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Veröffentlicht am 30.08.2022

Ein paar Zeitsprünge zu viel

The Girl in the Love Song
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Reihen oder Standalones? Das ist bei Emma Scott definitiv keine Grundsatzentscheidung, da sie beides schon bestens bedient hat. Mit „Lost Boys“ bietet sie nun eine neue Trilogie an, die sich um drei verlorene ...

Reihen oder Standalones? Das ist bei Emma Scott definitiv keine Grundsatzentscheidung, da sie beides schon bestens bedient hat. Mit „Lost Boys“ bietet sie nun eine neue Trilogie an, die sich um drei verlorene Jungs dreht, die ihre Liebesgeschichten bekommen, um aus gebrochenen gereifte Persönlichkeiten zu werden. Auch wenn es vielleicht etwa blöd klingt, aber gebrochene Persönlichkeiten haben immer einen besonderen Reiz, denn dann kann man von den Geschichten oft genau die Tiefe erwarten, die ich am liebsten mag, besonders eben, wenn Emma Scott als Autorin drauf steht. Dementsprechend enthusiastisch bin ich an „The Girl in the Love Song“ herangegangen.

Den Einstieg in das Buch fand ich sehr gelungen, denn bereits in dem zarten knapp kindlich/jugendlichem Alter, in dem sich Violet und Miller kennenlernen, sind ihre Persönlichkeiten sehr gut zu erkennen und man mag beide auf Anhieb. Auch wenn es zunächst mehr um Violets Perspektive geht, um so die Geheimnisse von Miller noch etwas verborgen zu lassen, bekommt man von beiden einen guten Eindruck und man begreift, auch wenn diese jungen Menschen vielleicht noch nicht völlig sexualisiert denken, dass sie gerade einen Bund fürs Leben geknüpft haben. Deswegen war es clever von Scott gemacht, gleich hier am Anfang anzusetzen, weil man so viel besser die spätere Emotionalität zwischen ihnen nachvollziehen kann. Bei Miller wird mit seinem Diabetes noch ein spannender Aspekt eingebracht, der über alles ein Damoklesschwert hebt, der aber auch gut recherchiert scheint, so dass ich das Gesundheitsbild gut eingearbeitet empfand.

Nach diesen ersten sehr positiven Ansätzen kommt es zum ersten Zeitsprung und ab hier tun sich die ersten Schwächen auf. Zeitsprünge sind ein gerne gewähltes Mittel und das kann ich auch sehr gut nachvollziehen und dennoch ist Zeitsprung eben nicht Zeitsprung. Scott verlässt sich in diesem Band auf sehr viel Zeitsprünge. Auch wenn ich das für die inhaltlichen Ziele zwischendurch unterstützen kann, so nimmt es von der emotionalen Wirkung auch viel weg. Denn immer wenn man sich gerade an die Figuren, ihr Denken, ihre Pläne etc. gewöhnt hat, dann gibt es einen Cut und wir sehen uns wieder einer neuen Situation ausgesetzt. Auch wenn Miller und Violet im Kern natürlich dieselben Menschen bleiben, so hatte ich mit der Violet, die kurz vor ihrem Schulabschluss steht, doch so meine Probleme, denn das sanftmütige und höchst empathische Wesen verkehrte plötzlich in neuen Kreisen, die so gar nicht zu ihr passen wollten. Das sind so kleine Aspekte, die sich immer wieder zeigen, wo ich das Gefühl hatte, ich habe neue Ausgangsbedingungen, komme aber nicht schnell genug hinterher, bis es schon wieder weiter in der Zukunft vorangeht. Das war doch sehr schade, weil ich das so von Scott noch nicht kenne, zumindest nicht in diesem doch fast schon exzessiven Ausmaß.

Dennoch nimmt sich Scott natürlich auch genug Zeit für sehr innige Momente und das sind die großen Stärke. Die Liebesgeschichte zwischen Miller und Violet wirkt so trotz der Stolperstellen immer episch, weil Scott es mit tollen Worten schafft, hier die Verbindung zu verdeutlichen. Auch der Musikaspekt ist sehr willkommen, denn durch die Songtexte ist diese tiefsinnige Ebene noch einmal verstärkt worden. Generell mag ich Musik als Transportmittel von Emotionen sehr geschickt. Es ist nicht das erste Mal bei Scott, was auch zeigt, dass sie die Stärken selbst erkannt hat. Umgekehrt muss man aber wieder sagen, dass es abseits von Miller und Violet mit der Charakterarbeit sehr schwach ist. Nachdem wir die anderen beiden Lost Boys Holden und Ronan kennengelernt haben, die definitiv vielversprechend sind, verschwinden sie ein wenig aus der Geschichte. Hier verzeihe ich es aber noch, weil wir die volle Dosis in den Folgebänden noch bekommen werden. Aber andere Figuren wie Violets Eltern, Millers Mutter, Evelyn, das waren alles Abziehfiguren, die keine eigene Persönlichkeit entwickelt haben. Das ist sicherlich auch den Zeitsprüngen geschuldet, aber sich nicht nur, denn die Autorin wollte sich glaube ich auch gar keine große Mühe geben. Evelyn ist einfach allgemein etwas unglücklich gelungen, bei ihr begreift man aber noch am ehesten, warum sie tut, was sie tut. Die anderen versinken aber endgültig in Klischees.

Fazit: „The Girl in the Love Song” macht Lust auf eine neue Reihe von Emma Scott, aber setzt gleichzeitig die Messlatte nicht unerreichbar hoch. Die Liebesgeschichte ist sehr innig und durch die Musik magisch inszeniert worden, aber die zahlreichen Zeitsprünge waren hier nicht das ideale Mittel der Wahl. Es wurde Emotionalität und Nachvollziehbarkeit geraubt, was durchaus ein kleiner Wehmutstropfen ist.

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Veröffentlicht am 22.08.2022

Absurdes inhaltliches Korsett bei eigentlich guter Liebesgeschichte

Über die dunkelste See
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Still und heimlich ist die Compass-Reihe noch um einen vierten Band erweitert worden, der uns erst 2023 erwartet, aber ich hatte gedacht, mit dem dritten Band, „Über die dunkelste See“ sei die Reihe abgeschlossen. ...

Still und heimlich ist die Compass-Reihe noch um einen vierten Band erweitert worden, der uns erst 2023 erwartet, aber ich hatte gedacht, mit dem dritten Band, „Über die dunkelste See“ sei die Reihe abgeschlossen. Aber egal, erstmal volle Konzentration auf eben diese dritte Veröffentlichung, die sich Damian widmet, den wir im zweiten Band als sehr grüblerischen, aber auch sehr treuen Freund kennengelernt haben. Dementsprechend war ich gespannt auf seine Geschichte und war doch überrascht, in was für eine absurde Konstruktion diese gesteckt wurde, denn ich kam mir fast vor wie in einem modernen Märchen von Aschenputtel, aber eins nach dem anderen.

Cherry ist für mich ohnehin eine Autorin, die sehr poetisch schreibt und damit eben auch fast manchmal wie märchenhaft und dennoch übertreibt sie es manchmal nur mit der Dramatik, nicht aber mit dem Realitätscheck. Denn ich fand die erzwungene Hochzeit, bei der alle brav mitmachen, obwohl sich Stella gerade in einer Beziehung befindet, doch sehr seltsam. Dazu dann die drei Stiefmütter, die auf das Erbe schielen und ständig wie böse Feen über dem Geschehen schweben, ich fand das doch sehr anstrengend, auch weil es zu einer Figur wie Damian überhaupt nicht gepasst hat. Stella ist etwas naiv und ich kann mir vorstellen, dass sie Kevins Ideen wirklich einfach nur befolgt, weil er es sich eben gewünscht hat, aber Damian? Man merkt an meinen teilweise ironischen Worten vermutlich deutlich, dass ich mich extrem schwer mit der Geschichte getan haben, vor allem überhaupt erstmal reinzufinden. Denn als das Testament verlesen wurde, da musste ich mich schon am aggressiven Augenrollen hindern. Und diese kritischen Worte sind so schade, weil Cherry es im Grunde wieder wie im Schlaf schafft, eine zutiefst berührende Liebesgeschichte zu schaffen. Zwischen Damian und Stella ist ohne Frage etwas Magisches entstanden, aber dies hätte nicht in diesem inhaltlichen Korsett verpackt werden müssen…

Stella war zwar eine Figur, die ich oft genug hätte schütteln können und ihre Beziehung mit Jeff war nur ein Faktor von vielen, aber gleichzeitig fand ich sie auch nachvollziehbar gestaltet angesichts ihrer Geschichte. Es war schwierig, aber sinnig. Zudem wurde ich letztens durch ein Buch von Kyra Groh wieder daran erinnert, wie wenig Übergewicht leider konkret in den Genres New Adult und Liebesgeschichten behandelt wird, weswegen ich es toll fand, dass es bei Stella so offensiv angegangen wurde. Zwar war es mir angesichts der drei Stiefmütter auch hier völlig übertrieben, wie sie sie fertig gemacht haben und dass am Ende die Ausrede gesucht wurde, dass sie nur enttäuscht waren, für Kevin nie die Nummer Eins zu werden, aber dennoch war es effektiv um das Trauma einer Essstörung und nicht gut genug zu sein, zu installieren. Ich habe jedenfalls mit jeder Faser mit Stella gefühlt und fand es toll, dass sie mit Damian jemanden gefunden hat, der keine Zahl in ihr sieht, sondern einen Menschen.

Denn umgekehrt hat sich Stella ja auch bemüht, den Menschen in ihm zu sehen, denn er hat es auch ganz schön schwer gemacht. Natürlich wussten wir schon durch den zweiten Band, dass der tolle Mensch da ist, aber dennoch hat er sich oft genug sehr arschig verhalten dürfen und es brauchte seine Zeit. E war schön, wie er sich irgendwann einfach auf das einlassen konnte, was sie ihm gespiegelt hat und deswegen alles zulassen konnte, was in ihm steckt. Dennoch fand ich es auch etwas schade, dass er etwas hinter Stella zurückstand. Das mag daran liegen, dass er eben auch schon in Band 2 entwickelt worden ist und deswegen bei Stella noch etwas nachgeholt werden musste, dennoch stand ihr Trauma viel deutlicher im Fokus als seins, obwohl er als Kind, durchgereicht durchs Pflegesystem, selbst genug zu erzählen gehabt hätte. Das ist zwar auch angedeutet worden, aber definitiv untergeordnet. Dennoch war ihre Geschichte beschränkt auf sie beide sehr gut, alles drum herum war aber völlig überstilisiert und hat der Geschichte etwas Unnatürliches gegeben, schade.

Fazit: Eigentlich ist auch „Über die dunkelste See“ wieder eine tolle Liebesgeschichte, aber eine Liebesgeschichte, die in einer großen Absurdität verpackt worden ist. Die erzwungene Heirat ist für mich nun kein Muster, was ich in so einer Geschichte brauche. Hier hat sich Cherry in meinen Augen definitiv verrannt.

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Veröffentlicht am 25.04.2022

Hätte es gerne lieber gemocht

Starlight Full Of Chances
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Mounia Jayawanth habe ich vor einem Jahr etwa doch sehr interessiert im neuen Lyx-Programm entdeckt, denn nicht nur, dass sie auch auf einen deutschen Standort setzt, sondern ihre Figuren sind auch wegen ...

Mounia Jayawanth habe ich vor einem Jahr etwa doch sehr interessiert im neuen Lyx-Programm entdeckt, denn nicht nur, dass sie auch auf einen deutschen Standort setzt, sondern ihre Figuren sind auch wegen ihres eigenen kulturellen Hintergrunds sehr divers gestaltet, was ich auch wichtig finde, denn es ist überall multikulturell und es ist so nur sinnig, das repräsentativ abzubilden. Dennoch habe ich mich mit dem ersten Band ihrer One-Night-Reihe etwas schwer getan. Die Erzählstimme war zwar herrlich frech und lustig, aber gerade inhaltlich und von den Charakteren her hat noch nicht alles gepasst. Da das aber oft meine Beobachtung bei ersten Bänden ist, bin ich an „Starlight Full of Chances“ sehr optimistisch rangegangen.

Zunächst widme ich bei dieser Rezension gerne dem absolut stärksten Teil dieses Bandes und das ist definitiv die Thematik der sexuellen Belästigung, die sehr intensiv und vor allem gut behandelt wurde. Es war absolut passend, dass mit Vicky eine sehr toughe Frau im Vordergrund stand, die vermeintlich über den Dingen steht und unerschütterbar scheint. Vor allem war natürlich auch wichtig, dass sie mit ihrer Sexualität, ihrer Körperlichkeit und ähnlichem völlig im Lot ist, weswegen sie gerne flirtet und gerne viel Sex hat, ohne gleich aber eine emotionale Beziehung eingehen zu müssen. Ausgerechnet sie erlebt in der Silvesternacht einen Fall von sexueller Belästigung, der zwar vermeintlich gut ausgeht, aber dennoch ist Vicky traumatisiert. Ich fand es gut, dass für die Geschichte nicht bis zum Äußersten gegangen wurde. Zum einen weil es thematisch echt harter Tobak ist und zum anderen weil so eindrucksvoll dargestellt wurde, wo das Unrecht bereits beginnt und wie die verschiedenen Denkarten zu diesem Thema sind. Das war alles wirklich akribisch, aufrüttelnd und einfach echt dargestellt, sowohl eben aus Opferperspektive als auch aus der Perspektive der Beistehenden. Davor ziehe ich definitiv den Hut.

Ansonsten zeigen sich aber wieder recht ähnliche Probleme mit den Personen und der Liebesgeschichte, was etwas schade ist, weil mir so in diesem Punkt die Weiterentwicklung fehlt. Bei der Ausarbeitung der Figuren ist zunächst einmal wieder offensichtlich, dass die Hintergrundgeschichten recht dünn ausgearbeitet sind. Es blitzen immer wieder Infos auf, aber dennoch hatte ich zwischendurch immer wieder neue Fragen zu ihnen im Kopf, die aber dann nicht beantwortet wurden, was sich unvollständig anfühlt. Zudem steht Vince deutlich hinter Vicky zurück. Sie ist nicht nur von ihrer Persönlichkeit her die dominante Figur, sie ist auch zwischen den Seiten. Vielleicht klingt dominant auch wieder zu negativ, denn ich fand es gut, dass sie besser greifbar war. Die Frage ist nur immer, muss das auf Kosten anderer gehen? Bei Vince kam auch hinzu, dass mit seiner Vergangenheit ein kleines Geheimnis verbunden war, das so lange wie möglich im Dunklen bleiben sollte. Folglich waren seine Gedankengänge oft verschleiert und das hat natürlich auch nicht geholfen, ihn wirklich zu verstehen.

Damit wären wir auch gleich bei den Figuren zusammen, denn Vinces ständiges Wegstoßen von Vicky hat mich spätestens beim zweiten Mal richtig genervt und das ist für eine Liebesgeschichte sehr, sehr gefährlich. Wenn ich einmal das ganze Bild von Vince habe, verstehe ich ihn natürlich und will ihm diese Gefühle nicht absprechen, aber es war im ersten Drittel schon sehr ätzend. Zumal eben das Gefühl entstand, dass die beiden sich immer nur kurz sehen, er stößt sie weg und Funkstille. Das ist nicht unbedingt das Konstrukt, das mich mehr erhoffen lässt. Die beiden bekommen am Ende schon noch irgendwie die Kurve, aber einfach war das wieder nicht, zumal sie auch inhaltlich oft mit den Köpfen aneinander geknallt sind, was mir eigentlich schon den Eindruck verschaffte, so richtig funktioniert es zwischen ihnen nicht. Aber es gab eben ein Happy End. Eins, das beide glücklich gemacht hat, aber so einfach war es für mich als Leserin nicht.

Fazit: Mounia Jayawanth nimmt sich eines unfassbar wichtigen Themas an und leistet dabei vorzügliche Arbeit, weil viele Facetten toll abgebildet wurden. Von den Figuren und der Liebesgeschichte her ist es wieder etwas schade, weil das Gerüst hier nicht ganz so detailliert ist und das Miteinander war auch mehr Arbeit als natürliche Chemie. Etwas schade für den Gesamteindruck.

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Veröffentlicht am 19.04.2022

Thematisch Eiskunstlaufen gesucht

Right Now (Keep Me Warm)
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Die Love NXT-Reihe von Anne Pätzold hat mich wirklich eiskalt erwischt und das im positiven Sinne, da ich nicht damit gerechnet hatte, mich von einer Liebesgeschichte rund um K-Pop so begeistern zu lassen. ...

Die Love NXT-Reihe von Anne Pätzold hat mich wirklich eiskalt erwischt und das im positiven Sinne, da ich nicht damit gerechnet hatte, mich von einer Liebesgeschichte rund um K-Pop so begeistern zu lassen. Deswegen war ich bei „Right Here“ dem Auftakt der On Ice-Reihe wirklich sehr gespannt und war dann doch eher enttäuscht. Denn ich hatte damals ausschnittsweise die Ankündigung zu der neuen Reihe im O-Ton mitbekommen und war sofort begeistert, dass es um Eiskunstlaufen gehen sollte. Jedoch war er bei „Right Here“ schon viel weniger thematischer Hintergrund, als ich gedacht hätte und das ist mit „Right Now“ sogar noch mal weniger geworden, was ich kaum für möglich gehalten hätte. Deswegen fällt mir die Bewertung auch extrem schwer, denn ich bin definitiv enttäuscht, weil in „Right Now“ es auch jede andere Sportart hätte sein können, die Aaron betreibt. Andererseits ist es natürlich beeindruckend, dass Anne Pätzold wiederum die Beschäftigung mit mentaler Gesundheit noch einmal getoppt hat. Das ist definitiv im Wert nicht zu unterschätzen, weswegen definitiv zwei Herzen in meiner Brust schlagen.

Schon für Lucy führte der Weg eher vom Eiskunstlaufen weg, aber es gab immerhin noch einige Szene auf dem Eis, die ein wenig in die Materie eingeführt haben, so dass ich gedanklich dort miteinsteigen konnte. Bei Aaron ist es aber deutlich mit einem Trauma verbunden, weswegen Eiskunstlaufen für ihn eher eine ferne Erinnerung ist. Grundsätzlich finde ich es spannend, einen schweren Sturz thematisch so zu verarbeiten, aber dann hätte ich mir dennoch einen anderen Schwerpunkt für die Geschichte gewünscht, denn gerade der Genesungsprozess kommt am Ende relativ kurz, so dass eben wieder wenig auf dem Eis stattfindet. Das hätte man definitiv ganz anders aufbauen können. Und dann kommt eben hinzu, dass Marleigh noch einmal einen Haufen eigener Traumata mitbringt. „Right Now“ ist insgesamt daher eine echt düstere Lektüre geworden, für die die Triggerwarnung sich mehr als gelohnt hat. Es gab auch leichte Momente, das will ich nicht leugnen, doch die Grundstimmung war sehr gesetzt, weil beide regelmäßig, dann oft abwechselnd von ihren Dämonen heimgesucht wurden. Gerade Marleigh war zum Mitleiden echt hart, denn man war mitten mit ihr in ihren Panikattacken und es war schon beklemmend, wie stark ihre Gefühle auf mich übergingen. Deswegen mache ich drei Kreuze, dass nach „Right Here“, wo die Eltern nicht gut weggekommen sind, es bei „Right Now“ wenigstens den Ausgleich mit unterstützenden Eltern gab, denn sonst wäre es wirklich viel zu düster geworden.

Auch wenn mir das Buch kaum mal Pausen zum geistigen Erholen gegeben hat, fand ich es schon beeindruckend, wie Aaron und Marleigh jeweils dargestellt wurden, weil es echt sehr authentisch wirkte. Im Grunde hatte es auch den Vorteil, dass eben beide auf ihre Weise betroffen waren, dass es nicht um ein Retter-Syndrom ging, sondern dass sie sich gegenseitig retten mussten. Da war auch von Vorteil, dass ich mich in vielem wiedererkennen konnte. Auch wenn ich mich jetzt ungerne mit Marleigh und Aaron auf eine Stufe stellen möchte, aber auch ich habe meine seelischen Tiefpunkte, wo es mir dennoch gelingt, für andere stark zu sein, weil es meinem Wesen entspricht, und dabei dann selbst zu heilen. Dementsprechend war dieser Ausgleich zwischen den beiden echt wohltuend. Wie immer wird dies natürlich dadurch gefördert, dass Pätzold erzählerisch schon in einer eigenen Liga unterwegs ist, weil selbst das tiefste seelische Loch noch von ihr durch ihre Erzählweise überzeugend umschifft werden kann. Dennoch konnte ich eben nie völlig abschütteln, dass ich mir die Geschichte anders vorgestellt hätte und zwar nicht nur ein bisschen, sondern vollkommen und finde es extrem enttäuschend, dass Pätzold gemäß „on ice“ nicht gehandelt hat.

Fazit: „Right Now“ ist wieder ein erzählerisch starkes Buch von Anne Pätzold, da die Frau einfach großartig schreiben kann. Trotz der emotional zehrenden Geschichte, für die man definitiv bereit sein muss, findet sie mit ihrer Art immer noch etwas Leichtes. Dennoch kann ich definitiv eine heftige Enttäuschung nicht abschütteln, denn wieder ging es kaum um Eiskunstlauf und ich habe mir von dieser Reihe einfach etwas anderes erwartet. Es war thematisch eher austauschbar, obwohl es das dank Eiskunstlauf niemals hätte sein müssen.

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Veröffentlicht am 10.04.2022

Muss sich noch einspielen

Whitestone Hospital - High Hopes
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Auf die neue Whitestone-Hospital-Reihe von Ava Reed habe ich mich wirklich sehr gefreut, denn zum einen bin ich eine riesige Anhängerin von Arztserien und zum anderen fand ich einfach, dass mir schon alleine ...

Auf die neue Whitestone-Hospital-Reihe von Ava Reed habe ich mich wirklich sehr gefreut, denn zum einen bin ich eine riesige Anhängerin von Arztserien und zum anderen fand ich einfach, dass mir schon alleine von der Grundidee her ein frischer Wind entgegenwehte. Das NA-Genre mag für mich zwar noch lange nicht ausgelutscht sein und dennoch darf man dabei auch niemals schlafen, weswegen ich es spannend finde, mal weg vom College zu kommen und sich stattdessen das Krankenhaus als Setting zu nehmen.

Auch wenn die Vorfreude auf „High Hopes“ (wie doppeldeutig der Titel ) wirklich groß war, ist mein Fazit zum ersten Band noch etwas zwiespältig. Ich habe auf jeden Fall gemerkt, dass Ava sehr viel Liebe und Akribie in die medizinischen Fakten gelegt hat, wovor ich den Hut ziehe, denn in so einem komplizierten Fach ist es wahrlich nicht einfach, die Authentizität zu wahren und sie hat sich auf das Risiko eingelassen. Jedoch fand ich stellenweise, dass kein richtiger Erzählfluss aufgekommen ist, weil sich die Autorin eben ein wenig an den Krankheitsbildern abgearbeitet hat. Gerade die ersten Tage am Krankenhaus, wo Laura dann ihre verschiedenen Patient*innen durchging und immer ausführlich erklärt wurde, was gerade vorliegt, ohne dass es aber für die Handlung entscheidend war. Ich bin zwar bei vielen Krankheitsbildern inzwischen sehr gewandt, dennoch glaube ich nicht, dass mir diese Häufung so störend aufgefallen ist, weil es mir so ‚bekannt‘ vorkam, sondern weil es eben zu sehr aneinandergereiht war. Natürlich braucht diese Reihe medizinisches Kontextwissen, sonst wäre das Krankenhaus als Setting absurd. Aber es darf nicht dazu kommen, dass die Krankheitsbilder etwas angeberisch wirken, während dafür die Handlung zu kurz kam. Zum Glück ist dieser Kritikpunkt nicht für den gesamten ersten Band zu nennen, denn ab dem zweiten Drittel ist eine deutliche Besserung zu sehen, wo medizinisches Fachwissen, tatsächliches Geschehen und persönliche Weiterentwicklung sich wirklich überzeugend ergänzen. Das zeigt also, dass es geht, weswegen ich auch schwer hoffe, dass es im Folgeband schon völlig getilgt sein wird.

Bei den Charakteren muss ich auch ein wenig kritisieren, wobei ich glaube, dass meine stellenweise Unzufriedenheit hier eben aus dem vorangegangenen Punkt resultiert, wenn sich das Geschehen teilweise zu sehr am medizinischen Fachwissen aufhält, weil dann eben weniger Zeit für die Charaktere an sich vorhanden ist. Zudem muss man natürlich sagen, dass es eine insgesamt vierbändige Reihe ist, für die noch viele Charaktere wichtig werden, weswegen dann auch hier und da schon Infos gestreut werden, die aber ebenfalls Erzählzeit vom eigentlichen Paar wegnehmen. Diese fehlende Erzählzeit ist mir besonders stark bei Nash aufgefallen, denn es war ohne Frage ein Ungleichgewicht in der Perspektive festzustellen. Laura bekommt mehr Raum zum Wachsen, sie hat die längeren Kapitel, sie hat mehr Kapitel und so lässt sich das beliebig fortsetzen, deswegen habe ich hinterher mit Erschrecken festgestellt, wie wenig ich eigentlich über Nash sagen kann. Über seine Familie und seine Vergangenheit ist kaum etwas durchgedrungen und wir erleben ihn eigentlich nur im Jetzt, was mir doch etwas wenig ist, denn ich will verstehen, warum Figuren sind wie sie sind. Über Laura kann ich deutlich mehr sagen, aber ich fand sie dafür teilweise nicht richtig stimmig. Die ersten Kapitel mit ihr haben mir einen sehr chaotischen Eindruck verschafft und sie wirkte da auch sehr kindlich und unreif irgendwie. Die spätere Laura lässt das nur noch in ihren Anfangstagen aufblitzen, ansonsten macht sie wirklich einen großen Wandel durch. Die spätere Laura gefällt mir da definitiv besser, denn der anfänglichen Laura hätte ich nur ungerne ein Leben anvertraut.

Diese Mängel bezogen auf die Einzelfiguren helfen natürlich auch nicht unbedingt, dass ich von den beiden als Paar völlig begeistert sein kann. Ich fand sie wirklich süß zusammen und ich hatte auch den Eindruck, dass die wirklich innigen Momente echte Chemie erzeugt haben, die sich auf mich übertragen haben, aber die Liebesgeschichte war auch recht einfach gestrickt. Es gab keinen langsamen Aufbau, die Gefühle waren auf einmal da, dann wurde es wieder langsamer in der Gangart, dann wieder auf der Überholspur. So wurde den beiden als Paar nicht alles ermöglicht, was sie verdient gehabt hätten.

Fazit: Nein, „High Hopes“ hat mich wahrlich noch nicht völlig hoffnungsfroh gemacht, aber eben auch keinesfalls hoffnungslos, denn die Grundidee ist grandios und ich glaube, dass sich einfach noch alles einspielen muss. Die Gewichtung der einzelnen Elemente stimmte einfach noch nicht, worunter vor allem Nash als Einzelperson und die beiden als Paar etwas leiden müssen. Aber es trieft aus allen Poren vor Potenzial, so dass ich der Reihe freudig entgegenblicke.

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