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Veröffentlicht am 28.11.2021

Dorfidylle, die Unbehagen auslöst

Böse
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Was mich eingangs völlig verwirrte: Dieser Roman startet fettgedruckt; Fettschrift symbolisiert hier die Szenen, in denen die verschwundene Fenja im Mittelpunkt steht. Aber als ich das eBook aufrief und ...

Was mich eingangs völlig verwirrte: Dieser Roman startet fettgedruckt; Fettschrift symbolisiert hier die Szenen, in denen die verschwundene Fenja im Mittelpunkt steht. Aber als ich das eBook aufrief und mich prompt mit dieser fetten Schrift konfrontiert sah, da habe ich tatsächlich erst nachgeschaut, ob in meinen Einstellungen etwas verstellt wäre, und als Nächstes in ein späteres Kapitel geklickt, um zu prüfen, ob die komplette Datei fett gestaltet sei. Im Nachhinein ist diese Fettschrift zwar ein geeignetes Mittel, um die Fenja-Szenen klar abzugrenzen, aber dass die Handlung direkt so beginnt, empfand ich doch als etwas unglücklich.
Insgesamt gibt es hier mehrere Personen, die abwechselnd fokussiert werden (Katharina, der Bürgermeister Armin Hutter sowie dessen Sohn Karl und eben Fenja), und die Handlung ist insofern minimal achronologisch als sich die erste „fette Fenja-Szene“ eigentlich erst im späteren Verlauf der Geschichte, die ansonsten mit dem Zuzug Fenjas und ihrer Mutter in das beschauliche Dörfchen Hussfeld beginnt, ereignet.
Ich fand es allerdings nicht sonderlich schwer, mich hier perspektivisch reinzufuchsen; hätte mich diese anfängliche Fettschrift nicht direkt völlig konfus gemacht, würde ich da sicherlich absolut gar kein Problem gehabt haben.

Das idyllische Hussfeld wirkt von Anfang an sehr trügerisch; die Leute scheinen dort generell eher konservativ zu sein, der Bürgermeister wirkt wie ein Puppenspieler, der alle Fäden in der Hand hält und einfach nur auf „Friede, Freude, Eierkuchen“ bedacht ist und darauf, dass in Hussfeld alles sehr harmonisch und „gesittet“ zugeht, so dass die geschiedene, alleinerziehende Katharina mitsamt ihrer selbstbewussten Tochter von Anfang an argwöhnisch betrachtet werden – allerdings ahnt man, dass es unter der Oberfläche in diesem Ort vermutlich brodeln muss, sofern sich die Bürger*innen nicht ganz in ihr, vom Bürgermeister vorgegebenes, Schicksal fügen: So begegnet Katharina später auch Leuten, die Hussfeld bewusst den Rücken gekehrt haben, weil ihnen dort alles zu sehr auf „perfekt“ getrimmt war. Hier gelang es dem Autor, die Atmosphäre des Ortes authentisch widerzuspiegeln: Man kann dieses Dorf von vornherein eigentlich nicht guten Gewissens mögen. Ich fand hier tatsächlich die Schilderung des Umfelds sehr gruselig; für mich verströmte Hussfeld da äußerst unangenehme Stepford-Vibes, und ich habe zwischendrin tatsächlich auch mal pausieren müssen, einfach weil ich die Vorstellung des Ortes nicht mehr aushielt.

Generell fand ich „Böse“ von der Erzählung her wirklich eindringlich; leider begann sich ab der Mitte zunächst sehr viel zu wiederholen (Katharina gab ihre erbitterte Suche nach Fenja nicht auf und stieß immer wieder auf die gleichen Widerstände) und hier wurde auch relativ offensichtlich, wer hinter Fenjas Verschwinden steckte, auch wenn es nicht klar kommuniziert wurde, doch die diffusen Äußerungen und Anspielungen waren ziemlich eindeutig. Da zog sich die Handlung bis zum furiosen Showdown, bei dem die Fassade des ganzen Ortes buchstäblich zu bröckeln beginnt (ein gelungenes Sinnbild), doch etwas in die Länge und ich war froh, als sich die Ereignisse in besagtem Finale zu überschlagen begannen und hier nun wirklich etwas passierte.

Grundsätzlich endete „Böse“ nun nicht unbedingt vollkommen offen, wenn es da doch auch einen kleinen Kniff gab, der doch etwas, wenn auch nicht für den Lesenden, ungeklärt ließ und es prinzipiell ermöglicht, dass es hier noch einen Anschlussband geben könnte. Das Ende ist also nicht komplett geschlossen und man kann seine eigene Vorstellung hier zunächst noch etwas weiterspielen lassen. Das war okay, obschon ich einen glasklaren Schluss vorgezogen haben würde.
„Böse“ hat mir letztlich zwar gefallen, wenn mich auch nicht vollends überzeugt; ich würde jedoch definitiv noch weitere Bücher des Autors lesen.

Veröffentlicht am 18.07.2021

Zu wenig nachhaltige Aufklärung: Das "Böse" bleibt zu unerklärt

Der Mädchenwald
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Triggerwarnung: Fehlgeburt(en)!

Als ich „Der Mädchenwald“ final zu lesen begonnen habe, nachdem ich mir zunächst bereits eine Leseprobe zu Gemüte geführt hatte, war ich auf eine etwas nettere, wenn auch ...

Triggerwarnung: Fehlgeburt(en)!

Als ich „Der Mädchenwald“ final zu lesen begonnen habe, nachdem ich mir zunächst bereits eine Leseprobe zu Gemüte geführt hatte, war ich auf eine etwas nettere, wenn auch nicht unbedingt minder psychopathische, Variation von Simone Trojahns „Bad Family“ eingestellt gewesen: Ich war mir ziemlich sicher, dass „Der Mädchenwald“ sich letztlich ähnlich auflösen würde, aber nein, das ist nun nicht gespoilert, denn hier sind die Hintergründe nun doch noch anders.
Worauf ich allerdings überhaupt nicht vorbereitet war, war eine Polizistin in der Frühschwangerschaft, die in diesem Stadium bereits eine zweistellige Zahl an Fehlgeburten durchgemacht hatte und auch hier wieder Auffälligkeiten erlebt, die sie den Fall, den sie leitet, schon fast ein wenig vernachlässigen lässt – nachdem „Der Mädchenwald“ zunächst nur abwechselnd aus der Sicht des ominösen Elijah und der entführten Elissa erzählt wird, kommt bald noch die Perspektive der Polizistin hinzu, aber hier geht es tatsächlich fast nur darum, dass sie Zwischenblutungen hat und überzeugt ist, das Baby verloren zu haben und dass sie das Baby ebensowenig aufgeben kann wie den Versuch, Elissa lebend zu finden. Ich war da sehr froh, dass ich dieses eBook noch sehr lange unangetastet auf meinem Reader habe liegen lassen, nachdem mich die Erzählung von den zahllosen Fehlgeburten auch jetzt noch kalt erwischt haben; vormals hätten sie mir, aus Gründen, völlig den Boden unter den Füßen weggezogen. In diesem Fall hätte ich es wegen des hier doch, überraschenderweise, sehr präsenten Themas angebracht gefunden, würde es bezüglich Fehlgeburt(en) eine Triggerwarnung gegeben haben.

Ansonsten spielt sich die Handlung vom „Mädchenwald“ hauptsächlich via des Kontakts zwischen Elissa und Elijah statt; auch der Kontakt zum Entführer spielt hier eine eher untergeordnete Rolle. Dessen Motiv bleibt eher unklar, wirkt fadenscheinig, die gesamte Situation scheint von Anfang an aussichtslos, da Elijah sehr früh kundtut, Elissa sei nicht die erste Gefangengehaltene und auch ihre „Vorgängerin“ habe nicht überlebt.
Vom Erzählstil hat mich „Der Mädchenwald“, die Erzählstränge der Ermittlerin mal außen vor gelassen, etwas an „Raum“ erinnert, nur dass die Kinder hier nun deutlich älter waren, doch während Elissa sehr rational, sehr logisch durchdacht, eben ganz künftige Schachgroßmeisterin, war, wirkte Elijah eher wie das abgeschottet von der Außenwelt aufgewachsene Kind, das sich jene Außenwelt zurechträt, sich aber in diesem mehr oder minder geschützten Rahmen der Einöde hauptsächlich durch Anpassungsfähigkeit durchschlägt. Doch wirkte er zunächst wie ein ganz lieber, aber sehr naiver Junge auf der verzweifelten Suche nach einem echten Freund, ließen auch diverse Aussagen seinerseits bald erahnen, dass er doch auch eine dunklere Seite haben und in diesem ganzen Entführungsszenario eine größere Rolle spielen müsste.
Ungefähr nach der Hälfte des Romans gab es dann eine erste Enthüllung bezüglich Elijahs, die ich so definitiv nicht erwartet hatte; ab da nahm auch der Versuch, das Verbrechen aufzuklären, deutlich an Fahrt auf; vom Thrill her fand ich das sehr gut und ab da habe ich eine vage Vermutung bzgl. Elijahs entwickelt, die später auch noch bestätigt wurde. Hier fand ich den Hintergrund wirklich spannend.

Unglücklicherweise wurde dieser Hintergrund letztlich insgesamt kaum mehr aufgedröselt: Direkt nach dem Auslesen dachte ich noch „wow, das war jetzt krass; tolle Geschichte!“, aber nur fünf Minuten später begann ich doch zu überlegen, wieso, weshalb, warum, jetzt eigentlich: Man erfährt weder, was genau es nun mit der von Elijah so benannten Schrottstadt auf sich hatte (wer waren diese Leute, wo waren sie hergekommen, was war ihr Begehr?) noch wieso der Entführer zum Entführer geworden war… Da blieb zum Schluss im Grunde genommen so viel offen, dass man schon fast erwarten könnte, dass auf jeden Fall noch ein Prequel folgt, in dem diese ganze Hintergrundbiografie noch aufgeklärt wird.
Ansonsten ist es mir übrigens ein Rätsel, wie man aus dem Originaltitel „The Memory Wood“ den „Mädchenwald“ machen konnte, der auch stets als solcher von Elijah bezeichnet wird, denn selbst in der deutschen Übersetzung wird zum Ende hin mehr als deutlich, dass „Mädchenwald“ eine völlig unzureichende Bezeichnung ist.

Generell fand ich „Der Mädchenwald“ aber ein sehr unterhaltsames und spannendes Psychodrama; hier liegt der Fokus wirklich mehr auf der Betrachtung des Entführungsopfers; dessen sollte man sich bewusst sein – das Kriminalistischste bleibt doch sehr außen vor; da wird wie eingangs erwähnt die körperliche Verfassung der eigentlichen Chefermittlerin weitaus mehr in den Mittelpunkt gerückt.
Insgesamt: schwache vier Sterne – weil es mir hier letztlich vor Allem auch an weitergreifender Auflösung gemangelt hat.

Veröffentlicht am 03.05.2021

Schnelle, simple Kochereien zum Nichtselberkaufen

Hensslers schnelle Nummer
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„Hensslers schnelle Nummer“ könnte man definitiv auch mit „Hensslers Anfängernummer“ betiteln: Da die Gerichte locker in ungefähr 20 Minuten gekocht werden können sollen, ist es wohl von vornherein klar, ...

„Hensslers schnelle Nummer“ könnte man definitiv auch mit „Hensslers Anfängernummer“ betiteln: Da die Gerichte locker in ungefähr 20 Minuten gekocht werden können sollen, ist es wohl von vornherein klar, dass die enthaltenen Rezepte nicht die Aufwändigsten sind. Die niedrigen Schwierigkeitsgrade machen es zudem offensichtlich, dass hier keine „Profikenntnisse“ erforderlich sind und man die diversen Zubereitungsarten auch als Kochneuling nicht ständig googlen muss (was ist pochieren, blanchieren…?).
Generell sind die Gerichte sehr bodenständig; die meisten Zutaten dürfte man problemlos im nächsten gutsortierten Supermarkt finden.

Einige Gerichte finde ich sich zwar zu sehr ähnelnd; grade bei den ersten beiden Rezepten finde ich es bereits auffällig: Hier handelt es sich jeweils um Kartoffelrösti, die allerdings einmal „mit Tomate und Mozzarella“ und einmal „mit Lachstatar“ daherkommen – klar: leicht anders, aber während in anderen Kochbüchern eine Variante eher unter dem anderen Rezept als „Variations-Tipp“ angezeigt werden würde, gesteht man beiden Rezepten hier eine eigene Seite zu.
Auch bei anderen Rezepten habe ich überlegt, ob man sie nicht einfach nur als Variation kurz hätte beschreiben können, allerdings kommt hier nun ein Faktor zum Tragen, der mich dieses Kochbuch ferner als Anfängernummer einschätzen lässt: Aus Erfahrung weiß ich, dass Viele zunächst relativ streng nach Rezeptvorgaben kochen und durchaus häufiger unsicher nachhaken, ob man statt der Aubergine auch eine Zucchetti verwenden kann, oder ob man den Wirsingeintopf auch als Chinakohleintopf zubereiten kann und Ähnliches. So betrachtet wirkt es gleich sehr viel sinnvoller, auch die eine oder andere Variation als separates Rezept vorzustellen - und man wundert sich auch nicht länger, ob ein Kochbuch Gerichte wie „Bratkartoffeln mit Speck (und Zucchini)“ oder „Scharfe Penne mit brauner Butter“ bzw. „Spaghetti aglio, olio e peperoncini“ tatsächlich benötigt, die ja doch eher so ganz typische „Schnellgemachtessen“ sind.
Persönlich bin ich ja großer Fan des, nun schon mehrfach gekochten, Kartoffel-Meerrettich-Eintopfs, eigentlich ein total simples, unaufwändiges Essen, aber ich wäre so vermutlich nie auf die Idee gekommen, Kartoffeln für einen Eintopf in dünne Scheiben zu schneiden oder bloß ein wenig Meerrettich unterzumischen. Von daher ist hier auch so manches „gewöhnliche“ Rezept enthalten, welchem nur etwas Extrapfiff verliehen wurde.

Im „Für Zwischendurch“-Bereich finden sich allerdings ein paar Smoothie-Rezepte, die mir persönlich in diesem Kochbuch nun etwas fehlplatziert erschienen; auf die hätte ich hier sehr gut verzichten können. Die passten für mich nicht so sehr zu den schnellen Nummern.

Toll finde ich den Aufbau des Kochbuchs: Jedes Rezept hat seine eigene Doppelseite, wobei sich rechts jeweils ein Foto des zubereiteten Gerichts befindet. Die linke Seite ist nochmals in zwei „Spalten“ unterteilt, von denen eine die Zutaten auflistet (und mittels kleiner Anzeige auch den ungefähren Zeitaufwand sowie die Anzahl der benötigten Zutaten bzw. ob vegetarisch) und die Andere eben die genaue Vorgehensweise beschreibt.
Das gefällt mir gut; tatsächlich habe ich es auch so gelernt, die eigene Kochmappe genauso zu strukturieren und ich muss zugeben, diese separate Spalte bzgl. der Zutaten ist schon sehr praktisch, grad auch, wenn es um das Schreiben eines Einkaufszettels geht.

Die angegebenen Zubereitungszeiten stimmen auch mehr oder minder, das heißt: ich bin z.B. wahnsinnig schlecht (und entsprechend langsam) im Schnippeln, Raspeln etc.; absolute Anfänger werden da allerdings auch kaum schneller sein als ich und ich benötige bei den Gerichten, deren Zubereitung 5-10 Minuten dauern soll(te) häufig ungefähr das Doppelte der angegebenen Dauer, weil ich halt so langsam darin bin, die Zutaten entsprechend vorzubereiten. Bei den Gerichten, die mit einer 20 gekennzeichnet sind (das sind in diesem Fall übrigens nicht so viele), schaffe ich es erstaunlicherweise aber doch auch zumeist in der genannten Zeitspanne.

Generell sehe ich „Hensslers schnelle Nummer“ eben als Kochbuch bzw. Grundrezeptesammlung für totale Anfänger an; ich denke, ich würde es noch nicht einmal Henssler-Fans im Speziellen empfehlen, weil es dazu einfach nicht „besonders genug“ ist; ohnehin ist das für mich ein Buch, was ich zwar jemandem z.B. zum Einzug in die erste eigene Wohnung schenken würde, aber ich würde nicht dazu raten, es sich für gegenwärtig 24€ selbst zu kaufen. Die qualitativ hochwertige Aufmachung rechtfertigt den Preis zwar in gewissem Maße, aber der Inhalt bleibt im Grunde genommen eben doch gewöhnlich. Für die Sammlung der hier enthaltenen Rezepte würde ich so nicht mehr als 15€ zahlen wollen.
Für mich ist es eben ein hübsch gemachtes „Basisbuch“ zum Verschenken/Schenkenlassen.


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 01.03.2021

Ruhiger Krimi mit toll herausgearbeiteten Hauptfiguren

ERBARMUNGSLOSES SPIEL
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„Erbarmungsloses Spiel“ erzählt von einem sehr interessanten Detektiv-Duo, obschon es hier theoretisch gar kein Duo gibt, sondern praktisch der von diesem beauftragte Privatdetektiv Oliver Speer durch ...

„Erbarmungsloses Spiel“ erzählt von einem sehr interessanten Detektiv-Duo, obschon es hier theoretisch gar kein Duo gibt, sondern praktisch der von diesem beauftragte Privatdetektiv Oliver Speer durch den erst 12jährigen Tristan unterstützt wird, der Asperger-Autist ist und die Unschuld seiner Mutter beweisen möchte, die nicht nur seine Brüder vergiftet haben soll, sondern auf den Ältesten in Gegenwart von Zeugen zudem auch eingestochen hat, was sie doch sehr schuldig aussehen lässt.

Der Roman wird im wiederholten Wechsel aus den Perspektiven von Oliver und Tristan erzählt, wobei ich es sehr schön fand, wie selbstverständlich Oliver hier mit Tristan, offenbar seiner ersten autistischen Kontaktperson, umging und sich bald eine sehr familiäre Bindung zwischen den Beiden entsponn, wozu auch Olivers Tante, sozusagen dessen „Geschäftsassistentin“, beitrug, die sich Tristan sehr mütterlich zuwandte. Tristan andererseits war sehr selbstreflektiert und ließ sich im Alltag auch immer wieder herausfordern, was besonders sichtbar wurde, wenn er seinen ebenfalls autistischen Freund besuchte, der eher sehr in sich zurückgezogen war und soziale Kontakte weitgehend mied. Da empfand ich es als sehr wohltuend, dass die unterschiedlichen Wesen dieser beiden Autisten zwar deutlich, aber doch wertungsfrei, dargestellt wurden.

Ein Verdächtiger abseits der Mutter ist in dieser Geschichte rasch gefunden und ebenso schnell sind Oliver und Tristan sich einig, dass es sich hierbei um den tatsächlich Verantwortlichen handeln muss: Da geht es in „Erbarmungsloses Spiel“ dann sehr schnell um das „Wieso“ bzw. um das Nachweisen jener Schuld und weniger um das „Warum“, auch wenn zumindest Oliver stets im Hinterkopf behält, dass eventuell doch die Mutter hinter dem kompletten Szenario stecken könnte.

Ich fand diesen Krimi nun sehr unterhaltsam und auch recht spannend; dabei wird weniger auf Thrill und das Nervenzerreißende gesetzt, hier wird die Situation eher Stück für Stück aufgedröselt; das ist also definitiv eher ein Werk für die Lesenden, welche die große Herzattackegefahr bei Spannungsliteratur lieber meiden möchten.
Was mir allerdings missfallen hat, war, dass der verantwortlichen Person hier zum Schluss doch eine sehr „umfangreiche“, wilde Vergangenheit nachgewiesen wurde, was einerseits zu einer gestellten Diagnose passte, mich andererseits aber denken ließ, dass ein Verbrechen weniger es auch noch mehr als getan haben würde. Zum Schluss war mir da einfach ein zu viel an Vergangenheit da; leider fand ich die Auflösung da generell auch etwas zu schnell abgefrühstückt: Ganz plötzlich war alles klar und schwuppdiwupp, war die ganze Geschichte vorbei; da ging mir der Abschied von den Figuren einfach ein klitzekleines bisschen zu schnell, grad dafür, dass sich zuvor alle Stück für Stück aneinander gewöhnt und einander langsam immer besser kennengelernt hatten.

Insgesamt aber doch ein durchaus gelungener Roman und ich würde definitiv gerne auch weitere Geschichten rund um Oliver Speer lesen, in der Hoffnung, dass Tristan in diesen zumindest auch den einen oder anderen Cameo-Auftritt haben würde.

Veröffentlicht am 31.12.2020

Ein Roman wie ein Kitschfilm

Lessons from a One-Night-Stand
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Mit dem Autorinnenduo Piper Rayne habe ich manches Mal meine Mühe (wie allerdings übrigens mit den meisten Autorenteams), da mir die Romane manchmal, ob nun im Original (da zugegeben gar häufiger) oder ...

Mit dem Autorinnenduo Piper Rayne habe ich manches Mal meine Mühe (wie allerdings übrigens mit den meisten Autorenteams), da mir die Romane manchmal, ob nun im Original (da zugegeben gar häufiger) oder in der Übersetzung, zuweilen sehr „ungeschliffen“ erscheinen und ich häufiger das Gefühl habe, dass der Stil plötzlich ganz anders ist und man eben merkt, wenn von einer Szene zur nächsten der andere Teamteil das Schreiben übernommen hat. Dummerweise finde ich die Piper-Rayne-Inhalte an sich allerdings immer zu nett, wenn es um Romance geht, um einfach generell auf das Lesen dieser Romane verzichten zu wollen – und zugegeben: da hat mich „Lessons from a One-Night-Stand“ nun positiv überrascht. Diese Geschichte hat für mich an keiner Stelle gehakt, weder stilistisch noch inhaltlich.

Ich fand die Geschichte der Familie Bailey, die ihre kleine Heimatstadt in Alaska quasi dominieren, zwar ein wenig überzogen: Mehr als eine halbe Fußballmannschaft Kinder, darunter zweimal Zwillinge, die aufgrund eines Unfalls plötzlich verweisen, woraufhin Austin als ältester Sohn mit Anfang zurückkehrt und gemeinsam mit seiner 19jährigen Schwester, die den Familienbetrieb übernimmt, die Zügel in die Hand nimmt und fortan seine Geschwister aufzieht… das war schon ein bisschen sehr viel an dramatischen Familienzusammenhalt.
Allerdings hat es mich noch mehr irritiert, dass Austin gleich einen One-Night-Stand mit der neu bzw. vorübergehend zugezogenen Holly hatte (die sich prompt als die neue Rektorin an der Schule, an der er als Coach tätig ist, herausstellt) – okay, dieser Handlungsstrang ist im Romancegenre nicht ungewöhnlich, aber ich fand ihn hier bemerkenswert, weil sowohl Austin als auch Holly in der Geschichte ansonsten absolut nicht so wirken, als seien sie dafür offen, in der nächsten Bar wen aufzureißen und es gleich auf dem Parkplatz im Auto mit dieser Person zu treiben. Das war für mich so ziemlich der unglaubwürdigste One-Night-Stand, von dem ich je gelesen habe.

Im Gegensatz zum Stil war der Inhalt also nicht ganz so aalglatt, auch wenn der Plot nie von der genretypischen Bahn abkam. „Lessons from a One-Night-Stand“ spielt zwar im Frühjahr, insgesamt war der Roman für mich aber ein absolut typischer Weihnachts-Hallmarkmovie, nur halt eben in Buchform. Meiner Meinung nach sollte man hier also nicht mehr als schmachtige Unterhaltung erwarten, deren Ausgang von vornherein glasklar ist.
Aber manchmal ist auch das ganz schön zu lesen, und wie gesagt: Mich erinnerte die Geschichte an einen romantischen Weihnachtsfilm und da ich „Lessons from a One-Night-Stand“ nun erst Ende Dezember gelesen habe, passte das ganz gut – im Sommer wäre mir der Roman da womöglich tatsächlich viel zu schnulzig als dass ich mich dann noch so an der Story erfreuen würde können wie ich das nun getan habe. Für mich gilt hier generell: Wer sich an „Lessons from a One-Night-Stand“ erfreuen möchte, den sollte es zugleich besser nach einem echten Schmachtfetzen gelüsten!