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Veröffentlicht am 01.01.2022

Nirgends strahlt der Himmel so schön grau wie in Norddeutschland

Das Haus am Deich – Fremde Ufer
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1947. Der Krieg zwang die aus einfachen Verhältnissen stammende Frida Köhle und deren Eltern, ihre Heimatstadt Stettin zu verlassen und nach Westen zu flüchten, wo sie in der Wesermarsch bei einer Bauersfamilie ...

1947. Der Krieg zwang die aus einfachen Verhältnissen stammende Frida Köhle und deren Eltern, ihre Heimatstadt Stettin zu verlassen und nach Westen zu flüchten, wo sie in der Wesermarsch bei einer Bauersfamilie untergebracht werden. Dort fühlt sich die Familie gar nicht wohl, muss aber hart mit anpacken. Mehr und mehr verabschiedet sich Frida von ihrem Traum, einmal Pianistin zu werden. Wenigstens hat sie ihre Jugendfreundin Erna von Geest in greifbarer Nähe, wenn diese auch durch ihren umtriebigen Vater mit ihren Eltern in einer Villa untergebracht ist und sich um nichts zu kümmern braucht. Fridas Vater Ulrich erwirbt eine kleine Kate, in die er viel Arbeit steckt, um seiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen. Dafür ist er rund um die Uhr als Handlanger unterwegs, während Fridas Mutter Margret den Haushalt am Laufen hält. Als Erna unehelich schwanger wird, sucht sie bei Frida und deren Familie Unterschlupf, denn bei ihren eigenen Eltern herrscht Kälte und Unverständnis. Auch Frida will zum Unterhalt der Familie beitragen und nimmt Arbeit in einer Fischfabrik an, wo sie Horst Hinrichs begegnet…
Regine Kölpin hat mit „Fremde Ufer“ einen sehr unterhaltsamen Auftakt ihrer historischen Deich-Trilogie vorgelegt, der nicht nur die Nachkriegsjahre Deutschlands wieder aufleben lässt, sondern auch mit einer Familiengeschichte sowie einer tiefen Frauenfreundschaft aufwarten kann. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einer Zeitreise in die Jahre 1947 bis 1950 ein, wo er durch wechselnde Perspektiven nicht nur Frida und ihr Umfeld kennenlernt, sondern auch am Leben von Erna und deren Familie teilhaben kann. Frida und ihre Eltern haben in Stettin alles zurücklassen müssen und sind mit wenigen Habseligkeiten im Westen gelandet, leben als Flüchtlinge in ärmlichsten Verhältnissen und ermöglichen sich mit harter Arbeit nach und nach ein etwas besseres Leben, obwohl sie immer noch Heimweh nach der alten Heimat haben. Als Flüchtlinge waren sie in der Gesellschaft am Ende der Nahrungskette und wurden oftmals verachtet oder auch bei der Arbeitssuche übergangen. Erna von Geest und ihre Familie sind das komplette Gegenteil von Fridas Familie. Ernas Vater ist ein Ex-Nazi und Emporkömmling, der gute Kontakte pflegt und dadurch viele Vergünstigungen erhält sowie seine Macht ausspielt. Davon profitiert zwar die Familie insgesamt, doch fehlt es in diesem Haushalt an Wärme, Verständnis, Liebe und vor allem Zusammenhalt. Kein Wunder, dass sich Erna immer wieder zu Frida flüchtet, weil sie dort alles findet, was sie daheim vermisst. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, den zwei Familien Leben einzuhauchen und dem Leser so die Möglichkeit zu geben, sich unter sie zu mischen. Auch lässt sie die damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten sowie die unterschiedlichen Rollen von Mann und Frau sehr schön in ihre Geschichte miteinfließen.
Die Charaktere sind sehr authentisch gezeichnet und mit glaubwürdigen Eigenschaften ausgestattet, so dass der Leser sich mit ihnen verbunden fühlt und mit ihnen fiebert. Frida ist musisch talentiert, muss aber nun ins wirkliche Leben eintauchen und fleißig mitanpacken. Sie ist großherzig, offen, freundlich und hilfsbereit. Erna ist etwas verwöhnt, hat aber das Herz am rechten Fleck. Sie spricht Dinge offen aus, lässt sich nichts vormachen und muss einige Schicksalsschläge einstecken. Fridas Mutter Margret ist nach außen unterkühlt, doch insgeheim tut sie für ihre Familie alles. Vater Ulrich ist ein warmherziger Mann, der seiner Familie alles ermöglichen will. Heinz von Geest ist ein unbarmherziger Mann, der nur seinen eigenen Vorteil sucht, während Ehefrau zutiefst verängstigt ist und sich kaum zu wehren weiß.
„Fremde Ufer“ ist ein wunderbarer Mix aus Familiengeschichten, Geheimnisse, Liebe und Intrigen, der mit einer sehr authentischen Schilderung des Lebens der Flüchtlinge in der Nachkriegszeit zusätzlich punkten kann. Absolute Leseempfehlung für einen echten Pageturner!

Veröffentlicht am 30.12.2021

„Lieben heißt Kontrolle verlieren.“ (Paul Coelho)

Mach dich locker
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Perfektionistin Marie hat alles unter Kontrolle: ihre Familie, ihr Leben, sich selbst. Dass sie dabei ihrem Ehemann und ihren Kindern damit extrem auf die Nerven geht, merkt sie gar nicht. Ehemann Alexander ...

Perfektionistin Marie hat alles unter Kontrolle: ihre Familie, ihr Leben, sich selbst. Dass sie dabei ihrem Ehemann und ihren Kindern damit extrem auf die Nerven geht, merkt sie gar nicht. Ehemann Alexander bringt sich zur Abwechslung auf Abwege und amüsiert sich lieber mit Hippie-Babette, der Marie auf einem Elternabend begegnet und mit deren Art sich Marie so gar nicht anfreunden kann. Als ein Hexenschuss Marie in den Rücken fährt und sie vor lauter Schmerz wie eine Schildkröte auf dem Rücken verharren muss, gerät ihr wohlgeordnetes und kontrolliertes Leben außer Kontrolle und macht sich selbständig…
Ellen Berg hat mit „Mach dich locker“ einen sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, der nicht nur mit witzigen Einlagen punkten kann, sondern den Lesern und Leserinnen auch den Spiegel vorhält, um das eigene Leben mal zu reflektieren, denn wer von uns will nicht möglichst alles im Griff behalten. Der flüssige, farbenfrohe und humorige Erzählstil schleudert den Leser mitten in Maries Leben hinein, wo er sich ihrer herrischen Art gegenüber sieht, mit der sie sämtliche Belange der Familie dirigiert. Keine Herausforderung ist vor ihr sicher, die Lösung liegt ihr praktisch immer auf der Zunge. So kommandiert sie ihren Ehemann und ihre Kinder tagaus tagein durch deren Leben und jongliert mit deren Zeit, so dass sich alle Dinge immer erledigen lassen. Nur hat sie dabei vergessen, dass nicht jeder so gestrickt ist wie sie und lieber gemächlicher durchs Leben geht, wobei er Fünfe gerade sein lässt. Nicht so Marie, bei ihr ist alles sekündlich durchgetaktet. Doch wer mag schon so durchs Leben gehen, wenn es an Spontanität und Überraschungen fehlt? Aber mal ehrlich, viele von uns finden uns in Marie wieder, denn der heutige Alltag verlangt geradezu nach guter Planung, um alles unter einen Hut zu bringen, wobei das Sozialleben ziemlich auf der Strecke bleibt. Mit viel Witz und Humor laviert Berg den Leser durch ihre Handlung, doch insgeheim ertappt dieser sich beim Lesen dabei, sich selbst zu hinterfragen, denn manche Szenen kommen einem wie ein Déjà-vu vor. Und während Marie eine ungewollte Auszeit hinnehmen muss, erkennt auch sie, dass das eigentliche Leben an ihr vorbei rauscht vor lauter Kontrollzwang und dass sich unbedingt etwas ändern muss. Berg bringt es auf den Punkt: Kontrolle ist gut, leben ist besser!
Die Charaktere sind wie aus dem täglichen Leben gegriffen und überzeugen mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften, die sie dem Leser ganz nahe bringen. Dieser folgt ihnen gern, nicht ohne sich selbst bei vielen Dingen zu hinterfragen. Marie ist eine patente Frau, die alles unter Kontrolle hat, nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Umfeld. Sie wirkt auf den ersten Blick herrisch, aber insgeheim zeigt sie Unsicherheit, den Alltag ohne ihre Perfektion nicht meistern zu können und deshalb vielleicht nicht geliebt zu werden. Ehemann Alexander ist der Perfektionsdrang seiner Gattin ein Gräuel, dem er entfliehen will. Schwiegermutter kommt aus einer Zeit, als die Dinge noch anders gehandhabt wurden. Babette lässt alle Fünfe gerade sein und lebt lieber in den Tag. Sie alle, einschließlich Teenie-Sohn und Assistentin Scarlett machen die Geschichte zu einem Pageturner mit eingeschlossenem Selbstfindungstrip.
„Mach dich locker“ ist nicht nur unheimlich witzig und unterhaltsam, sondern vor allem ein Fingerzeig, sich selbst mal zu hinterfragen. Wunderbar ironisch und mit vielen Lebensweisheiten gespickt, klebt der Leser an den Seiten, während er so manche Situation aus dem eigenen Leben vor Augen hat. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 23.12.2021

Heimat ist da, wo das Herz ist!

Kein Weg zu weit
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1919. Seit 10 Jahren lebt Grace McAlister als adoptierte Tochter der wohlhabenden Hamiltons in Belleville und steht kurz vor ihrem Gesellschaftsdebüt. Als sie auf dem Dachboden eine alte Holztruhe mit ...

1919. Seit 10 Jahren lebt Grace McAlister als adoptierte Tochter der wohlhabenden Hamiltons in Belleville und steht kurz vor ihrem Gesellschaftsdebüt. Als sie auf dem Dachboden eine alte Holztruhe mit einer Bibel findet, erinnert sie sich dunkel daran, dass sie noch Geschwister hat und schreibt heimlich einen Brief an das damalige Kinderheim, um sich über deren Verbleib zu erkundigen, denn ihre Adoptiveltern haben seit jeher ihre Herkunft unter den Teppich gekehrt, um ihren Ruf zu wahren. Währenddessen kommt Garth McAlister gemeinsam mit seinem Freund Rob aus dem Krieg zurück und besucht seine Familie in England, bevor er sich auf die Suche nach seiner großen Liebe Emma in Kanada machen will, von der er seit Monaten nichts gehört hat. Seine Schwestern Laura, Kati und seine Mutter Edna bestärken ihn darin, sich bald auf den Weg zu machen, denn sie haben einen Brief erhalten, der sie über Grace' Aufenthaltsort informiert, nach der sie schon seit 10 Jahren unermüdlich suchen. So reist Garth in Begleitung von Rob nach Kanada, um einerseits seine jüngste Schwester Grace endlich zurück zur Familie zu holen und andererseits Emma zu finden, um sie zu heiraten. Wird er die beiden Frauen aufspüren können?

Carrie Turansky hat mit „Kein Weg zu weit“ den Nachfolgeband von „Weiter als der Ozean“ vorgelegt, der dem Vorgänger an Unterhaltung und Spannung in nichts nachsteht. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einer Zeitreise ins vergangene Jahrhundert ein, wo er sich durch wechselnde Perspektiven mal an der Seite von Grace, mal an der von Garth und mal an der von Emma wiederfindet. Grace' Adoptivfamilie gehört der wohlhabenden Schicht an, somit hat sie es besser getroffen als ihre Geschwister, die nicht nur hart arbeiten mussten, sondern auch misshandelt wurden. Grace lebt in einem goldenen Käfig, denn sie besitzt zwar alles, aber die Liebe ihrer Eltern bleibt ihr vorbehalten, sie kommt sich eher wie ein Ausstellungstück. Daraus resultiert auch ihr großer Wunsch, endlich ihre echte Familie wiederzufinden. Emma ist ebenfalls als Waise nach Kanada gekommen und hat hart auf einer Farm gearbeitet, bis sie flüchten musste. Sie schlägt sich durch, bis sie unter Mordverdacht gerät und dafür ins Gefängnis muss. Während Garth und Rob sich auf die Suche nach den beiden jungen Frauen machen, werden ihnen so einige Widerstände in den Weg gelegt, die neben einigen Überraschungsmomenten die Spannung konstant auf einem guten Niveau halten. Der christliche Aspekt drückt sich durch kleine Gebete aus, die den Protagonisten Kraft spenden sowie ihre Gottvertrauen stärken, dabei geht es um Hoffnung und Zuversicht.

Die Charaktere sind liebevoll mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet und lebendig in Szene gesetzt. Sie wachsen dem Leser schnell ans Herz, der sich ihnen gern anschließt und ihnen bei ihren Unternehmungen über die Schulter schaut. Grace ist eine offene und ehrliche junge Frau, die ihr Herz auf der Zunge trägt. Sie wagt ein Abenteuer und wird dafür reich belohnt. Garth ist ein freundlicher und mutiger Mann, der sich durch nichts von seinem Vorhaben abbringen lässt. Sein Glaube hilft ihm durch schwere Zeiten, ebenso wie sein Freund Rob, der ihn immer unterstützt. Emma ist eine hilfsbereite und fleißige junge Frau, die schon so manchen Schicksalsschlag verkraften musste. Neben ihrer Ehrlichkeit bringt sie vor allem ihre Herkunft in Schwierigkeiten, doch sie darf auf die Unterstützung neu gewonnener Freunde hoffen. Auch Andrew Fraser, Laura, Kati und Mutter Edna haben Auftritte in dieser Geschichte, die mitten ins Herz geht.

„Kein Weg zu weit“ ist ein wunderbarer Roman, der Liebe, Spannung, Historie und Familienschicksal in sich vereint. Die Handlung ist durchweg unterhaltsam und schickt den Leser auf Erlebnisreise, an deren Ende einige Taschentücher benötigt werden. Wunderbar erzählt, was eine absolute Leseempfehlung mehr als verdient!!!

Veröffentlicht am 18.12.2021

„Die Hoffnung ist es, die die Liebe nährt.“ (Ovid)

Die Dorfschullehrerin
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1961. Das in der Rhön gelegene kleine westdeutsche Örtchen Kirchdorf nahe der DDR-Grenze wird für die junge Lehrerin Helene Werner zur neuen Heimat. Helene kommt ursprünglich aus der DDR und ist über Berlin ...

1961. Das in der Rhön gelegene kleine westdeutsche Örtchen Kirchdorf nahe der DDR-Grenze wird für die junge Lehrerin Helene Werner zur neuen Heimat. Helene kommt ursprünglich aus der DDR und ist über Berlin in den Westen geflohen, um hier ihre neue Anstellung zu beginnen. Schon bei ihrem Eintreffen macht sie die Bekanntschaft mit dem Arzt Tobias Krüger, dem sie unvorhergesehen bei einer Hausgeburt assistiert. Helene, die ein gut gehütetes Geheimnis in sich trägt, begegnet allen Dorfbewohnern mit Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, während diese sie erst einmal misstrauisch beäugen. Aber schon bald hat sie nicht nur ihre Schüler in ihren Bann gezogen, sondern ist auch in der Dorfgemeinsschaft angekommen. In Hebamme Isabella findet sie eine echte Freundin und auch Tobias nimmt einen immer größeren Platz in ihrem Herzen ein. Doch Helene kann sich ihnen nicht wirklich öffnen, zu groß sind ihre Ängste. Während Kirchdorf immer mehr zu Helenes Heimat wird, unternimmt sie immer öfter Wanderungen an die DDR-Grenze....

Eva Völler hat mit „Was die Hoffnung verspricht“ den ersten Roman ihrer „Dorfschullehrerin-Saga“ vorgelegt, der mit gut recherchiertem historischem Hintergrund sowie einer einfühlsamen, schicksalhaften Geschichte zu überzeugen weiß. Der flüssige, farbenfrohe und einfühlsame Erzählstil, der zwischendurch immer wieder mal durch den örtlichen Dialekt gefärbt ist, nimmt den Leser schnell mit in eine schicksalsträchtige Zeit, als Ost und West auf grausame Weise voneinander getrennt wurde und Menschen, die eigentlich zusammengehörten, durch Stacheldrahtzäune und eine rigorose, unbarmherzige Politik zum Abstand gezwungen wurden. An Helenes Seite erlebt der Leser ein Wechselbad der Gefühle, denn die junge Frau hat schon einiges durchmachen müssen und hat noch immer mit dem Trauma des Erlebten zu kämpfen. Der Neuanfang in der Schule wird ihr von den Kollegen nicht leicht gemacht, jedoch stellt sich Helene den Herausforderungen und auch den oftmals fragwürdigen Methoden ihrer Kollegen um Umgang mit den Schülern. Sie nimmt sich der Schüler auf empathische Weise an, lehrt sie die Freude am Lernen wiederzufinden und kann schon bald erste Erfolge verbuchen, was ihr den Respekt der Dorfgemeinschaft einbringt. Völler hat akribisch recherchiert und verbindet die historischen Fakten sehr gut mit ihrer Geschichte, verleiht ihr dadurch viel Authentizität und Glaubwürdigkeit. Ihr gelingt es mühelos, den Leser schnell einzufangen und durch ihre Art der Erzählung ein wunderbares Kopfkino in Gang zu bringen. Der Leser hat nicht nur die Örtlichkeiten vor Augen, sondern kann die Ereignisse praktisch hautnah mitverfolgen. Der Spannungslevel ist erst gemächlich, steigert sich aber mit Helenes Ausflügen an die Grenze immer weiter in die Höhe. Gleichzeitig erlebt der Leser das Schicksal der Menschen auf der ostdeutschen Seite mit, die nicht nur um ihr Hab und Gut, sondern auch um ihr Leben bangen müssen. Sehr glaubwürdig und realitätsnah erlebt der Leser nicht nur die Unterwanderung eines Spions mit, sondern auch die aufkeimende Liebesgeschichte zwischen Helene und Tobias. Erst nach und nach gibt Völler das Geheimnis von Helenes Vergangenheit preis und spannt den Leser bis zum finalen Schluss auf die Folter, wie es wohl ausgehen wird.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt. Menschliche Ecken und Kanten machen sie dem Leser nahbar, der einen Logenplatz bei den Ereignissen bekommt und mitfiebern, hoffen und bangen kann. Helene ist eine freundliche, zurückhaltende Frau mit viel Einfühlungsvermögen. Nach außen zeigt sie Stärke und Einfallsreichtum, innerlich ist sie ängstlich und unsicher. Tobias ist ein fleißiger, sympathischer Arzt, der auch sein Päckchen zu tragen hat. Er ist offen, ehrlich und hilfsbereit. Isabell ist eine Frohnatur, die für alle Schandtaten zu haben ist. Göring ist ein strenger Lehrer mit fragwürdigem Ruf. Aber auch das restliche Lehrerkollegium, der Bürgermeister sowie Helenes Verwandtschaft gestalten die Handlung sehr abwechslungsreich und spannend.

Mit „Was die Hoffnung verspricht“ ist Völler ein wunderbarer Auftakt für ihre neue Saga gelungen. Familiengeschichte, reale Historie sowie ein schöner Mix aus Geheimnissen, Liebe und Verrat halten den Leser in Atem, der das Buch nicht aus der Hand legen kann, bis die letzte Seite gelesen ist. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner!

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Veröffentlicht am 18.12.2021

In der Liebe verachtet der Sohn den Vater, beim Handeln der Vater den Sohn. (Sprichwort)

Die Wege der Söhne
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1938 Starnberger See. Wilhelm Lehmann erholt sich von seinem Schlaganfall, und das Verhältnis zu seinem Sohn Leopold scheint sich etwas gewandelt zu haben. Doch dieser Schein trügt, denn Leopold sinnt ...

1938 Starnberger See. Wilhelm Lehmann erholt sich von seinem Schlaganfall, und das Verhältnis zu seinem Sohn Leopold scheint sich etwas gewandelt zu haben. Doch dieser Schein trügt, denn Leopold sinnt immer noch auf Rache an seinem Vater. Währenddessen konnte Ferdinand Lehmann der Wehrmacht endlich nach einer Beförderung den Rücken kehren, was Ehefrau Elisabeth beruhigt, er hat aber schon Pläne, diese durch eigene Produktion mit Waffen zu versorgen, was einige Familienangehörige nur schwer verdauen können. Paul-Friedrich von Falkenbach leidet unter starken Schmerzen, die auch sein Sohn Gustav nicht zu lindern weiß. Zudem liegen die dunklen Geheimnisse auf seiner Seele, die er mit Macht von der Familie fernhalten will. Gustav behandelt heimlich jüdische Patienten und lebt damit in diesen Zeiten auf gefährlichem Fuß. Und Wilhelmine von Falkenbach darf endlich ihrer Leidenschaft, dem Springreiten, offiziell frönen und an Turnieren teilnehmen. Gleichzeitig hat sie heimlich in dem Widerstandskämpfer Martin Reinders ihre große Liebe gefunden, was für alle in ihrem Umfeld zur großen Gefahr werden kann...

Ellin Carsta hat mit „Die Wege der Söhne“ den vierten Band ihrer Falkenbach-Saga vorgelegt, der den Vorgängern in Spannung und Unterhaltungswert in nichts nachsteht und den Leser mit vielen Geheimnissen und Verwicklungen wunderbar unterhält. Der flüssige, und bildhafte Erzählstil katapultiert den Leser ins vergangene Jahrhundert in die düsterste Zeit deutscher Vergangenheit, wo er sich wie ein Schatten in den verschiedenen Familien bewegt und ihr Treiben mitverfolgt. Auch am Starnberger See wird das Leben durch die Nazis immer schwieriger und umtriebiger, für die jüdische Bevölkerung geradezu unmöglich und gefährlich. Gerade Gustav, der als Arzt heimlich jüdische Patienten versorgt, wagt sich mit seinem Tun in die Höhle des Löwen, denn ihm könnte einiges an Gefahr drohen. Aber auch Wilhelmine mit ihrer Liebe zu Martin, der von ihr und Gustav versteckt wird, lebt auf gefährlichem Fuß und könnte mit ihrem Tun die ganze Familie in Ungnade fallen lassen. Carsta hat wie immer sehr gut recherchiert und den historischen Hintergrund sehr schön mit ihrer Handlung verwoben. Während die unterschiedlichen Akteure mal miteinander, mal gegeneinander kämpfen und sich durch manche Intrige das Leben schwer machen, schwebt dunkel-düster das Naziregime mit seinen unmenschlichen Gesetzen und seiner braunen Gesinnung über allem. Der Spannungsbogen wird somit nicht nur durch das Treiben der einzelnen Familienmitglieder entfacht und hochgehalten, auch die politisch brisante Lage tut ihr Übriges dazu. Da einige von ihnen auch noch so manches zu verbergen haben, ist der Leser während der Lektüre konstant im Hochspannungsmodus, da die Geschichte kaum vorhersehbar ist und sämtliche Unwägbarkeiten miteingeplant werden müssen. Die Lage wird immer ernster für fast alle der Falkenbachs und Lehmanns, was auch durch die ständigen Perspektivwechsel noch einmal verstärkt wird.

Die Charaktere überzeugen mit authentischen menschlichen Ecken und Kanten, ziehen den Leser schnell in ihre Mitte, der sich bald als Teil von ihnen fühlt und das Geschehen hautnah miterleben darf. Das macht das Mitfiebern ausgesprochen leicht. Leopold ist ein verlogener Mistkerl, der seinem Vater etwas vorgaukelt, während er gleichzeitig schon Rachepläne schmiedet. Wilhelm ist ein intelligenter Mann, den man nicht so leicht täuschen kann und ein gesundes Misstrauen besitzt. Paul-Friedrich ist nicht nur clever, sondern auf seine Art auch kaltblütig, wenn es darum geht, Schaden von der Familie und sich abzuwenden. Wilhelmine ist eine kluge und mutige Frau, die sich schützend vor die stellt, die sie liebt. Aber auch Gustav, Elisabeth und viele andere Protagonisten bringen mit ihren Auftritten Spannung in diese Geschichte.

„Die Wege der Söhne“ überrascht mit einer gelungenen Mischung aus Familiengeschichte, sehr gut recherchierter Historie, Intrigen, Liebe und einer brisanten politischen Lage. Der Leser hat während der Lektüre ein wunderbares Kopfkino und wird bestens unterhalten. Absolute Leseempfehlung!