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Bineira

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.04.2020

Schwedenkrimi mit viel Atmosphäre

Der Sommer, in dem Einstein verschwand
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Zum Inhalt:

Es ist der Sommer des Jahres 1923. In Göteborg findet endlich die lange geplante Weltausstellung statt. Die neunzehnjährige Ellen darf ihre ersten journalistischen Erfahrungen bei der Ausstellungszeitung ...

Zum Inhalt:

Es ist der Sommer des Jahres 1923. In Göteborg findet endlich die lange geplante Weltausstellung statt. Die neunzehnjährige Ellen darf ihre ersten journalistischen Erfahrungen bei der Ausstellungszeitung sammeln. Bauernjunge Otto reist mit seiner Eselin Bella an, um die Kinder mit Ausritten zu unterhalten. Aber auch zwielichtige Gestalten treiben sich in der Stadt herum. Und Polizist Nils ist sowohl dienstlich als auch privat auf dem Ausstellungsgelände unterwegs.

In Berlin erhält Albert Einstein die Einladung, seine Nobelpreisrede während der Weltausstellung zu halten. Er ist fast nur noch im Ausland zu Vortragsreisen unterwegs, weil er zuhause zunehmend antisemitischen Anfeindungen und sogar Morddrohungen ausgesetzt ist. Albert Einstein fährt mit dem Zug nach Göteborg, doch er kommt zum vereinbarten Termin nicht dort an. Wurde er entführt oder gar ermordet?

Mein Eindruck:

Marie Hermanson verknüpft die Erlebnisse der vier Personen rund um die Weltausstellung in Göteborg zu einer Kriminalgeschichte und verzichtet dabei dankenswerterweise auf verstörende Details. Der Roman liest sich angenehm, er ist in einer schönen, unverschnörkelten Sprache geschrieben, und die Übersetzerin Regine Elsässer hat den skandinavischen Sprachstil wunderbar ins Deutsche übertragen.

Die Autorin gewährt einen Blick in Albert Einsteins privates Nähkästchen. Sie schildert ihn als hitzköpfigen, schüchternen, und sehr sympathischen Frauenhelden. Mich hat sie damit neugierig gemacht, und ich werde als nächstes eine Einstein-Biografie lesen, um herauszufinden, wieviel davon wahr und was Fiktion ist.

Besonders gelungen finde ich die atmosphärischen Schilderungen. Ob Weltausstellung, die Hafenanlagen in Göteborg oder eine ländliche Umgebung in Schweden: Frau Hermanson hat mit ihren Worten stimmungsvolle Bilder auf meine innere Leinwand gemalt und mich damit sehr beeindruckt.

Die auf dem Klappentext angekündigte Leichtigkeit wollte sich zwar angesichts des ernsten Grundthemas und trotz einiger humorvoller Passagen nicht so recht einstellen. Dies empfinde ich aber nicht als negativ, sondern als authentisch.

Die Geschichte ist an manchen Stellen unlogisch und hat ein paar Längen, insgesamt hat es mir aber großen Spaß gemacht, sie zu lesen.

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Veröffentlicht am 03.07.2022

Mäßig interessante Familiengeschichte

Sommerschwestern
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Das ausdrucksvolle Cover und der Klappentext versprechen eine unterhaltsame Geschichte vor malerischem Küstenhintergrund. Vier erwachsene Schwestern erhalten von ihrer Mutter eine ominöse Einladung ...

Das ausdrucksvolle Cover und der Klappentext versprechen eine unterhaltsame Geschichte vor malerischem Küstenhintergrund. Vier erwachsene Schwestern erhalten von ihrer Mutter eine ominöse Einladung in den holländischen Ferienort, in dem sie einst als Familie Urlaub machten, bis ihr Vater dort vor 20 Jahren tödlich verunglückte. Den Schwestern passt diese kurzfristige Reise nicht, aber die Mutter macht es dringend und spannend, also fahren sie. In Holland angekommen, entspinnen sich die alten Konflikte zwischen den grundverschiedenen Schwestern und ihrer kapriziösen Mutter.

Die Geschichte liest sich leider sehr zäh, die Autorin hält sich lange mit Beschreibungen von Nebensächlichkeiten auf und dringt bei den Konflikten nicht in die Tiefe. Ich konnte das Handeln der Protagonisten oft nicht nachvollziehen, und das Geheimnis, um dessentwillen die Schwestern anreisen sollten, ist banal. Insgesamt wirkt der Roman auf mich recht lieblos und künstlich in die Länge gezogen.

Veröffentlicht am 22.06.2022

Die Welt in schwarz-weiß

Morgen kann kommen
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Ruth ist Anfang 50, als sie nach 15 Ehejahren von ihrem Mann Karl verlassen wird, weil er "eine Auszeit braucht". Während sie noch überlegt, ob sie um ihn kämpfen soll, findet sie den Beweis ...

Ruth ist Anfang 50, als sie nach 15 Ehejahren von ihrem Mann Karl verlassen wird, weil er "eine Auszeit braucht". Während sie noch überlegt, ob sie um ihn kämpfen soll, findet sie den Beweis dafür, dass er sie betrügt. Kopflos fährt sie von München nach Hamburg zu ihrer Schwester Gloria, mit der sie allerdings seit einem schwerwiegenden Vorfall während der Hochzeitsfeier kein Wort mehr gewechselt hat. Dort angekommen findet sie das ehemalige Haus ihrer Großeltern voller Fremder, die zeitweise bei ihrer Schwester wohnen. Jeder hat sein Problem: Erdal will abnehmen, aber nicht weniger essen, Rudi hat eine tödliche Krankheit und will dem Leiden am Ende zuvorkommen, Gloria selbst gibt sich als Powerfrau, ist tief im Innern aber einsam.Und dann ist da noch Erdals Cousine, die alleinerziehende Fatma, mit der sich Ruth schnell anfreundet.

Das sind die Hauptpersonen aus dem Roman; sie sind entweder vollkommen naiv, oder durch und durch herzensgut oder schrecklich böse. Die Geschichte ist sehr konstruiert und weist einige logische Fehler auf, und die Personen sind auf jeweils ein Charaktermerkmal reduziert. Sie wirken nicht lebendig, sondern wie schwarz-weiße Abziehbilder von Klischees. Ich habe mich in keine von ihnen hineinversetzen können. Auch habe ich einen Spannungsbogen vermisst, und der anfänglich flüssige Schreibstil hat nach einigen Kapiteln deutlich an Schwung verloren. Mir hat das Lesen deshalb keinen Spaß gemacht.

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Veröffentlicht am 07.03.2022

Spannendes Thema

Die Diplomatin
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Lucy Fricke beschäftigt sich in ihrem Roman mit den Möglichkeiten und den Grenzen der Diplomatie.

Friederike Andermann, genannt Fred, ist knapp 50, alleinstehend, kinderlos, und sie blickt auf ...

Lucy Fricke beschäftigt sich in ihrem Roman mit den Möglichkeiten und den Grenzen der Diplomatie.

Friederike Andermann, genannt Fred, ist knapp 50, alleinstehend, kinderlos, und sie blickt auf eine längere diplomatische Karriere zurück. Als neue deutsche Botschafterin in Uruguay muss sie beim Ausrichten der Feierlichkeiten zum 3. Oktober mit den Fallstricken des Gastlandes kämpfen.
Dann verschwindet die Tochter einer einflussreichen Deutschen, und Fred handelt zu zögerlich. Das unglückliche Ende der Entführung kostet sie ihren Posten. Erst nach zwei Jahren Innendienst in Deutschland wird sie als Konsulin nach Istanbul geschickt. Dort soll sie von staatlicher Verfolgung bedrohten türkischstämmigen Deutschen helfen und muss dabei schnell die engen Grenzen der Diplomatie erkennen.

Der Roman beginnt mit einer ironischen Beschreibung des diplomatischen Alltags in Uruguay, die ich sehr gelungen finde. Im weiteren Verlauf rückt das eigentliche Thema des Buches leider immer mehr in den Hintergrund. Stattdessen werden das Gerichtssystem und die staatliche Willkür der Türkei ausführlich beschrieben.

Ich habe in der Geschichte einen roten Faden und eine Entwicklung vermisst, auch die Charaktere der Protagonisten blieben mir zu vage.

Lucy Frickes Schreibstil ist unkompliziert, das Buch liest sich leicht und schnell.

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Veröffentlicht am 06.03.2022

Wunderschöne Sprache

Der letzte Sommer in der Stadt
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Das Cover in Schwarz-gelb zeigt einen jungen Mann im Anzug und mit Sonnenbrille, der betont cool auf einer Balkonbrüstung sitzt und raucht. In Hintergrund erkennt man im Dunst die Dächer Roms.

Die ...

Das Cover in Schwarz-gelb zeigt einen jungen Mann im Anzug und mit Sonnenbrille, der betont cool auf einer Balkonbrüstung sitzt und raucht. In Hintergrund erkennt man im Dunst die Dächer Roms.

Die Geschichte spielt Anfang der siebziger Jahre, die Originalausgabe von "Der letzte Sommer in der Stadt" erschien 1973 und wird erst jetzt in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Der junge Leo kommt aus Mailand nach Rom , wo er das wahre Leben sucht. Schnell findet er eine Wohnung, Freunde und einen Job bei einer Sportzeitung. Doch das alles bedeutet ihm nichts. Genau wie die anderen jungen Männer in seiner Clique lässt er sich treiben, trinkt und feiert er über seine Verhältnisse. Dann lernt Leo die undurchschaubare Arianna kennen, in die er sich hoffnungslos verliebt.

Der Roman ist in einer wunderschönen, bildhaften Sprache geschrieben. Karin Krieger hat ihn hervorragend ins Deutsche übersetzt. Die sommerglühende Stadt wird vor dem inneren Auge des Lesers lebendig, und die Melancholie des Scheiterns ist spürbar.

Dennoch hat mich die Geschichte nicht so fesseln können, wie ich nach dem sehr starken Anfang angenommen hatte. Zuviel Selbstmitleid war mir hier im Spiel, zu wenig sympathisch waren mir die Protagonisten.