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Veröffentlicht am 25.04.2022

Gedankensammlung

Zusammenkunft
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Inhalt:

Die namenlose Ich-Erzählerin ist eine Schwarze Frau, die sich in der Londoner Finanzwelt mit harter Arbeit nach oben kämpfen will. Die stetige Belastung ihrer Arbeit, ihre eigenen Ansprüche ...


Inhalt:

Die namenlose Ich-Erzählerin ist eine Schwarze Frau, die sich in der Londoner Finanzwelt mit harter Arbeit nach oben kämpfen will. Die stetige Belastung ihrer Arbeit, ihre eigenen Ansprüche an sich selbst und die zahllosen Mikroaggressionen, denen sie tagtäglich ausgesetzt ist, spaltet sie sich immer weiter von ihrem eigenen Selbst ab, nimmt ihre Umwelt nur noch von außen wahr. Als sie die Diagnose Brustkrebs erhält, sieht die Erzählerin deshalb keine Sinn eine Therapie aufzunehmen und fährt stattdessen mit ihrem weißen Freund zu dessen wohlhabenden Eltern aufs Land.

Meine Meinung:

„Zusammenkunft“ hat von allen Seiten viel Lob erhalten und das ganz bestimmt zurecht. Das Buch ist es besonders, weil es schafft auf sehr wenigen Seiten unwahrscheinlich viele und komplexe Themen abzuhandeln. Das tut es auf eine poetische, manchmal undurchsichtige, aber immer aufrichtige und vor allem aufrüttelnde Art und Weise.

Die Zustände innerhalb der britischen Gesellschaft, die hier beschrieben werden, sind sicher in vielerlei Hinsicht auf Deutschland übertragbar, wenn mir auch nicht alle Zusammenhänge abschließend klar geworden sind. Genau das ist auch mein einziger, wenn auch nicht ganz unbedeutender Kritikpunkt am Buch. Aufgrund der Knappheit und Dichte des Textes, geht für mich an manchen Stellen wichtige Information verloren, die in meinen Augen nötig gewesen wäre, um die Geschichte besser verständlich zu machen. Ich verstehe, dass es mit Sicherheit nicht die Absicht der Autorin gewesen sein kann, ein rundum nachvollziehbares und detailliert ausgestaltetes Buch geschrieben. Sonst wäre „Zusammenkunft“ nicht die poetische und einhomogene Ansammlung an Textfragmenten, die es ist. Das Buch spricht allerdings so wichtige Themen an, dass ich diesen an der ein oder anderen Stelle mehr Raum gewünscht hätte.

Nichtsdestotrotz ist Natasha Brown ein besonderer Text in einer besonderen Sprache gelungen, der es lohnt gelesen zu werden. „Zusammenkunft“ porträtiert eine noch junge Frau, die an ihrem eigenen von einer feindselig eingestellten Gesellschaft bestimmten Ansprüchen zu zerbrechen droht. Die Ich-Erzählerin schleicht dabei immer wieder um eine Art passiven Todeswunsch als kurzfristigen Ausweg herum. Ihr eigenes Leben scheint ihr nichts mehr Wert zu sein. Auch an dieser Stelle, hätte ich es schön gefunden, wenn die Autorin in irgendeiner Form zu verstehen gegeben hätte, dass es sich bei der Denkweise ihrer Protagonistin um Gedanken handelt, die von einer psychischen Erkrankung geprägt sein müssen. So wird der Leser dahingehend im Unklaren gelassen.

Fazit:

„Zusammenkunft“ ist ein ganz besonderes Stück Prosa. Ein Buch, das man gelesen haben sollte, eben weil es thematisch so nah am gesellschaftlichen Puls des Jahres 2022 ist und weil es eine Thematik aufgreift, die von der Gegenwartsliteratur viel zu lange größtenteils ignoriert worden ist.

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Veröffentlicht am 25.03.2022

Scharfsinnige Spannungsliteratur

Vertrauen
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Tel Aviv, Israel: Inspektor Avi Avraham und sein Team arbeiten gleich an zwei merkwürdigen Fällen. Ein Neugeborenes wird in der Nähe eines Krankenhaus ausgesetzt. Die Mutter des Kindes scheint schnell ...

Tel Aviv, Israel: Inspektor Avi Avraham und sein Team arbeiten gleich an zwei merkwürdigen Fällen. Ein Neugeborenes wird in der Nähe eines Krankenhaus ausgesetzt. Die Mutter des Kindes scheint schnell gefunden zu sein, doch damit ist das Rätsel noch lange nicht gelöst. Zeitgleich verschwindet ein Gast aus einem Hotel offensichtlich spurlos. In beiden Fällen tuen sich interessante Spuren auf, die Avi letztlich sogar nach Paris führen. Es stellt sich die Frage, ob es letztlich sogar einen Zusammenhang zwischen all diesen Vorkommnissen gibt?

„Vertrauen“ ist ein leiser und langsamer Krimi. Genau deshalb habe ich das Buch ausgewählt, persönlich lese ich diese Art der Spannungsliteratur nämlich am liebsten. Ich bin auf der Suche nach Krimis, die feinsinnig und weniger blutrünstig sind. Das bietet „Vertrauen“ definitiv!
Tel Aviv und Paris sind dabei tolle Kulissen, welche de Geschichte einen ganz eigenen Flair verleihen.
Die Persönlichkeit des Inspektors ist ein wesentlicher Teil des Romans. Seine nachdenkliche und leicht melancholische Figur war mir dabei sehr sympathisch. Außerdem verarbeitet der Autor auch politische und soziokulturelle Themenkomplexe in seinem Buch. Das habe ich als Bereicherung empfunden.
Die Geschichte ist definitiv spannend. Es werden viele Hinweise gestreut und als Leser fühlt man sich immer dazu angehalten, mitzurätseln. Durch die langsame Erzählweise, zieht sich die Handlung jedoch phasenweise leicht in die Länge.
Mir persönlich hat der Erzählstrang rund um das Baby am besten gefallen, da mich dieser emotional mehr abholen konnte. Besonders interessant fand ich es an dieser Stelle auch, dass der Autor unterschiedliche Perspektiven gewählt hat, um seine Geschichte zu erzählen.

Fazit: „Vertrauen“ von Dror Mishani hat meine Erwartungen definitiv erfüllt. Es ist genau das richtige Buch, wenn man einen unaufgeregten, aber scharfsinnig konzipierten Kriminalroman lesen möchte.

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Veröffentlicht am 26.10.2021

Der Großvater

Die Enkelin
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Inhalt:
Kaspar findet seine Ehefrau Birgit tot in der Badewanne. Sie war Alkoholikerin, hat einen tief begrabenen Schmerz mit der Sucht betäubt. Jahrzehnte ihres Lebens haben die beiden miteinander verbracht ...

Inhalt:
Kaspar findet seine Ehefrau Birgit tot in der Badewanne. Sie war Alkoholikerin, hat einen tief begrabenen Schmerz mit der Sucht betäubt. Jahrzehnte ihres Lebens haben die beiden miteinander verbracht und doch ist Birgit Kaspar ein Stück weit fremd geblieben. Erst nach ihrem Tod erfährt er von der Vergangenheit, die sie einst im Osten zurückgelassen hat. Ohne sie muss er sich auf eine Spurensuche begeben.

Meine Meinung:

Bernhard Schlink ist ein fantastischer Autor, der genau weiß, wie man eine Geschichte erzählt. Ich mag seine Sprache und die eindrücklichen Bilder, die er von seinen Figuren zeichnet. Das beginnt schon auf den ersten Seiten mit Birgits Tod.
„Die Enkelin“ ist eine deutsch-deutsche Geschichte über Schuld und den Wert von Familie. Aber eben nicht nur das. Es ist auch ein hochaktuelles Buch, das es schafft eine Verbindung zwischen ostdeutscher Vergangenheit und Gegenwart herzustellen. Auf seinem Weg Birgits Vergangenheit aufzuarbeiten wird Kaspar immer wieder dazu gezwungen sich für teils extreme Perspektiven und Weltanschauungen zu öffnen, die nicht seiner eigenen entsprechen. Diese Annäherung und die damit einhergehenden Differenzen stellt der Autor sehr einfühlsam dar. Auch wenn dem Titel nach, die Beziehung zwischen Kaspar und seiner Enkelin eine zentrale Rolle im Buch einnimmt, ist eigentlich der Großvater die Kernfigur.
Die Geschichte ist in drei Teile gegliedert. Schlink schafft es durchgängig einen gewissen Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Dabei werden unterschiedliche Zeit- und Handlungsebenen nacherzählt, sodass ein allumfassendes, vielschichtiges Bild des Konflikts entsteht.
Trotz der politischen Problematik, die das Fundament der Geschichte bildet, schafft es der Autor sie weitergehend wertfrei zu erzählen. „Die Enkelin“ überlässt es dem Leser selbst sich ein Bild über die Protagonisten zu machen. Das schafft Bernhard Schlink, indem er mit Kaspar einen Mann gezeichnet hat, der sich sehr darum bemüht, die Dinge um ihn herum, in ihrem Wesen zu akzeptieren und zu verstehen. Das hat ihn für mich sehr sympathisch gemacht.
Ich habe das Buch sehr sehr gerne gelesen.

Fazit:

Ein Buch, das nicht nur seinen Protagonisten, sondern auch Leserinnen und Leser herausfordert, zum Nachdenken anregt und Bewusstsein für scheinbar fremdartige Lebensentwürfe schafft, ohne zu werten oder zu belehren.

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Veröffentlicht am 09.10.2021

Robin Hood 2030

Reality Show
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Robin Hood 2030

Inhalt:
Weihnachten, Anfang der 2030er Jahre:
Im Fernsehen läuft nicht etwa „Dinner for One“ oder „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Eine Gruppe anonymer Aktivisten hat öffentlich-rechtliche ...

Robin Hood 2030

Inhalt:
Weihnachten, Anfang der 2030er Jahre:
Im Fernsehen läuft nicht etwa „Dinner for One“ oder „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Eine Gruppe anonymer Aktivisten hat öffentlich-rechtliche wie auch private Sendeanstalten gekapert. Die „Reality Show“ läuft auf allen Kanälen.
Die Protagonisten sind nicht etwa die üblichen Trash-TV-Größen, sondern 42 Geiseln, welche die Gruppierung an diesem Abend in ihre Gewalt gebracht hat. Die zehn reichsten und einflussreichsten Menschen Deutschlands und ihre Familien werden in ihren Häusern gefangen gehalten. Sie sollen live vor ein Gericht gestellt werden. Millionen von Menschen werden darüber urteilen, ob und wie ihre Verbrechen zu verteilen sind.

Meine Meinung:
Die Frage, die sich mir beim Lesen von „Reality Show“ am allermeisten gestellt hat, war: „Wie viel von alldem ist Fiktion?“ Ich habe keine Vorstellung davon, in welche Form von Verbrechen die Eliten unseres Landes wirklich verstrickt sind, oder ob das Legendenbildung ist.
Darüber hinaus wirft das neue Buch von Anne Freytag aber auch viele andere Fragen auf. Zum Beispiel: Was darf man im Namen der Gerechtigkeit?
Die Gruppe, die hinter der Reality Show steckt, bezeichne ich im Folgenden als Terroristen. Das Buch nutzt diesen Begriff nicht. Aber genau das ist es, was sie sind. Terroristen, die Verbrechen begehen im Namen einer Ideologie, einer Weltanschauung, an die sie glauben. Und dabei sind sie mir unglaublich sympathisch. Denn man kann nicht anders, als das, was sie tun, gut und richtig zu finden. Märchenhaft ritterlich das eigene Leben und die eigene Freiheit für das Wohl der Gesellschaft auf’s Spiel zu setzen. Einmal habe ich mir beim Lesen sogar gewünscht, eine solche Show würde es wirklich geben.
Das Buch erzählt die Geschichte eines Heiligabends. Mit jedem neuen Kapitel wird die Perspektive und manchmal auch die Zeitebene gewechselt. Sehr sehr viele Personen agieren: Terroristen, Geiseln, Zuschauer, Polizei. Manchmal sind mir das zu viele gewesen, bzw. zu wenig Buch für zu viele Menschen, die sich zwischen den Seiten drängen. Ich musste immer wieder nachsehen, wer jetzt nochmal wer war, welche Geschichte zu welchem Namen gehört. Mir hätte es besser gefallen, wenn die einzelnen Schicksale etwas tiefer ausgearbeitet worden wären, so ist für mich einiges unaufgeklärt geblieben. Auch im Bezug auf die Logik bin ich nicht immer hinterher gekommen. Ich denke, das liegt an den zahlreichen harten Cuts, die die Geschichte macht. Manchmal bin ich mir nicht sicher gewesen, ob ich eine Auflösung richtig verstanden habe, dann bin ich ein paar Kapitel zurückgegangen, habe nochmal gelesen und es immer noch nicht verstanden. Dadurch bleibt bei mir eine Art Druck bestehen, ein Drang zur Erklärung, der unbefriedigt ist.
Nichtsdestotrotz ist „Reality Show“ ein sehr besonderes Buch mit einem überaus dichten Spannungsbogen. Es zeichnet eine düstere Version vom zukünftigen Deutschland, die ich aus heutiger Perspektive ziemlich realistisch finde.
Anne Freytag gehört zu meinen Lieblingsautorinnen, insbesondere weil ich ihre Sprache so wunderschön finde. Am besten ist sie für mich, wenn sie Emotionen und zwischenmenschliche Beziehungen beschreibt, das ganz besonders auch in den Kernmomenten eines Romans. Die Szenen, in denen die Geschichte knackt vor Spannung, in denen es richtig wichtig wird. Das kann sie einfach und das wird auch in „Reality Show“ deutlich. Doch obwohl mich das Buch inhaltlich so sehr abgeholt hat und ich es kaum aus der Hand legen konnte, ist es nicht mein Lieblingsbuch von ihr. Dazu hat es zu viel angedeutet, mich an zu vielen Stellen gelockt und diese Teilgeschichten dann nicht richtig zu Ende erzählt.

Fazit:
„Reality Show“ ist ein absolut lesenswertes Buch voller (berechtigter) Systemkritik. Ein Buch für Idealisten, das den Wunsch nach Veränderung aufleben lässt, wenngleich man ich mich selbst von der Wucht der Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft ein wenig erschlagen gefühlt habe. Ich finde, dass diese Wucht des Themas ein dickeres Buch und eine detaillierter Abhandlung gebraucht hätte, um sich wirklich vollends entfalten zu können.

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Veröffentlicht am 25.08.2021

Ein Buch zum Liebhaben

Bevor ich dich sah
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Inhalt:
Früher einmal gab es nur die Arbeit im Leben von Alice. Doch nun liegt sie in einem Londoner Krankenhaus und von dem Menschen, der die geglaubt hatte zu sein, scheint kaum noch etwas übrig. Bei ...

Inhalt:
Früher einmal gab es nur die Arbeit im Leben von Alice. Doch nun liegt sie in einem Londoner Krankenhaus und von dem Menschen, der die geglaubt hatte zu sein, scheint kaum noch etwas übrig. Bei einem Feuer in Alices Büro ist ihre linke Körperhälfte schwer verbrannt worden. Sie hat bereits zahlreiche Hauttransplantationen hinter sich, aber im Spiegel betrachten kann sie sich immer noch nicht. Außerdem möchte sie mit allen Mitteln verhindern, dass andere Menschen sie sehen können. Als sie in ein Mehrbettzimmer auf der Rehastation verlegt wird, fordert sie deshalb, dass ihr Bett mit einem dichten Vorhang von den anderen Patienten abgeschirmt werden soll.

Alices Bettnachbar ist Alfie, ein ehemaliger Sportlehrer, der bei einem Autounfall ein Bein verloren hat. Alfie sieht immer die guten Seiten im Leben, auch wenn dieses noch so ungerecht sein mag. Er lacht gerne, kommt ständig auf verrückte Ideen und vor allem ist er fest dazu entschlossen, seine geheimnisvolle neue Nachbarin aus der Reserve zu locken.

Obwohl keiner der beiden den anderen sehen kann, entsteht in den folgenden Tagen und Wochen eine intensive Beziehung zwischen Alice und Alfie, die sich in langen Nächten, vereint in ihrem Schicksal und getrennt durch eine Lage Stoff, ihre intimsten Geheimnisse anvertrauen.

Meine Meinung:
Wenn ein Buch im medizinischen Umfeld spielt, nehme ich es jedes Mal sehr genau unter die Lupe. „Bevor ich dich sah“ stand schon vor seinem Erscheinen auf meinem Wunschzettel. Die Idee zu diesem Liebesroman hat mich sofort begeistert. Doch obwohl ich angetreten bin, um „Bevor ich dich sah“ zu lieben, konnte es meinen Erwartungen letztendlich leider nicht ganz gerecht werden.

Ich würde sagen: „Bevor ich dich sah“ ist ein Buch zum Liebhaben. Die Geschichte will einfach so viel Gutes, dass man sie nur mögen kann. Sie will etwas so Besonderes erzählen. Eine Liebesgeschichte, die in einer schlimmen Lebenskrise ihren Anfang nimmt, in der Äußerlichkeiten überhaupt keine Rolle spielen. Wenn das nicht mal grandios ist! Das Problem liegt in der Umsetzung.

Obwohl mir die Geschichte von Alice und Alfie mehrfach Tränen in die Augen getrieben hat, haben die Haupt- sowie Nebencharaktere etwas Stereotypes, im Ansatz Überzeichnetes, an sich. Es fehlt eine gewisse Tiefe. Ich habe lange überlegt, woran das liegen könnte. Ein Teil des Problems ist sicherlich, dass die Autorin ab und zu im Ausmaß der Katastrophen übertreibt. Ich finde, wenn man so viel Drama in ein einziges Buch steckt, muss man aufpassen, dass der Plot darunter nicht zu plump und unglaubhaft wird.

Grundsätzlich sollte „Bevor ich dich sah“ wie ein Märchen gelesen werden. Denn aus medizinischer Sicht werden hier viele Aspekte sehr unrealistisch, bzw. falsch dargestellt. Meist bemühe ich mich ganz bewusst darum, beim Lesen nicht zu genau hinzusehen, wenn es um die Darstellung von medizinischen Sachverhalten oder des Gesundheitswesens geht. Ein Roman ist eben Fiktion und kein Sachbuch. Dementsprechend versuche ich meine Erwartungen anzupassen. Leider ist mir das in diesem speziellen Fall oft schwer gefallen. Die Backstory der Protagonistin ist beispielsweise grundlegend medizinisch falsch. Darüber kann man hinwegsehen oder nicht, das muss jeder Leserin für sich selbst entscheiden. Sehr befremdlich fand ich außerdem, dass die betreuende Krankenschwester von Alice und Alfie ihre Patient*innen ständig mit „Baby“ anspricht. Vielleicht bin ich zu sehr geprägt von deutschen Krankenhäusern (von britischen habe ich keine Ahnung), aber das kommt mir so absurd vor. Vielleicht ist das auch eine Frage der Übersetzung,

Der Schreibstil der Autorin ist klar und angenehm, aber mir hat die Atmosphäre etwas gefehlt. Das Buch wird hauptsächlich durch Dialoge geprägt. Diese fand ich allerdings sehr witzig und einfallsreich! Generell steckt „Bevor ich dich sah" voller ungewöhnlicher Einfälle. Alice und Alfie habe ich trotz der Schwächen in ihrer Ausarbeitung sehr lieb gewonnen. Auf emotionaler Ebene hat mich das Buch definitiv erreicht.

Fazit:
Ich hoffe, ich habe den richtigen Ton in meiner Rezension getroffen. Ich mochte das Buch. Es hat mich im Herzen erreicht und berührt. Aber unabhängig davon hatte es Schwächen, die dafür gesorgt haben, dass es unter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben ist. Ich würde es trotzdem weiterempfehlen, besonders für diejenigen, die Liebesromane vor allem auf der Gefühlsebene lesen.

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