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Veröffentlicht am 05.02.2022

Spannung, Verbrechen und tödliche Gefahr im Wattenmeer

Der Holländer
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Atmosphärisch dicht in der schier grenzenlosen Weite des Wattenmeers – Mathijs Deen hat mit „Der Holländer“ einen Kriminalroman geschaffen, dem es gelingt, die Ruhe und kraftvolle Natur dieser einzigartigen ...

Atmosphärisch dicht in der schier grenzenlosen Weite des Wattenmeers – Mathijs Deen hat mit „Der Holländer“ einen Kriminalroman geschaffen, dem es gelingt, die Ruhe und kraftvolle Natur dieser einzigartigen Landschaft mit der Spannung und Raffinesse eines tödlichen Verbrechens zu verbinden. Was dabei herauskommt: ein Kriminalroman in ruhigem Ton und intelligent konstruiert, der mich gefesselt und wie der weiche Schlick mit sich in die Tiefe gezogen hat.
Dass das Wattenmeer trügerisch sein kann, ist wohl den meisten von uns bekannt. Das, was gerade noch trocken, fest und gehbar erscheint, ist nur wenige Zeit später Meeresboden, von Wasser umschlossen, mit Wasser geflutet. Weite erscheint nah, Reflektionen gaukeln uns Trugbilder vor, Schönheit verwandelt sich in einen Albtraum. Und genau so verhält es sich auch mit dem Tod des Wattwanderers Klaus Smyrna, der als Unfall erscheint und nach und nach Tragik, Rache und Grausamkeit erkennen lässt.
Der Ermittler Liewe Cupido, genannt „Der Holländer“, ist dabei ebenso ein Produkt wie auch ein Abbild dieser Landschaft mit ihren besonderen Bedingungen und Erfordernissen. Nach außen ruhig und verschlossen lässt auch er eine Raffinesse und Tiefe in Wesen und Denken erkennen, die es ihm erlaubt, dieses Verbrechen als ein solches auszumachen und die verschiedenen Stränge und Hinweise zu einem großen Ganzen zusammenzusetzen. Ergänzt und unterstützt wird er dabei von dem jungen Polizisten Xander Rimbach, der mit seinem Eifer und seinem jugendlichen Übermut die Ermittlungen ebenso vorantreibt wie den passenden Gegenpart für ein Ermittlerduo bildet, das sympathisch, liebenswert und von einer kriminalistischen Brillanz ist.
„Der Holländer“ hat alles, um mir die Zeit bis zu meinem nächsten Urlaub im Nachbarland zu verkürzen und mich zugleich neugierig auf die Kriminalliteratur niederländischer Autorinnen und Autoren zu machen: die Liebe zu der einzigartigen Natur, den Menschen und ihren Traditionen sowie eine Sprache, die klar und direkt ist, und einen Aufbau, der es vermag, Atmosphäre und Spannung zu transportieren. Und ganz zum Schluss noch ein Wunsch: Mit Liewe und Xander, so wunderbar sie zusammen sind, würde ich gerne noch das eine oder andere Verbrechen gemeinsam enthüllen.

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Veröffentlicht am 23.01.2022

Wunderschöne Geschichten voll Wut und Traurigkeit

Milch Blut Hitze
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Mit ausdrucksstarken Bildern, einer schier überwältigenden Sprache und einem scharfen Blick für das Dunkle und das, was dem oberflächlichen, flüchtigen Blick des Betrachters und der Betrachterin oftmals ...

Mit ausdrucksstarken Bildern, einer schier überwältigenden Sprache und einem scharfen Blick für das Dunkle und das, was dem oberflächlichen, flüchtigen Blick des Betrachters und der Betrachterin oftmals verborgen bleibt, nimmt Dantiel W. Moniz uns mit in eine Welt voller Gefühle und Stimmungen.
Ihre Protagonist*innen haben es dabei nicht immer leicht in ihren Leben, befinden sich in Krisen, kämpfen mit versteckten Traumata, vermissen oftmals die Bindungen, die es vermögen, ihnen Stabilität und Halt zu verleihen. Insbesondere das Verhältnis zu der eigenen Mutter scheint oftmals gespalten und von Distanz, einem Nichtverstehen und fehlender Verbundenheit geprägt. Liebe besteht trotzdem – wenn auch hier: häufig im Verborgenen, verschüttet unter dem, was war und gerade ist, teilweise erst in der Rückschau zu erkennen und zu spüren.
Nicht bestimmend aber doch wesentlich ist in allen Erzählungen die Hautfarbe der Figuren. Rassismus in Form von direkten Anfeindungen, Ausgrenzung oder Gewalt ist nicht vorherrschend, vielmehr sind es die Vorurteile, Klischees und eine Form von Festlegung und einem Gesehenwerden, welche das Leben begleitet und prägt. Und doch sind die Geschichten in ihren wesentlichen Ereignissen und Aussagen oftmals übertragbar – in Raum, Zeit und Kultur.
Was allen Erzählungen gemein ist: Nichts ist ohne Ausweg, Hoffnung oder Möglichkeiten. Es geht immer weiter, und oftmals haben es die Figuren selbst in der Hand, welchen Weg sie einschlagen. Und ob sie Verlockungen widerstehen, Gefühle zulassen und Unheil abwenden oder hinter sich lassen können.
Auch Dantiel W. Moniz scheint alle Möglichkeiten, die Fähigkeit und das große Talent zu haben, sich zu einer herausragenden Autorin und großen Stimme der US-amerikanischen Literatur zu entwickeln. Wir werden von ihr hören – dafür ist dieser Erzählband ein Versprechen.

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Veröffentlicht am 06.12.2021

Wie Feuer und Wasser, Erde und Luft – Fantasy, Frauen und Emanzipation

Die Schwestern Grimm
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Wie durch ein schmiedeeisernes Tor im Mondlicht hat auch der Roman mich mit in eine andere Welt genommen – eine Welt mit ihren ganz eigenen Gesetzen, Regeln und vor allem Figuren, welche diese bewohnen.
Und ...

Wie durch ein schmiedeeisernes Tor im Mondlicht hat auch der Roman mich mit in eine andere Welt genommen – eine Welt mit ihren ganz eigenen Gesetzen, Regeln und vor allem Figuren, welche diese bewohnen.
Und so, wie auch die Grimmschwestern von ihrer Herkunft, ihren Fähigkeiten und ihrer Gabe, zwischen Everwhere und dem Hier zu wechseln, etwas Besonderes sind, so ist dies die vorliegende Geschichte auch.
Goldie, Liyana, Scarlet und Bea sind starke Frauen, die sich ihre Stellung in ihrem Leben gegen viele und verschiedene Widerstände hart erkämpfen mussten und dabei vor allem auf sich selbst, ihre Instinkte und die Kraft, die aus der Liebe zu ihren Angehörigen erwächst, gestellt sind. Alleine der Welt und ihren vor allem männlichen Vertretern teils schutzlos ausgesetzt, ist das Band, das sie einst zu einer unbesiegbaren Einheit machte, durch einen Zauber in Vergessenheit geraten. Erinnerungen blitzen lediglich in Form von Bildern, Emotionen und Träumen als kurze Schlaglichter auf – und dies immer häufiger und in ihrer Intensität zunehmend. Denn nicht mehr lang, und an ihrem achtzehnten Geburtstag ist der Bann gebrochen, und in Everwhere erwartet die Schwestern ein Kampf auf Leben und Tod, für das Gute oder das Böse in ihnen und vor allem gegen ihren Vater, den mächtigen Dämon.
Menna van Praag hat einen spannenden, mitreißenden Roman voll Fantasie und fantastischen Elementen geschrieben, der zugleich eine Geschichte des weiblichen Kampfs in einer männlich dominierten Welt, von dem Weg aus der Unterdrückung in die Selbstbestimmung und dem Erlangen von Überlegenheit durch Gemeinschaft ist.
Wie sich die unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Fähigkeiten der vier Schwestern zu einem starken Ganzen vereinen, wie Feuer und Wasser, Erde und Luft zusammen unbezwingbar werden, so zieht auch dieser Roman seine Stärke aus seinen verschiedenen Elementen, Intentionen und Betrachtungsweisen – die ihn zusammen ebenfalls stark und zu einem einzigartigen Leseerlebnis machen.

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Veröffentlicht am 19.09.2021

Wo das Land grün und weit, die Geheimnisse dunkel und schwer sind

Der Sucher
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Irland – das Land der rauen Küsten, der grünen, satten Weiten und nicht zuletzt der wortkargen, dabei jedoch sehr freundlichen Menschen machen die Insel noch heute zum Traum vieler Auswanderer. Doch dieses ...

Irland – das Land der rauen Küsten, der grünen, satten Weiten und nicht zuletzt der wortkargen, dabei jedoch sehr freundlichen Menschen machen die Insel noch heute zum Traum vieler Auswanderer. Doch dieses scheinbare Paradies zeigt Risse, hat dunkle Seiten und tiefe Abgründe, die Tana French auch in ihrem neuen Kriminalroman kunstvoll offenlegt und die Leserin und den Leser damit auf eine spannungsvolle Reise fernab der bekannten Postkartenmotive mitnimmt.
All diese Bilder, Sehnsüchte und Klischees hat möglicherweise auch Cal Hooper im Kopf als er die grüne Insel als Sitz für seinen Ruhestand wählt, um so der Kriminalität, Gewalt und dem Lärm Chicagos zu entkommen. Sein Plan scheint aufzugehen, Ruhe und Einsamkeit umfangen ihn, durchbrochen nur vom Geplauder seines Nachbarn und dem abendlichen Dorfklatsch bei Bier, Musik und Kartenspiel.
Doch die dunkle Seite des Landlebens sucht sich ihren Weg zu ihm und auch, wenn Cal sich ihr zuerst verschließen will, nimmt der Kriminalbeamte in ihm doch bald ihre Spur auf und demontiert so Stück für Stück die vermeintliche Idylle. Was er zu Tage befördert, lässt nicht nur ihn erschauern, sondern gefährdet den Frieden und das Zusammenleben des gesamten Dorfes. Dass dessen Bewohnerinnen und Bewohner dem nicht untätig zusehen, versteht sich fast von selbst.
Weit und ruhig wie das Land hat Tana French auch ihren neuen Roman angelegt – nur nach und nach erhält der Schrecken Einzug in die Geschichte, wird das Grauen sichtbar unter der alles überdeckenden Schönheit der Natur, den vielen Schichten Geheimnis, Lügen, irischem Torf. Auch, wenn ich mir hin und wieder eine schnellere Gangart gewünscht hätte, fühlen sich Fortgang und Tempo für die Erzählung doch stimmig an. Und schon jetzt empfinde ich nicht nur eine Sehnsucht nach diesem wunderschönen und sehr vielschichtigen Land sondern auch nach einem weiteren Roman dieser großartigen Autorin. Hoffentlich bald!

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Veröffentlicht am 13.08.2021

Ein Leben, das zu einer Suche wird – große Fragen einer großen Erzählerin

Ein erhabenes Königreich
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Das Verhältnis von Religion und Wissenschaft, Ghana und den USA, People of Color und einer von Weißen geprägten Gesellschaft – es sind große, allumfassende Themen, die Yaa Gyasi in den Mittelpunkt ihres ...

Das Verhältnis von Religion und Wissenschaft, Ghana und den USA, People of Color und einer von Weißen geprägten Gesellschaft – es sind große, allumfassende Themen, die Yaa Gyasi in den Mittelpunkt ihres neuen Romans stellt, Themen, die politisch besetzt und emotional aufgeladen sind. Kriegsgebiete für manche, viele. Auch gerade deswegen mag eine sachliche Auseinandersetzung mit diesen oftmals unmöglich erscheinen, zu groß sind die Gräben, die zwischen ihnen bestehen.
Umso größer, vielleicht auch mutiger ist Gyasis Ansatz zu schätzen, ihre Figuren gerade in diesen Fragen auf eine Reise zu schicken, die auch zu einer Suche nach dem Verbindenden, Gemeinsamen im vermeintlich Gegensätzlichen und Unvereinbaren wird. Die Auswirkungen auf ihre Leben sind dabei gravierend, leidvoll, aus Entbehrungen werden Verlust, Trauer. Und auch für mich als Leserin ist es eine emotionale Schwere, die mich durch die Geschichte begleitet, Leichtigkeit und Freude mögen vor allem mit Blick auf den wunderbaren Erzählstil und die in Teilen poetische wie zugleich sezierende, analytische Sprache aufkommen.
Der Glaube an Gott ist das verbindende Element, welches die auseinanderstrebenden Leben der Figuren zumindest eine Zeitlang zusammenzuhalten vermag. Zugleich ist es aber auch die Religion, die insbesondere in Gitsy und Nana Reibung mit dem Vorhandenen erzeugt und mit Blick auf die eigene Gemeinde ihre Sonderposition als Angehörige einer Minderheit – wenn auch zahlenmäßig von einer erheblichen Größe an Mitgliedern – festigt.
Gitsys Konsequenzen aus den erlittenen Verlusten und Traumata sind der Versuch einer Zusammenführung von Religion und Wissenschaft und wiederum die Widmung ihrer Forschung dem Verständnis von Sucht und der Durchbrechung von mit dieser verbundenen Belohnungsstreben. Das ist viel. Zu viel für das Leben einer jungen Frau. Und auch viel für mich als Leserin. Ich fühle mich erschöpft aber zugleich auch bereichert um eine großartige Erzählung und die Auseinandersetzung mit Themen und Fragen, die allzu oft wortlos und unausgesprochen bleiben.

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