandlungsstrang, die vielen Klischees, typischen Tropes und das unnötig in die Länge gezogene Ende.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.11.2021

Ein würdiger Abschluss einer grandiosen Reihe!

Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt
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Mit "Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" ging diesen Oktober meine zweite Reihe von Kira Licht zu Ende. Schon nach ihrer "Götter-Dilogie" und ihrem YA-Erstling "Sunset Beach", wurde ich ein großer Fan ...

Mit "Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" ging diesen Oktober meine zweite Reihe von Kira Licht zu Ende. Schon nach ihrer "Götter-Dilogie" und ihrem YA-Erstling "Sunset Beach", wurde ich ein großer Fan ihrer witzigen, einfallsreichen und mitreißenden Geschichten. In den ersten Bänden von "Kaleidra" toppte sie diese Eindruck aber nochmals und entführt in eine spannende Welt voller Geheimlogen, verschlüsselten Dokumente, gefährlichen Missionen, uralte Feindschaften und Allianzen und verbindet Mystery, Abenteuer, ein atmosphärisches Setting und eine zarte Liebesgeschichte. Auch Band 3 ist nun wieder originell, temporeich und spritzig erzählt und hat meine Erwartungen an die Auflösung sogar noch übertroffen. Ganz an den turbulenten und hochspannenden Band 2 reicht dieses Finale aber nicht heran.

Schon die Gestaltung ist einfach traumhaft und bringt die Atmosphäre der Geschichte - düster, geheimnisvoll und wunderschön - einfach auf den Punkt. Nicht nur dass die Lichtpunkte und die geometrischen Formen die naturwissenschaftlichen, aber auch fantastischen Anklänge des Romans auffangen, die starken Kontraste zwischen warmem Gold, hellem Silber und dunklen, schwarzen Schatten passen auch wunderbar zum Thema. Zwar ist es etwas schade, dass Band 3 kein Lesebändchen mehr hat, ansonsten ist die Gestaltung aber mal wieder ein Gesamtkunstwerk, das dem der vorhergegangenen Bände stark ähnelt und somit im Regal wunderbar zusammenpasst. Auffällig am Innenleben dieser Schönheit ist, dass die Seiten sehr dünn sind und die 560 Seiten deshalb optisch eher wie höchstens 350 erscheinen. Eine kleine positive Überraschung hat das Buch noch auf den letzten Seiten parat. Hier wartet nämlich ein hilfreiches Glossar auf den verwirrten Leser, das neue Begriffe erklärt und altbekannte nochmal auflistet, sodass der Wiedereinstieg in die doch recht komplexe Story leichter fällt.


Erster Satz: "Wir müssen weg von hier, schnell!"


Zusätzlich zum Glossar wird der Wiedereinstig in die Geschichte dadurch erleichtert, dass wir gleich an der Stelle anknüpfen, an der uns der Schocker aus Band 2 stehen gelassen hatte. Wir erinnern uns: Nachdem sich Emilia, Ben und ihre Mitstreiter ihren beschwerlichen Weg durch Kaleidra gekämpft, eine geheime Militärbasis des Quecksilberordens infiltriert haben und der Gefangenschaft dank der Mithilfe vom eigentlich verfeindeten Fechtmeister Kyle nur knapp entkommen sind, müssen sie zurück in der echten Welt mit Schrecken feststellen, dass Professor Avalanche die gefährlichen Crux auf die Menschheit losgelassen hat. Angesichts dieser Zombie-Apokalypsen-ähnlichen Ausgangslage hatte ich erwartet, dass wir uns ohne große Umschweife ins Kampfgetümmel stürzen würden. Kira Licht hat jedoch andere Pläne mit ihren Figuren: statt wild drauflos zu kämpfen sammeln die Alchemisten erstmal ihre Kräfte, planen, observieren, formieren sich neu und forschen nebenbei unter Hochdruck an der fehlerhaften Formel zum Wasser des Lebens.


„Wir sind dafür gemacht, Seite an Seite die Welt aus ihren Angeln zu reißen.“


Schon nach wenigen Seiten wird also klar, dass wir es hier wieder mit einem völlig neuen Band zu tun haben, der sowohl viele neue Ideen als auch eine ganz andere Herangehensweise als Band 1 und 2 mit sich bringt. Mir hat schon bisher sehr gut gefallen, dass kein Band der Kaleidra-Reihe dem Vorgänger geglichen hat und stattdessen Fokus, Erzähltempo und Setting immer im Wandel waren. Während in Band 1 das heitere Kennenlernen einer neuen Welt gespickt mit einigen Indiana-Jones-Missionen im Fokus stand, war Band 2 geprägt von der düsteren Gefangenschaft hinter feindlichen Linien und dem gefährlichen Abenteuer in Kaleidra. Band 3 kehrt nun weder zum heiteren Grundton des Auftaktbandes zurück, noch übernimmt er das hohe Erzähltempo des Mittelteils. Stattdessen fokussiert "Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" nun auf der Planung des bevorstehenden Krieges und dem Lösen der vielen offenen Geheimnisse und Rätsel.


"All das war noch nicht verloren. All das würde wiederkommen. Wir würden uns wiederfinden. Wir würden uns unsere Welt zurückerobern."


Als erste Folge dessen flacht die Spannung nach der hektischen Anfangsszene erstmal wieder ab und das Finale beginnt deutlich weniger spannend und temporeich, als ich das nach dem schockierenden Cliffhanger von Band 2 erwartet hatte. Statt Professor Avalanche direkt zu konfrontieren oder die verschwundene Ishtar zu suchen, sehen wir Emilia dabei zu, wie sie in historischen Dokumenten nach Antworten sucht, während die Allianz sich um Einigkeit bemüht. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Handlung nicht spannend wäre und nichts passieren würde. Die Autorin unterbricht die Haupthandlung in der Goldloge von London immer wieder durch viele kurze Ausflüge, Missionen und Rettungsaktionen an verschiedenen Spielorten und wirft durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse mehr neue Fragen auf als sie beantwortet. Zwar sind viele der zerstückelten Episoden sehr ähnlich, dennoch wird durch sie effektiv verhindert, dass Längen aufkommen.


"Ich bin stolz, dass ich der erste Alchemist war, der mit dir sprechen durfte. Dass ich derjenige war, der die zeigen konnte, dass es da eine andere Welt hinter deiner bisherigen Welt gibt. Und ich bin unglaublich stolz darauf, dass ich noch immer an deiner Seite sein darf."


Die Verschnaufpausen zwischen den Action-Elementen nutzt die Autorin, um den Fokus auf ihre Figuren zu lenken, die ja im sehr temporeichen Band 2 ein wenig kürzertreten mussten. Vor allem die Hauptprotagonistin Emilia profitiert sehr vom etwas verringerten Erzähltempo. Im Verlauf ihrer Zeit als Silberalchemistin wurde sie ja mit etlichen verstörenden, neuen Erkenntnissen über sich, ihre Herkunft und ihre Fähigkeiten konfrontiert, ohne dass sie wirklich Zeit hatte, sich mit diesen vertieft auseinander zu setzen. In diesem Finalband können wir nun beobachten, wie sie an all ihren Herausforderungen immer mehr zu einer selbstbewussten Kämpferin wächst, die sich nicht unterbuttern lässt. Auch wenn sie als magische Überfliegerin und wichtige Schlüsselfigur mit ungeahnten Kräften die Ausgeburt des "Special Snowflake"-Klischees ist, fand ich es sehr sympathisch, wie sie emanzipiert das Beste aus ihrer Situation macht und immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat. Mit ihrem Mundwerk, dass manchmal ein bisschen schneller ist als ihr Gehirn, sorgt sie auch für den ein oder anderen Lacher.


"Ich stöhnte auf. "Bitte sag mir jetzt nicht, dass du mein Vater bist und dass das alles hier ein großer Plan war, um eine Prophezeiung zu erfüllen oder so." Ich richtete mich etwas in meinem Stuhl auf. "So langsam reicht es mir nämlich. Ich kann nicht noch ein riesiges Geheimnis ertragen. Jeder auf diesem verdammten Planeten scheint irgendeinen Plan mit mir zu haben. Und alles, was ich will, ist, dass wieder Ruhe einkehrt und mich endlich für ein Studienfach entscheiden zu können."


Neben Emilia und ihrem nun nicht mehr ganz so grummeligen Sidekick Ben treffen wir hier wieder auf liebgewonnene Protagonisten wie Meister Emmett, Larkin (#alleliebenlarkin), Murphy, Annmary, Emilias Mutter oder Davine, die in Band 2 kaum vorkamen. Dass die bislang eher im Hintergrund verbliebene Beziehung zwischen Ben und Emilia hier nun ein wenig mehr Raum erhält, um aufzublühen hat mich nicht wirklich überrascht. Schon eher erstaunt hat mich, dass sich die Autorin hier tatsächlich die Zeit nimmt, auch weitere Ships anzuteasern, die Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Emilia und ihrer Mutter zu vertiefen und nebenbei noch einige neue Nebenfiguren einzuführen. Neben Bens Eltern und neuen Loge-Mitgliedern treffen wir dabei auch auf den ein oder anderen Ur-Alchemisten und auch die ägyptische Mythologie ist wieder mit am Start.


"Schon klar, Mamma." Ich grinste. "Alle lieben Larkin. Stell dich hinten an."


Wir können also festhalten, dass Kira Licht auch in ihrem Finalband noch spannenden, frischen Wind einbringt. Egal ob ein vierter Orden, weitere Mitspieler, neue Verwandtschaftsverhältnisse oder Apokalypsen-Pläne - hier bekommen wir einiges zum Nachdenken, wenn wir nicht gerade mit Emilia und Ben um unser Leben kämpfen. Im Kern geht es jedoch wie in den vorhergegangenen Bänden auch um die Alchemie. Dass Bücher über verborgene Geheimlogen, Reisen durch magische Artefakte und Konkurrenzkämpfe zwischen den Gruppierungen gut als Jugendfantasy funktionieren, weiß man spätestens seit "Rubinrot", dennoch war ich zu Beginn etwas skeptisch, wie die Mischung aus Chemie und Magie zusammenpassen wird. Schon in Band 1 löste sich meine anfängliche Skepsis jedoch schnell in Begeisterung auf. Wer hätte gedacht, dass chemische Reaktionen, verstaubte Manuskripte und komplizierte Rätsel so spannend sein können?


„Wir waren beide nicht dafür gemacht, großartig mit Worten um uns zu werfen. Wir waren beide keine Freunde großer Gesten. Aber das, was wir füreinander empfanden, das war roh und ungeschliffen und nicht perfekt, aber es war echt. Und das war alles, was zählte.“


Ich habe es in meiner Rezension zu Band 1 schonmal erwähnt, sage es aber gerne nochmal: "Kaleidra" kann auch ohne jegliches chemisches Vorwissen gut verfolgt werden, ein grundlegendes wissenschaftliches Vorstellungsvermögen sollte man aber dennoch mitbringen. Wer nicht weiß, dass Natrium zusammen mit Chlor zu Salz reagiert, oder Quecksilber einen niedrigeren Siedepunkt hat als Silber und Gold, wird die Handlung dank Kiras leicht verständlichen Schilderungen trotzdem nachvollziehen können. Richtig Spaß macht die Geschichte aber erst, wenn man die innere Logik der Actionszenen versteht und auch mit Kiras Beschreibungen von Laboren, fliegenden Riesenschlangen und Parallelwelten etwas anfangen kann - nur dann entfaltet sie ihr volles Potential. Alle, die jetzt trotzdem noch "Chemie, igitt" denken, kann ich damit beruhigen, dass der Fantastikgehalt hier gegenüber den anderen Bänden nochmal ordentlich gesteigert ist und es der Autorin mit viel Einfallsreichtum und Kreativität gelingt, einen individuellen Wiedererkennungswert zu hinterlassen und ein ganz besonderes Lesegefühl hervorzurufen.


"Ich bereue grundsätzlich gar nichts. Alles was uns passiert, sind Erfahrungen, die uns stärker und unser Leben facettenreicher machen."


Alchemisten-Mystik, Abenteuer mit Indiana-Jones-Vibes und einen Hauch Romantik... was will man mehr? Zum Leben erweckt wird diese wundersame Mischung aber erst durch Kira Lichts spritzigen, erfrischend humorvollen und lockeren Schreibstil. Sie zieht ihre Geschichte wie gesagt sehr rasant auf, sorgt jedoch durch schlagfertige Dialoge, kreative Ideen, skurrile Begegnungen und leise Romantik dafür, dass wir niemals vergessen, dass hier jugendliche Protagonisten am Werk sind und keine Maschinen. Durch ihren einmaligen Humor, der mich ein wenig an Jennifer L. Armentrout in ihren besten Jahren erinnert hat, bringt sie immer wieder Schwung in die Geschichte und hat mich ein ums andere Mal zum Lachen gebracht.


"Na, wie schmeckt dir das Shortbread?" Damals, mit vier, habe ich am Strand Sand in Plastikförmchen gepresst. Der schmeckte ähnlich. Ich konnte mich soeben noch bremsen, meine Gedanken laut auszusprechen. Wer wusste schon, wer diese Kunstwerke fabriziert hatte. "Gut."


Als kurzes Zwischenfazit wiederhole ich also nochmal, dass Band 3 was Atmosphäre, Spannung und Erzähltempo anbelangt leider nicht ganz mit Band 1 und 2 mithalten kann. Dafür geht "Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" aber auf originelle Art und Weise seinen eigenen Weg und findet darüber auch Platz, die Dynamik zwischen den Figuren toll weiterzuentwickeln. Ein weiterer positiver Punkt, der die leichten Schwächen ausgleicht ist, dass mich die inhaltliche Auflösung positiv überrascht hat. Schon während der Vorgängerbände aber auch während dem Lesen dieses Finales habe ich mich immer wieder gefragt, wie Kira Licht bloß all die offenen Fragen und losen Enden ihrer Handlung halbwegs glaubwürdig zum Ende bringen will. Vor diesem Hintergrund hat die schlussendliche Erklärung der Zusammenhänge meine Erwartungen enorm übertroffen. Zwar kann man kritisch anmerken, dass die Rettung am Ende ein wenig zu schnell und ein wenig zu leicht vonstattengeht, das verzeiht man der Geschichte angesichts der Komplexität aber gerne.



Fazit:


"Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" ist zwar deutlich weniger temporeich und spannend als die vorherigen Bände und schafft es nicht ganz, sich die Apokalypsen-Stimmung zunutze zu machen, ist aber mit der inhaltlich überzeugenden Auflösung und der Weiterentwicklung der Figuren definitiv ein würdiger Abschluss dieser originellen Reihe.

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Veröffentlicht am 17.11.2021

Ein würdiger Abschluss einer grandiosen Reihe!

Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt
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Mit "Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" ging diesen Oktober meine zweite Reihe von Kira Licht zu Ende. Schon nach ihrer "Götter-Dilogie" und ihrem YA-Erstling "Sunset Beach", wurde ich ein großer Fan ...

Mit "Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" ging diesen Oktober meine zweite Reihe von Kira Licht zu Ende. Schon nach ihrer "Götter-Dilogie" und ihrem YA-Erstling "Sunset Beach", wurde ich ein großer Fan ihrer witzigen, einfallsreichen und mitreißenden Geschichten. In den ersten Bänden von "Kaleidra" toppte sie diese Eindruck aber nochmals und entführt in eine spannende Welt voller Geheimlogen, verschlüsselten Dokumente, gefährlichen Missionen, uralte Feindschaften und Allianzen und verbindet Mystery, Abenteuer, ein atmosphärisches Setting und eine zarte Liebesgeschichte. Auch Band 3 ist nun wieder originell, temporeich und spritzig erzählt und hat meine Erwartungen an die Auflösung sogar noch übertroffen. Ganz an den turbulenten und hochspannenden Band 2 reicht dieses Finale aber nicht heran.

Schon die Gestaltung ist einfach traumhaft und bringt die Atmosphäre der Geschichte - düster, geheimnisvoll und wunderschön - einfach auf den Punkt. Nicht nur dass die Lichtpunkte und die geometrischen Formen die naturwissenschaftlichen, aber auch fantastischen Anklänge des Romans auffangen, die starken Kontraste zwischen warmem Gold, hellem Silber und dunklen, schwarzen Schatten passen auch wunderbar zum Thema. Zwar ist es etwas schade, dass Band 3 kein Lesebändchen mehr hat, ansonsten ist die Gestaltung aber mal wieder ein Gesamtkunstwerk, das dem der vorhergegangenen Bände stark ähnelt und somit im Regal wunderbar zusammenpasst. Auffällig am Innenleben dieser Schönheit ist, dass die Seiten sehr dünn sind und die 560 Seiten deshalb optisch eher wie höchstens 350 erscheinen. Eine kleine positive Überraschung hat das Buch noch auf den letzten Seiten parat. Hier wartet nämlich ein hilfreiches Glossar auf den verwirrten Leser, das neue Begriffe erklärt und altbekannte nochmal auflistet, sodass der Wiedereinstieg in die doch recht komplexe Story leichter fällt.


Erster Satz: "Wir müssen weg von hier, schnell!"


Zusätzlich zum Glossar wird der Wiedereinstig in die Geschichte dadurch erleichtert, dass wir gleich an der Stelle anknüpfen, an der uns der Schocker aus Band 2 stehen gelassen hatte. Wir erinnern uns: Nachdem sich Emilia, Ben und ihre Mitstreiter ihren beschwerlichen Weg durch Kaleidra gekämpft, eine geheime Militärbasis des Quecksilberordens infiltriert haben und der Gefangenschaft dank der Mithilfe vom eigentlich verfeindeten Fechtmeister Kyle nur knapp entkommen sind, müssen sie zurück in der echten Welt mit Schrecken feststellen, dass Professor Avalanche die gefährlichen Crux auf die Menschheit losgelassen hat. Angesichts dieser Zombie-Apokalypsen-ähnlichen Ausgangslage hatte ich erwartet, dass wir uns ohne große Umschweife ins Kampfgetümmel stürzen würden. Kira Licht hat jedoch andere Pläne mit ihren Figuren: statt wild drauflos zu kämpfen sammeln die Alchemisten erstmal ihre Kräfte, planen, observieren, formieren sich neu und forschen nebenbei unter Hochdruck an der fehlerhaften Formel zum Wasser des Lebens.


„Wir sind dafür gemacht, Seite an Seite die Welt aus ihren Angeln zu reißen.“


Schon nach wenigen Seiten wird also klar, dass wir es hier wieder mit einem völlig neuen Band zu tun haben, der sowohl viele neue Ideen als auch eine ganz andere Herangehensweise als Band 1 und 2 mit sich bringt. Mir hat schon bisher sehr gut gefallen, dass kein Band der Kaleidra-Reihe dem Vorgänger geglichen hat und stattdessen Fokus, Erzähltempo und Setting immer im Wandel waren. Während in Band 1 das heitere Kennenlernen einer neuen Welt gespickt mit einigen Indiana-Jones-Missionen im Fokus stand, war Band 2 geprägt von der düsteren Gefangenschaft hinter feindlichen Linien und dem gefährlichen Abenteuer in Kaleidra. Band 3 kehrt nun weder zum heiteren Grundton des Auftaktbandes zurück, noch übernimmt er das hohe Erzähltempo des Mittelteils. Stattdessen fokussiert "Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" nun auf der Planung des bevorstehenden Krieges und dem Lösen der vielen offenen Geheimnisse und Rätsel.


"All das war noch nicht verloren. All das würde wiederkommen. Wir würden uns wiederfinden. Wir würden uns unsere Welt zurückerobern."


Als erste Folge dessen flacht die Spannung nach der hektischen Anfangsszene erstmal wieder ab und das Finale beginnt deutlich weniger spannend und temporeich, als ich das nach dem schockierenden Cliffhanger von Band 2 erwartet hatte. Statt Professor Avalanche direkt zu konfrontieren oder die verschwundene Ishtar zu suchen, sehen wir Emilia dabei zu, wie sie in historischen Dokumenten nach Antworten sucht, während die Allianz sich um Einigkeit bemüht. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Handlung nicht spannend wäre und nichts passieren würde. Die Autorin unterbricht die Haupthandlung in der Goldloge von London immer wieder durch viele kurze Ausflüge, Missionen und Rettungsaktionen an verschiedenen Spielorten und wirft durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse mehr neue Fragen auf als sie beantwortet. Zwar sind viele der zerstückelten Episoden sehr ähnlich, dennoch wird durch sie effektiv verhindert, dass Längen aufkommen.


"Ich bin stolz, dass ich der erste Alchemist war, der mit dir sprechen durfte. Dass ich derjenige war, der die zeigen konnte, dass es da eine andere Welt hinter deiner bisherigen Welt gibt. Und ich bin unglaublich stolz darauf, dass ich noch immer an deiner Seite sein darf."


Die Verschnaufpausen zwischen den Action-Elementen nutzt die Autorin, um den Fokus auf ihre Figuren zu lenken, die ja im sehr temporeichen Band 2 ein wenig kürzertreten mussten. Vor allem die Hauptprotagonistin Emilia profitiert sehr vom etwas verringerten Erzähltempo. Im Verlauf ihrer Zeit als Silberalchemistin wurde sie ja mit etlichen verstörenden, neuen Erkenntnissen über sich, ihre Herkunft und ihre Fähigkeiten konfrontiert, ohne dass sie wirklich Zeit hatte, sich mit diesen vertieft auseinander zu setzen. In diesem Finalband können wir nun beobachten, wie sie an all ihren Herausforderungen immer mehr zu einer selbstbewussten Kämpferin wächst, die sich nicht unterbuttern lässt. Auch wenn sie als magische Überfliegerin und wichtige Schlüsselfigur mit ungeahnten Kräften die Ausgeburt des "Special Snowflake"-Klischees ist, fand ich es sehr sympathisch, wie sie emanzipiert das Beste aus ihrer Situation macht und immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat. Mit ihrem Mundwerk, dass manchmal ein bisschen schneller ist als ihr Gehirn, sorgt sie auch für den ein oder anderen Lacher.


"Ich stöhnte auf. "Bitte sag mir jetzt nicht, dass du mein Vater bist und dass das alles hier ein großer Plan war, um eine Prophezeiung zu erfüllen oder so." Ich richtete mich etwas in meinem Stuhl auf. "So langsam reicht es mir nämlich. Ich kann nicht noch ein riesiges Geheimnis ertragen. Jeder auf diesem verdammten Planeten scheint irgendeinen Plan mit mir zu haben. Und alles, was ich will, ist, dass wieder Ruhe einkehrt und mich endlich für ein Studienfach entscheiden zu können."


Neben Emilia und ihrem nun nicht mehr ganz so grummeligen Sidekick Ben treffen wir hier wieder auf liebgewonnene Protagonisten wie Meister Emmett, Larkin (#alleliebenlarkin), Murphy, Annmary, Emilias Mutter oder Davine, die in Band 2 kaum vorkamen. Dass die bislang eher im Hintergrund verbliebene Beziehung zwischen Ben und Emilia hier nun ein wenig mehr Raum erhält, um aufzublühen hat mich nicht wirklich überrascht. Schon eher erstaunt hat mich, dass sich die Autorin hier tatsächlich die Zeit nimmt, auch weitere Ships anzuteasern, die Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Emilia und ihrer Mutter zu vertiefen und nebenbei noch einige neue Nebenfiguren einzuführen. Neben Bens Eltern und neuen Loge-Mitgliedern treffen wir dabei auch auf den ein oder anderen Ur-Alchemisten und auch die ägyptische Mythologie ist wieder mit am Start.


"Schon klar, Mamma." Ich grinste. "Alle lieben Larkin. Stell dich hinten an."


Wir können also festhalten, dass Kira Licht auch in ihrem Finalband noch spannenden, frischen Wind einbringt. Egal ob ein vierter Orden, weitere Mitspieler, neue Verwandtschaftsverhältnisse oder Apokalypsen-Pläne - hier bekommen wir einiges zum Nachdenken, wenn wir nicht gerade mit Emilia und Ben um unser Leben kämpfen. Im Kern geht es jedoch wie in den vorhergegangenen Bänden auch um die Alchemie. Dass Bücher über verborgene Geheimlogen, Reisen durch magische Artefakte und Konkurrenzkämpfe zwischen den Gruppierungen gut als Jugendfantasy funktionieren, weiß man spätestens seit "Rubinrot", dennoch war ich zu Beginn etwas skeptisch, wie die Mischung aus Chemie und Magie zusammenpassen wird. Schon in Band 1 löste sich meine anfängliche Skepsis jedoch schnell in Begeisterung auf. Wer hätte gedacht, dass chemische Reaktionen, verstaubte Manuskripte und komplizierte Rätsel so spannend sein können?


„Wir waren beide nicht dafür gemacht, großartig mit Worten um uns zu werfen. Wir waren beide keine Freunde großer Gesten. Aber das, was wir füreinander empfanden, das war roh und ungeschliffen und nicht perfekt, aber es war echt. Und das war alles, was zählte.“


Ich habe es in meiner Rezension zu Band 1 schonmal erwähnt, sage es aber gerne nochmal: "Kaleidra" kann auch ohne jegliches chemisches Vorwissen gut verfolgt werden, ein grundlegendes wissenschaftliches Vorstellungsvermögen sollte man aber dennoch mitbringen. Wer nicht weiß, dass Natrium zusammen mit Chlor zu Salz reagiert, oder Quecksilber einen niedrigeren Siedepunkt hat als Silber und Gold, wird die Handlung dank Kiras leicht verständlichen Schilderungen trotzdem nachvollziehen können. Richtig Spaß macht die Geschichte aber erst, wenn man die innere Logik der Actionszenen versteht und auch mit Kiras Beschreibungen von Laboren, fliegenden Riesenschlangen und Parallelwelten etwas anfangen kann - nur dann entfaltet sie ihr volles Potential. Alle, die jetzt trotzdem noch "Chemie, igitt" denken, kann ich damit beruhigen, dass der Fantastikgehalt hier gegenüber den anderen Bänden nochmal ordentlich gesteigert ist und es der Autorin mit viel Einfallsreichtum und Kreativität gelingt, einen individuellen Wiedererkennungswert zu hinterlassen und ein ganz besonderes Lesegefühl hervorzurufen.


"Ich bereue grundsätzlich gar nichts. Alles was uns passiert, sind Erfahrungen, die uns stärker und unser Leben facettenreicher machen."


Alchemisten-Mystik, Abenteuer mit Indiana-Jones-Vibes und einen Hauch Romantik... was will man mehr? Zum Leben erweckt wird diese wundersame Mischung aber erst durch Kira Lichts spritzigen, erfrischend humorvollen und lockeren Schreibstil. Sie zieht ihre Geschichte wie gesagt sehr rasant auf, sorgt jedoch durch schlagfertige Dialoge, kreative Ideen, skurrile Begegnungen und leise Romantik dafür, dass wir niemals vergessen, dass hier jugendliche Protagonisten am Werk sind und keine Maschinen. Durch ihren einmaligen Humor, der mich ein wenig an Jennifer L. Armentrout in ihren besten Jahren erinnert hat, bringt sie immer wieder Schwung in die Geschichte und hat mich ein ums andere Mal zum Lachen gebracht.


"Na, wie schmeckt dir das Shortbread?" Damals, mit vier, habe ich am Strand Sand in Plastikförmchen gepresst. Der schmeckte ähnlich. Ich konnte mich soeben noch bremsen, meine Gedanken laut auszusprechen. Wer wusste schon, wer diese Kunstwerke fabriziert hatte. "Gut."


Als kurzes Zwischenfazit wiederhole ich also nochmal, dass Band 3 was Atmosphäre, Spannung und Erzähltempo anbelangt leider nicht ganz mit Band 1 und 2 mithalten kann. Dafür geht "Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" aber auf originelle Art und Weise seinen eigenen Weg und findet darüber auch Platz, die Dynamik zwischen den Figuren toll weiterzuentwickeln. Ein weiterer positiver Punkt, der die leichten Schwächen ausgleicht ist, dass mich die inhaltliche Auflösung positiv überrascht hat. Schon während der Vorgängerbände aber auch während dem Lesen dieses Finales habe ich mich immer wieder gefragt, wie Kira Licht bloß all die offenen Fragen und losen Enden ihrer Handlung halbwegs glaubwürdig zum Ende bringen will. Vor diesem Hintergrund hat die schlussendliche Erklärung der Zusammenhänge meine Erwartungen enorm übertroffen. Zwar kann man kritisch anmerken, dass die Rettung am Ende ein wenig zu schnell und ein wenig zu leicht vonstattengeht, das verzeiht man der Geschichte angesichts der Komplexität aber gerne.



Fazit:


"Kaleidra - Wer die Liebe entfesselt" ist zwar deutlich weniger temporeich und spannend als die vorherigen Bände und schafft es nicht ganz, sich die Apokalypsen-Stimmung zunutze zu machen, ist aber mit der inhaltlich überzeugenden Auflösung und der Weiterentwicklung der Figuren definitiv ein würdiger Abschluss dieser originellen Reihe.

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