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Veröffentlicht am 05.02.2022

Interessante Stimme aus Kolumbien

Drei weiße Särge
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Drei Dinge großer Tragweite berichtet unser Protagonist und Ich-Erzähler in Antonio Ungars Roman „Drei weiße Särge“ von jenem Tag: Eine Saite seiner Bassgeige reißt, sein Vater beschließt, fortan unbeweglich ...

Drei Dinge großer Tragweite berichtet unser Protagonist und Ich-Erzähler in Antonio Ungars Roman „Drei weiße Särge“ von jenem Tag: Eine Saite seiner Bassgeige reißt, sein Vater beschließt, fortan unbeweglich im Bett zu verharren und Pedro Akira, Kandidat der Opposition für das Präsidentenamt im fiktiven lateinamerikanischen Staat Miranda wird erschossen.
Wie es der Zufall so will, sieht unser Held dem tödlich angeschossenen Oppositionsführer zum Verwechseln ähnlich und kennt dessen Leibwächter schon seit Schultagen. Und so wird er aus einem relativ ziellosen Leben direkt in die Rolle des Oppositionsführers katapultiert und nimmt diese auch erstaunlich schnell und gut ein.
Doch eine Diktatur wäre keine, wenn man deren Machthaber so leicht stürzen könnte, und schon ist unser Held nicht mehr nur damit beschäftigt, den Umsturz der politischen Verhältnisse voranzutreiben, sondern auch damit, sein Leben und das der ihm Nahestehenden zu verteidigen. Dass sich die Situation zunehmend verschärft, zeigt sich auch daran, dass der anfänglich humorvoll ironische Grundton des Buches immer in den Hintergrund tritt. Eine Lektüre, die man zunächst amüsiert liest, die aber zunehmend spannender wird, einen etwas desillusioniert zurücklässt und einem vor Augen führt, dass in den “Republiken Miranda“ dieser Welt Machtverhältnisse nicht so sind, weil es die Bürger*innen dort nicht anders wollen, wie manche ewig gestrigen Zyniker hier oft so gerne behaupten.
Vielleicht sollten wir alle versuchen, etwas mehr Literatur lateinamerikanischer Autoren zu lesen und unsere „single stories“ von diesem großen Kontinent mit weiteren anreichern. Mehr Verständnis durch mehr Wissen sozusagen. Bleibt nur zu hoffen, dass auch mehr Verlage Bücher unbekannterer lateinamerikanischer Autoren entdecken und dem deutschen Publikum zugänglich machen. Denn jenseits der allseits bekannten großen Autoren dieses Kontinentes ist es selbst für den interessierten Leser nicht leicht, fündig zu werden. Und das ist sehr schade, wie mir die Lektüre dieses absolut empfehlenswerten Romans, der bereits 2012 bei S. Fischer Verlage erschien, zeigt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.02.2022

Interessante Stimme aus Kolumbien

Drei weiße Särge
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Drei Dinge großer Tragweite berichtet unser Protagonist und Ich-Erzähler in Antonio Ungars Roman „Drei weiße Särge“ von jenem Tag: Eine Saite seiner Bassgeige reißt, sein Vater beschließt, fortan unbeweglich ...

Drei Dinge großer Tragweite berichtet unser Protagonist und Ich-Erzähler in Antonio Ungars Roman „Drei weiße Särge“ von jenem Tag: Eine Saite seiner Bassgeige reißt, sein Vater beschließt, fortan unbeweglich im Bett zu verharren und Pedro Akira, Kandidat der Opposition für das Präsidentenamt im fiktiven lateinamerikanischen Staat Miranda wird erschossen.
Wie es der Zufall so will, sieht unser Held dem tödlich angeschossenen Oppositionsführer zum Verwechseln ähnlich und kennt dessen Leibwächter schon seit Schultagen. Und so wird er aus einem relativ ziellosen Leben direkt in die Rolle des Oppositionsführers katapultiert und nimmt diese auch erstaunlich schnell und gut ein.
Doch eine Diktatur wäre keine, wenn man deren Machthaber so leicht stürzen könnte, und schon ist unser Held nicht mehr nur damit beschäftigt, den Umsturz der politischen Verhältnisse voranzutreiben, sondern auch damit, sein Leben und das der ihm Nahestehenden zu verteidigen. Dass sich die Situation zunehmend verschärft, zeigt sich auch daran, dass der anfänglich humorvoll ironische Grundton des Buches immer in den Hintergrund tritt. Eine Lektüre, die man zunächst amüsiert liest, die aber zunehmend spannender wird, einen etwas desillusioniert zurücklässt und einem vor Augen führt, dass in den “Republiken Miranda“ dieser Welt Machtverhältnisse nicht so sind, weil es die Bürger*innen dort nicht anders wollen, wie manche ewig gestrigen Zyniker hier oft so gerne behaupten.
Vielleicht sollten wir alle versuchen, etwas mehr Literatur lateinamerikanischer Autoren zu lesen und unsere „single stories“ von diesem großen Kontinent mit weiteren anreichern. Mehr Verständnis durch mehr Wissen sozusagen. Bleibt nur zu hoffen, dass auch mehr Verlage Bücher unbekannterer lateinamerikanischer Autoren entdecken und dem deutschen Publikum zugänglich machen. Denn jenseits der allseits bekannten großen Autoren dieses Kontinentes ist es selbst für den interessierten Leser nicht leicht, fündig zu werden. Und das ist sehr schade, wie mir die Lektüre dieses absolut empfehlenswerten Romans, der bereits 2012 bei S. Fischer Verlage erschien, zeigt.

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Veröffentlicht am 30.01.2022

Wunderschön

China. Der illustrierte Guide
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Wie gerne würde ich in das Land reisen, das acht Jahre lang mein Zuhause war. Doch wie bei so vielen anderen Reisen müssen wir uns da im Moment in Geduld üben. Und so bleibt mir nur, Bilder der letzten ...

Wie gerne würde ich in das Land reisen, das acht Jahre lang mein Zuhause war. Doch wie bei so vielen anderen Reisen müssen wir uns da im Moment in Geduld üben. Und so bleibt mir nur, Bilder der letzten Jahre zu durchstöbern, mit noch in China lebenden Freunden zu chatten und in Büchern meine alte Heimat zu besuchen. Als ganz besonderes Juwel hat sich für mich „China – Ein illustrierter Guide“ der Italienerin Giulia Ziggiotti erwiesen. Besonders die zauberhaften Illustrationen von Sabrina Ferrero machen dieses Buch zu etwas ganz Besonderem. Auf etwas mehr als 200 Seiten bringen uns die Autorin und die Illustratorin das Reich der Mitte näher. Die wunderschönen Zeichnungen und kurzen Texten werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen begeistern. Es gibt wahrlich viel zu entdecken in diesem riesigen Land. Chinesische Kultur, China als Reiseziel (hoffentlich bald wieder!), chinesisches Essen (das so vielfältig und so viel mehr ist, als uns dies europäische Chinarestaurants erahnen lassen). Wahrlich ein Buch zum Schwelgen, ein Buch, um ein bisschen mehr von den schönen Seiten Chinas kennenzulernen (und davon gibt es wirklich so viel mehr, als wir im Westen mitbekommen). Sicher hätte ich bei der Auswahl vielleicht das eine oder andere weggelassen und dafür andere Orte, andere Gerichte erwähnt. Tatsächlich hat die Autorin aber mehrheitlich Aspekte Chinas genannt, die ich auch für erwähnenswert halte. Ein wunderbares Buch zum Schmökern, bei dem man in kleinen Häppchen Wissenswertes von diesem für uns doch immer noch geheimnisvollen Land erfährt.
Von der gleichen Reihen gibt es übrigens, wie ich entdeckt habe, auch einen Band zu Japan, den ich auf jeden Fall auch erwerben werde.

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Veröffentlicht am 26.01.2022

Spannendes aus Südtirol

Bei den Tannen
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Die imposante Bergwelt der Dolomiten, eigenbrötlerische Einheimische, tief in die Seele verwurzelter Hexenglaube. Das sind nur einige Zutaten des Krimis“Bei den Tannen“, mit dem uns der Bozener Schriftsteller ...

Die imposante Bergwelt der Dolomiten, eigenbrötlerische Einheimische, tief in die Seele verwurzelter Hexenglaube. Das sind nur einige Zutaten des Krimis“Bei den Tannen“, mit dem uns der Bozener Schriftsteller Lenz Koppelstädter in seine Heimat führt, genauer gesagt ins Sarntal.

Dort kommt die einflussreiche Gourmetkritikerin Carla Manfredi unter mysteriösen Umständen im Spitzenrestaurant „Das Tan“ zu Tode. Besitzerin und Köchin im Restaurant ist Hedwig Jöchler, die wie ihre Schwestern und Mutter im Dorf als Hexe verschrien ist. Hat diese etwa die tödliche Wirkung von Giftkräutern ausgenutzt, um zu verhindern, dass ihrem Restaurant die Sterne der Sette Forchette, einer Gourmetzeitschrift, die selbst den Guide Michelin in den Schatten stellt, aberkannt wird. Oder versucht ihr jemand aus dem Dorf, der ihr den Erfolg neidet, etwas anzuhängen.
Comissario Grauner und sein Team begeben sich auf Spurensuche und die führt sie nicht nur ins Sarntal, sondern bis nach Venedig.

Die ganz große Frage, die sich mir jedoch stellt: Weshalb hat mein italophiles Ich erst jetzt von Lenz Koppelstätters großartiger Krimireihe erfahren? Wie konnte Comissario Grauner sechs Fälle von mir unbemerkt lösen? Sollte ich mir doch öfter die Spiegel-Bestsellerliste zu Gemüte führen?

Wirklich spannende Unterhaltung, durch die historischen Ausführungen zum Hexenglauben in der Gegend stellenweise auch sehr mysteriös. Dazu trägt besonders der hervorragende Vortrag des Sprechers Uve Teschner bei.


Besonders möchte ich alles Knödelliebhaberin betonen, dass es längst überfällig war, dass diesen in der Literatur die Stellung zukommt, die sie verdienen. Comissario Grauner und ich teilen hier nämlich eine Leidenschaft, wenn auch ich die bayerische Semmelknödelvariante noch ein klein wenig mehr liebe.


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Veröffentlicht am 30.12.2021

Zeitlos großartig

Farm der Tiere
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„All animals are equal, but some animals are more equal than others.” (Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher als die anderen.) Mit diesem Satz hat George Orwell in „Farm der Tiere“ trefflich ...

„All animals are equal, but some animals are more equal than others.” (Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher als die anderen.) Mit diesem Satz hat George Orwell in „Farm der Tiere“ trefflich erfasst, weshalb alle Versuche einer kommunistischen Gesellschaftsform bisher gescheitert sind. Dass das Anfang der 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts verfasste Buch eine Parabel auf die geschichtlichen Ereignisse in der Sowjetunion im Anschluss an die Februarrevolution und die darauffolgende diktatorische Herrschaft Stalins sind, ist hinlänglich bekannt. Sollte ich das Buch also noch einmal lesen? Würde es mich 2021 gleichermaßen begeistern wie damals, als ich es als Schülerin gelesen hatte? Würde ich die Aussagen des Romans noch immer als aktuell empfinden? Absolut. Das Buch lohnt sich beim ersten wie beim wiederholten Mal lesen. Die Anspielungen auf die geschichtlichen Ereignisse in Russland damals eignen sich, das eigene Wissen darum wieder einmal aufzufrischen. Gleichzeitig ist es schon fast erschreckend, von welcher Aktualität das Buch weiterhin ist, und wie die Utopie, dass alle Menschen gleich sein sollten, leider immer wieder am Egoismus scheitert.

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